* Mannheim, 13. Jan. Der Commis eines hiesigen Tabakgeschäftes wurde gestern vormittag mit einer großen Summe Geldes, man spricht von über 10,000 Mk., nach der Reichsbank geschickt. Als der junge Mann außer­gewöhnlich lange ausblieb, schöpfte man Ver­dacht und forschte nach. Der Verdacht war auch nicht unbegründet, denn das Bürschchen war mit dem Gelde nicht auf die Reichsbank, sondern anderswo hingegangen. In Frankfurt a. M. wurde aber der Durchbrenner bereits verhaftet.

* Konstanz, 9. Jan. Am 5. Jan. vorigen Jahres wurde die Witwe Schlotterbeck von hier im benachbarten Emmishofen ermordet ausge­funden. Es erfolgten im Laufe der Zeit ver­schiedene Verhaftungen, doch blieb die mysteriöse Geschichte unaufgeklärt. Gestern entspann sich nun in einer Wirtschaft zu Kreuzltngen ein hef­tiger Streit zwischen einem früheren Zirkus- klown und feiner Zuhälterin, worin der erstere seitens der Dirne direkt des Mordes der Schlot­terbeck beschuldigt wurde. Es erfolgte die Ver­haftung beider; die Untersuchung ist in vollem Gange.

* Leipzig, 13. Jan. Der Ehrengerichtshof deutscher Rechtsanwälte verhängte nach elfstün- diger Verhandlung über die Verteidiger im Mordprozeß Heinze, Coßmann eine Geldstrafe von 1000 Mk., Ballten eine solche von 500 Mark, und außerdem über beide einen Verweis.

* Chemnitz, 7. Jan. In dem benach­barten Burgstädt erfolgte die Verhaftung des Direktors Orlamünder des unlängst in Konkurs geratenen Kreditvereins. Der Verein soll bereits seit 2 Jahren nicht mehr günstig gestanden haben. Die Unterbilanz beträgt nach vorläufiger Feststellung etwa 321,000 Mark.

* Berlin, 13. Jan. Der Reichstag hat gestern seine Arbeiten bei überaus dürftig be­setzten Bänken wieder ausgenommen. Der Diätenantrag hatte nicht vermocht, ein beschluß­fähiges Haus zusammenzubringen. Die geringe Frequenz der meisten Reichstagssitzungen wird mit Vorliebe auf den Mangel an Diäten zurück­geführt, und nun war gerade zu einer Sitzung, welche diesem Mangel abzuhelfen beabsichtigte, nicht einmal eine beschlußfähige Anzahl von Mitgliedern zusammenzubringen.

* Berlin. Der dfrs. Abgeordnete v. Bar brachte im Reichstag einen Gesetzentwurf ein betr. den Vollzug der Haft- und Gefängnis­strafen. Demnach soll bei Strafen, welche 6 Monate nicht überschreiten und die hauptsächlich wegen Preß- und politischen Vergehen und wegen Beleidigung ergangen sind, eine eigene Zelle, eigene Kleidung, eigene Beköstigung und freie Beschäftigung gestattet sein.

* Während des Besuchs des württ. Königs­paares in Berlin wird laut der Post eine sestliche Veranstaltung von Seiten des Leib­gardehusaren- Regiments, dessen Kommandeur König Wilhelm einst gewesen, stattfinden.

* Berlin, 12. Jan. Der Kaiser empfing

heute mitttag den Erzbischof v. Stablewski von Posen, in Anwesenheit der Minister des Kultus, des Innern und des Unter «raatssekrelärs Wey­rauch. Der Erzbischof leistete den Huldigungs­eid und hielt darauf eine Ansprache, in welcher er für das kaiserliche Vertrauen dankte. Der Kaiser erwiderte: Er erwarte, daß es dem Erzbischof gelingen möge, die Gegensätze inner­halb der Diözese zu versöhnen und den Geist der Ehrsucht und Treue gegen den Kaiser, so­wie die Achtung vor den Gesetzen zu pflegen. Später wurde der Erzbischof von der Kaiserin empfangen und zur kaiserlichen Frühstückstafel zugezogen.

* Der Kaiser hat an den General der In­fanterie Constantin v. Alvensleben (seit 1373 verabschiedet) das folgende Telegramm gerichtet: Der heutige Tag ruft in Mir die Erinnerung an den für das dritte Armeekorps bedeutungs­vollen Abschluß einer Zeit großer kriegerischer Erfolge wach, an den Entscheidungstag von Le Mans. Ich habe daher beschlossen, Ihnen und damit Ihrem früheren braven Korps eine Aus­zeichnung zu verleihen, von der Ich überzeugt bin, daß sie zugleich im Sinne Meines in Gott ruhenden Großvaters erfolgt. Ich verleihe Ihnen hiermit Meinen hohen Orden vom Schwar­zen Adler, gez. Wilhelm R."

