rend seiner Dienstzeit zugefügt wurden, innerhalb der im Strafrecht vorgesehenen Frist klagbar zu werden, selbst dann, wenn der Mißhandelnde nicht mehr bei der Truppe, sondern in einem Zivilverhältnis sich befindet.
* Ulm, 8. Nov. Der Handelsverein Ulm hat auf Betreiben des Fabrikanten Herbst in seiner gestrigen Sitzung beschlossen, die Bestrebungen des württ. Schutzvereins für Handel und Gewerbe bezüglich der Besteuerung der Konsum- Vereine und Abschaffung des Konsumgeldes zu unterstützen und diesbezügliche Schritte sowohl bei der Handelskammer in Ulm als bei der kgl. Staatsregierung zu thun.
* (Verschiedenes.) VonHeilbronn wird berichtet: Ein Soldat, der sich von der Kaserne entfernte, schloß sich nachts einem heimkehrenden Arbeiter an, begleitete ihn nach Hause und stahl ihm dort Geld, Messer u. Uhr. Seither ist der Soldat verschwunden. — InKirch- heim a. N. wurde der Leichnam einer 20 bis 30 Jahre alten Frauensperson aus dem Neckar gezogen. — Nahe am Dorf Klingenberg geriet eine Heerde Hämmel auf das Bahngeleise eben als der Zug Stuttgart-Heilbronn heranbrauste. Voll Furcht rannten nun die geäng- stigten Tiere auf dem Geleise weiter. Der Zug ereilte sie und warf alles vor sich nieder oder auf die Seite. Teils zermalmt, teils schwer verletzt, lagen etliche 60 Stück der schönsten Hämmel auf und neben dem Bahndamm. Durch die überfahrenen Tiere wurde der Zug zum Stehen gebracht. Wenig hätte gefehlt und der Zug wäre bei dem Viadukt bet Klingenberg entgleist und ein gräßliches Unglück wäre die Folge gewesen. Dem Schäfer ist durch dieses unglückliche Ereignis ein sehr bedeutender Schaden entstanden.
* München, 8. Nov. Nach einer Meldung der „Neuesten Nachrichten" traf die Bayrische Heeresverwaltung alle Vorbereitungen für Ausführung der Militärvorlage für den Fall der Genehmigung durch den Reichstag. Ueber die Art der Durchführung wird noch tiefstes Stillschweigen beobachtet.
* (43 Hypotheken auf einem Haus!) Bei Notar Wenglein in München wurde gestern das Haus Nr. 49 an der Orleansstraße (Restaurant) von Pferdehändler L. Sedlmayr, Besitzer der vierten Hypothek, ersteigert. 39 Hypo- thekenbefitzer hatten das Nachsehen.
* Berlin, 9. Nov. Die preuß. Thronrede besagt: Die Rechnungen von 1891/92 weisen einen Fehlbetrag von 42 Millionen auf infolge der Steigerung der Eisenbahnausgaben, welcher Fehlbetrag durch eine Anleihe zu decken ist; auch für das laufende Jahr ist ein günstiger Abschluß nicht zu erwarten. Obwohl die Finanzlage nicht besorgniserregend ist, so ist doch die größte Sparsamkeit geboten. Die allgemeine Aufbesserung der Beamtengehälter wird deshalb noch ausgesetzt. Die Thronrede kündigt die Steuerreformvorlage an, welche in den be
reits bekannten Grundzügen dargelegt wird. Es handle sich nicht um eine Erhöhung der Steuerlast, sondern um den Ersatz des Ausfalls von 102 Millionen aufgegebener staatlicher Realsteuern. Angekündigt wird außerdem eine Vorlage, betreffend das Wahlrecht, ferner eine Vorlage wegen der Verwendung der Mehrerträgnisse der Einkommensteuer zu Schulzwecken, endlich eine solche wegen Erweiterung des Staatseisenbahnnetzes.
* Berlin, 10. Nov. Angebliche Enthüllungen über die Politik des Fürsten Bismarck veröffentlicht der Amerikaner Biggelow in einer englischen Zeitung. Darnach soll Bismarck bei einem Gespräch mit Gortschakoff im Jahr 1874 erklärt haben, Deutschland werde keinen Wteder- spruch erheben, auch wenn Rußland die deutsche Sprache in den baltischen Schulen verbiete und sämtliche protestantische Kirchen in russischorthodoxe verwandle. Biggelow nennt als Gewährsmann einen hohen Justiz-Beamten im Dienst des russischen Kaisers.
