«ents. Der Feldwebel seiner Kompagnie hatte einen Korb Champagner erhalten und ihm davon Meldung gemacht. Der Hauptmann läßt die Einjährig-Frei­willigen seiner Kompagnie autreten und sagt Einem derselben das Dienstvergehen auf den Kopf zu. Der Einjährige gab denn auch alsbald zu, der Wein sei von seinem Vater an den Feldwebel gesandt worden. Der Hauptmann verhängte nun folgende, jedenfalls noch nicht dagewesene Strafe: Der Einjährige mußte alle Tage dreimal, morgens, mittags und abends bei ihm mit feldmarschmäßigem Gepäck antreten und bei jedem Antreten ein Glas von dem eingesandten Champagner trinken, bis der Korb leer war.

* Eine Geldfälschung, die um so origineller ist als die Falsifikate wertvoller find wie die von der Retchsmünze geprägten derartigen Geldsorten, übt gegenwärtig, wie aus Berlin berichtet wird, ein noch nicht ermittelter Falschmünzer aus. Seit kurzer Zeit find dort falsche Einmarkstücke im Umlauf, deren täuschende Nachahmung in Prägung, Farbe und Klang bei der zuständigen Behörde allgemeines Auf­sehen hervorruft. Diese Falsifikate, die sämtlich das Münzzetchen ^ tragen, find so vorzüglich geprägt, daß die Fälschung nur durch ein sehr geübtes Auge oder unter der Lupe dadurch erkenntlich wird, daß die Ecken der Schrift nicht ganz so präzis aus- gearbeitet find wie bei den echten Münzen, und daß sich das Falsifikat etwas fettig anfühlt. Wie von fachmännischer Seite mitgeteilt wird, enthalten diese Falsifikate für etwa 40 Pfennige Silber, nach dem gegenwärtigen Silberkurse gerechnet, während die echten Markstücke nur 35 Pfennige Silberwcrt haben. Der unternehmungslustige Fälscher scheint aus den zurzeit so niedrigen Silberkurs gerechnet zu haben und verfertigt nun flott bessere und wertvollere Mark­stücke als der Staat, wobei der spekulative Falsch­münzer noch immer an jedem Markstück etwa 54 Pf. verdient.

Ausländisches.

* Wien, 3. Febr. Nach Meldung aus Sofia bemühen sich einflußreiche Personen beim Fürsten Ferdinand durchzusetzen, daß der neugebrrene Thron­folger nach orthodoxem Ritus getauft werde. Es ist Aussicht, daß dies geschieht. Man glaubt hier­durch Rußland den letzten Borwand, gegen die Unab­hängigkeit Bulgariens zu opponieren, entwinden zu können.

'Wien, 6. Febr. Auf dem kaufmännischen Balle betonte gestern Erzherzog Karl Ludwig im Gespräche mit dem Abgeordneten Neuber, daß in Wien nichts vorwärts wolle und die Bauthätigkeit eine geringe sei. Der Erzherzog rügte ebenso die bedauerlichen Vorgänge in den parlamentarischen Körperschaften. Neuber teilte hierauf mit. daß an­läßlich des 50jährigen Regierungsjubiläums des Kaisers mehrere großartige Monumentalbauten in Wien entstehen würden und verschiedene Projekte, insbesondere die Errichtung eines Jndustriepalastcs und einer österreichischen Ruhmeshalle, von den Bür­gern geplant sei; über diese Projekte soll demnächst schon definitiv entschieden werden.

* (Die Kaserueutragödie i» Aisa.) Wie schon kurz mitgeteilt, hat sich kürzlich in Pisa eine jener

Viktoria rsAls.

Roman von H. von Ziegler.

(Fortsetzung.)

Und wenn auch, Viktoria; einem alten Aristo­kraten fällt es bitterschwer zu sagen: meine einzige Tochter heiratet einen Bürgerlichen."