* Nachträglich verlautet, daß der Kaiser am Neujahrstage die Generale in einer mehr als halbstündigen Audienz empfangen habe, die einen lebhaften Charakter angenommen hätte. Da außer den Generalen niemand, selbst nicht eine bedienende Persönlichkeit, zugegen gewesen sei, so habe auch außer ihnen keiner Kenntnis von dem, was gesprochen worden sei. Es steht aber fest, daß der Kaiser in nachdrücklicher und an­geregter Weise gesprochen habe.

* DieAllg. Ztg." läßt sich aus Berlin telegraphieren: lieber den Rücktritt des General­gouverneurs Gurko in Warschau sei in Berliner politischen Kreisen nichts bekannt, dagegen be­stätige sich, daß Bulgarien die französischen Zumutungen, die auf Entschädigung und bindende Zusagen für die Zukunft hinausliefen, abge­lehnt habe, so daß die Affaire Chadourne eine verschärfte Fortsetzung erleben dürfte.

* Berlin. Wie schädigend das Renommier- wesen der studentischen Verbindungen in das Leben der akademischen Jugend einzugreifen ver­mag, zeigt aufs neue folgender Vorfall. Vor einigen Tagen erschoß sich auf dem Tempelhofer Felde bei Berlin ein Student, der reichbegabte einzige Sohn eines bekannten und beliebten Schulmannes. Der junge Mann, dem die besten Aussichten für die Zukunft bevorstanden, war ein gewandter Schläger und er hatte nicht we­niger als acht Mensuren, zum Teil mit schwerem Blutverlust, hinter sich. Da warfen ihm die Germanen", gegen die er beim letztenmalelos­gewesen", vor, er habe dabei ein wenig mit der rechten Hand gezuckt. Die Ehre derAleman­nen", bei denen er dieWaffen belegt" hatte, erforderte ein neues Duell, das neunte des Stu­

denten, welcher sich dazu nicht ohne weiteres bereit erklärte, da ihn die ganze Sache anzu­ekeln begann. Jetzt wurde er gedrängt und ge­hänselt, aufgestachelt und verhöhnt. Der Druck, den man auf ihn ausübte, spottet jeder Be­schreibung und es unterliegt gar keinem Zweifel, auch nicht bei den Angehörigen des Verstorbenen, daß dieser durch die Verletzung seines durch sinn­lose Anschauungen über den Begriff der Ehre irregeleiteten Ehrgefühls in den Tod getrieben worden ist. Es wäre in der That hohe Zeit, daß diesem Unwesen nun endlich einmal ein kräftiger Riegel vorgeschoben würde. Ins Zucht­haus gehören solch' übermütige Bursche.

* Der bisherige ungarische Abgeordnete Paz- mandy veröffentlicht ein Schreiben, in dem er erzählt, er sei zur. Zeit der Schnäbele-Affaire, während er in Paris weilte, von dem damaligen Scktionschef im Ministerium des Aeußern, Szö- gyeny, ersucht worden, zu schreiben, wann die Gefahr näher rücke. Als nun Kriegsminister Boulanger Pazmandy mitteille, er werde den Befehl zur Mobilisierung erteilen, schrieb dieser an Szögyeny: Wenn Bismarck nicht nachgibt, muß der Krieg binnen wenigen Tagen ausbrechen. Vorstehendes bestätigt wieder, daß die auch heute noch immer wiederkehrenden Behauptungen der Herren Payer und Genoffen von dem angeblichen Kriegs-, Melinit- und Barackenschwindel der na­tionalen Parteien im Jahr 1887 auf grober Unwahrheit beruhen.

* Marienburg. Durch einen glücklichen Zufall hat Kaufmann F. in Soldau einen neuen Explosivstoff entdeckt. F. verspricht sich von seiner Entdeckung gute Erfolge und läßt gegen­wärtig den Stoff an geeigneter Stelle prüfen. Die von ihm selbst angestellten Versuche lieferten überraschende Resultate. Eine ganz geringe Quantität des Stoffes genügte, um eine Tesching- kugel durch ein drei Zoll starkes Brett zu treiben. Bei einem Experiment mit diesem gefährlichen Stoff zog sich Herr F. eine nicht unbedeutende Verletzung der rechten Hand zu. (Immerhin schon ein achtbarer Erfolg!)

Ausländisches.

