ist; die ungeheuren Mttel des Zarenreiches werden durch fie flüssig gemacht werden und dadurch wird Rußland mehr und mehr zu einem MachtfakLor, wie dies England durch die Ausbeutung Indiens geworden ist.
Landesllachrichteu.
-r. Nagold, 10. Mai. Gestern wurde hier die alljährliche Diözesansynode abgehalten. Dieselbe wurde mit Gottesdienst eingeleitet, bei welcher Hr. Pfarrer Wacker von Gültlingen die Predigt hielt. Die Versammlung hatte diesmal die Aufgabe, einen geistlichen Abgeordneten als Vertreter des Bezirks Nagold in die V. Landessynode zu wählen. Als solcher ging aus der Wahl hervor Hr. Pfarrer Stockmayer von Rohrdorf. Gegenstand der Behandlung war der kirchliche Choral- und Chorgesang. Ueber dieses Thema hatte Hr. Stadtpfarrer Weber von Wildberg ein ausführliches Referat ausgearbeitet.
* Oberndorf, 10. Mai. Die schreckliche Kinderkrankheit Diphtheritts fordert hier immer wieder Opfer. Einer Familie, die vor nicht ganz 14 Tagen ein Kjähriges Mädchen verloren hat, starb heute ein Zjährlger Knabe an derselben. Das sind Schicksalsschläge, wie sie leider manche Familie mit empfindlicher Wucht treffen und ein Weh bereiten, das selbst beim Fernstehenden Teilnahme hervorruft.
* Stuttgart, 9. Mai. Die Genesung Ihrer Majestät der Königin hat im Laufe der letzten Woche ungestört Fortschritte gemacht. Ihre Majestät bringen nun täglich mehrere Stunden außer Bett und bei günstiger Witterung im Garten zu. Die Ueber- siedelung nach Wildbad zum Gebrauch der dortigen Bäder ist für die nächste Woche in Aussicht genommen.
* Bellst ein, 9. Mai. Heute fand die Eröffnungsfeier der Bottwarthalbahn statt, zu welcher u. a. als Festgäste aus Stuttgart die Herren Ministerpräsident Dr. Frhr. v. Mittnacht, Staatsminister Dr. v. Rtecke und v. Pischek, Präsident v. Balz, der Regierungspräsident von Ludwigsburg, Beamte der Generaldirektion der Staatseisenbahnen eingetroffen find. Die Festfahrt von Marbach hierher verlief bet prächtigem Wetter aufs schönste.
* (Verschiedenes.) In Weingarten starb Unteroffizier Schneider, Sohn des Lehrers in Krum- bach (Tettnang), an Blutvergiftung. Er hatte sich durch den rauhen Wind aufgesprungene Lippen geholt und die kaum geheilten mit den Fingern aufgekratzt. — Vor zwei Jahren wurden einem Bürger von Scheer 90 Mk. aus seiner Kommode entwendet. Dieses Frühjahr nun erhielt er durch eine Mittelsperson einen Brief und 50 Mk. Im Briefe wurde die Bitte ausgesprochen, der betr. Bürger möchte mit den fehlenden 40 Mk. zuwarten, er bekomme sie auch. — In Saulgau stieg letzten Sonntag abend bei Ankunft des 6 Uhr Zuges eine Frauensperson mit einem Säugling im Kiffen in den Zug und ersuchte eine daselbst befindliche Fra« (Lehrersfrau von Gattnau) ihr das Kind so lange zu Hallen, bis sie ihre Sachen aus dem Wartesaal geholt habe. Die Frau kam dem Verlangen bereitwilligst nach; die Weibs Person kam aber nicht mehr und so sah sich die Lehrersfrau, welche weiter reisen wollte, genötigt, das Kind vor dem Wartesaal niederzulegen. Im Spital,
„Wies" meinte er, halb zu sich selbst, „wenn nun auch der andere eine solche Spur aufzuweisen hätte? Die Wand färbt leicht ab, man braucht nur ein bißchen daran zu wischen, um Kalk an den Händen zu haben. Vielleicht wäre da ein Zeichen."
