in Ennabeuren (Münsingen) 2 Wohn- und Oekonomiegebäude abgebrannt.
* Heidelberg, 12. Jan. Eine neue Art von Rache wandte ein hiesiger Metzgerbursche bei seiner Geliebten, einer Kellnerin, an. Letzten Sonntag nachts schlich er sich in das Zimmer derselben, packte sie und biß ihr buchstäblich die Nase ab, dabei ausrufend: „So, jetzt habe dafür gesorgt, daß dich keiner mehr ansieht." Man erzählt sogar, er habe, als er um Herausgabe der Nase ersucht wurde, behauptet, er habe sie verschluckt. Das nunmehr zeitlebens in schrecklicher Weise verstümmelte, bedauernswerte Mädchen, das nie mehr seinen Beruf auszuüben vermag, kam ins akademische Krankenhaus, und es ist für dasselbe ein schlechter Trost, daß ihr „bissiger" Berehrer wegen schwerer Körperverletzung in Untersuchung gezogen wurde.
* In Frankenthal i-b. Rheinpfalz wurden am Christabend in einer der ersten Familien wie alljährlich, die Köchin und das Hausmädchen mit einem Weihnachtsgeschenk bedacht; Heuer bestand das Geschenk für beide in je einem Paar seidenen Handschuhen. Die Köchin, erbost, weil es nur ein Paar Handschuhe waren, öffnet ohne weiteres ihren Herd und sofort ging das Weihnachtsgeschenk in Flammen auf. Das Hausmädchen war trotz seines inneren Grolles etwas anständiger und legte die Handschuhe in seinen Kasten. Am nächsten Tage richtete sich das Mädchen zum Kirchgang und wollte die seidenen Handschuhe anziehen. Als sie ihre Finger darin verbergen wollte, fühlte sie etwas und siehe da, in den Handschuhen war als Hauptgeschenk ein Einhundert-Markschein verborgen. In freudiger Aufregung eilte sie zur Küchenfee, um diese von ihrem Fund zu benachrichtigen. Diese fiel jedoch vor Schreck fast in Krämpfe. Nach ein paar Tagen erfuhr die Herrschaft von der Undankbaren. Hier erfuhr sie nun, daß in ihren Handschuhen ein größerer Betrag niedergelegt war und ihre Erregung wurde noch größer, als die Herrschaft die Freundlichkeit hatte, ihr zu erklären, daß sie mit Ablauf des nächsten Quartals ihren Dienst zu verlassen habe. Es ziehe deshalb jedermann die Lehre, selbst das kleinste Geschenk mit Dank anzunehmen, denn niemand ist verpflichtet, etwas zu geben. Die Undankbaren werden immer den gebührenden Lohn empfangen.
"Leipzig, 14. Jan. Der frühere Bankdirektor Winkelmann, welcher bekanntlich von Argentinien an Deutschland ansgeliefert wurde, ist heute nacht in Untersuchungshaft gestorben.
* Dessau. Die Reisenden eines Bahnzuges wurden dieser Tage in nicht geringen Schrecken versetzt, als der Zug hinter Wittenberg plötzlich im freien Felde zum Stillstand kam. Ein unter den Passagieren befindlicher Herr aus Dessau gestand dem Zugführer, daß er das Notsignal gegeben, weil er beim Ausblick aus dem Koupee sein künstliches Gebiß verloren und dasselbe wieder erlangen müsse. Es wurde ihm, nachdem man ihm bedeutet, daß dieser Verlust kein Grund sei, das Notsignal zu geben, doch gestattet, das Verlorene zu suchen. Nachdem der Herr das wertvolle Objekt auch wirklich wieder gefunden, wurde die Fahrt fortgesetzt.
* Berlin, 16. Jan. Die heutige Reichstagsdebatte war wesentlich eine Weltausstellungsdebatte. Die Regierung und sämtliche Redner aller Parteien traten aufs Wärmste für eine großartige Beteiligung Deutschlands in Chicago
ein, weil wir sonst den Markt in Nord- und Südamerika und in Ostasien vermindern würden. Nur Stumm war gegen die Beteiligung, namentlich vom Standpunkte der Eisenindustrie. Auch für eine Berliner Weltausstellung i. I. 1898 oder 1900 wurde aufs lebhafteste von allen Seiten eingetreten.
"Berlin, 16. Januar. Dem Reichstag wird voraussichtlich mach in der gegenwärtigen Sitzungszeit ein Gesetzentwurf über Bankdepots zugehen.