Auch wenn er diese einzige Tochter liebt und sie ihm zuschwört, nur mit jenem glücklich werden zu können? Papa, du bist klug und ohne Vorurteil, willst du denn in der That an diesen längst über­wundenen, einseitigen Ansichten festhalten und über denselben mich und mein Glück vergessen? Vater, habe Erbarmen!"

Aber des Grafen Antlitz, blieb noch immer düster. Er verschränkte die Arme über der Brust und fragte, ohne aufzusehen:Wie heißt jener Offizier, von dem du sprichst, Viktoria? Du nanntest bisher seinen Namen noch nicht."

Es ist," sie stockte, fuhr aber dann mit stolz erhobenem Haupte und klarer, fester Stimme fort, Lieutenant Wilkens, dein Adjutant."

Eine lange, schwere Pause folgte den Worten md es war dem Oberst, als klängen dieselben tief drinnen in der Seele ihm nach. Dann wandte er sich feiner Tochter zu und sagte bekümmert, aber dennoch liebevoll:

Mein armes Kind! Ihn hast du gewählt? Und weißt du denn auch, ob seine Liebe eine treue und wahre ist?"

Kasernentragödten abgespielt, in denen die italienische Armee einen so traurigen Vorrang vor allen anderen stehenden Heeren behauptet. Einem der A. A. Z. hierüber zugegangenen Bericht entnehmen wir fol­gendes: Der Regimentsmusiker Luigi Magrt, ein junger Mann von 21 Jahren, der seit einem Jahre bient und sich stets musterhaft aufgeführt hat, schoß abends 8 Uhr ohne irgend einen erdenklichen Grund drei seiner Kameraden, die in der Unteroffiziersstube harmlos plaudernd bei einander standen, mit einem Dienstgewehr nieder und verwundete einen vierten tötlich. Dann sprang er aus dem Fenster auf die Straße, um sich in einen benachbarten Wald zu flüchten, in dem er heute früh ausfindig gemacht und verhaftet wurde. Der Mörder ist ein Mann von mittlerer Größe, blond, kräftig gebaut, gehorsam und intelligent ein wahrer Mustersoldat. Sein Cha­rakter wird als verschlossen geschildert. Er hatte unter seinen Kameraden nur wenige Freunde und eben diese erkor er sich als Ziel für seine Mord­waffe. Der Mörder ist trotz seiner Jugend bereits anderthalb Jahre verheiratet, aber seine Frau hatte sich schon wenige Monate nach der Hochzeit wieder von ihm getrennt, da er sie aus Eifersucht unmensch­lich quälte und häufig mit dem Tode bedrohte. Bald darauf wurde Magri zum Militär einberufen und als Musiker dem Musikchor des in Pisa garnisonicren- den Infanterie-Regiments eingereiht. Sein Instru­ment war die Trompete. Er verkehrte vorwigend mit einem anderen Regimentsmusiker Michele Breuna, mit dem Freiwilligen Simone Magi, dem Korporal Luigi Carapelli und dem Feldwebel Jngravallo. Noch gestern abend hatten sich die fünf jungen Leute in der Unterosfiziersstube zusammengefunden, wo ihnen der Feldwebel Jngravallo ein neues komisches Ge­dicht vorlas. Magri trennte sich kurze Zeit darauf von seinen Kameraden, um nach wenigen Minuten, mit einem Gewehr bewaffnet, von neuem an der Thüre des Zimmers zu erscheinen. Ohne ein Wort zu sagen, gab er auf seine Freunde 11 Schüsse ab. Brenna, Magi und Carapelli blieben auf der Stelle tot, Jngravallo wurde so schwer verwundet, daß wenig Hoffnung auf seine Rettung besteht. Der Unteroffizier Botelli, welcher die Schüsse hörte, eilte sofort herbei, um dem Mörder Einhalt zu thun. Aber in der Dunkelheit wurde er selber für den Mörder gehalten und der Soldat Bonacureglt schoß auf ihn. Glücklicherweise ging der Schuß fehl. In der allgemeinen Verwirrung entkam Magrt. Als er verhaftet wurde, setzte er sich nicht im mindesten zur Wehr.Ich habe eine Dummheit gemacht," sagte er.Sie wollten mich töten und ich habe sie ge­tötet." Auch als er am Nachmittag von Gerichts­wegen vernommen wurde, bewies er sich durchaus ruhig. Um die Ursache befragt, welche ihn zu seinem entsetzlichen Verbrechen getrieben, antwortete er:Ich wollte mich schon längst diesem elenden Leben in der Kaserne entziehen und habe kein besseres Mittel ge­funden."Aber welche Schuld hatten denn Ihre Genossen?"Sie verfolgten mich. Sie wollten mich töten und ich bin ihnen bloß zuvorgekommen." Bereuen Sie denn Ihre That?"Durchaus nicht. Ich wollte sterben und habe so mein Ziel erreicht."

