100 Jahre, daß der Begründer derLudwigs - burger Cichorienfabrik, Heinrich Frank, in Laihingen a. E. das Licht der Welt erblickte. Der 100jährige Geburtstag des weltbekannten Mannes wurde im Kreise der Hinterbliebenen ganz im Sinne desselben in aller Stille gefeiert. Zum ehrenden Andenken an den Stifter des großen Etablissements wurde jedem Angestellten und Arbeiter am Samstag der Gehalt resp. der Wochenlohn doppelt ausbezahlt. Selbst die Essenträgerinnen von auswärts wurden mit einer Krone (10 Mk.) beschenkt. — In Stutt- gart hat sich ein dortiger Geschäftsmann aus noch unbekannten Gründen erhängt. — In Strümpfelbach hat sich ein 24 Jahre alter Bursche aus Liebeskummer erschossen.
* Eine wahre Höllenfahrt hat ein Müllerknecht inOettlingen (Baden) gemacht. Der Bursche hatte nämlich vorher etwas zu tief in das Glas geguckt und da trug es sich zu, als er, mit einem Sack Frucht beladen, die Bühnenstiege herunter wollte, daß er das Gleichgewicht verlor, mit seinem Sack ein Loch ins Kamin rannte, in letzteres rutschte und durch dasselbe mit dem Sack hinunter in die Küche fuhr, wo er unversehrt anlangte. Der Schrecken des betreffenden Bauern, welcher dem Burschen den Sack auf den Rücken heben half, soll nicht klein gewesen sein, da es bei der unfreiwilligen Reise von einem Müller, einem Sack Frucht und einer großen Anzahl Backsteinen durch das Kamin an Lärm nicht fehlte.
* Aus Augsburg, 9. Febr., meldet man der „Fr. Ztg.": Aufsehen erregt die Verhaftung eines fremden jungen Mannes, der sich auf der Hauptwache eingeschlichen und ein Gewehr zu stehlen versucht hat. Bei der Visitation wurde ein gestohlenes Gewehrschloß und eine namhafte Geldsumme gesunden.
* Berlin, 10. Febr. Auf die Tagesordnung der Sitzung des Reichstags vom 11. ds. war u. a. der Antrag des Zentrums auf Rückberufung der Jesuiten gestellt. Graf Ballestrem gab nun als Vorstand der Zentrumsfraktion folgende Erklärung ab:
Auf Grund eines einstimmig gefaßten Beschlusses meiner politischen Freunde habe ich den Herrn Präsidenten zu bitten, unsren Antrag auf Aushebung des Jesuitengesetzes von der Tagesordnung abzusetzen. Wir stehen nach wie vor unverändert auf dem Boden unseres Antrages. Die Erklärung des preußischen Hrn. Ministerpräsidenten im preuß. Abgeordnetenhause am 29. Janr. d. Js-, aus welcher sich zu unserem Bedauern die ablehnende Haltung der preußischen Regierung und damit die Aussichtslosigkeit für einen wirklichen Erfolg unsres Antrages,zur Zeit ergiebt, würde uns an und für sich noch nicht veranlaßt haben, auf die Beratung desselben in diesem Augenblick zu verzichten. Wenn dies von unserer Seite dennoch geschieht, so thun wir es im Hinblick auf die Thatsache, daß neben dieser Lachlage zurzeit aus Veranlassung des in Preußen vorgelegten Volksschulgesetzes (Hört! hört! links) eine hochgradige, wenn auch nach unserer Ueberzeugung ungerechtfertigte Erregung im Lande hervorgerufen worden ist. (Aha! links.) Wir müssen der Ansicht sein, daß die Verhandlung über unfern Antrag benützt werden würde, um die jetzt wachgerufenen Gegensätze noch mehr zu verschärfen. (Bebel: ei! ei!) Wir glauben dem Barerlande einen Dienst
zu erweisen, wenn wir dazu die Gelegenheit nicht bieten. Wir vertrauen, daß die Zukunft die Beseitigung des für das katholische Volk schmerzlichen Zustandes bringen wird und muß, welcher durch das Ausnahmegesetz gegen die Jesuiten geschaffen worden ist. Wir behalten uns vor, unfern Antrag zu uns geeignet erscheinender Zeit in geschäftsordnungsmäßiger Weise wieder anzuregen. — Präsident v. Levetzow: Ich habe den Redner nicht unterbrechen wollen, muß aber sagen, daß seine Ausführungen, lediglich um die Absetzung eines Gegenstandes von der Tagesordnung zu verlangen, doch etwas ausführlich waren. (Heiterkeit.)
