MM Dienste in der Landwehr I. Aufgebots ist von fünfjähriger Dauer.
N* Die Landesversammlung der Voltspartet hat nach dem „Beobachter" folgende Resolutionen angenommen:
1) Bezüglich der Reichssteuergesetzgebung: „Die Bolks- partei verwirft die Steuerpolitik der Regierung, welche unter dem irreführenden Namen einer Reform das ungerechte indirekte Steuersystem neu befestigt und steigert, welche dem Weinbau unerträgliche Lasten zumutet, welche den soliden Verkehr und die soliden Geschäftsgewohnheiten mit rücksichtslosen und systemlosen Steuern treffen will, welche die Tabakindustrte zum Schaden der Arbeiter wie der Konsumenten niederdrückt und neue Beamtenkategsrien schaffen will; die Volkspartei erblickt in den Vorschlägen der Regierung das Eingeständnis, daß die Militärvorlage dem deutschen Volk eine wirtschaftlich ungesunde und verderbliche Ueberlastung zumutet; die Volkspartei beklagt es aufs tiefste, daß durch die Versprechungen einer Heranziehung nur der wohlhabenden Bürger das Vertrauen des Volks aufs schwerste getäuscht worden ist."
2) Bezüglich des Entwurfs eines Penfionsgesetzes für Gemeindebeamten: „Die Landesversammlung der württembergischen Volkspartei erklärt sich, im Hinblick auf die niedergedrückte Lage des Erwerbslebens und auf die unbefriedigende Lage der Gemeindegesetzgebung einmütig gegen den entbehrlichen Gesetzentwurf, betreffend die Pensionierung untauglicher Gemeinde- und Korporationsbeamten." 3) Bezüglich der Eisenbahn - reformsrage: „Die Versammlung erkennt die von der K. Staatsregierung neuerdings durch Einführung der Fahrscheinbücher und Zeitkarten getroffenen Verkehrserleichterungen dankend an und steht darin einen ersten erfreulichen Schritt zu einer zweckmäßigen Ausgestaltung unseres Eisenbahnwesens überhaupt. Die Versammlung erkennt in einer rationellen Eisenbahnreform ein überaus wichtiges Mittel zur Entwicklung der wirtschaftlichen Kräfte des Volkes und zur Hebung der allgemeinen Wohlfahrt. Sie ersucht die Parteileitung, dafür einzutreten, daß diese Forderung in das Parteiprogramm ausgenommen werde. Die Versammlung steht, auf die Parteileitung vertrauend, von der Formulierung spezieller Punkte in Sachen der Eisenbahnreform ab und betont nur, daß ihr 1. die Festsetzung der Tarife durch gesetzgebenden Akt, 2. die weitgehende Verbilligung der Tarife, 3. die Organisation eines auf sich selbst gestellten Nahverkehrs als die Nächstliegenden und wichtigsten Ziele erscheinen. 4) Bezüglich der württ. Reservatrechte: Die Volks- Partei verlangt im Namen des württembergischen Volkes die unbedingte Erhaltung des württembergischen Krtegsmintsteriums und die ehrlich-pfltchtmäßige Erfüllung der Militärverträge.
* Die Zahl der Aerzte ist in Württemberg auch im verflossenen Jahr um 28 gestiegen, so daß Württemberg nach der neueren Zusammenstellung 739 Aerzte besitzt. Ganz Deutschland hat 21621 Aerzte gegen 20 500 im Vorjahr. Was das Verhältnis zwischen der Zahl der Aerzte und der Bevölkerungszahl anbelangt, so nimmt Württemberg die zweitunterste Stelle ei», indem auf 10000 Einwohner drei Aerzte entfallen. Die Zahl der Apotheken ist von 267 auf 264 zurückgegangen.
* Heilbronn, 7. Jan. Aehnlich, wie vec-
VikhorLs. rsLiÄ.
Roman von H. von Ziegler.
(Fortsetzung.)
„Ich soll den nächsten Carneval mit Viktoria verleben," berichtete Ada strahlend vor Vergnügen. „Es wird herrlich werden."
„Hm, wenn unsre stolze Schönheit bis dahin noch frei ist," lächelte der Gras. „Ich sah gestern mehr als einen Blick der Bewunderung, der sie streifte."
