Jetzt, nach ihrem Tode, zeigte stch, daß die vermeintlich arme, bedürftige Frau 2709 Mk. in der Sparkasse und als Notpfennig 1700 Mk. wohlverborgen im Strohsack hatte, worin stch nun die lachenden Erben teilen dürfen. Die Stadtgemeinde Urach hat durch Beschluß der bürgerlichen Kollegien der Ma­schinenfabrik Eßlingen, sowie Rudolph Fecht, Werk­meister, und Kaufmann Karl Maurer in Urach die Genehmigung zur Errichtung eines Elektrizitätswerkes erteilt. Von der Beteiligung der Interessenten wird es abhängen, ob das Elettrizitätswerk bis Herbst d. I. zur Ausführung kommt. Während eines Gewitters schlug der Blitz in das Anwesen des Ge­meindepflegers Lott in Stetnenderg, Gemeinde Steinach, und zündete. Den Bewohnern gelang es mit knapper Not ins Freie zu flüchten. Vom Inven­tar konnte fast nichts gerettet werden, auch kamen 14 Stück Vieh in den Flammen um. In HLi­ste r k i r ch brannte ebenfalls infolge Blitzschlags ein Söldneranwesen nieder, wobei 3 Stück Vieh zu Grund gingen. In Baiersbronn kam das 3jährtge Kind des Holzhauers Faitzt während der Abwesenheit der Mutter dem Herdfeuer in der Küche zu nahe, infolgedessen die Kleider Feuer fingen und das Kind derartige Brandwunden erlitt, daß es kurze Zeit darauf starb.

* In Karlsruhe hat stch der Zentralasststent Bachmann, der seit 10 Tagen vermißt wurde, im Rhein mit seinen zwei Kindern, einem Knaben von 9 Jahren und einem Mädchen von 5 Jahren er­tränkt. Die Leichen wurden bei Sondernheim (Germersheim) geländet. Die Kinder waren an den Vater angebunden. Das Motiv dieser Thal soll Un - treue der Gattin sein.

* Mannheim, 28. Mai. An mehreren Stellen des Odenwalds sind gestern starke Schneefälle ein­getreten.

* Neckarbischofsheim, 25. Mai. In den letzten Tagen kam hier der merkwürdige und gewiß seltene Fall vor, daß zwei Krieger aus dem Feldzug 187071, die bei Belfort gegen einander im Feuer standen, kurz nach einander beerdigt wurden. Der eine, ein Neckarbischofsheimer, kämpfte unter General Werder, der andere ein Elsässer aus Mühlhausen, unter General Bourbacki. Noch in gesunden Tagen erzählten sie einander bei Begegnung ihre Kriegser­lebnisse, erkundigten stch auch auf dem Krankenlager nach einander und ruhen nun als müde Kämpfer neben einander auf dem hiesigen Friedhof, bis zum letzten großen Appell. Beide wurden mit militärischer Ehre zu Grabe geleitet, also auch der einstige Gegner, was nicht nur diesem, sondern auch seinen Neckar- bischofsheimer Kriegskameraden zur Ehre gereicht.

* Ein badischer Reichstagsabgeordneter, ein be kannter, in seiner badischen Heimat in hohem An­sehen stehender und einer reizenden Häuslichkeit sich erfreuender Großkaufmann kam in den Parlaments­ferien nach Hause und ließ stch die Schulzeugnisse feiner kleinen Sprößlinge vorlegen. Als alles zur Zufriedenheit erledigt ist, fragt der Jüngste:Und Du Papa, der Wievielte sitzest Du denn im Reichs­tag ?"