Ich bin davon überzeugt, Papa. Sein Äuge kann nicht lügen."

Viktoria, es wird mir furchtbar schwer, in diese Verbindung einzuwilligen, aber dir zu Liebe will ich es thun, wenn er deiner würdig ist. Doch ich stelle die Bedingung, daß du ihn prüfen mußt, ob er nicht die reiche Erbin mehr als dich selbst"

Die schönen Augen des Mädchens leuchteten auf.

Das will ich, mein teurer Papa und sei gewiß, Wilkens besteht die Prüfung. Aber sage mir, wie ich es machen soll."

Gut, mein Herz, und nicht wahr, du wartest das Resultat dieser Prüfung ab, ehe du dem Onkel antwortest?"

Aber dazu schüttelte die junge Gräfin energisch den Kopf.Nein, Papa, ich will dem Onkel alles selbst sagen. Und, sollte Willens dennoch mein Ver­trauen nicht rechtfertigen, so würde der elftere mir doch tausendmal zu hoch stehen, um als Lückenbüßer seine Hand zu ergreifen."

Nun denn, Viktoria, bestelle Wilkens hierher, wenn ich abwesend bin. Du siehst, Kind, welch ein felsenfestes Vertrauen ich in dich setze, daß ich selbst das Rendezvous Vorschläge."

Du kennst mich ja auch genau, Papa," lautete die einfache Antwort, und Viktoria bot offenen Auges dem Grasen die Hand.

Du wirst ihm Mitteilen, daß du ihm erlaubst, bei mir um deine Hand zu werben, sodann aber hin­zufügen, ich hätte dir eröffnet, dein bedeutendes

* Paris, 6. Febr. Meldungen aus Tanger be- richten, Marschall Martine; Campos wurde am 1. Febr. vom Sultan von Marokko feierlich empfangen. Der Sultan hielt hiebei eine Ansprache, worin er erklärte, er werde dte Riffkabylen, welche eine Stör­ung der Freundschaft zwischen Spanien und Marokko verschuldeten, ans das strengste bestrafen. Er aner­kannte, daß Spanien mit Mäßigung und Klugheit gehandelt habe und versprach, ein zufriedenstellendes Abkommen treffen zu wollen.

* Ueber die Hinrichtung des Anarchisten Vaillant meldet man derStr. P." aus Parts, 5. Febr., folgende Einzelheiten: Vormittags 6Vs Uhr trafen die Gertchtsbeamten im Gefängnis La Roquette ein. Vaillant wurde um 7 Uhr aus tiefem Schlafe geweckt. Er entwickelte in heftiger Sprache anarchistische Theorien und weigerte sich, etwas zu trinken, weil er dessen nicht bedürfe, um sich Mut einzuflößen. Auch geistliche Hilfe wies er zurück. Außerhalb des Ge­fängnisses stiegen die Gendarmen zu Pferde und stellten sich dem Fallbeil gegenüber auf. Der Tag bricht an. Der Polizeipräfekt läßt die Polizeibeamten hinter den Berichterstattern aufftellen, um diesen den Ausblick zu ermöglichen. Auf dem Platze herrschte tiefe Stille. Um 7 Uhr 15 Minuten läßt der kommandierende Offizier die Säbel ziehen. In dem­selben Augenblick öffnet sich das Thor des Gefäng­nisses, der Posten präsentiert das Gewehr und Vaillant tritt zwischen dem Scharfrichter Deibler und dessen Gehilfin heraus. Vaillant gehr mit siche­rem Schritt und so schnell, als seine Fesseln es er­lauben, auf das Schaffst zu und ruft drei Schritte vor demselben mit sicherer Stimme:Tod der bürger­lichen Gesellschaft! Es lebe die Anarchie!" Ein paar Sekunden später war sein Haupt gefallen. Die Leiche wurde darauf in einem Wagen im Galopp unter einer Bedeckung von zwanzig Reitern nach dem Kirchhofe von Jvry gebracht. Der Chef der Sicher­heitspolizei, Goron, folgte in einem Wagen. Eine Stimme rief:Endlich ist es soweit!" Dte zahl­reiche Menge stürzte auf den Platz zu, wo die Guillo­tine steht, wird aber, bis diese abgebrochen ist, von den Polizisten noch zurückgehalten.

