Beilage.
Mmlsblatt für
Mllgemeine§Kn^ige-
v/ön c)
6 N
>Ältcn^teiL.I'taüt.
And'UnlerhaltungFblLttZ
oberen ^/ccefi
Wr. 30.
ZMenfleig, SclrnsLctg den 11. März
1893.
(Nachdruck verboten.)
Der zweite Mann.
Erzählung von Ewald August König.
(Fortsetzung.)
„Das alles habe ich in diesem Beiträge nicht gefunden, Herr Doktor; dieser sogenannte Anteil am Gewinn betrug für mich zwanzig Prozent von meinem Darlehn. Von einer späteren Rückzahlung war allerdings keine Rede, schon deshalb nicht, weil ich ja wünschen mußte, diesen hohen Zinsfuß so lange wie möglich zu beziehen. Einer Dame kann man wirklich keine Vorwürfe machen, wenn sie in dieser Weise betrogen wird, ich verstehe von solchen gefährlichen Dingen nichts und ich hatte niemand, den ich um Rat bitten konnte."
„Ihr Herr Bruder —"
„Seine Garnison ist weit von hier entfernt; mir blieb auch keine Zeit, ihm deshalb zu schreiben, Herr Griesheim drängte zum Abschluß und das Geld war bereits in seinen Händen, ehe ich selbst mir die Sache reiflich überlegt hatte. Ich will ja zugeben, daß etwas Gewinnsucht dabei im Spiele war," fuhr die junge Dame tief aufatmend fort, „aber versetzen Sie sich in meine Lage, dann werden Sie mir keinen Vorwurf daraus machen."
Der Blick Gustavs ruhte voll Teilnahme auf dem schönen, leicht geröteten Antlitz; er begriff, daß von der Rettung der verlorenen Summe die ganze Existenz seiner Klientin abhing.
Wenn nur ein anderer der Betrüger gewesen wäre! Es widerstrebte ihm, der Frau, die er einst so innig geliebt hatte, mit einem Prozesse zu drohen, der die Ehre ihres Mannes und vielleicht auch ihre eigene vernichtete; jeder anderen Person würde er ohne Bedenken eine
dem Nachlaß die Wertpapiere vorfinden, so besitzen Sie ja das Verzeichnis der Obligationen, die mein Eigentum sind."
„Gewiß, aber ich bitte Sie, gnädiges Fräulein, geben Sie sich keinen Illusionen hin; ich kann ihnen keine Hoffnungen machen. Möglich ist es immerhin, daß wir die Summe, wenn auch nur teilweise, retten, aber viel Vertrauen hege ich nicht."
„Roderich Griesheim kann doch in der kurzen Zeit dieses Geld nicht vergeudet haben," sagte Paula, sich erhebend, „ich meine, es müsse sich in dem Nachlasse vorfinden, und eben deshalb wäre es nötig, die Gerichtssiegel anlegen zu lassen. Daß hier ein gemeiner Betrug vorliegt, ist evident bewiesen, das Gericht kann sich nicht weigern, dem Anträge Folge zu geben."
„Und wenn nun die Witwe den Spieß umdrehte und die Anklage auf Sie zurückwälzte?" fragte der Advokat. „Verzeihen Sie mir diese Bemerkung, ich will Ihnen nur beweisen, daß wir ans Schwierigkeiten stoßen könnten, von denen Sie keine Ahnung haben."
„Die Anklage auf mich zurückwälzen? Wie wäre das möglich?"
„Die Behauptung könnte aufgeworfen werden, ein echter und wertvoller Brillantschmuck sei Ihnen als Unterpfand übergeben worden —"
„Herr Doktor!" rief Paula entrüstet, und in den blauen Augen blitzte es zornig auf.
„Ich mache Sie nur darauf aufmerksam, daß die Gegenpartei diese Behauptung aufwerfen könnte. Was wollten Sie dagegen erwidem? Können Sie den überzeugenden Beweis liefern, daß Roderich Griesheim Ihnen diesen unechten Schmuck verpfändet hat? Sie sehen, gnädiges Fräulein, der Betrüger hat sich manche Hinterthür offen gelassen, durch
ablehnende Antwort gegeben haben, aber hier konnte er es nicht, das die er Ihnen entschlüpfen konnte, wenn Sie Rückzahlung des Darlehens Vertrauen dieser reizenden Klientin und ihre Bitte um seinen Rat und seine Hilfe flößten ihm Gefühle ein, die er seit langer Zeit nicht mehr gekannt hatte.
„Ich glaube, es würde ratsam sein, wenn Sie zu der Witwe hingingen und diese Dame mit der Sachlage bekannt machten," sagte er.
„Sie werden daun wohl erfahren, ob der Nachlaß Griesheims so bedeutend ist, daß ein Prozeß sich ver Mühe lohnen würde."
