sie ist ein ureigener Ausfluß der deutschen Volksseele. Auch wir stehen heute seit zu Kaiser und Reich, fest aber auch in tiefer Dankbarkeit zu unserem alten Reichskanzler Bismarck, dem wir heute zu seinem Geburrstag die herzlichsten und innigsten Glückwünsche darbringen. Gott erhalte diesen Träger und Zeugen von Deutschlands großer Zeit, diese echt deutsche Eiche, die in dem gelichteten Walde noch steht, der Mann, dem unser Vaterland so großen Dank schuldet, noch lange frisch und gesund. Diese unsere innigsten Wünsche für das Wohlergehen des Alt-Reichskanzlers fassen wir zusammen sin dem Rufe: Fürst Bismarck er l e be h och!"
Aus der Mitte der Versammlung ging der Wunsch hervor, wie im Vorjahr so auch diesmal wieder ein Glückwunsch-Telegramm an den gefeierten Alt-Reichskanzler abgehen zu lassen, welcher Vorschlag die Billigung aller Anwesenden fand. Es wurde nun das nachstehende Telegramm abgesandt: „An Se. Durchlaucht Fürst Bismarck, Friedrichsruhe:
Noch viele Jahr' uns Gott erhalte.
Den Kanzler in dem Sachsenwalde,
Der Deutschland in den Sattel hob,
Daß es vorreitet jetzt, gottlob!"
In gehobenster Stimmung nahm die Feier den schönsten Verlauf und es war ein allgemeiner Wunsch, es möge dieselbe noch viele Jahre wiederkehren.
* Altensteig, 4. April. In letzter Woche tagte in Nagold unter dem Vorsitz von Fi- nanzrat Leo eine Fahrplan Konferenz. In derselben wurde auch das Ergebnis festgestellt, daß der Personenverkehr der Altensteiger Bahn ein über Erwarten günstiger ist, indem durchschnittlich täglich 180 Fahrkarten zur Abgabe gelangen. — In den nächsten Tagen wird wieder eine Kommission eintreffen, um bezüglich derAusbauung der oberen Nagoldthalstraße einen endgültigen Beschluß zu erzielen. Es ist ein längst gefühlter Mtßstand, daß der für einen ersprießlichen Verkehr natürlichste Verbindungsweg noch nicht erstellt worden ist, namentlich tritt das Bedürfnis seit Eröffnung der Altensteiger Bahn in erhöhtem Maße auf. Möge deswegen die Verhandlung mit allen beteiligten Gemeinden zu einem günstigen Ergebnis führen, liegt es doch im Interesse einer jeden einzelnen Gemeinde, daß die Erbauung nicht auf unabsehbare Zeit verzögert wird. — Wie wir von zuverlässiger Seite vernehmen, nimmt die Flößerei auf unserem Nagoldflusse von Jahr zu Jahr ab, und zwar in dem Maße, daß die Ziffer der abgegangenen Flöße im letzten Jahre kaum mehr als ein Drittel der noch vor 3 und 4 Jahren zu Thal gegangenen Anzahl beträgt. Die Werkbesitzer an der Nagold sollen erneut im Begriff stehen, die gänzliche Aufhebung der Flößerei anzustreben. — Gestern wurden in der hiesigen Stadtkirche 63 Kinder und zwar 27 Knaben und 36 Mädchen konfirmiert. Möge ihnen allen auf ihrem künftigen Lebenswege ein günstiges Geschick zu teil werden. — Ein schönes doppeltes Familienfest war gestern in unserem Stadt- pfarrhause. Unserem verehrten Herrn Stadtpfarrer Hetterich wurde ein Sohn konfirmiert und dessen betagte Großeltern, welche
zum Besuch gekommen waren, feierten gleichzeitig die g o ld ene H o chzeit. — Die Gemeinde Ebhausen bereitete ihrem langjährigen Schullehrer Deines, welch w in den Ruhestand getreten ist, aus diesem Anlasse im Gasthaus zum Waldhorn daselbst eine schöne Feier. In mehreren Reden und Toasten wurden die besten Segenswünsche für Hr. Deines ausgesprochen und Hr. Schultheiß Dengler übergab Hr. Deines als Angebinde zu seinem Glückwünsche und als Geschenk der Gemeinde noch einen wertvollen Regulateur. Die anwesenden Lehrer sangen mehrere Männerchöre.