* Wegen Knabenmordes wurde im Oktober v. Js. der israelitische Metzger Buschoff von Xanten verhaftet, wegen ungenügenden Beweises jedoch wieder freigelaffen. Jetzt ist er auf Antrag des Clever Staatsanwalts in Köln wieder verhaftet worden. Der Fall wurde nun letzten Dienstag im preuß. Abgeordnetenhaus von dem Abg. Rickert zur Sprache gebracht. Rickert protestierte besonders gegen die unerhörte, in der Presse und in Volksversammlungen betriebene antisemitische Agitation, welche einen unerlaubten Druck auf den Justizminister und den Gang der Verhandlungen auszuüben bezwecke, sich auch nicht scheue, schamlose Verdächtigungen gegen den Untersuchungsrichter und den Verteidiger des Angeklagten auszu- sprechen und erdichtete Aeußerungen allerhöchster Personen für ihre Zwecke auszubeuten. Wie könne gerade das vornehmste konservative Organ, die „Kreuzzeitung", das alberne Märchen von einem Ritualmorde noch auftischen, das von hervorragenden katholischen Kirchenfürsten längst als ein solches gekennzeichnet sei. Stöcker erwiderte Rickert: Wenn Buschoff auf's Neue verhaftet ist, so beweist das, wie nötig die öffentlichen Versammlungen waren. (Oho! Unruhe links). Die Geschichte beweise, daß aus Aberglauben Christen durch Juden umgebracht worden sind. Er erinnert an den Fall Bernstein in Breslau, wo der Ueberführte für unzurechnungsfähig erklärt sei, um eine solche Sache beizulegen. Warum bleibe in solchen Fällen der wirklich Schuldige gewöhnlich unentdeckt? Redner streift den Fall Bleichröder und Liebmann, die bewiesen, daß den Juden eine nachsichtigere Behandlung zu Teil werüe und Anklagen erst auf Drängen des Volkes von der Justizverwaltung ausgenommen würden. Das Ministerium Schelling zeige eklatant einen stets zunehmenden Einfluß des Judentums. Unter ihm seien höhere Richterstellen auch den Juden eingeräumt worden. Justizminister Schelling wies energisch die gegen die Unparteilichkeit und Unbefangenheit der preußischen Richter erhobenen Vorwürfe zurück. In sämtlichen von den Vorrednern berührten Fällen habe die Justizverwaltung sofort eingegriffen und eines Drängens durch Volksversammlungen, die über keinen Fall richtig orientiert seien, habe es nicht bedurft. Fritzen (Zent.) hofft, daß die Untersuchung im Falle Buschoff mit aller Strenge geführt werde. — Damit wurde der Gegenstand verlassen.
* In parlamentarischen Kreisen, so schreibt das ,B. T/ verbreitet sich die Kunde, daß Fürst Bismarck doch noch im Laufe der Session
nach Berlin kommen werde, allerdings nicht,
-um im Reichstag „gegen den neuen Kurs" zu steuern, sondern um im Herrenhause Stellung zu dem neuen Volkdschulgesetzentwurf zu nehmen.