Man war nicht viel über eine halbe Stunde gefahren, als Viktoria ihr Pferd parierte und den Insassen zurief: „Dort kommt Papa geritten. Er ist heute Schiedsrichter und Herr von Lützow führt das Regiment."
In der That erschien jetzt des Obersten markige Gestalt auf seinem Goldfuchs. Viktoria galoppierte ihm ein Stück entgegen und wie zwei gute Kameraden schüttelten sie sich die Hände.
O „ Guten Morgen, Töchterchen," rief er heiter, „das ist recht, daß ihr pünktlich seid. Ich kann euch heute sehr viel selbst dirigieren, da ich nicht kommandiere. Guten Morgen, Hermann, und du, liebe Cousine. Guten Morgen, Ada, du bist ja noch gar nicht entsetzt vor dem Schießen, und es wird gleich anfangen."
„Onkel Hans," rief die blonde Kleine ganz verwundert, „weßhalb hast du eine weiße Binde am Arm? Für uns zum besseren Erkennen etwa?"
„Nein, mein liebes Kind," lachte der Oberst, „ich muß heute Schiedsrichter sein, deshalb die Binde."
Ein zweiter Reiter kam jetzt heran, Lieutenant
waltungsrechtltch der Fall Hegelmaier ein Unikum ist, so scheint derselbe nun auch strafrechtlich sich zu einem Justizkuriosum auszubtlden, und zwar nach beiden Setten nicht zum Ruhme unserer Landesgesetzgebung. Der Prozeß ist nämlich vom Reichsgericht zur nochmaligen Verhandlung an das Landgericht Hall überwiesen worden. Fehlte es im Verwaltungsgesetz vor Inkrafttreten der Verwaltungsnovelle an den nötigen Anhaltspunkten, um Hegelmaier mit Erfolg den Prozeß machen zu können, so fehlt es, wie es nach den Entscheidungsgründen des Reichsgerichts scheint, in unserer Landesgesetzgebung an der Feststellung des Begriffs einer öffentlichen Urkunde. Wir lassen zur Illustrierung die Entscheidungsgründe des Reichsgerichts, wie sie uns aus Leipzig mitgeteilt werden, im wesentlichen hier folgen. Das Reichsgericht hat die prozessualen Einwände der Angeklagten als unbegründet erachtet, sodann im Einverständnis mit dem Vorrichter den objektiven Thatbestand der Urkundenfälschung als festgestellt angesehen. Dagegen sei das Landgericht bei der Prüfung des subjektiven That- bestands teils von rechtsirrtümlichen Anschauungen ausgegangen, teils nicht erschöpfend vorgegangen. Das Landgericht sei davon ausgegangen, daß die behauptete Unkenntnis von der Beschaffenheit der Urkunde als einer öffentlichen einen strafrechtlichen Irrtum in sich schließe, während der Begriff der öffentlichen Urkunde nicht im Strafgesetz fixiert, sondern der Landesgesetzgebung überlassen sei, ein Irrtum hierüber sich also als ein zivilrechtlicher Irrtum erweise, der gemäß der Strafprozeßordnung hätte geprüft werden müssen. Das Landgericht aber habe es dahingestellt sein lassen, ob die Angeklagten sich in diesem zivilrechtlichen Irrtum befunden haben. Auch der Etnwand der Angeklagten, daß sie die ministerielle Anweisung nicht dahin aufgefaßt Hätten, als seien sie dadurch angewiesen, eine öffentliche Urkunde zu errichten, sei nicht geprüft worden. — Was nun das Landgericht Hall daraus machen wird? Zweimal vor dem Landgericht und zweimal vor dem Reichsgericht verhandelt — da darf man es den Angeklagten schlechterdings nicht übel nehmen, wenn sie behaupten, sie hätten nicht gewußt, daß das inkrimtnierte Schriftstück eine öffentliche Urkunde darstelle. (Schw.-B.