Er suchte indessen umsonst. Offenbar war der Mörder der Stärkere von den beiden gewesen. Er hatte den Alten hin und her gezerrt, bis er ihn endlich mit dem Gesicht auf die Erde niederdrückte und ihm mit seiner Waffe den Schädel etnschlug. Aber er war nicht weiter mit der Wand in Berührung gekommen. Wenigstens war keine weitere Stelle zu entdecken.
„Aber vielleicht, als er sich unter den Kleidern verstecktes" fuhr der Beamte in seinem Selbstgespräch fort; und er begann sogleich die Sachen, die einen Teil der Wand bedeckten, abzunehmen.
Dann rief er plötzlich wie triumphierend:
„Hier haben wir's, Herr Staatsanwalt! Hier hat der Mörder gestanden. Es ist ganz deutlich zu sehen. Hier hatte er sich verborgen, als der Alte aus seinem Zimmer kam, um nach dem Geräusch zu forschen, das er gehört hatte. Sehen Sie hier, wie er sich in seiner Aufregung dicht an die Wand gedrängt hat, um sich zu verbergen. Als ob er hineinkriechen wollte. Er muß die halbe Wand auf dem Rücken gehabt haben. Und vielleicht ist hier ein Beweis. Denn es sieht mir nicht so aus, als ob der Mörder so viel Besonnenheit gehabt hätte, sich wieder zu reinigen. Hier wenigstens hat er keine Bürste oder dergleichen gebraucht."
wo eS in Pflege gegeben worden war, fand sich im Kissen ein Zettel vor, laut welchem die Mutter sich als Witwe von 13 Kindern bezeichnte und um Aufnahme und Erziehung des Kindes, das „Joseph" heiße und katholisch getauft sei, bat. Die veraulaß- ten Recherchen ergaben jedoch, daß die unnatürliche Mutter, welche in Hochberg entdeckt wurde, die ledige Dienstmagd Maria Streng von Sulzberg, Bezirksamts Bregenz und zuletzt in Wattenhaus, OA. Äald- see, bedienstet, gewesen sei. Sie gab zu, sich ihres Kindes haben entledigen zu wollen und wurde deswegen verhaftet. — Oberamtspfleger Rats er in Oberndorf hat sich vor mehreren Tagen von Hause entfernt und ist seitdem nicht wieder zurückgekehrt. — In Ebingen wurden einem Wirt aus Rache gegen 3000 Liter Bier in seinem Keller ab- gelaffen. — In Ulm wurde ein Mälzer verhaftet, welcher seinem Herrn schon längere Zeit Malz entwendete und es an einen Kutschereibesitzer veräußerte. Der Stehler sowohl wie der Hehler nebst seiner Frau wurden in „Nro. Sicher" gebracht.
* Aus Mannheim, 8. Mai wird geschrieben: Der Erfinder des kugelsicheren Panzers, Schneidermeister Dowe, hat sich mit seiner früheren Haushälterin Eva Merk aus Aglasterhausen verlobt. Dowe, der am 16. und 17. d. Mts. in Gesellschaft der Kunstschützen Martin und Western hierauf sich schießen lassen will, gedenkt seine Hochzeit hier zu begehen. Von hier aus wird er nach London reisen, wo er auf längere Zeit verpflichtet ist. Seine zukünftige Frau soll einen Teil des Geheimnisses kennen, berichtet Frau Fama, und deshalb heiratet sie Dowe vorsichtigerweise.
* Das Amtsgericht zu Kassel macht bekannt, daß es den Prinzen Ferdinand Alexander zu Hohen» lohe-Oehringen für einen Verschwender erklärt und entmündigt hat. Prinz Ferdinand Alex rüder zu Hohenlohe-Oehringen ist der jüngere Sohn des Prinzen Felix zu Hohenlohe-Oehringen und der Prinzessin Alexandrtne, geborenen Prinzessin von Hanau. Er ist demnach ein Neffe des Herzogs von Ujest und ein Enkel des letzten Kurfürsten von Hessen. Nachkommen des Letzteren haben bekanntlich schon viel von sich reden gemacht. Der jetzt entmündigte Prinz ist im Dezember 1871 geboren und wurde bisher als Seconde-Lieutenant L 1a suita des Kürassier-Regiments Nr. 2 geführt. Er befindet sich zur Zeit in einer Heilanstalt zu Wilhelmshöhe bet Kassel.
