und Heidenheim. Ersterem seien 2 Abgeordnete zu­gedacht, obwohl die letztere 2000 Bewohner mehr habe, der bedeutendste im JagstkreiS sei und V« der Landarmenkosten des Kreises trage. Man könnte fast glauben, als ob durch die Vorlage Bürger 1. und 2. Klaffe geschaffen werden wollen. Die Vorlage sei nicht im Interesse der Regierung und nicht des Vol­kes und Landes. Wenn Redner für Eintritt in die Beratung stimmt, so thut er dies einzig in der Er­wartung, die Regierung werde dadurch die Grund­lage für eine neue Vorlage finden. Kanzler v. Weizsäcker beleuchtet auf historischem Wege, wie die Privilegierten in die Kammer hereinkamen und glaubt, daß wir dadurch eine Reihe von einsichts­vollen Männern erhielten, die den außerordentlichen Vorteil haben, daß sie keine Lokalinteressenten mit in das Haus herein bringen. Was das, zwar durch den Entwurf nicht gefährdete Privilegium der Uni­versität anlangt, so haben sich die Hochschulen dieses Recht durch "den großen Einfluß. den sie durch Jahrhunderte hindurch auf das öffentliche und Staats­leben ausgeübt, wohl erworben. Redner will für die Kommissions-Anträge, als die verbesserte Regier­ungsvorschläge stimmen.

30. Mai. (74. Sitzung.) Payer: Mit großen Hoffnungen haben wir die Vorlage erwartet und nun hat sie uns nicht nur Enttäuschung, sondern geradezu Verblüffung, mit Hohn gemischt, gebracht. Das ist keine Reform, sondern nur Reparatur. Seit Jahren sitzt der zweiten Kammer der Pfahl der Privilegierten im Fleisch, kein Wunder daher, daß verlangt wird, sie abzuschaffen. Aber die Regierung hängt an den Privilegierten, wie an der Lebenslänglichkeit der Orts­vorsteher. Wir werden »och in ganz Deutschland berühmt für unsere Zähigkeit, mit der wir an den alten Institutionen festhalten. Was es an Privile­gierten giebt, solche des Alters, des Amtes und der Geburt rc. scheint die Regierung konservieren zu wollen. Man wird diese Privilegierten einst in den Museen zeigen. (Heiterkeit.) Und das alles nur darum, daß das allgemeine Wahlrecht den Staatswagen nicht zerschelle. Das Volk würde gewiß seine Rechte nicht mißbrauchen und unsere Opposition sei so geduldig, daß der Herrscher unseres Landes nur glücklich zu schätzen ist. Für die Kammer wäre es nur zu begrüßen, wenn hier ein paar Sozialdem. einträten. Möchte doch ein Funken des modernen Bewußtseins in die Seele der Regierung fallen, daß sie der Liebe und dem Vertrauen des Voltes emgegenkommt und mögen die Regierungen der Kleinstaaten doch zu der Erkenntnis kommen, daß sie sich gegen die Aussaugungskraft des Großstaates schützen können, indem sie sich auf das Vertrauen des Volkes stützt. Nach dem, was Herr v. Mittnacht aber gestern gesagt, würden wir wohl das allgemeine Wahlrecht nicht nochmals bekommen. Gut, daß wir's schon haben! Der Standpunkt der Volkspartei sei der: Sie will das Einkammersystem, die reine Volks ­kammer und keine Privilegierten. Wenn die Regie­rung nur wolle, werde sie auch Zwetdrittelsmajorität für die Abschaffung der ersten Kammer finden. Wenn nicht, möge sie die Kammer auflösen und mit der ParoleAbschaffung der ersten Kammer"' in den Wahlkampf eintreten, dann werde sie die Majorität bekommen. Wir brauchen keine Vertretung der Sonder-