* Berlin, 28. Mai. Wie in Berlin gebaut wird

und nach den daselbst bestehenden gewerblichen und polizeilichen Vorschriften gebaut werden kann, das ging heute aus einem äußerst traurigen Vorfall bei dem Umbau eines alten Hauses in der Kochstraße hervor, der mehreren Bauarbeitern den Tod oder schwere Verletzungen zuzog. Auf einem uralten, bereits gänzlich brüchigen und rissigen Kasten wollte ein Bau­spekulant noch einen neuen Stock aufsetzen. Nach den Berichten der Blätter hatten die Sachverständigen, die das Umbauprojekt zu begutachten hatten, stch zwar dahin ausgesprochen, daß das alte Haus diesen Um­bau nicht aushalten könne, trotzdem aber wurde die polizeiliche Erlaubnis erteilt. Bei dem Bau aber stürzte das alte Gerümpel vollständig in stch zusam­men und richtete entsetzliche Verheerungen an. Die Gefahr weiteren Einsturzes war sehr ernst, da die ganze Vorderfaffade sich nach außen gebogen hatte. Die Rettungsarbeiten wurden durch die morsche Be­schaffenheit des Baus erschwert. Sowie man einen Teil der Schuttmassen beseitigt hatte, stürzten andere Massen nach. Die Schilderungen der Schwierigkeiten der Rettungsarbeiten sind geradezu ergreifend. Was sind das für Zustände!

* Breslau, 29. Mai. Hier starb plötzlich eine Arbeiterfrau an der Cholera, wie das Breslauer Hygieinische Institut konstatiert.

Ausländisches.

*Jn Prag besteht der Konflikt wegen den Straßen­tafeln noch immer fort. Es ist ein recht bezeichnendes Bild österreichischer Zustände, wenn darüber ein er­bitterter Streit entbrennen kann, ob die Straßen­bezeichnungen in allgemein verständlichen Bezeichnungen an den Häusern angebracht werden sollen. ES giebt in Prag althistorische Straßen und Plätze, die deutsche Namen haben. Diese werden nach dem Beschlüsse des Staatsrates umgetauscht und erhalten Benenn­ungen, die kein Mensch, weder Deutscher noch Tscheche, versteht. Das wäre am Ende noch gleichgültig, wenn eine deutsche Uebersetzung die einem zwei­sprachigen Lande entspricht beigefügt wäre. Das wollen aber die Tschechen, seit sie vor dem Ber- waltungsgerichtshofe in Wien den Sieg in der Straßentafelfrage erstritten haben, nicht: sie suchen im Gegenteil die Deutschen in jeder Beziehung zu reizen. Nicht allein, daß die Tafeln nur tschechisch abgefaßt sind, werden sie auch noch in den slawischen Farben angemalt und gerade an den Häusern hervor­ragender Deutscher, deutscher Anstalten, Schalen u. s. w. angeschlagen. Daraus ergeben stch Kon­flikte, und die Geniedirektton in Prag hatte einen ersten Strauß mit dem Vizebürgermeister, weil dieser an dem militärischen Gebäude eine seiner pariflawi stischen Tafeln anbringen wollte. Als trotz Protestes in der Nacht die Tafel angeschlagen wurde, ließ der kommandierende Major sie von Soldaten wieder ent­fernen. Es geht so weit, daß einzelne Hausbesitzer, nur um die Deutschen zu ärgern, Tafeln mit rus­sischen und französischen Bezeichnungen anschlagen, und es hat stch eine Erbitterung in Prag herausge­bildet, die zu Besorgnissen Veranlassung giebt.

* (Vom Traualtar in den Tod.) Eine Tragödie aus dem Leben, wie sie die Phantasie des Dichters so erschütternd nie ersinnen könnte, wird aus Stuhl­

weißenburg (Ungarn) gemeldet: Marie Karlovits, das schönste Mädchen von Szarhegy, feierte ihre Hoch­zeit mit dem Erwählten ihres Herzens, einem Witwer Namens Stefan Schweiger. Nach der kirchlichen Ceremonie, welche in Szabad-Batthyan stattgefunden hatte, fuhr das Neuvermählte Paar mit den Hoch­zeitsgästen nach dem Dorfe zurück. Es hatten ihrer acht Personen in dem Wagen Platz genommen; der Kutscher, ein übermütiger Bauernbursche, Namens Lud­wig Vargha, hieb wütend auf die Pferde ein, daß diese wie rasend vorwärts jagten. Man war bereits ins Dorf gelangt, da prallte der Wagen am Rande eines Grabens an einen Stein, ein Stoß und ein Teil der Insassen flog im weiten Bogen hinaus, die Anderen kamen unter den Wagen zu liegen. Die schöne Braut flog mit dem Kopfe gegen einen Stein und gab wenige Minuten nachher den Geist aus, der Bräutigam erlitt eine schwere Gehirnerschütterung, ! und auch die Anderen trugen mehr oder minder >

schwere Verletzungen davon. Der Kutscher, dessen Mut- !