* Altensteig, 4. April. Am 1. Juni d. I., morgens 7 Uhr findet auf dem Stadtacker in Nagold eine ftaatlicheBezirks- Rindviehschau statt. Zugelaffen werden zu der Schau Zuchttiere des Roten- und Fleckviehs, nämlich: a) Farcen, sprungfähig mit 2 bis 4 Schaufeln, d) Kühe, erkennbar tragend oder in Milch mit höchstens 3 Kälbern. Preise können bei der Schau in nachfolgenden Abstufungen zuerkannt werden: a) für Farren zu 140, 120, 100, 80 Mk., 6) für Kühe zu 120, 100, 80, 60 Mk. Diejenigen, welche sich um Preise bewerben wollen, haben ihre Tiere bis 10. Mai d. I. beim K. Oberamt Nagold unter Benützung der von Oberamtstierarzt Wallraff zu beziehenden Anmeldescheine anzumelden.
* Stuttgart, 31. März. S. M. der König hat einen Hofbeamten zu dem durch eine Kugel aus der Mähderklinge schwer verwundeten Weingärtner Latch in Feuerbach gesandt, um sich über sein Befinden erkundigen zu lassen und hat ihm zugleich einen namhaften Geldbetrag übersandt.
* Stuttgart. 31. März. Die württ. Regierung wird der Frage einer etwaigen Erweiterung der öffentlichen Jrrenfürsorge noch dieses Jahr näher treten. Zu diesem Zweck sind von seiten des Ministeriums des Innern die nötigen Anweisungen ergangen, wonach angeordnet wird, daß am 1. Mai d. I. eine Aufnahme von sämtlichen zur Zeit nicht in einer Irrenanstalt untergebrachten Geisteskranken in Württemberg zu erfolgen habe.
* Stuttgart, 1. April. Der frühere Kommandant von Stuttgart, Generallieutenant z. D. v. Gleich, ist im Alter von 59 Jahren gestorben.
* In Heilbronn spielte sich in letzter Woche wieder einmal eine Sensationsgeschichte ab. Der Held derselben ist diesmal nicht der suspendierte Oberbürgermeister Hegelmaier sondern dessen grimmigster Gegner Werkmeister und Gemeinderat Louis Huber; in einer Beleidigungsklage des Rechtsanwalts Mögling gegen Dr. Lipp erschien Huber als Zeuge vor Gericht; er mußte sich als Verfasser eines in dem Lipp'- schen Blatte schon vor ziemlich langer Zeit veröffentlichten Schmähartikels bekennen, behauptete da auf seinen Zeugeneid hin, daß der Inhalt jenes Artikels wahr sei und war schließlich genötigt,
diese seine beschworene Aussage als unwahr zurückzunehmen.
* Blaubeuren, 30. März. In der Konkurssache der Bank für Gewerbe und Handel fand eine Gläubigerversammlung statt, um die angemeldeten Forderungen zu prüfen und den Stand der Kaffe festzustellen. Die Passiven dürften die Höhe von 400000 Mk. erreichen. Ein großer Teil Forderungen wurde an die Konkursmasse Schwarz gewiesen, weil die betreffenden Schulden nicht, wie es die Statuten der Bank verlangten, zwei Unterschriften, sondern nur die des Schwarz trugen und weil Schwarz diese Gelder unterschlagen und für sich verwendet hat. Soweit sich der Stand der Masse der Gewerbebank überschauen läßt, mag dieselbe eine Konkursdividende von 65—70 Prozent in Aussicht stellen. Es soll jedoch durch Einwirkung auf die Vorstandschaft und die Aufstchtsmitglieder der Bank die Einleitung eines Zwangsvergleichs nicht unter 80 Prozent versucht werden.
* Ulm, 31. März. In der „Ulmer Zeitung" war neulich wieder von einem unter das Kapitel der Soldatenmißhandlung zählender Fall berichtet worden, der in der 6. Kompagnie des Infanterie-Regiments Nr. 124 vorgekommen war, in welcher einige ungeschickte Leute um Mitternacht von ihren Kameraden überfallen und durchgeprügelt wurden. So verwerflich ein derartiges Treiben ist, so können doch dafür nicht die Vorgesetzten der betreffenden Leute verantwortlich gemacht werden und wenn vonSol- daten-Mißhandlungen gesprochen wird, so denkt sich doch jedermann, daß die Mißhandlungen von Vorgesetzten der Soldaten verübt worden seien. In fraglichem Falle sind die durchgeprügelten drei Soldcuen mit Mittelarrest bestraft worden, weil sie unterlassen hatten, von der ihnen durch ihre Kameraden zugefügten Mißhandlung ihren Vorgesetzten behufs Einschreitens Meldung zu erstatten.