H* Berlin, 9. Febr. Die gestern stattgefundene sozialdemokratische Versammlung war von 5000 Personen besucht. Nach einer Rede Bebels über die Stellungnahme der Sozial- H demokratie zum Volksschulgesetz wurde eine K« Resolution folgenden Inhalts einstimmig ange- ZW nommen: „Der Entwurf zum Volksschulgesetz ist nur die Konsequenz der kulturfeindlichen Be- strebungen der herrschenden Klassen, die Liberalen » inbegriffen. Die Auffassung, daß die konfessionelle r? Erziehung ein Kampfmittel gegen die Sozial- ^ demokratie sei, ist ebenso naiv wie absurd. Eine richtige Volkserziehung sei nur erwartbar, AZ, wenn die Weltlichkeit der Schule durchgeführt und die Religion für Privatsache erklärt werde, ^ was die herrschenden Klassen weder wollen noch ; Z können. Deshalb stehe auch die Sozialdemo- kratie dem Entwürfe, sowie aller jener Seite ß>F entstammenden Reformen feindlich gegenüber." ziZ-
* Berlin, 10. Febr. Der „Nat.-Ztg." zufolge betragen die Zeichnungen auf die 160 Z>3 Mill. Reichsanleihe und 180 Mtll. preußischer »Z- Anlethe im ganzen etwa 1150 Millionen. Der ^" Betrag der Reichsanleihe ist etwa viermal, der Betrag der preußischen nahezu dreimal gezeichnet. ^ Der Erfolg der Zeichnung ist um so höher an- - zuschlagen, als sie ohne spekulative Beteiligung p« nur von anlegebedürftigem Kapital erfolgt ist. r,Z
* Berlin, 10. Febr. Die „Vossische Zei- ZZ tung meldet: Die Vorlage betreffend die Be- "Z strafung des Verrats politischer Geheimnisse ZZ geht dem Reichstage noch in dieser Session zu. ^
* Berlin, 11. Febr. Der Kaiser geneh- Z-Z. migte die Errichtung eines zweite» Klosters im »rr Fürstentum Hohenzollern.
* In Berlin ist die Arbeitslosigkeit, wie ZA die Gewerkschaftsorganisationen versichern, noch immer im Zunehmen begriffen. Von den Filz- AZ schuharbeitern soll die Hälfte der Arbeiter be- schäftigungslos sein. Die Zahl der arbeits- losen Tischler in Berlin wird auf 2000 ange- geben. Noch 1000 Buchdrucker sind infolge des Streiks arbeitslos. Aus jedem Gewerk ertönt -,2 die Klage, daß die Zahl der Erwerbslosen ^ größer sei als je zuvor.
* Oderberg, 11. Febr. In den hiesigen - zahlreichen Dampfschneidemühlen wurden 250 ZF Arbeiter entlassen.
* Landsberg (Oberschlesien), 10. Febr. Efl Ein Trupp russischer Auswanderer wollte die ^ Grenze überschreiten. Russische Gendarmen feuerten auf dieselben. Viele wurden verwundet. «
' In allen deutschen Kreisen Nordschleswigs «Z. ruft tiefste Entrüstung die Nachricht hervor, z«> daß das prächtige Kaiserbild in der Schule zu 's, Rangstrup, zwischen Apenrade und Lügum- Z Z kloster in einer der letzten Nächte in schändlich- ster Weise verstümmelt worden ist. Der Ver- L» dacht der Thäterschaft lenkt sich auf fanatische Dänen. Dieselben drangen in die Schule ein, ZI,
deten, welche in den letzten drei Monaten für irgend jemand Schlüssel angefertigt, ohne daß sie die dazu gehörenden Schlösser in den Händen gehabt. Damit war alles gethan, was von meiner Seite für jetzt in dieser Sache geschehen konnte.
Ich befand es für gut, Theodor die Entweichung seiner Schwester mitzuteilen. Er vernahm die Nachricht mit sichtlichem, Schrecken.
„Die Unselige!" rief er aus. „Durch dieses thörichte Wagnis bekennt sie ihre Schuld."