Wille das Unglück verschuldet, wird zur Verantwor- ^ Lung gezogen werden.

* St. Gallen, 26. Mai. Ja Goßa« beobachtete man am Freitag abend, daß die elektrische Leitung nach allen Seiten in bunten Funken sprühte. Das Schauspiel lockte viele Zuschauer herbei. Darunter war auch Herr Kantonsrat Schoffhauser in Andwil, der in der Meinung, daß die Drähte isoliert seien, einen Draht berührte. In demselben Augenblick er­hielt er einen furchtbaren elektrischen Schlag, der ihn wegschleuderte und ihm momentanen Tod brachte.

Alle Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos. >

*Petersburg, 29. Mai. Ein kaiserlicher Ukas i entzieht den Ministern, Gouverneuren und sonstigen ! hohen Beamten die Macht, Subalternbeamte zu er­nennen oder zu entlassen und stellt den unter unmittel­barer Kontrolle des Kaisers stehenden Spezial-Kon- trollausschuß, welcher unter dem Kaiser Nikolai be­standen hat, wieder her.

* (Sieben Jahre unschuldig im Bagno.) Aus Syracus wird geschrieben: Seit dem 14. Mai 1887 lebt Felice Micelli als Galeerensträfling, zu lebenslänglicher Strafe verurteilt, in unserem Bagno.

Er war des Mordes, vollführt an seiner Frau, schuldig befunden worden. Die That war mit seinem Dolche begangen und Micelli selber blutbedeckt auf­gefunden worden. Umsonst beteuerte er seine Un­schuld, umsonst gab er an, das Messer habe er an ' jenem Tage gar nicht bet stch getragen, sondern es habe offen auf dem Tffche gelegen; umsonst erklärte

er, die Blutflecken rührten davon her, daß er stch im Schmerze über den Leichnam seiner Frau geworfen habe. Man glaubte ihm nicht, und er wurde erst zu 20 Jahren Galeere, dann auf Berufung des Staats­anwalts hin zu lebenslänglicher Galeerenstrafe ver­urteilt. Jetzt endlich nach sieben Jahren wurden die wirklichen Mörder entdeckt, zu je 20 Jahren Zuchthaus verurteilt und Mic -lli fretgesprochen und sogleich aus dem Bagno entlassen.

Kaus- und Landwirtschaftliches.

* Gewährleistung keim Diehharrdek. In der '

letzten RetchZtagssession war ein Antrag etngebracht worden, welcher ein Retchsgesetz über die Gewähr-

Aer Staatsanwalt.

Kriminal-Roman von Paul Michaelis.

(Fortsetzung.)

Nun, dann kümmern Sie sich um Ihre Sachen, verstanden ?" erwiderte dieser, während er hinausschritt.

Der Hausknecht aber schaute ihm grinsend nach und als der Staatsanwalt um die Ecke gebogen war, machte er ihm eine verächtliche Gebärde nach. Dann ging er pfeifend an seine Arbeit.

Mit starken Schritten schritt der Staatsanwalt feiner Wohnung zu, während in seinem Innern wilde und furchtbare Gedanken miteinander rangen und ihn von Furcht zur Hoffnung und von der Hoffnung zu neuen Befürchtungen zerrte. Es stand über ihm wie eine blitzschwangere Wetterwolke, und jeden Augenblick konnte der Strahl niederfahren und ihn zerschmettern.