* Paris, 6. Febr. Dte gesamte Presse be­spricht die Hinrichtung Baillants und spendet Carnot ungeteiltes Lob, weil er trotz der zahlreichen Droh­briefe der Gerechtigkeit freien Lauf ließ.

* Dte Nachrichten, die aus Rußland über unsere deutschen Bauernkolonisten im Innern des Reiches zu uns dringen, sind äußerst betrübender Art. Unter Nikolaus und Alexander II. hat man sie im ganzen nach eigenem Willen schalten und walten lassen und so lange ging es, m den meisten Kolonien wenigstens, recht gut. Die Bauern verlangten nichts vom Staate, und wenn von ihnen, wie im letzten russisch-türkischen Kriege, Opfer gesordert wurden, so gaben sie willig über das Geforderte hinaus. Sie führten ein vollständiges Sonderleben. Von den Heimatbanden allmählich ganz abgeschnitten, wahrten sie sich ihre alten Bauernsttten, ihr Recht, ihre Sprache, ihren Glauben. Nach Anfang der achtziger Jahre schien ihr Wohlstand ein gesicherter zu sein. Seitdem man ihnen aber die Einführung russischer Einrichtungen aufdrängte, ist ihr ganzes Leben einem

mütterliches Vermögen sei durch Spekulation verloren gegangen, so daß du keine reiche Partie mehr seist."

Das schöne Mädchen kämpfte offenbar furchtbar mit sich, die Lüge widerstand ihrem edlen, offenen Charakter. Dann jedoch nickte sie leise und sagte einfach:Ich werde deinen Rat befolgen, Papa; gebe Gott, daß mein Gefühl das obsiegende bleibt."

Gott helfe dir, meine arme, teure Viktoria!" antwortete der Oberst und öffnete die Arme, um ste an sein Herz zu ziehen. Lange, lange standen ste so, endlich löste sich die Gräfin aus der Umarmung und wandte sich zum Gehen.Ich will mit Ada ans Eis gehen, dort werden wir die Herren jedenfalls treffen. Auf Wiedersehen, lieber Papa!"

Und sie schritt ruhig, scheinbar unbewegt wie immer zur Thür, die Schleppe ihres Gewandes glitt über den Teppich, die Thür schloß sich hinter der schlanken Gestalt und tief aufseufzend murmelte Graf Hohenburg vor sich hin:

Herr Gott im Himmel, rette mein Kind! Er verdient ste nicht, denn er ist kein edler Mann und an Rudolfs Seite' gehört sie nun einmal hin."

Als Gräfin Vikto.ia aus des Vaters Zimmer trat und das Egztmmer durchschreiten wollte, bemerkte ste in der Fensternische den Botschafter sitzen und nach einem unmerklichen Zögern ging ste, ihm dte Hand hinhaltend, entgegen:Lieber Onkel Rudolf, ich komme eben vom Papa und möchte so gerne mit dir reden. Willst du mich in mein Wohnzimmer be­gleiten ? Nicht wahr, du bist mir dieser Bitte wegen nicht böse?