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Erscheint niöchentl. 3mal: Dienstag, Donnerstag u. Samstag u. kostet bei der Erped., sowie im OA.- Bezirk Nagold SO außerhalb 1 das Quartal.
Donnerstag dm 15. Dezör.
Einrückungspreis der Ispalt. Zeile für Altensteig I und nahe Umgebung bei Imal. Einrückung 8 I 1892 bei mehrmaliger je 6 auswärts je 8 j '
Die zweite Lehrerdienstprüfung haben u. a. mit Erfolg bestanden: Peter l auer, Unterlehrcr in Conweiler, Bezirks Neuenbürg: Ernst Schule, Schulamtsverweser in Freudenstadt; Matthäus Wößner, Unterlehrer in Baiers- bronn.
Uebertragen wurde die erste Schulstelle in Loffenau, Bezirks Neuenbürg, dem Schullehrer Wacker in Schmieh, Bezirks Calw.
Gestorben: Bereiter a. D. Burckhardt, Stuttgart; Postverwalter a. D. Nickel, Stuttgart; Oberamtmann Schmidt, Tuttlingen; Landgerichtspräsident a. D- von Glockcr. Stuttgart; Pfarrer a. D. Bruckmann. Ludwigsburg; Privatier Roll, Künzelsau.
Die Parteien im deutschen Reichstag.
(Schluß.)
4) Die nationalkiöerake Uartei (42 Mitglieder).
Die Parlei einst die größte, welche unter der Führung Bennigsens zu großem Einfluß gekommen war, war anfänglich den Zoll- und Steuerplänen Bismarcks abgeneigt, und hielt das Tabaksmonopol ebenso wie die sozialpolitischen Bestrebungen der Regierung für Irrungen. Daran scheiterte auch der Plan Bismarcks, den Führer Bennigsen ins Ministerium zu ziehen. Mit den Konservativen war die Partei seit lange der Ansicht, daß die direkten Steuern zu ermäßigen und die indirekten auszubilden und daß mäßige Schutzzölle angemessen seien. Im Laufe der Zeit hat sich die national- liberale Partei zu einer wesentlichen Stütze der Regierung in den sozialen Fragen und bei der Vermehrung des Heeres herausgebildet; die Partei steht zwischen den Konservativen und den Deutsch-Freisinnigen drin und ist im Wesentlichen dasselbe wie die „deutsche Partei" in Württemberg; zu ihrem Pr'nzip gehört auch volle Gewerbes: eiheii.
5) Die Sozialdemokraten (36 Mitglieder).
Statt jeder weiteren Erörterung möchte es das einfachste sein, hier einen kleinen Auszug aus dem „Programm der sozialdemokratischen Partei Deutschlands" von 1891 zu geben: „Die ökonomische (wirtschaftliche) Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft führt mit Naturnotwendigkeit zum Untergang des Kleinbetrübs". > Nur die Verwandlung des kapitalistischen Privat- I
eigentums an Produktionsmitteln — Grund und Boden, Rohstoffe, Werkzeuge rc. — in gesellschaftliches Eigentum und die Umwandlung der Warenproduktion in sozialistische, d. h. durch die Gesellschaft betriebene Produktion, kann es bewirken, daß der Großbetrieb für die bisher ausgebreiteten Klaffen aus einer Quelle des Elends und der Unterdrückung zu einer Quelle der höchsten Wohlfahrt rc. werde." — In Berlin war in den letzten Wochen der sozialdemokratische Parteitag versammelt. Aus den Verhandlungen ist nicht viel wichtiges zu melden. Jede Art von Sozialismus, welche auf dem Boden der jetzigen Staatsordnung stehen bleibe und nicht revolutionär sei, wurde verworfen. Der Führer Liebknecht wurde von einigen „Genossen" hart darüber angefochten, daß er als Redakteur des sozialistischen Blattes „Vorwärts" einen Gehalt von 7200 Mk. aus der Partcikasse, also aus den Taschen der Arbeiter beziehe. Zu seiner Rechtfertigung sagte er, er könnte, wenn er auf seine eigene Rechnung schriftstellern wollte, viel mehr verdienen und überdies sei er es seinen Kindern schuldig, daß er für sie sorge und allem aufbteie, um sie für den Kampf ums Dasein gebührend auszurüsten. Wo da die sozialdemokratische „Gleichheit mit anderen Arbeitern und die höchste Wohlfahrt für alle bleibt, welche ihre Kinder nicht ebenso für den Daseinskampf ausrüsten können, darüber hat Liebknecht keinen Aufschluß gegeben.
6) Die deutsche Hleichspartei (18 Mitglieder).
Von 42 Mitgliedern im Jahre 1887 ist die Partei jetzt auf 18 gekommen; fürwahr kein großer Fortschritt. Die Partei ist identisch mit den Freikonservativen! Viele unserer Leser werden in den Reichstagsberichten den Namen „Kardorfft gelesen und dabei immer und immer wieder die Währungsfrage zu Gesicht bekommen haben; er zählt zu der Reichspartei, als eines der bedeutendsten Mitglieder. Die heimische Landwirtschaft und die Industrie will die Reichs Partei schützen so gut als möglich durch Schutzzölle überhaupt und Getreidezölle im Besonderen. Die direkten Steuern (auf Grund und Boden,
Gewerbe rc.) sollen verringert, dagegen die indirekten (Tabak, Börse, Bier, Branntwein, Zucker) erhöht werden. Doch will die Partei die kleinen Leute insbesondere bei der Einkommenssteuer entlasten. Fürst Bismarck ist von der Reichspartei lange Zeit hindurch in der Zoll- und Handelspolitik wesentlich unterstützt worden, wenn er auch dem Drängen nach Einführung des Silbers in die deutsche Währung neben dem Golde keine Folge geleistet hat.