* Paris, 12. Jan. Die Kammersesston pro 1892 wurde von dem Alterspräsidenten Pierre Blanc mit einer Ansprache eröffnet, worin er die Republikaner zur Einigkeit er­mahnte; der Patriotismus gebiete dies in einem Augenblick, wo Frankreich wieder groß in der Welt dastehe, wo seine Flotte in Kronstadt mit Rußland eine Freundschaft besiegelt habe, die so viel wiege wie alle Allianzen. Die Republik sei dem Lande einige Reformen schuldig, u. a. sei anzustreben die Versöhnung des Kapitals mit der Arbeit, die Beseitigung der Streike durch Schiedsgerichte, Altersversorgung der Ar­beiter, bessere Organisierung der Armenunter­stützung u. s. w. Das Haus schreitet zur Vor­nahme der Vorstandswahlen. Zum Präsidenten wird Floquet mit 260 von 391 abgegebenen Stimmen wiedergewählt.

Der Gerichlstmrn. (Nachdruck verboten)

Kriminal - Erzählung von L. Grat he- (Fortsetzung.)

Meine gute Tante!" so klagte ich.Ach, warum folgte ich nicht deiner Mahnung; warum verachtete ich die Sprache deines ahnungs­vollen Gemütes?! Wäre ich dir gefolgt, so hätte ich diese unselige Ent­deckung nicht gemacht! Die unter dichter Hülle ruhende Neigung für eine Unwürdige wäre aus Mangel an jeglicher Nahrung schmerzlos dahingestorben, und der jetzt unwiederbringlich verlorene Friede meiner Seele wäre mir erhalten worden! Ach daß ich dein ahnungsvolles Ge­müt verkannte! . . ."

Der Anbruch des neuen Tages war sicherlich schon nahe, als ich mich, erschöpft an Geist und Körper, halb entkleidet auf das Lager warf, wo mich zwar kein ruhiger, erquickender Schlaf, aber eine doch immerhin wohlthätige dumpfe Betäubung umfing.

Es war bereits Tag, als ich erwachte. Mein erster Gedanke galt den Erlebnissen der verwichenen Nacht; schmerzliches Seufzen stieg aus meiner beklommenen Brust empor.

Gewohnheitsmäßig verließ ich das Lager und begann meine Toi­lette; draußen auf dem Korridor hantierte jemand mit der Bürste; es mußte Karl sein, der Gärtnerbursche, den mir mein Freund Friedrich allmorgendlich behufs der Kleiderreinigung schickte.

Ein leises Pochen au der Thür ertönte und zugleich von wohl- bekannter Stimme:

Darf ich eintreten, Herr Justitiar?"

Meister Friedrich ?!" rief ich erstaunt und zugleich ein wenig froh, durch den frühen Besuch des wackeren, ehemaligen Spielgenossen auf emige Zeit der mich quälenden Gedanken entrissen zu werden.

Nur immer herein!" Ich erwiderte seinen herzlichen Morgengruß. Aber was führt Sie denn so früh zu mir? Es befindet sich doch draußen alles wohl?"

Alles vollkommen wohl, Herr Justitiar, bis auf unser Fräulein. Aber ich habe meinem Burschen erlaubt, den heutigen Sonntag bei den Seinigen in B. . . dorf zuzubringen, und ihn schon gestern nachmittag, da eben eine Fahrgelegenheit vorhanden war, abgeheu lassen. Darum mußte ich heute selbst zu Ihnen kommen."

Wie, Sie selbst wollten gar"

Lassen Sie mich nur, Herr Justitiar; ich thu' es wahrhaftig gern ... Ich wollte jetzt nur fragen, ob Ihnen das Frühstück gefällig ist. Die Frau Melzer war mit demselben schon oben, nahm es aber wieder mit, weil Sie noch schliefen, und beauftragte mich, den Glocken­draht zu ziehen, wenn Sie erwacht seien."

Ich werde sogleich das Zeichen geben," sagte ich und griff nach dem über meinem Bette befindlichen Klingelzug.Aber was sagten Sie von dem Fräulein?"

Ach, über unser Fräulein möchte ich bei dieser Gelegenheit gern ein paar Worte im Vertrauen mit Ihnen sprechen, Herr Justitiar. Haben Sie nachher, wenn ich draußen fertig bin, ein wenig Zeit übrig?"

Gewiß, Friedrich," versicherte ich in nicht geringer Spannung. Aber reden Sie doch lieber sogleich."

Die Frau Melzer würde indessen das Frühstück bringen, und ich möchte nicht, daß irgend jemand ein Wort hörte, was Mißdeutung ver­anlassen könnte."

Friedrich verließ das Zimmer.

Sicherlich war dieser wackere Mensch ebenfalls hinter die heim­lichen Schliche der jungen Dame gekommen!" sprach ich bei mir selbst. Armer Onkel und Tante; solchen Lohn hattet ihr für eure elterliche