intereffen! Weit in die Kreise der Deutschen Partei hinein, mehr als ihre hiesigen Führer glauben, ja bis in die Kreise der Konservativen hinein, betrachte man die Kommissions-Anträge als Stückwerk. Lieber wollen wir warten. Das Volk kann warten; eS überdauert alle Gesetze und Institutionen. Er wolle es dem Ministerium Mittnacht gönnen, sich den Lor­beer der Verfassungs-Revision um seine Stirne zu schlingen, aber dann müsse der Plan auch etwas an­deres bieten. Unterliegen wir, so thun wir das mit der vollen Verantwortlichkeit für unfern Beschluß. Wir treiben keine unfruchtbare Prtnzipienretterei. Aber das Festhalten an guten Prinzipien habe auch einen hohen sittlichen Wert, zumal in einer Zeit, wo alles schwankt. Wir wollen an der politischen Ver­sumpfung, die dieses Revisiönchen bedeutet, nicht mit Schuld sein. Im nächsten Landtag hoffen wir mit unfern Anschauungen mehr Glück zu haben. Formell wird die Volkspartei für die Spezialberatung ein­treten, damit einmal die Frage gründlich debattiert und ferner denjenigen Gelegenheit gegeben wird, ihre Zustimmung in die That umzusetzen, die außerhalb des Hauses sich für die reine Volkskammer ausge­sprochen. Wird die Vorlage, was das Wahrschein­lichere ist, abgelehnt, so ist das Unglück nicht so groß. Wir werden ihr keine Thräne nachweinen! Jedenfalls wird die Bevölkerung es der sterbenden Kammer als ein Verdienst nachrühmcn, dieses Stückwerk einer Re­vision abgelehnt zu haben. (Lebh. Beifall.) Schluß folgt.

Laudesmchrichtell.

L. Altensteig, 31. Mai. Der letzte Mittwoch war für unsere Stadt ein Trauertag, wurde an dem­selben doch ein sorgender Familienvater und tüchtiger Arbeiter für Erziehung und Unterricht zu Grabe ge­tragen. Zeuge für die allgemeine Achtung und Liebe, die sich der Verstorbene, H. Schull. Krößler, während seines zweijährigen hiesigen Aufenthaltes erworben hatte, war die zahlreiche Begleitung zur Ruhestätte aus un­serer Stadt. Wie hoch der Verblichene bei seinen Kollegen in Ansehen stand, das zeigte das Erscheinen des größten Teils der Lehrerschaft unseres Oberamtes und dasjenige von Lehrern des O.-A. Freudenstadt. Ein Musterbild altdeutscher Treue und Anhänglichkeit war das Eintreffen einer Heidenheimer Deputation von fünf Männern mit der Vereinsfahne des Heiden­heimer GesangvereinsEintracht", deren langjähriger Dirigent H. Krößler gewesen war. Der Lehrerchor in Verbindung mit Mitgliedern des Liederkranzes übernahm den Gesang vor dem Trauerhaus und auf dem Friedhof. In rührender Rede schilderte Herr Stadtpfarrer Hetterich den lauteren Sinn des mir reichen Geistesgaben ausgestatteten Mannes, sein un­ermüdliches, thatkrästiges Wirken sowohl in seiner nun so verlassenen Familie als auch in Schule und im Privatleben. Mit tiefgefühlten Dankesworten schloß der Herr Redner. Herr Schullehrer Kümmel von Ebershardt gedachte der dem Verstorbenen in den letzten Jahren schon vorausgegangenen Kollegen, dankte für die Liebe, die der Verstorbene seinen Berufs- genoffen enlgegenbrachte und besonders für die ver­ständigen Ratschläge in Lehrerversammlungen und legte im Namen der Lehrerschaft des Oöeramtes einen Kranz am Grab nieder. Hierauf erklangen aus dem

gerade in diesem Augenblicke lügen? Denn der ihm jetzt gegenüber steht, vas ist kein fremder, ihm gleich­gültiger Mensch, das ist sein Sohn, sein Erstgeborener; und wie leicht kann nicht die väterliche Liebe das Urteil fälschen.

Er muß prüfen und auf den Grund sehen.

Was suchst du, Vater?" bricht endlich Wilhelm das Schweigen, das ihm peinlich zu werden beginnt.

«Ich sage es dir vielleicht später", erwidert der Staatsanwalt abwehrend; dann nach einer Pause fügt er hinzu:Es ist mir lieb, daß du kommst, ich habe mit dir zu reden."

Wilhelm errötet ein wenig.Ach, ich kann es mir denken", sagt er mit einem Versuche, gelassen zu bleiben, aber doch nicht ohne Beschämung,wegen heute morgen. Es hat mir sehr leid gethan. Daß ich auch gerade dir begegnen mußte! Ich bitte vielmals um Verzeihung!"