. Dieser Ausruf enthielt unbezweifelbare Wahrheit, daher ich denselben bei dieser Gelegenheit ganz natürlich fand.
Es trieb mich, Theodor zu fragen, ob sein Vater außer ihm noch einen anderen, vielleicht illegitimen Sohn besessen habe. Er erwiderte, daß er vor Jahren allerdings aus dem Munde eines inzwischen verstorbenen näheren Bekannten seines Vaters von dem Vorhandensein eines älteren illegitimen Bruders gehört, der ihm selbst sogar sehr ähnlich sein solle; da aber weder seine damals noch lebende Mutter, noch andere nahe Bekannte seines Vaters aus dessen jüngerem Alter die geringste Kunde von einem solchen Sprößling des letzteren besaßen — diesen selbst habe er aus naheliegenden Gründen niemals darum befragt — so habe er bis heute jene Angabe als eine unwahre betrachtet.
„Darf ich fragen, Herr Justitiar, warum Sie diese Frage stellen?"
„Ich sah vor kurzem in der That einen Mann, der Ihnen zum Verwechseln ähnlich war. Solche Ähnlichkeiten finden sich indes selten zwischen notorisch einander ganz fremden Leuten . . . Guten Morgen, Herr Werner!"
Nicht die Absicht, etwas über meinen begünstigten Nebenbuhler als solchen in Erfahrung zu bringen, hatte mich jetzt zu jener Frage veranlaßt, sondern der sich mir trotz meiner Abweisung während des heutigen Morgens immer wieder von neuem aufdrängende Gedanke, daß
jene heimliche Zusammenkunft Johannas mit dein, meinem Jnquisiten so ähnlichen Manne in der alten Kapelle in engem Zusammenhang mit Elisabeths, nur durch Beihilfe von außen ermöglichter Flucht stehen müsse.
Theodors Antwort, obwohl eigentlich verneinend lautend, ließ mich nicht zweifeln, daß die in Untersuchung befindlichen Geschwister noch einen Bruder hatten, von welchem jener vielleicht keine sichere Kunde hatte, wohl aber Elisabeth, und den Johanna durch ihre Freundin kennen gelernt. Dieser Mann konnte durch vielerlei Gründe genötigt sein, sich in dieser Gegend nicht öffentlich zu zeigen. Wie sein Halbbruder ein angenehmes Außere besitzend, mochte er auch geistreich und von verführerischem Wesen sein. So war es erklärlich, daß ein hier fremder Mann unbemerkt von Johannas nächster Umgebung deren Neigung gewinnen konnte. Die beiden hatten sich auch zur Befreiung der Schwester und Freundin verbunden; darauf deutete ja schon die von Johanna in das Heft des Unterhaltungsblattes geschriebene zuversichtliche Verheißung hin, daß der Tag der Erlösung für Elisabeth bald erscheinen werde. Aber man wird nicht allein die flüchtige Giftmischerin ergreifen, sondern auch deren Helfershelfer ermitteln und sie ohne Ansehen der Person der verdienten Strafe überliefern, Der Onkel und die Tante werden sich ohne Kampf lossagen von einer'Unwürdigen, die Wohlthaten so übel vergilt, indem sie sich einem Landstreicher in die Arme wirft und mit einer notorischen Giftmischerin Gemeinschaft hält, eine Gemeinschaft, durch die sie sich die Gunst des Buhlen erkauft! — So ließen Zorn und Schmerz mich zu mir selber sprechen.
Inzwischen war es völlig Tag geworden, und nachdem ich mit dem Schlosser, dem die öffentlichen Arbeiten seines Handwerkes übertragen waren, eine Besprechung hinsichtlich der nötig gewordenen Aenderung sämtlicher Verschlüsse im Gerichtsturm gehabt, war es Zeit, mich aus meinen schweren Weg zu machen. (Forts, folgt.)
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