Und mitten hinein in das Wetter und das Ver­derben schritt er. Er konnte ihm ausweichen; er konnte Las Unheil abwenden. Er brauchte nur ein paar Zeichen, die möglicherweise trogen, zu übersehen und alles war gut. Wilhelm war nichts weiter als ein leichtsinniger Mensch, der nicht hauszuhalten wußte, der sich von lustiger Gesellschaft verführen ließ und dem er deshalb schärfer auf die Finger sehen mutzte. Aber es war dann doch immer eine Rettung möglich, er konnte ihn zügeln, er konnte ihn, wenn es sein mußte, zwingen, ein neues und besseres Leben anzufangen. Ja, dann konnte noch alles gut werden.

Aber er wollte nichts überhören und übersehen und er würde es nicht thun. Er schritt geradeaus

weiter, hinein in die Wetterwolke, und wenn wirklich der Blitz niederzuckte, so mochte er ihn zerschmettern; es würde immer besser sein, als diese grause Unge­wißheit, die ihn zu erwürgen drohte.

In seiner Wohnung hatte man ihn schon feit einer Stunde erwartet. Die Moder waren schon wieder zur Nachmittagsschule gegangen und Frau Rettberg fürchtete, daß das Essen kalt werde. Denn er liebte sonst die Pünktlichkeit, und da heute keine Sitzung war, hatte sie bestimmt auf ihn gerechnet.

Nun komm nur und iß," sagte sie freundlich, indem sie ihm den Hut abnahm und ihm beim Aus­ziehen des Ueberrockes half.Du hast gewiß Hunger."

Aber er wehrte ab.Nein, laß nur jetzt; ich habe keinen Appetit, ich mag jetzt nicht essen. Auch habe ich zu thun, laß dich nicht weiter stören."

Dann ging er auf sein Zimmer und die Frau, die ihm halb verzweifelt darüber, daß er nicht essen wollte, nachblickte, hörte, wie er mit starken Schritten in seinem Zimmer auf und ab schritt.

Doch bald kam er, wie von Unruhe gequält wieder heraus.

Wo ist Wilhelm?" fragte er.Er schläft doch nicht etwa noch immer?"

Nein, nein," verteidigte die Mutter ihn eifrig. Er ist längst auf; er hat gar nicht lange geschlafen. Er ist schon um zehn Uhr aufgestanden."

Und dann?"

Er har Kaffee getrunken, aber nur ein paar Schlucke. Dann hat er stch fertig gemacht und ist ausgegangen. Er wollte einen Freund besuchen, sagte

er, und wir möchten nicht mit dem Essen auf ihn warten."

Wie sah er aus? Wohl recht elend und über­nächtig, nicht wahr?"'

Ach nein, gar nicht sehr. Man merkte ihm nichts an; wirklich, man sah nicht, daß er die Nacht durch­schwärmt hatte. Sein Körper ist unverwüstlich."

Er verwüstet ihn doch," sagte der Staatsanwalt

hart.

Dann schien er nachzudenken.Ist er im Ueber- zieher ausgegangen?"

Nein, er war im Jakett, es ist ja auch so schön warm draußen."

Ja, schön," sagte der Staatsanwalt, ohne recht zu wissen, was er sprach.

Die Kleider waren wohl recht schmutzig?" fragte er weiter.

Ich habe nichts daran bemerkt," erwiderte seine Fra«.Er muß sie wohl selbst abgebürstet haben. Auch die Stieseln hat er stch selbst geputzt. Minna hätte doch genug zu thun", sagte er.

Er . . . selbst?" stammelte der Staatsanwalt, und schaute seine Frau so seltsam an, daß sie fast fürchtete, er sei vielleicht krank.

Ja; ich wunderte mich auch," sagte sie,weil es sonst nicht seine Art ist. Aber wir sollten wohl nicht sehen, daß sie so schmutzig waren."

Ja, das sollten wir wohl nicht sehen," sprach der Staatsanwalt ihr leise nach.

Ist sein Zimmer offen?" fuhr er darauf fort. Ich möchte einmal sehen, was er treibt."