* Hetlbronn, 7. Januar. (Schöffengericht.) Der durch seinen letzten Prozeß, sowie seine Knittelverse bekannte Oberreallehrer Seybold hier wurde heute wegen Beleidigung des verantwortlichen Redakteurs der „Neckarzeitung", H. Schell, zu der Geldstrafe von 200 Mk. und Tragung sämtlicher Kosten verurteilt. Derselbe hatte, als die Erkrankung des Altreichskanzlers Bismarck durch den Depeschenwechsel bekannt wurde, in der „Heilbronner Zeitung" unter seinem bekannten Pseudonym „Jeremias Wurzelwender" ein Schmähgedicht veröffentlicht, betitelt „Bismarcks Ende", das in einem Eingesandt der „Neckarzeitung" sowohl als in der „Deutschen Reichs- poft" scharf kritisiert wurde. Herr Seybold erwiderte hierauf in der „Heilbronner Zeitung" mit einem Artikel und mit einigen Versen, deren Spitze sich gegen den verantwortlichen Redakteur der „Neckarzeitung" richtete und eine schwere Beleidigung desselben enthielt.
* Schrozberg, 6. Jan. Vor zahlreicher Zuhörerschaft hielt Dekan Laug aus Hall gestern hier
Wilken; verbindlich grüßend parierte er sein Pferd vor den Damen; doch Viktoria, ins Gespräch mit Vater und Onkel vertieft, erwiderte nur sehr nachlässig den Gruß, so daß die Gräfin ihn doppelt freundlich anredete, um diese Unart zu verdecken.
Lieutenant Wilkens schönes Gesicht ward plötzlich sehr rot und sein Auge flammte auf; er schien die Tochter seines Kommandeurs gar nicht zu beachten, sondern unterhielt sich angelegentlich mit den beiden Damen im Wagen, bis ihm der Oberst freundlich auf die Schulter klopfte.
„Lieber Wilken, Sie haben heute den etatsmäßigen Dienst, vergessen Sie das nicht; der Kanonenschuß muß gleich erschallen. Hermann, fahrt etwas Wetter hinauf, ich werde euch die Stelle angeben."
Er ritt mit Viktoria voraus, Wilken folgte, nachdem er sich für jetzt bei Graf Hohenburg empfohlen und lenkte sein Pferd neben die junge Dame.
„Ich weiß nicht, meine gnädigste Gräfin, ob ich die Ehre hatte, gestern bet der Vorstellung bemerkt worden zu sein —"
„In der That, Viktoria, du kennst Lieutenant Wilken noch nicht?" fragte der Graf erstaunt, und die junge Dame wandte kühl den Kopf zu dem jungen Offizier. „Gewiß habe ich Sie gestern bemerkt, Herr Lieutenant, Sie spielten mit großer Gewandtheit Croquet. Sie sind noch nicht lange bei Papa Adjutant?"
„Nein, gnädige Gräfin, kaum vier Wochen."
„Du warst ja mit Tante Schliefen in Helgoland, Kind, und kamst dann gleich hierher."
„Ich weiß, lieber Vater, ah, da ist wohl der
einen Vortrag über die württ. Religions-Reversalien, wobei er zur Einleitung einen geschichtlichen Ueber- blick über das Verhältnis von Staat und Kirche in Württemberg gab. Die Verhältnisse der ev. Kirche in Württemberg seien im Allgemeinen zur Befriedigung geordnet; es sei aber, da die ev. Nachfolge in unserem Lande auf 2 Augen ruhe, nicht etwa lächerliche Ängstlichkeit, sondern Pflicht jedes Evangelischen, dem seine Kirche am Herzen liege, darauf hinzuwirken, daß im Fall einer kathol. Thronfolge die große Lücke in den Religionsreversalten, die darin bestehe, daß an Stelle des damaligen Geheimen Rates das Staatsministerium getreten und es nicht undenkbar sei, daß ein kathol. König ausschließlich Männer seines Glaubens zu Ministern berufe, noch zur rechter? Zeit in befriedigender Weise ausgefüllt werde. Reicher Beifall lohnte den Redner für seinen gediegenen Vortrag.
