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Bürgerausschüfse und 27 Personen, welche den Gemeindekollegien nicht angehören. In 214 Gemeinden wurde der Orts-Vorsteher nicht zum Amtsdeputierten gewählt. Die Thatsache, daß die Ortsvorsteher mit fast neun Zehntel ge­wählt worden sind, ist ein Beweis, daß die­selben sich in der weit überwiegenden Zahl der Gemeinden des ungeschwächten Vertrauens der aus dem allgemeinenStimmrechthervorgegangenen Gemeindevertretung erfreuen. Eine neue be­merkenswerte Erscheinung ist die Wahl einer größeren Zahl von Bürgerausschuß-Mitgliedern. Sie ist die Folge der Hereinziehung des Bürger- Ausschusses in das Wahlkollegium und zeigt, wie das neue Verwaltungsgesetz dem Bürger­ausschuß einen sich mit der Zeit ohne Zweifel immer mehr erweiternden Einfluß wie auf die Gemeinde-, so auch auf die Bezirksverwaltung eingeräumt hat. Die Wahl von Persönlichkei­ten außerhalb der Gemeindekollegien giebt die Möglichkeit, hervorragende Männer, welche aus irgend welchem Grund keiner Gemeindevertretung angehören, für die Arbeiten der Amtsversamm­lung zu gewinnen. Von derselben ist vorerst noch ein sparsamer Gebrauch gemacht worden; doch ist hervorzuheben, daß sich unter den Ge­wählten dieser Kategorie außer einem Standes­herrn mehrere Großindustrielle und ein Ver­treter der Landesuniversität befinden.

* Die Berichte der württemb. Fabrikinspek­toren für das Jahr 1891 geben leider vom derzeitigen Stande der Industrie des Landes kein erfreuliches Bild. Fast alle Geschäftsleute klagen über schlechten Absatz (namentlich ist die Ausfuhr nach Nord- und Südamerika sehr ge­sunken) und über solchen Preisdruck durch die Konkurrenz, daß an einen soliden Betrieb kaum mehr zu denken sei. Nur die Fabriken, welche Ernährungsartikel Hervorbringen und die Werk­stätten für musikalische Instrumente haben ein gutes Jahr gehabt.

* Freuden st adr, 2. April. Zur Feier des Geburtsfestes unseres Altreichskanzlers Fürst Bismarck war die Stadt beflaggt. Abends fand im Gasthof zum Rappen ein sehr zahl­reich besuchtes Bankett statt, wobei Herr Ober­förster Pahl die gehaltvolle Festrede hielt. Das am Schluffe auf den Fürsten ausgebrachte Hoch fand begeisterten Widerhall. Hierauf wurde ein Glückwunschtelegramm nach Friedrichsruhe abgesendet.

* Rottweil, 4. April. (Schwurgericht.) Anklagesache gegen de» verh. Bauern Christian Ade von Oberthalheim, OA. Nagold, wohnhaft in Börstingen OA. Horb wegen Körperverletzung mit nachgefolgtem Tode. Am 13. März d. I. be­fand sich der von seiner Heimatbehörde als äußerst roh und jeden edleren Gefühls baar prädizterte Angeklagte mit seiner Ehefrau in der Kronenwirtschaft zu Börstingen, wo er mit einigen Anwesenden einen übrigens ganz unbe­deutenden Streit hatte. Er verließ mit seiner Frau die Wirtschaft und erhielt, da er trotz seines angeirunkenen Zustandeskeine Lust bezeugte.

nach Hause zu gehen, von jener und dem dabei- ftehenden Dienstknechte Karl Hertkorn einige Streiche mit der Faust, worauf zwei andere Burschen Matthäus Lang und Eugen Bareis ihn unter den Arm nahmen und heimführen wollten. Er riß sich aber von beiden los und fiel dann zu Boden, wobei ihm Hertkorn aber­mals einige versetzte. Nun hob Bareis den Ade wieder auf und führte ihn mit dessen Frau ein Stück weiter, als er sich plötzlich von Bareis losriß, gegen denselben zu lief und ohne daß dieser ihm ein Leid gethan hätte oder daß er unmittelbar zuvor mißhandelt oder angegriffen worden wäre, sein Taschenmesser, das er unter­dessen gezogen und geöffnet hatte, in den Leib stieß und dann erst, als er mit dem geöffneten Messer auf die in der Nähe befindlichen jungen Leute, Kasimir Feiger und Patriztus losging, erhielt er von diesen, die gesehen hatten, wie er auf den Bareis losstach, Hiebe mit Prügeln, in Folge dessen er verschiedene Verletzungen erlitt. Der gegen Bareis geführte Stich öffnete dessen Magen und obwohl alles aufgeboten wurde, ihn am Leben zu erhalten, starb er schon am 15. März in der chirurgischen Klinik zu Tübingen, wohin er behufs Vornahme einer Operation gebracht worden war, an Blutver­giftung. Zu erwähnen ist noch, daß, wie der vor seinem Tode noch gerichtlich vernommene sehr gut prädizierte Bareis angegeben hat, Ade wegen Familienstreitigkeiten einen Haß auf ihn hatte und sich schon geäußert haben soll, er bringe ihn noch um. Der Angeklagte will gestochen haben, weil Hertkorn zu ihm gesagt habe: Du mußt verrecken, und weil er mit Prügeln geschlagen worden sei. Die Geschwo­renen bejahten die Schuldfrage und billigten dem Angeklagten dem RA. Hailer als Vertei­diger betgegeben war, mildernde Umstände zu, worauf er zu einer 3jährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Die Anklage vertrat Hilfs­staatsanwalt Walcher.