* (Verschiedenes.) In Backnang herrscht gegenwärtig große Aufregung wegen der Falliterklärung der mechanischen Schuhfabrik von I. Feigenheimer; hiedurch werden hauptsächlich kleinere Geschäftsleute der Lederindustrie geschädigt. — In der Gemeinde Margrethausen wurde die Wahl des Deputierten zur Amtsversammlung aus formellen Gründen für ungültig erklärt. Der beanstandete Obmann des Bürgerausschusses wurde jedoch bei der zweiten Wahlhandlung mit noch bedeutenderer Majorität (10 gegen 2 Stimmen) als das erstemal, in die Amtsversammlung gewählt. — In Schorndorf fiel ein junger verheirateter Arbeiter in seinem Hause rückwärts die Treppe hinunter, wobei er so schwere innere Verletzungen erlitt, daß er nach kurzer Zeit starb. — Zwischen Böblingen und Renningen konnte am 29. v. M. die Post wegen eines allzustarken Schneegestöbers nicht Verkehren. In dieser Jahreszeit noch nie dagewesen!
Der Aeks des Verfluchten. (^4^
(Historische Erzählung von W. Grothe.)
(Fortsetzung.)
Semem fuhr sich mit der Hand über die Augen, dann fuhr er fort:
„Man bereitete ihm ein furchtbares Los."
„Er wurde nach Sibirien geschickt? man stieß ihn in die Bergwerke?" fragte der Knabe unruhig. „Oder wagte man, sein Leben anzutasten, und es gab niemand, der den Helden rächte und die Henker zur Rechenschaft zog?"
„Höre, Knabe, und laß mein Wort dir tief im Busen ruhen. — Es war am 23. Mai des Jahres 1671. In Moskau waren alle Läden und Arbeiterstätten geschloffen. Der Kaufmann feierte, es feierte der Handwerker, die Spindeln hatten Ruhe; denn alles eilte hinaus auf die Gassen. Es war aber kein hoher Festtag, es galt nur einem Schauspiel, einem schrecklichen, blutigen Schauspiel.*)
Die Straßen, welche zu dem Gefängnis des Kreml führten, waren mit Neugierigen dicht angefüllt, und alles harrte mit bangem Schweigen des fürchterlichen Aufzuges, den eine Abteilung Strelzi in ihrem Waffenschmuck eröffnete.
Diese Truppe hatte in dem Aufstande Stenka Rasins schwer gelitten. Sie bildete den Kern des russischen Heeres und war von vierzigtausend auf noch nicht zehntausend Mann zusammengeschmolzen. Das machte, die Söldner waren zu Stenka Rasin znm Teil übergegangen, obgleich man dies stets verschwiegen hatte, weil inan das böse Beispiel fürchtete.
Hinter den Strelzi kam ein sonderbares Gefährt, ein niedriger
*) Der Verloster folgte in dieser Schilderung den russischen Chroniken, welche eingehend den Tod und die Hinrichtung Stenka Rasins behandeln. Bis auf den Knaben auf dem Preistlein ist alles streng historisch.
Karren, der von Büffeln gezogen wurde. Auf demselben befand sich eine Schaubühne und auf dieser ein Block. Da saß er, der Herrscher der astrachanischen Lande, der Gebieter des Volkes zwischen Wolga und Don, der riesige Held, den nur der feige Verrat besiegt hatte: Stenka Rasin.
Schwere Ketten belasteten seine Arme und Beine und fesselten ihn an den Henkerblock, so daß er sich nicht zu regen vermochte. Vier Henker saßen auf den Ecken des Karrens, andere gingen nebenher.
Die Augen des Volkes waren auf den Gefangenen gerichtet, dessen Seele ungebrochen war, dessen Blicke so stolz leuchteten, als ginge der Zug nicht zu Tode, als wäre es ein Triumphzug, der ihm zu Ehren veranstaltet sei. Man staunte diesen Mut an, man bewunderte die Größe selbst an dem gefallenen Feind, so daß man ihm Gebäck und Geldmünzen zuwarf.
Er achtete dessen nicht; sein Auge glitt suchend über die Menge und blieb auf einem Knaben haften, der sich auf den Prellstein eines Hauses emporgeschwungen hatte und so die Menge überragte. Derselbe hatte in der Hand ein weißes Tuch, welches er wie zur Begrüßung wehen ließ.
Als der Gefangene das weiße Tuch in der Hand des Knaben gewahrte, zeigte sich ein zufriedenes Lächeln auf seinem Antlitz. Er wollte sich erheben, aber die Bande hinderten ihn daran. Somit gab er nur durch eine Neigung des Hauptes ein Zeichen, auf welches der Knabe von dem Prellstein verschwand.
Uebrigens war Stenka Rasin nicht der einzige gewesen, welche jenen bemerkt hatte. Dicht hinter dem Karren ritten Polizeibeamte. Vo» diesen sagte der erste zu einem seiner Untergebenen, der ihm zunächst war ^
„Michael, war das nicht derselbe Junge, welcher sich zu de« Rebellen drängte, als wir ihn zum Kerker geleiteten, und dem er etwa- zuflüsterte?" I