* In einem Artikel über die beginnende politische Saison sagt die „Nordd. Allg. Ztg.," daß die preußische Steuerreform und die Mtli- tärvorlage Schlußsteine seien, letzte Schritte zu einem seit lange angestrebten und durch frühere erste Schritte festgelegten Ziel. „Und darin, daß jetzt daran gegangen wird, die letzte Hand an die Aus- und Durchführung von Ausgaben zu legen, die schon so manche Parlamentssession hindurch zum Hauptinhalte der politischen Arbeiten gehörten, ergiebt sich die in den großen maßgebenden Gesichtspunkten wirksame Kontinuität unserer Politik."
Ausländisches.
* Wien, 9. Nov. Die „Polit. Corresp." meldet aus Petersburg, daß in Taurten alle Marktflecken in Dorfgemeinden umgewandelt würden, demzufolge die dort ansässigen Juden Befehl erhielten, diese Gemeinden zu verlassen. Die gleiche Maßregel ist für die Gouvernements Cherson und Bessarabien in Aussicht genommen; sie trifft eine überaus zahlreiche jüdische Bevölkerung auf's härteste.
* Genf, 8. Novbr. Die Verwaltung der französischen Mittelmeerbahn entließ ihren hiesigen Vertreter Bernoud, weil derselbe bei dem eidgenössischen Offiziersfeste veranlaßte, daß beim Bahnhofe Cornavin bei Genf die französische Flagge durch die schweizerische ersetzt wurde. Der Vorfall erregte sehr unliebsames Aufsehen. Der Genfer Stadtrat Dufour hat sich in der Angelegenheit nach Paris begeben. Derselbe hatte gestern eine Unterredung mit dem französischen Arbeitsminister Vielte. Dieselbe hatte jedoch keinen Erfolg. Der Minister erklärte, er habe die Absetzung Bernoud's gefordert, weil man ihm mit einer Interpellation in der Kammer drohte. Die Absetzung sei eine endgiltige Maßregel und könne nicht widerrufen werden. Das Aufsehen, welches die Sache hier macht, ist im Wachsen.
* Genf, 9. Nov. Die Note des Bundesrats an den schweizerischen Gesandten in Paris hebt hervor, der durch die Anordnungen des Ministers Vtette hervorgerufene Zwischenfall Bernoud habe in der Schweiz peinlich berührt und die Gefühle der Bevölkerung tief verletzt. Durch die Anordnungen des Ministers seien die beiderseitigen Landesfarben in Gegensatz zueinander gebracht.
* R o m. Die beharrliche Weigerung des Papstes, den Großfürsten Sergius und dessen Gattin in offizieller Weise zu empfangen, hat in Petersburger Hofkreisen Verstimmung hervorgerufen. Die Audienz des Großfürstenpaares hatte thatsächlich einen völlig privaten Charakter.
* Paris, 8. Nov. Auf dem Polizeikommissariat der Rue des Bons Enfants explodierte eine Bombe. Hiedurch wurden 4 Personen sofort getötet. Ein fünftes mittelbares Opfer, der Unterbrigadier Henriot, der an die Unglücksstätte eilte, wurde vor dem Haus vom Schlage gerührt und fiel tot nieder. Der Polizeiinspektor Trontot, dem ein Bein amputiert werden mußte, ist gestern Nachmittag gleichfalls gestorben.
* (Die Explosion in Paris.) Die Dynamitbombe, die auf dem Treppenhaus vor dem Bureaux der Kompagnie Crrmaux in Paris gefunden wurde, war aus Gußeisen und in Halbkugelform. Der Polizeiagent, der herbeigeholt wurde, trug sie auf das Kommissariat der Polizei. Eintretend in das Bureau, wo die Sekretaire sich befanden, drehte er die Bombe um, um sie beim Handgriff zu fassen. Da erfolgte eine furchtbare Explosion; die Decke stürzte ein, die Fenster wurden zermalmt; ihre Identität ist kaum konstatiecbar. Fünf wurden sofort getötet, darunter Pousset. der Polizeisekretair, Fagan, Hilfssekretair, Tamarin, Sousbrigadier, welcher die Bombe gebracht hatte, und Parin, ein Bureaudiener der Gesellschaft Car- maux; ein Sechster, Polizeiinspektor Trautot, wurde an der Eingangsthür mit zermalmten Beinen und verbrannten Augen aufgefunden; er wurde ins Hospital geschafft. Die menschlichen Uebrrreste sind noch nicht völlig aus den Trümmern gezogen. Am Gasrohre hängen Gehirnteile der Opfer. Die Feuerwehr erstickte den beginnenden Brand. Der Kommissar wurde vom Schlagfluffe gerührt. Da das Haus dem Einsturz droht, wurde der Zugang untersagt. Im Stockwerk unterhalb des Kommissariats wurden vom durchbrechenden Plafond alle Möbel zertrümmert. Die Fensterscheiben der umliegenden Häuser fielen zerbrochen in den Hof des Bureaus. Der abwesende Polizeipräfekt und der Untersuchungsrichter trafen sofort ein. Eine Brigade von Polizeiagenten eilte im Laufschritt herbei. Einer der Agenten brach vor dem Hause des Attentats zusammen. Der Boden des Hauses ist mit Glasstücken, menschlichen Fletschfetzen und Blutflecken bedeckt. Der Ministerpräsident traf am Ort des Attentats ein.