7) Die Hkolen (16 Mitglieder).
Die polnische Reichstagsfraktion unter der Führung des Herrn von Koscielsky hat den Zusammenhalt ihrer Mitglieder wesentlich in der Zugehörigkeit zu dem Siammlande Polen, das seine Selbstständigkeit bekanntlich verloren hat. Was den Reichstag in den letzten Jahren in dieser Beziehung am häufigsten beschäftigt hat, ist das Bestrebe» der Regierung durch die Erziehung, Religion, Sprache auf die Germanisie- rung dieser Landesteile hinzuwirken. Wo es sich nicht um die Verhältnisse des Stammlandes handelt, ist die Abstimmung der Polen im Reichstag mehrfach geteilt, ausgenommen kirchenpoli- ttsche Fragen, in denen diese Fraktion in der Regel Schulter an Schulter mit dem Zentrum kämpft.
8) Die Wokkspartei (10 Mitglieder).
Sie umfaßt unsere süddeutschen Demokraten, deren Programm jeder einzelne unserer Leser jedenfalls da und dort schon zu hören bekommen hat. Die Partei ist mit der Regierung zufrieden, soweit sie Rechtsgleichheit, Gewissensfreiheit, allgemeine Wehrpflicht, allgemeines Stimmrecht rc. gewährleistet. Die Partei will keine Aus- nahmSgesetze, keine Zölle und Steuern auf die notwendigen Lebensmittel; sie ist gegen den Militarismus, sie will die Unentgeltlichkeit der Volksschule, Gewerbefreiheit u. genossenschaftl. Vereinigungen. Endlich kommen ca. 30 Aögeorduete die kein e r Partei angehören (sogen. „Wilde").
Deutscher Reichstag.
Berlin, 10. Dez. (Schluß der Sitzung.) Erste Beratung der Militärvorlage, v. M an-
Die Tochter des Gauklers.
Original-Roman von Gebh. S chä tz l er-P era sini.
(Nachdruck
verbalen.!
.'Fortsetzung.)
Der Doktor war natürlich wieder aus der Residenz gekommen und arrangierte und ordnete, was es zu thun gab. Sein feines Gefühl hatte ihn dabei nie im Stich gelassen; es that ihm vorzügliche Dienste. Ein jedes mußte die Liebenswürdigkeit Bronnigs anerkennen.
Das Gesinde, das nun wieder in größerer Anzahl angestellt war, hatte einen freien Tag erhalten; es vergnügte sich auf einer an den Park stoßenden Waldwiese.
Ein junger Bursche handhabte die Ziehharmonika — sie waren weit genug, um nicht zu stören — und die anderen tanzten auf dem grünen Rasen. Diener vom Schlosse liefen hin und her und brachten ihnen auch die leiblichen Bedürfnisse.
Sabine, im Hellen Sommerkleide, war die Lebensfreude selbst; mehr als einmal lief sie mit Kurt davon zu den tanzenden Paaren, und wäre es nur schicklich gewesen, sie hätte jauchzend den ländlichen Reigen mitgemacht.
Die Wangen der frischen Burschen und Mädchen glühten vor Lust.
Und einmal konnte Sabine es doch nicht über sich gewinnen, still i dabei zu stehen. Sie zog Kurt hinter das nächste Gebüsch und wirbelte' mit ihm über eine sonnenglänzende Lichtung.
Lachend that Kurt ihren Willen.
Sie sah reizend aus mit dem flatternden, braunen Haar um das rosige Gestchtchen.
Mit leuchtendem Auge betrachtete Kurt sein Schwesterchen.
Man trank am Herrentische noch den Kaffee in heiterer Unterhaltung.
Dann stand der Geistliche des Dorfes, der wie immer aufs Schloß geladen war, vom Tisch auf und entschuldigte sich. Er hatte für den anderen Tag noch eine Predigt zurechtzumachen und wollte sich sammeln. Der häufige Besuch im Schlosse war ihm eine höchst willkommene Abwechselung in seinem sonst ziemlich freudlosen Dasein.
Er hatte Kurt wie Sabine eingesegnet und wußte natürlich auch um das Geheimnis der Geburt.
Jetzt reichte er Sabine die Hand zum Abschiede.
„Mögen Sie immer diesen Tag so heiter und ohne Sorge verleben wie heute, mein liebes Kind; ich wünsche Ihnen das von ganzem Herzen! Und wenn einst der Tag kommt, wo ich Sie wieder bei mir sehe, wo ich Ihre Hand in eine andere legen darf, das wird erst eine rechte Freude für mich sein!
Er wußte, daß seinen Lieblingen heute noch große Enthüllungen bevorstanden.
Auch Kurt reichte er die Hand und blickte ihm in das frische Angesicht.
„Der Mensch erfährt oft manch' Unerwartetes, sagte er, „Freudiges und Trauriges — und immer soll er Herr bleiben seiner selbst. Erschrecken Sie nicht etwa darüber — Ihnen naht nur Freude und Glück!"
Er lächelte humorvoll, als er davouging; freute er sich doch wirklich herzlich über das Glück der beiden.
Kurt und Sabine gaben dem guten Manne das Geleit durch den Park; obgleich er sich das ernstlich verbat, mußte er sich schließlich doch darein ergeben. Sie kamen bei den tanzenden Paaren vorüber, welche beim Erscheinen der drei Personen eine Pause eintreten ließen und ruhig grüßten.
Der Pfarrer erwiderte freundlich die Grüße.