* Stuttgart, 2. April. Die Lotterie des Württembergischen Krtegerbundes ist von der Neichsstempel-Abgabe, als Wohlthätigkeits-LoL- terie befreit worden.

* Stuttgart, 4. April. Wie schon früher mitgeteilt, gedenkt I. M. die Königin Witwe den Sommer über Aufenthalt auf ihren Be­sitzungen in Rußland zu nehmen. Die Vor­bereitungen zur Reise sind bereits im Gange. Das Anerbieten Sr. Maj. des Königs, das Schloß in Friedrichshafen als Sommeraufent­halt zu beziehen, hat Königin Olga für diesen Sommer dankend abgelehnt.

* In Heilbronn wird Herr Oberbürger­meister Paul Hegelmaier demnächst vor der kgl. Strafkammer erscheinen; es ist gegen ihn das Hauptverfahren wegen falscher Beurkundung im Amte eröffnet.

* Backnang, 5. April. Keine kleine Ueber- raschung wurde, wie derM. B." schreibt, einem hiesigen Rotgerber zu teil. Derselbe er­hielt in letzter Woche m einem Postpaket, Auf­

gabeort Bruchsal, 2000 Mk. (in lauter Doppel­kronen) zugesandt, welche demselben vor einigen Jahren auf der Heimreise vom Hellbrauner Ledermarkt im Eisenbahnwagen abhanden ge­kommen waren und demselben unangenehme Folgen bereiteten. Derredliche Finder" schreibt hiebei, jedoch ohne Namensunterschrift, daß er die 2000 Mk. im Eisenbahnwagengefunden" und sich angeeignet habe, um ein Gütchen zu kaufen. Es sei ihm nun gelungen, dasselbe wieder günstig zu verkaufen und da ihm sein Gewissen ob dieser That keine Ruhe lasse, sende er die 2000 Mk. unter Dank zurück. Eine That, die allgemeine Anerkennung verdient.

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* Berlin, 5. April. DieKreuzztg." be­spricht die Nachricht über die angebliche freund­lichere Gestaltung der russisch-deutschen Bezieh­ungen und bezeichnet dieselbe als durchaus erfunden. Sie stellt als Thatsache fest, daß Rußland in derartiger Geldnot sei, daß es sein Goldguthaben immer mehr zurückziehe. Ruß­land hoffe zu Emittierung einer neuen Anleihe ausländisches Kapital heranzuziehen, und beab­sichtige eine neue Notenemission in großem Um­fange. Die Notstandsarbeiten trügen fast aus­nahmslos den Charakter strategischer Arbeiten.

' Berlin, 5. April. Das Berliner Tage­blatt meldet aus Rom: Herr v. Schlözer be­antragte neuerdings den Purpur für Bischof Kopp; der Vatikan, von Rampolla inspiriert, ist diesem Antrag abgeneigt.

* (Wrsmcrrcks 77. Keburtsfest.) Unter gewal­tigerer Beteiligung als je hat die diesjährige Bismarck­seier stattgefunden. Von fürstlichen Personen sandten außer der Kaiserin Friedrich und dem Prinzregenten von Bayern noch Glückwünsche: der König von Sachsen, der Großherzog von Sachsen - Weimar, die Großherzogin Mut­ter Alerandrine von Mecklenburg-Schwerin (Schwester Kaiser Wilhelms I). Eingelaufen sind an 5 000 Tele­gramme, 500 eingeschriebene Briefe, 200 Pakete. Briese kommen mit jeder Post beutelweise in zahllosen Mengen an. Die Feier in Friedrichsruh begann unter außer­ordentlichem Andrang des Publikums um 11 Uhr vor­mittags mit einem Stävdche» der Kapelle der neunten Jäger vor dem festlich geschmückten Schlosse. Das Schloß Friedrichsruh beherbergte zahlreiche Mitglieder der fürst­lichen Familie, Anverwandte und andere Persönlichkeiten, die nahe Beziehungen zu dem Fürsten haben, so auch den Reichstagsabgeordneten Siegle von Stuttgart. Die ganze Flucht der Zimmer des Erdgeschosses war ersüllt-«»»,-^«»' Dust der zahlreichen Kinder Floras, die in Töpfen, Kübeln, Vasen, Kränzen und Bukets sich eingestellt hatten. Um 11^/4 Uhr trat der Fürst heraus und war sogleich von vielen Hunderten umringt, die ihn mit Blumen geradezu überschütteten. Nach erfolgter Rückkehr vom Spaziergang fand im Park des Fürsten der Empfang der Bochumer Abord­nung statt, die aus 24 Personen, darunter Bergleute in Festan­zügen, bestand. Sie überreichte ein Faß Bier, einen Pumper­nickel und einen westfälischen Schinken für die Fürstin. Der Führer der Abordnung führte in seiner Anrede aus, sie seien gekommen als die Vertreter von 10, 000 Gleich­gesinnten aus allen Kreisen Bochums. Der Fürst erwi derte u. A. Folgendes:Von Bochum ist in letzter Zeit- ja viel geschrieben worden, aber ich bekenne Ihnen offen, daß ich den mißgünstigen Verleumdungen gegen Bochum und seine Söhne niemals Glauben geschenkt habe. Es passieren ja überall Unregelmäßigkeiten und Nachlässigkei­ten: das ist in der menschlichen Natur begründet. Mir ist bekannt, daß die Bochumer Schienen sich überall be­währt haben und diese Thalsache steht so fest, daß dage­gen keine Fusangelei aufkommen kann. Aber die gesamte