Du solltest so etwas nicht thun," versetzt sein Vater ernst, doch nicht hart.

Das sollte ja natürlich auch nicht so lange dau­ern," erwidert Wilhelm mit schwachem Lächeln; aber wenn man in Gesellschaft ist . . . und dann waren so viele alte Herren da . .

Ja, aber habt ihr denn bis in den Morgen gesessen?" fragt der Staatsanwalt. Er wirft die Worte leicht hin, als wäre es selbstverständlich, daß Wilhelm die Frage bejahen müsse.

Es war ja allerdings sehr spät geworden," er­widert Wilhelm ausweichend.

Ich meine," wiederholt nun der Staatsanwalt

mit stärkerer Betonung seine Frage,ob du gerade­wegs von der Kneipe nach Haus kamst?"

Wilhelm steht seinen Vater etwas unsicher an. Soll er ihm die Vorgänge verheimlichen, oder soll er alles sagen? Doch zuletzt siegt seine bessere Natur.

Ganz direkt ja gerade nicht, Vater," erwiderte er zögernd.

Aber wo in aller Welt wart ihr denn noch zu der späten Stunde?" fährt der Staatsanwalt fort.

Wilhelm wurde rot über das ganze Gesicht. Wir wollten noch eine Taffe Kaffee trinken," sagt er stockendund da . . . nun ja, da gingen wir dann noch in ein Kaffeehaus;" und er nennt das berüchtigte Cafe, das schon Herr Ehrecke als mutmaßliches Ziel angegeben hatte.

Es sah mir nicht so aus, als ob du vom Kaf­fee kamst," entgegnete sein Vater.Es schien mir viel eher, daß ihr noch Sekt gekneipt hattet."

Sekt?" wiederholt Wilhelm unwillkürlich. Sein Vater weiß also? Er hat ihm nachspioniert?Dann freilich/ sagt er trotzig,wenn du das alles weißt ... Na ja," fügt er dann hinzu,wir haben auch Sekt getrunken. Es war vielleicht nicht recht. Aber mein Freund Fred ist ja reich und kann's bezahlen."

So?" fragt der Staatsanwalt.Du sollst übrigens auch mehrere Flaschen bezahlt haben."

Wilhelm wird immer ärgerlicher und trotziger. Wenn er zuerst, als er seinen Vater in solcher Auf­regung sah, etwas wie Mitgefühl und Beschämung fühlte, so regt sich jetzt sein Stolz. Ist er ein Kind, daß man umherhorcht, was er treibt und wo er sich

Munde der Heidenheimer Gesandtschaft die wehmütigen Akkorde des Hohlfeld'schen Liedes: Verlaß mich nicht. Einer der Herren legte mit folgenden Worten einen Kranz vor das geöffnete Grab:

Von tiefem Weh ergriffen Ist unsere Sängerschar Der Man», der noch vor kurzem Ihr treuer Leiter war,

Er liegt erstarrt im Sarge,

Der Tod brach jäh sein Herz, Und mit den lieben Seinen Empfinden wir den Schmerz.

Gerndenken wir der Stunden, Die du bei uns verweilt,

Wir haben ja gemeinsam Stets Freud und Leid geteilt. Auch heut' in alter Treue Nimm hin deS Dankes Zoll, Die letzte Ehr' und Liebe. Nun ruhe sanft, schlaf wohl.

Ehre einer Gemeinde, einem Vereine, Ehre den Kolle­gen, die einen verdienstvollen Abgeschiedenen so ehren!

Der Art. in Nr. 61 über die Totschlagsaffaice ist dahin richtig zu stellen, daß Sackmann u. Gen. nicht morgens gegen 3 Uhr, sondern schon zwischen ,10 und 11 Uhr" die Linde in Erzgrube verließen.