* Ein Akt landesväterlicher Fürsorge des Kaisers wird aus Wittenberg berichtet. Im Jahre 1892 hatte ein daselbst verstorbenes Fräulein Mahlendorf der Stadt ihre Hinterlassenschaft (120000 Mk.) vermacht. Nun stellte sich heraus, daß die Verstorbene ganz arme Verwandte (einen blinden Koustn und eine Kousine) hatte, deren sie in ihrem Testament nicht gedacht. Von dieser Thatsache erhielt auch der Kaiser Kenntnis, und nun wurde der Stadt Wittenberg bedeutet. daß die Genehmigung zum Antritt der Erbschaft nur werde erteilt werden, wenn der blinde Koustn 5000 und die Kousine 3000 Mark von der Stadt erhalte. Nachdem diese Vorbedingung jetzt erfüllt ist, wurde die Genehmigung erteilt.
* Berlin, 9. Mai. Entgegen der Erklärung
Der Staatsanwalt hielt sich mit übernatürlicher Kraft aufrecht. O diese schrecklichen Gedanken, die ihn quälen und verfolgen, die hinter ihm drein sind wie ein wildes Rudel von Wölfen und ihn zu zerreißen drohen. Aber er will sich dagegen wehren, mit aller Gewalt will er sich dagegen wehren und sie von sich abschmtelu. Nein, es darf nicht sein! Es ist schon ein Verbrechen, das nur zu denken.
Gerade und fest steht er da. Was immer in seinem Innern vorgeht, kein Mensch soll es wissen. Er ist der Diener der ehernen Gerechtigkeit und er wird seines Amtes walten. Die Pflicht, das ist der einzige Weg, den es für ihn gtebt, und er wird diesen Weg nicht verlassen.
So tritt er denn heran und betrachtet gleichfalls diesen deutlich sichtbaren Fleck an der Wand, von dem der Kalküberzug aögewischt ist.
„Hier hat er gestanden," fuhr der Beamte fort, eifrig und selbstbewußt in seiner Entdeckung. „Er ist groß, offenbar größer als ich, denn ich reiche mit den Schultern nicht so weit; fast so groß wie Sie, Herr Staatsanwalt. Diese Kleider haben über ihm gehangen; hier hat er hervorgelugt, als der mißtrauische Alte aus den hintern Zimmern hervorkam, um sich zu vergewissern, daß er sich getäuscht habe und daß alles ruhig sei. Von hier ist er dann plötzlich hervorgesprungen und hat ihn niederzuschlagen versucht. Aber seine Hand hatte dabei vor Aufregung gezittert. Erst allmählich hat er seine Kräfte und seinen Mut wiedergefunden und die Stärke, ihn
der portugiesischen Regierung, daß Lissabon cholerafrei sei, schreiben, anscheinend offiziös, diepolitischen Nachrichten, es sei zweifellos, daß in Portugal die astatische Cholera herrsche. Man dürfe annehmen, daß ! auch West- und Südfrankreich schon mehr oder weniger ^ infiziert sind. !
"Berlin, 10. Mfi. Das Landgericht ver- s urteilte wegen Verbreitung falscher Thatsachen in den > Artikeln über den Zusammenstoß der Polizei mit ! den Arbeitslosen am 18. J munr die Redakteure ! Keßler, vom „Volksblatt". Wißberger von der„Ber- ^ liner Zeitung" zu je 3 Monaten, Schmidt vom „Vorwärts" zu 5 Monaten, Zachnu vom „Sozialdemokrat", Harnisch von den „Lichtstrahlen" zu je 2 Monaten Gefängnis. Drei andere Blätter, welche den Artikel , nachgedruckt hatten, zu 500, 300 und 150 Mark Geldstrafe.
Ausländisches.