* Der p r e u ß. Landtag wurde am Donnerstag mittag 12 Uhr durch den Ministerpräsidenten Grafen Caprtvi mit Verlesung der Thronrede eröffnet. Dieselbe erwähnt die minder günstige Finanzlage, die einen Fehlbetrag erscheinen lasse, wodurch strengste Sparsamkeit erforderlich sei. Die Gehaltsaufbesserungen könnten noch nicht weitergeführt werden. Vorlagen über die Aufhebung der Steuerbefreiung der mediattsierten Fürstenhäuser und über die Einkünfte des Wllfenfonds stehen in Aussicht, ferner ein Volksschulgesetz, ein Gesetz betreffend Aufhebung der Stolgebühren und deren Ersatz, ein Polizeikostengesetz für Städte mit kgl. Polizeiverwaltung, ein Gesetz über Herstellung neuer Eisenbahnen, endlich eine Vorlage über die Anwendung des Reichsgesetzes über den Arbeiterschutz auf den Bergbaubetrieb. Ein Komptabili- tätsgesetz (Regelung des Einnahme- und Ausgaberechts des Staats) sei in Vorbereitung. Die auswärtige Lage ist in der Rede nicht berührt.
* Die auf der Germaniawerft erbaute Kreuzerkorvette H wurde am 15. Jan. vom Kieler Stapel gelassen. Prinz Heinrich vollzog den Taufakt und taufte das Schiff auf Allerhöchsten Befehl Sr. Majestät des Kaisers und Königs auf den Namen „Kaiserin Augusta"!
* Köln, 14. Januar. Der bekannte Bergarbeiterführer Siegel ist laut der „Volkszeitung" wegen der vielen ihm drohenden Strafen nach England entflohen.
* Besonders heftig soll die Influenza auch in Trier auftreten und viele Opfer .fordern. Das gesamte Domkapitel sei erkrankt.
* Der bisherige Inspektor des Herzog!. Amtsblatts in Altenburg, Schuckert, ist überführt worden, aus der von ihm verwalteten Staatskasse gegen 20,000 Mk. unterschlagen zu haben. Außerdem hat Schuckert als Kassierer der Gesellschaft „Concordia" 4000 Mk. und als Kassierer des FrauenvereiizZ 2000 Mk. unterschlagen. Eine reiche Dame, Mitglied des Vereins, hat die durch Schuckert bei dieser unterschlagene Summe gedeckt. — Der Verwaltungsdirektor der Pensionszuschußkasse für die Musikmeister des preußischen Heeres. Rohde, erschoß sich, nachdem die Kaffe 80,000 M. durch ihn verloren.
" Rostock, 14. Jan. Generallieutenant Graf Finck v. Finckenstein dementiert namens des Kommandos des großherzoglich mecklenburgischen Kontingents die Behauptung der „Mecklen
burger Nachrichten", daß ein vom mecklenburger Kommandanten der Festung Dömitz arretierter Grenadier preußischerseits mit Waffengewalt befreit worden sei.
Ausländisches.
* Wien, 15. Jan. Der Dienstbotenmörder Schneider, dessen Affaire kürzlich Sensation erregte, legte ein umfassendes Geständnis über zahlreiche Raubmorde ab.
* Wien. In Wien wurde dieser Tage ein 19jähriges Mädchen zu Grabe getragen. Die Unglückliche hatte ein Schoßhündchen geküßt und war deshalb heftig erkrankt. Es trat eine allmähliche Blutzersetzung ein, der sie schließlich erlag. Das Hündchen war offenbar mit einem faulenden Körper in Berührung gekommen, wodurch die Dame, die das Tier zu liebkosen pflegte, angesteckt wurde.
* Au s der Schweiz, 13. Jan. Einige junge, rüstige Bergsteiger aus Luzern erstiegen letzter Tage den 2122 Meter hohen Pilatus und brachten von dorther knospende Alpenrosenzweige, die sie in einer Höhe von ungefähr 1500 Meter gebrochen.
* Rom, 14. Jan. Der Bischof von Monaco überbringt dem Papst als Peterspfennig 100,000 Francs; ein großer Teil der Summe ist Geschenk der Unternehmer der Spielbank.
* Der in Massauah freigesprochene Leutnant Ltvraghi ist, vermutlich aus Furcht vor einer Wiederaufnahme seines Prozesses, desertiert und in Lugano eingetroffen. Da Desertion in der Schweiz als politisches Delikt gilt, wirs Livraghi nicht abermals an Italien ausgeliefert werden können. Wenn Livraghi freiwillig italienisches Gebiet betreten und in die Hände der italienischen Polizei fallen sollte, wird er natürlich wegen Desertion bestraft werden können.