* Ein schwerer Bahnunfall kam in der Nacht vom Mittwoch auf Donnerstag vor. Zwischen Gingen und Geislingen trennte sich bei Güterzug 813, der die Strecke fahrplanmäßig von 11" bis 12" nachts zu befahren hat, infolge Bruchs des Tender- bolzenS die ZuglokomottveDitzenbach" von Tender und Zug. Das Personal der Lokomotive stürzte auf das Gleis, dem Lokomotivführer Frei von Ulm wurde ein Fuß abgefahren, während der Heizer mit einer leichten Verletzung davon kam. Die führerlose Loko­motive konnte nicht aufgehalten werden, durchfuhr die Station Geislingen und stieß auf der Station Am­stetten auf das Ende des Güterzugs 811, der auf der Station stand. Der Wagenwärter Schmidblaicher von Stuttgart wurde bei dem Zusammenstoß sofort getötet, der Stationswärter Gugenhahn erlitt eine schwere Verletzung. Der Schlußwagen des Zugs wurde zertrümmert, die LokomotiveDitzenbach" wurde stark beschädigt und entgleiste. Das durch den Unfall gesperrte Gleis war nach einigen Stunden wieder fahrbar.

* Heilbronn, 31. Mai. Am Schlüsse der heutigen, unter dem Vorsitze des Oberbürgermeisters Hegelmaier stattgehabten Gemetnderatssttzung gab das älteste Gemeinderatsmitglied die Erklärung ab, daß die überwiegende Mehrheit des Gemeinderats beim Oberamte um ihre Entlassung aus dem Kollegium nachsuchen werde, da sie mit Oberbürgermeister Hegel­maier nicht länger zusammenzuwirken in der Lage seien. Hegelmater erwiderte, er würde diesen Schritt sehr bedauern and glaube, daß irgend welche Gründe dafür nicht vorhanden seien. Die früheren Vorgänge seien von ihm vollständig vergessen und er möchte bitten, daß dies auch seitens der Kollegien geschehe- Als hierauf einige Gemeinderatsmitglieder ums Wort bitten, hebt Hegelmaier unter Hinweis auf die vor­gerückte Stunde die Sitzung auf. Dem hierauf er­folgten Protest eines Gemeinderatsmitglieds hält Hegelmaier entgegen oaß er laut Verwaltungsedikt berechtigt sei, die Sitzung jederzeit aufzuheben. Damit ist der Konflikt wieder fertig. (Aber wer hat ihn angefangen?)

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* Würzburg, 28. Mai. Vom hiesigen Mili­tärbezirks geeicht wurden zwei Reservisten, Gottlieb Faul und Johann Zeis, zu empfindlichen Strafen verurteilt. DieFranks. Ztg." meldet darüber fol­gendes: Bei der vorjährigen Reseroistenentlassung im

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aufhält? Ist er nicht alt genug, um das selbst zu bestimmen, was er thun und lassen will?

Möglich!" sagt er deshalb kurz, indem er mit den Achseln zuckt, bereit die Strafrede, die jetzt kom­men wird, mit Gleichmut zu ertragen.

Aber die Strafrede bleibt aus. Der Staatsanwalt schreitet mit großen Schritten im Zimmer auf und ab, die Augen zu Boden gerichtet, als hätte er ver­gessen, daß sein Sohn anwesend ist.

Woher hattest du das Geld?" fragte er dann, indem er plötzlich stehen bleibt und mit einem Ruck sich umdreht, so daß er Wilhelm in die Augen steht.

Wilhelm beharrt in trotzigem Schweigen.

(Fortsetzung folgt.)

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Was ist das Glück?

Das nenn' ich Glück, wenn mir die tiefste Seele Von Allgewalt der Leidenschaft durchbebt,

Wenn alles Ahnen, Fühlen, Denken, Wollen In heißem Kampfe nach Befreiung strebt,

Und mit deS harten Schicksals dunkeln Schwingen Die Kraft des Lebens will um's Leben ringen!

Das nenn' ich Glück, wenn von der Kraft entzündet, Die in dem Strom der Harmonien schwillt, Begeisterung glühend mir das Herz durchlodert,

Die reinste Flamme licht der Brust entquillt,

Und mich dorthin trägt, wo in ew'ger Klarheit Die Schönheit waltet in dem Reich der Wahrheit!

Das nenn' ich Glück, wenn mir erfüllte Sehnsucht Die Seele ganz in Rausch der Wonne wiegt,

Ja, wenn der heißen Allgewalt der Liebe,

Dem sel'gen Augenblick die Kraft erliegt;

Und, wie ein Wunder, was so süß mich zwinget, In tiefster Schwäche höchste Kraft mir bringet!