* Wien. 8. Mai. Abg.-Haus. Skala und Genossen beantragen die Zuerkennung einer Entschädigung oder Belohnung für die am Rettunzswerk im Zugloch Beteiligten. Das Haus erkennt die Dringlichkeit des Antrags an und verweist denselben an den Bud-
* Pe^ 10. Mai. Das Oberhaus lehnte mit 21 Stimmen Majorität die Eherechtsvorlage ab.
* Die „Fr. Ztg." meldet ausMähris ch-O str a « : Ueber den blutigen Zusammenstoß auf dem Dreifaltigkeitsschacht in Polnisch-Ostrau wird noch folgendes bekannt: Ein Teil der Belegschaften wollte einsahreu, wurde jedoch durch die Leitung, die Exzesse befürchtete wieder fortgeschickt. Bald darauf erschienen ca. 1000 Streikende, welche das Schachtgebäude bedrohten. Die wachhabenden Gendarmen erklärten, es werde ohnehin nicht gearbeitet. Da trotzdem die Exzedenten auf die Gendarmen eindrangen, gaben letztere Feuer. Die Wirkung der Salven war gräßlich: 32 der Streikenden wälzten sich in ihrem Blute. Davon waren 8 tot, die übrigen schwer verwundet. Es befanden sich darunter meistens Bergarbeiter im Alter von 18—24 Jahren, z
* Mährisch-Ostrau, 10 Mai. Es herrscht hier größte Aufregung, weil die Arbeiter behaupten, das am gestrigen Tage stattgefundene Blutvergießen, wobei 12 Personen getötet und 24 schwer verwundet wurden, sei nicht unbedingt notwendig gewesen. Die Zahl der streikenden Arbeiter beträgt mehr als 15 000. ,
* Die Eiseabahagesellschaft Jaffa-Jerusalem hat ihre j Zahlungen einstellen müssen. Am 21. Aug. 1392 kam die erste Lokomotive in Jerusalem an, die Bahn kam jedoch erst am 26. Sept. 1893 wirklich in Betrieb; jeden Tag ging ein Zug von Jaffa nah Jerusalem und einer in umgekehrter Achtung. Es ^ gab in den Zügen zwei Klassen; die Fahrt mit ihren i vielen Windungen hinwärts dauerte fast drei Standen, ! rückwärts 4—5 Srunden. Auch andere Verhältnisse ' trugen dazu bei, daß sich die Bahn nicht rentieren - konnte.
* Washington, 10. Mai. Der amerikanische Geschäftsträger in Caracas berichtet: Am 28. April zerstörte ein Erdbeben die Städte Merida, Ejido und mehrere Ortschaften; viele Personen wurden ge- tötttt
Verantwortlicher Redakteur: W. Rieker, Altensteig.
niederzuwerfen und zu töten. O, ich sehe das jetzt alles, als hätte ich vadeigestanden."
Der Staatsanwalt n!ck>e ihm schweigend und zustimmend zu. Dann sagte er plötzlich: „Und die Waffe s"
Der Beamte überlegte einen Augenblick.
(Fortsetzung folgt.)
(Lesefrüchte.) Hoch steht über aller Begeisterung, allem Enthusiasmus, selbst über allem Gmie und Talent — vie Gesinnung. — Die Wahrheit thut nicht so viel Gutes in der Welt, als verfälsche Schein der Wahrheit Uebles anrich.et.
Kall und Widerhall.
Wenn sich die Lerche schwingt vom Feld Hinauf zum blauen Himmelszelt Mit Hellem Tirilih.
Wenn ringSher durch das weite All Nur Sang und Schall, Dann fühl' ich tief in meiner Brust Den Widerhall.
Doch leise, — ganz leise Nur hör' ich die Weise:
Tirilih, Tirilih!
Bald aber klingt es stärker dort.
Und immer lauter tönt es fort Das Tiri tirilih.
Und was dann singt durch die Natur In Wald und Flur,
Das ist von meines Herzens Klang Ein Echo nur.
Ein Echo — nur leise Der jubelnden Weise Tirilih, Tirilih.