„Ich würde wenig oder gar nichts erfahren," erwiderte Paula, leicht das Haupt wiegend. „Daß die Witwe von den Betrügereien ihres Mannes Kenntnis gehabt hat, läßt sich wohl kaum bezweifeln; sie wird auf meinen Besuch vorbereitet sein und mich mit glatten Worten und kläglichen Jeremiaden abspeisen. Ich wollte Sie bitten, Herr Doktor, diesen Gang für mich zu übernehmen; Sie lassen sich nicht betrügen, mit Ihrem scharfen, erfahrenen Blick werden Sie bald erkennen, wie die Dinge liegen, und Sie können auch besser wie ich ein ernstes Wort reden."
Gustav blickte, in Nachdenken versunken, vor sich hin, es war für ihn ein schwerer Gang, aber durfte er die Erfüllung dieser Bitte ablehnen? Und war er nicht verpflichtet, der Betrogenen zur Seite zu stehen?
„Der Nachlaß müßte sofort versiegelt werden," nahm Paula das Wort. „Die Befürchtung liegt nahe, daß der wertvollste Teil der Hinterlassenschaft heimlich verschleppt wird."
„Ich glaube das kaum," erwiderte der Advokat, „ich kann mir wenigstens nicht denken, daß Frau Griesheim so ehrlos handeln wird.
Ich wa^ in früheren Jahren mit ihr befreundet, zwischen ihrer und meiner Familie fand damals ein reger Verkehr statt."
Aus den blauen Augen der jungen Dame streifte ihn verstohlen em rascher, forschender Blick, aber sie entdeckte in dem männlich schönen, offenen Antlitz keinen Zug, der ihr Mißtrauen einflößen konnte.
„>;ch kann darüber nicht urteilen, und so muß ich es Ihnen überlassen, zu erforschen, ob meine Vermutungen begründet sind," sagte sie;
„ich lege meme Interessen vertrauensvoll in Ihre Hände und Ihr ehrenvoller Ruf bürgt mir dafür, daß Sie dieselben wahren werden."
,,, „Darauf dürfen Sie sich fest verlassen," antwortete er in entschlossenem Tone; „ich werde energisch und rücksichtslos alles aufbieten, möglichdsisi "Kap^al zurückzuverschaffen, wenn dies auf gesetzlichem Wege
„Werden Sie noch heute hingehen?"
„Ich will damit warten bis morgen. Heute ist Sonntag; wenn softirtlges, gerichtliches Einschreiten nötig würde, so könnte ich heute doch nichts ausrichten. Auch müßte ich den Schmuck haben, um ihn der Witwe vorlegen zu können."
„Ich werde Ihnen denselben heute noch schicken; sollten sich in
verlangten."
Paula blickte ihn starr an, es zuckte krampfhaft um ihre Lippen und in ihren Augen loderte Zornesglut. „Sollte man wagen dürfen, mich in dieser Weise zu beschimpfen?" fragte sie mit bebender Stimme. „Wie hätte ich denn an solchen Betrug denken können? Ich bin die Tochter eines Offiziers und der Pfad der Ehre wurde mir stets von meinem Vater vorgezeichnet, nicht um alle Schätze der Erde könnte ich von ihm abweichen. Ueberdies läßt sich wohl auch erwarten, daß ich nicht die einzige bin, die dieser Mann betrogen hat; ich glaube annehmen zu dürfen, daß noch andere sich melden und Anklage gegen ihn erheben werden."
„Und dadurch würde allerdings bewiesen, daß Griesheim der Betrüger," nickte der Advokat. „Vertrauen Sie darauf: was geschehen kann, das wird sicher geschehen, um Ihnen die verlorene Summe zu retten."
Er hatte, während er das sagte, der jungen Dame das Geleit gegeben, sie standen jetzt an der Hausthür, Paula ließ den Schleier über das schöne Antlitz fallen und ging nach kurzem Abschiedsgruß von dannen.
Gustav schaute ihr nach, bis sie in der auf- und niederwogenden Menge seinen Blicken entschwunden war, daun kehrte er in sein Kabinett zurück, um noch einmal ernst und ruhig über ihre Mitteilungen nachzudenken.
(Fortsetzung folgt.)
Alte Zeit.
O alte Zeit, wo bist Du hin ?
Du gingest und ich btieb-,
Und ach! seit ich Dir ferne bin,
Hab' ich Dich doppelt lieb.
Ich denke Deiner spät und früh,
Wie an ein fernes Gliick,
Und dennoch, dennoch wünsch' ich nie!
O kehrtest Du zurück!
Was Du mir schenktest, wahr' ich auf In einer sichern Truh';
Was Du mir nahmst, führt meinen Lauf Der ew'gen Heimat zu.
Uätsel.
Er ists, und nicht sie; Doch er und sie Mit Kopf und Fuß Es haben muß.
Mit Kopf allein Kommt es zu mir,
Das umgekehrt Des Waldes Tier.
Allein mit Fuß Es mühsam muß Gehoben werden Aus der Erden.
Das Ganze liebt,
Ist froh, betrübt;
Und wer Dich liebt,
Dir's innig giebt.
(Auflösung folgt in nächster Nr.)
Zerrkspruch.
Müde Seele hoffe mir,
Morgen kommt die Sonne,
Und Du blühst mit Wald und Flur Hell in Frühlingswonne.