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Alexei las noch einmal die Schrift, welche lautete:Der Hecht ist tot; aber seine Zähne sind geblieben. In drei Tagen wird der Rächer erscheinen und das Urteil vollziehen. Bereite dich auf den Tod vor!" Dann schüttelte er das Haupt, gab sie dem andern zurück und sagte: Wohl, ich will dich hier nicht zurückhalten, wenn du dich an anderen Orten für sicherer hältst; aber ich gebe dir zu bedenken, daß, dringt ein Mensch durch Wände oder verschlossene Thüren, er sich auch durch die Entfernung nicht abhalten lassen wird, dir den Tod zu geben."

Auf meinen Gütern soll er es wohl unterlassen," erwiderte Dol- gorucki, verbeugte sich und verließ den Kreml.

Als er nach seinem Hause zurückkehrte, gab er den Befehl zum Aufbruch nach seinen Gütern. Da erschien sein siebzigjähriger Vater und ersuchte ihn, zu bleiben; denn auf den Gütern herrsche eine böse Krankheit.

Lieber der Pest in die Arme," schrie Fürst Dolgorucki,als noch drei Tage in Moskau. Hier bin ich nicht mehr ich selbst, hier packt mich die Feigheit und schüttelt meine Glieder im Fieberfrost."

Umsonst riet der Vater, zurückzubleiben; schon nach einer Stunde wieherten die Pferde, welche den Fürsten und dessen Gefolge auf die entfernten Güter in der Nähe von Nowgorod bringen sollten. Dolgo­rucki schwang sich in den Sattel; er war gerüstet, als zöge er in den Krieg. Ein Panzerhemd bedeckte seine Brust, und auf dem Haupte trug er den Kegelhelm mit der Gesichtsstange und der weißen Reiherfeder vorn. An der Seite hing ihm der Säbel mit dem goldenen Griffe und der mit Perlen besetzten Scheide.

Wie der Herr war das zahlreiche Gefolge in voller Rüstung.

Der dritte Tag ist fast zu Ende, und schon liegt das Ziel der Reise in Sicht. Dolgorucki atmet freier; denn er meint, dem Rächer entflohen zu sein.

Er hat nicht Wort gehalten!" ruft er fast übermütig aus.

Ein weites, niedriges Steinhaus erscheint im Gesichtskreise. Zur Seite liegen viele andere Gebäude aus Lehm und Holz. Es sind Scheunen, Schuppen, Wohngebäude für die Dienerschaft, die Leibeignen. Aus einem derselben hört man schon in der Ferne ein durchdringendes Schmerzensgeschrei. Dolgorucki hält das Roß an, und sein Auge blickt mit Stolz auf sein Eigentum, das von den Strahlen der Abend­sonne vergoldet wird. Für die damalige Zeit war dieser Landsitz des Fürsten ein ungemein prächtiger.

Das gellende Schmerzensgeschrei dauert fort.

Der Landsitz Dolgoruckis war von dunklen Kieferwaldungen ein­gefaßt, welche sich rechts der Straße näherten. Auf diese trat jetzt ein Jäger, Bogen und Pfeile in der Hand.

Ich wette, daß die Stimme einem Weibe angehört, dem man die Peitsche zu kosten gibt. Das pfeift wie die Spitzmäuse!" lachte der Fürst. Den Schützen gewahrend, fuhr er fort:Wer ist der Kerl, der es wagt, mit Pfeil und Bogen auf meinem Jagdrevier umherzulaufen? Der Schurke soll dem Weibe sogleich akkompagnieren."

Er wollte seinem Roß die Sporen geben, um dem Schützen zu nahen, als er plötzlich erbleichte; der schwarzbärtige Jäger hatte den Bogen gespannt und den Pfeil auf ihn gerichtet. Der Fürst deutete auf ihn, indem er schrie:Fangt ihn, den Mörder, fangt ihn!" Bei diesen Worten reckte er den Arm aus, während jener den Pfeil entsandte.

Derselbe hastete in der Schulter.

(Fortsetzung folgt.)

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(Lesefruch t.) Menschenkenntnis erlangt man nicht dadurch, daß man die Menschen !zu kritisieren, sondern dadurch, daß man sie zu ver­stehen sucht.