* (Verschiedenes.) In Ludwigsburg kamen am 4. Januar in einen Gasthof drei noble Fremde, wovon sich einer als Betriebsdirektor im Nachtbuch einschrieb. Nachts erbrachen sie die Zimmer der Bediensteten mittels Nachschlüssel und stahlen was sie vorfanden. Die Diebe konnten ermittelt werden. — JnEnnabeuren, OA. Münstngen war Schultheiß B. auf das Wasserreservoir gegangen, um nach dem Wasserstand zu sehen. Als er lange nicht nach Hause zurückkehrte, wurde nach ihm gesucht und der Unglückliche ertrunken in dem Äasstn des Reservoirs aufgefunden.
* Von der badischen Grenze, 6. Januar. Eine zweifelhafte Ehrung ist durch die übertriebene Sparsamkeit eines Gesangvereins dem Vorstand des letzteren zu teil geworden. Derselbe blickte auf eine fünfundzwanzigjährige Wirksamkeit im Verein zurück, welchen hochbedeutsamen Anlaß die Mitglieder nicht vorübergehen lassen wollten, ohne ihrem Vorstand eine Aufmerksamkeit zu erweisen. Zu diesem Zweck kauften sie von einem Viehhändler einen Pokal, welchen dieser seinerzeit als Prämie erhalten hatte und nun zu billigem Preis offerierte. Mit nicht geringem Stolz wurde dieses Ehrengeschenk dem Jubilar am Sylvesterabend in feierlicher Weise übergeben. Der also Beschenkte dankte tief gerührt. Als er zu Hause das Kleinod eingehend musterte, fand er am Fuße des Pokals die Inschrift: II. Preis für die besten Ochsen. Was er sich dabei gedacht haben mag, wissen wir nicht, jedenfalls waren es für die Geber keine Segens- Wünsche zum neuen Jahr.
*Nördlingen, 8. Januar. In einer großen konservativen Versammlung in Nördlingen sprachen die Abgeordneten Lutz und Fricktinger gegen die Handelsverträge mit Rußland. Die Bauern seien auf Erhaltung der unter dem Regiment Fürst Bismarcks etngefüyrten Getreidezölle angewiesen. Pfarrer Langenfaß protestierte gegen die Zulassung der Jesuiten als der Todfeinde des Protestantismus.
* Mainz, 6. Jan. Ein Makler in Nteder-Saul- heim beging einen eigentümlichen Selbstmord. Er schlug in den mit einer dicken Eisdecke versehenen Mühlbach ein Loch, schlüpfte unter das Eis und ertrank.
* Berlin, 8. Jan. Die „Voss. Ztg." hört von
Platz, wo wir halten sollen — und da tönt auch das Zeichen zum Beginn."
Lieutenant Wilken beobachtete genau das schöne Gesicht an seiner Seite; es blieb kühl und gleichmütig wie bisher und nahm bet dem dröhnenden Kanonenschlag nicht einen Schimmer erhöhter Farbe an; auch die kleine Hand, welche den Zügel festhielt, zuckte nicht, und als der prachtvolle Rappe laut aufwieherte, neigte sich Viktoria zu ihm, um mit ihrer Wohllauten Stimme ihn zu beruhigen.
„Amazone," dachte er bei sich, „kühl bis ans Herz hinan! Ob diese wundervollen Äehaugen denn niemals sich erwärmen können, ob die roten Lippen noch nicht gelernt hatten, weiche Liebesworte zu flüstern?"
Wie ein Sturmwind jagte er zu seinem heutigen Kommandeur, der Dienst rief unerbittlich, aber eine Stimme erwachte tief drin in seiner Brust voll heißer Leidenschaft: „Sie und keine andere! Jung, schön, reich, marmorkalt und unberührt! O, Galathee, wer doch Pygmalion sein dürfte!"
Ada hatte bei dem dumpf dröhnenden Kanonenschuß leicht aufgeschrieen, doch ein verweisender Blick der Mutter ließ sie verstummen; der Wagen machte an der bezeichneten Stelle Halt und bald entwickelte sich rechts von der Walddichtung her das Gefecht.
Kolonne auf Kolonne rückte heran, Kommandorufe ertönten, es blitzte auf und die Salven ertönten. Helle Dampfwolken zogen langsam wie ringelnde Schlangen hinter den Truppen drein. Viktoria hielt wie aus Erz gegossen auf dem schnaubenden, leise