* Paris, 15. Jan. Der Temps meldet aus Bern: Die an die französische Regierung gerichtete Note der Schweiz betreffs der Handelsvertragsverhandlungen findet die Forderung, die Schweiz möge Frankreich dieselben Konzessionen machen, wie Deutschland und Oesterreich, übertrieben, da letztere Staaten der Schweiz große Zugeständnisse machten, während Frankreich nichts einräume.
* Die Russen scheinen mit ihren Bemühungen, in Paris eine neue große Anleihe an den Mann zu bringen, Fiasko gemacht zu haben. Nun leugnen sie, üoerhaupt ein Anlehen zu brauchen, da sie in ihrer Staatskasse eine Milliarde bares Geld liegen hätten. Wer lacht da? Die Trauben sind mir zu sauer, sagte der Fuchs, als er nicht zu ihnen gelangen konnte.
* Brüssel, 16. Januar. Im Bergwerk Frameries brach während der Arbeitszeit Feuer aus und rief unter den angefahrenen 500 Bergleuten eine schreckliche Panik hervor. 40 derselben wurden verwundet. Das Feuer ist noch nicht gelöscht.
* London, 15. Jan. Dem Standard
Der Herichlslurm. (Nachdruck v°rb°m,)
Kriminal - Erzählung von L. Grolhe.
(Fortsetzung.)
Melzer legte das gefundene Papier vor sich auf den Tisch. Es war in Bohnenform, hatte auch die Größe einer Bohne, und seine Beschaffenheit entsprach ganz der Angabe Melzers.
„Die Einbringung des Papieres in das Schloß muß zwischen elf und zwölf stattgefunden haben; denn bei meinem Kommen um elf Uhr bemerkte ich noch nichts Auffälliges, auch konnte ich mit dem betreffenden Schlüssel die Gitterthür noch öffnen. Nach stattgefundener Visitation schloß ich wieder ruhig zu und begab mich in meine Wohnung. Als ich jedoch, wie gewöhnlich, um zwei Uhr wieder meinen Rundgang machte und auch dabei an die Gitterthür kam, brachte ich den Schlüssel nicht einmal zur Hälfte in das Schloß. Nach mehrmaligen vergeblichen Versuchen entdeckte ich endlich beim Scheine meiner Laterne, daß ein weicher Gegenstand im Schlüsselloche stak, der sich durch das öftere Probieren immer weiter hineinschob.
„Ich versuchte nun, den Pfropfen herauszubekommen, was mir auch nach mühsamer Arbeit, und nachdem ich erst einen passenden Draht herbeigeholt, gelang."
„Fanden Sie außerdem, mein lieber Melzer, noch irgend welche spuren, die auf die Anwesenheit einer Person schließen ließen?" examinierte ich weiter.
„Nein, Herr Justitiar!"
Ich sann einige Augenblicke nach, konnte aber zu keinem Resultate kommen. Nachdem ich ihm befohlen, ein wachsames Auge auf alle Gefangenen zu haben und mich schleunigst zu benachrichtigen, wenn etwas
Auffälliges passieren sollte, entließ ich ihn mit der Weisung, über diese Angelegenheiten mit niemand zu sprechen.
„Zu Befehl, Herr Justitiar!"
Als Melzer ging, erschien seine Frau. Ich ersuchte diese zunächst mein Arbeitszimmer zu ordnen.
Das Frühstück kümmerte mich heute wenig.
Mit Behutsamkeit entfaltete ich das Papierknäuel; ich erreichte meinen Zweck erst nach längerer Mühe und nicht ohne einige Riffe in den Stoff gebracht zu haben. Meine Mühe war jedoch umsonst. Ich fand nur ein leeres Oktavblatt weißen Briefpapiers vor, ohne irgend ein Zeichen, welches auf den letzten Eigentümer gedeutet hätte. Nun wußte ich, daß weder Theodor noch Elisabeth oder die drei oder vier gegenwärtig vorhandenen anderen Gefangenen solches besaßen. Indes verwahrte ich das Blatt.
Bald darauf erschien Friedrich wieder. Frau Melzer war mit meinem Arbeitszimmer fertig; ich führte jenen dorthin, bot ihm Stuhl und Zigarre dar und schloß die beiden mit Vorhängen versehenen Thü- ren ab.
„Hier sind wir ungestört, lieber Freund. Lassen Sie Ihre Mitteilungen los; ich werde ganz Ohr sein."
„Gestatten Sie mir eine Frage, Herr Justitiar. Wie lange blieben Sie gestern abend bei Ihren Verwandten?"
„Länger als sonst. Bis elf Uhr."
„Und Fräulein Hannchen — blieb auch sie so lange in der Gesellschaft?"
„Wir beide verließen den Onkel und die Tante zu gleicher Zeit — sie, um auf ihr Zimmer zu gehen, ich, um mich nach Hause zu begeben."
„Hm, hm!"