* Brüssel, 9. Nov. Trotzdem Arttllerie- garden das Palaisviertel, die Börse, das Stadthaus besetzten, wurde die gesamte Garnison,
Me Hochter des Gauklers.
Original-Roman von Gebh. Schätzler-Perasini.
(Fortsetzung.)
„Sie dürfen es, Doktor! Hand in Hand wollen wir an das schwere Werk gehen."
Warum faßte er die Hand Franziskas.
„Und will's Gott, führen wir's zu gutem Ende."
„Nun lassen Sie hören. Oder wünschen Sie erst Licht? Ich will den Austrag dazu geben."
„Nein, wenn ich bitten darf," bat Bronuig, „nichts meinetwegen. Ich plaudere stets gern in der Dämmerung."
Franziska nickte.
„Auch den Mond haben wir "
„Und die Sterne, die uns leuchten," ergänzte der Doktor. „Seien sie uns von guter Vorbedeutung."
6 .
Nach momentanem Sinnen fuhr Doktor Bronuig fort:
„Vernehmen Sie denn meine Ansicht: Ich habe seit gestern, seitdem ich alles weiß, viel hin und her mit mir selbst beraten. Und ich bin zu folgendem Schluffe gelangt: Ihr Kind, Gräfin, ist ein zartes, sanftes Geschöpf — und wenn mich nicht meine reiche Kenntnis 'des menschlichen Geschlechts täuscht, so hat Kurt alle Anlagen, ein Träumer zu werden. Dies aber wäre schlimm und muß unbedingt verhütet werden. Beobachten Sie diesen träumerischen Blick, Gräfin, dieses stille, ruhige Wesen Kurls, bei einem Alter, da andere Kinder springen und singen und nicht au Träume denken."
„Ich muß Ihnen recht geben, Doktor," sagte Franziska langsam, „^ch dachte nie daran. Ich hatte sie lieb, die sanften Augen meines Kindes."
„Und doch können diese sanften Augen gefährlich werden. Aus dem Träumen entsteht der Trübsinn und dann —"
„Still! Still!" wehrte die Gräfin erschrocken ab. „Nichts weiter davon! So war ja das Schicksal Waldemars — ich bebe für mein Kind! Sprechen Sie, was ist zu thun, um das, Unglück zu verhüten?"
Doktor Bronnigs Blicke glitten über die Gräfin hinweg und über den dunklen Park, dessen Blätterdecke im Abendwiude wogte.
„Schloß Felsberg liegt zu einsam, Gräfin. Sie müssen es verlassen mit Ihrem Kinde."
Franziska schaute ilm sehr betroffen an.
„Was sprachen Sie?"
„In diesen dunklen Mauern verkümmert die Seele des Kindes. Felsberg ist ein Gefängnis des Geistes und das ist noch schlimmer als eines, das den Körper fesselt. Und auch Sie, Gräfin! Erinnert Sie hier nicht alles nur an das Unglück? Ich habe nie ein glücklich lachendes Gesicht au Ihnen bemerkt."
„Ach, Doktor, das Lachen habe ich längst verlernt!"
„Sie mögen wohl die Berechtigung zu der Traurigkeit, in der ich Sie stets fand, in sich fühlen," bemerkte Bronnig; „aber gutheißen kann ich es nicht, dieses Hineinleben in das Unglück. Das muß den Menschen aufreiben mit der Zeit. Verlassen Sie Felsberg, Gräfin, treten Sie in die heitere Welt hinaus. Sie sind noch jung, schön —"
„Ach, schweigen Sie davon, Doktor," wurde er unterbrochen. „Was wollen Sie alte Wunden wieder bluten machen? Lassen Sie mich hier in dem einsamen, ruhigen Schlosse; ich wünsche mir nichts anderes; ja, ich könnte ein anderes Leben kaum mehr ertragen. Was soll ich in der Welt, die ich vor langen Jahren verließ? Ich würde mich nicht mehr darin zurechtfinden. Ich habe auch niemand dort, der ein Interesse an der Witwe des vergessenen Grafen von Felsberg nähme.