* München, 29. Dez. In der Nacht vom 21. auf 25. September ds. I. nach 1 Uhr er­zwangen sich die damaligen Gendarmen Joh. Günther und Jakob Braun der 9. Brigade der hiesigen Stadtcompagnie unter Berufung auf ihre dienstliche Eigenschaft zwecks Vornahme einer Haussuchung Einlaß in die Wohnung einer geachteten hiesigen Familie, des Privatiers Anton Hailer in der Göthenstraße, wo sie den Genannten und dessen Familie in der unflätig­sten Weise insultierten und durch nicht wieder- gebbare Schimpfworte beleidigten, obwohl Hailer sich vollkommen legimittert hatte. Günther ist nunmehr zu 6, Braun, als der schwerer Be­lastete, zu 7 Mon. Gefängnis verurteilt worden.

* Berlin, 29. Dez. In der heutigen Sitzung des Zcntralausschusses der Retchsbank wurde hervorgehoben, daß bei dem fortdauernd günstigen Stand der Bank und dem allgemein flüssigen Geldstand eine baldige Ermäßigung des Zinsfußes in Aussicht zu nehmen sei.

* Berlin, 29. Dez. DerReichskanzler" veröffentlicht die Ernennung Puttkammers zum Kommissar im Togogebiet, ferner Bestimmungen betreffend die Anrechnung der Militärdienstzeit auf das Dienstalter der Civilbeamtcn.

* Berlin, 30. Dez. Eine gestern abge­haltene, von 4000 Gehilfen besuchte Buchdrucker- Versammlung beschloß, den Kampf um den Neun­stundentag fortzusetzen. Auch in Leipzig haben die Buchdruckergehilfen beschlossen, den Streik fortzusetzen, bezüglich des Lokalzuschlages aber zum Entgegenkommen sich bereit zu erklären.

* Der Kaiser hat der Berliner katholischen St. Sebastian-Gemeinde zum Bau der neuen Kirche ein Geschenk von 60000 Mk. gemacht.

* Nach einer Meldung derVoss. Ztg" trafen Deutschland undOesterreich-Ungarn ein Ueberetnkommen, demzufolge nach vorheriger Außerkurssetzung Deutschland 50, Oesterreich- Ungarn 25 Millionen von den zirkulierenden ?5 Mill. Vereinsthalern österreicher Prägung ein­löst. Der Verlust Deutschlands beträgt 8,5, der Oesterreich-Ungarns 4,25 Millionen Mark.

Ausländisches.

* Paris, 26. Dez. Der wegen Schulden und Schwindeleien des Dienstes entlassene Unter­lieutenant Anastay, welcher vorgestern als der Ermordung der Baronin Dellard verdächtig verhaftet wurde, ist dieser That wirklich gestän­dig. Entehrt, aller Hilfsmittel entblößt, von Gläubigern bedrängt, wollte er sich durchaus Geld verschaffen.

* Paris, 28. Dez. Einer Meldung aus Rio de Janeiro zufolge ist in der Provinz Desterro ein Aufstand, welcher die Absetzung des Gouverneurs bezweckt, ausgebrochen.

* Der französisch-bulgarische Kon­flikt kam Montag infolge einer Interpellation des Abg. Millevoye in der Deputierten-Kammer zur Sprache. Minister Ribot erklärte u. a.: Bulgarien könne nicht aus eigener Machtvoll­kommenheit einen Ausländer ausweisen, es könne

überhaupt keinen Akt dieser Art vollziehen ohne Mitwirkung deS betreffenden Konsuls. Uebrigens habe nicht Frankreich allein Grund, sich über das Verhalten der bulgarischen Regierung zu beschweren. Deutschland, Griechenland und Ita­lien hätten ebenfalls zu gerechten Beschwerden Anlaß gehabt. Der französische diplomatische Agent habe sich niemals seiner Pflicht entzogen, sondern erklärt, daß er bereit sei, jede Klage der bulgarischen Regierung entgegenzunehmen. Frankreich müsse Genugthuung erhalten, es werde das Erforderliche thun ohne Unterstützung, aber auch ohne Schwäche.

* Londo n, 28. Dez. DerTimes" wird aus Sansibar vom 26. Dezember telegraphiert, daß in Pecking viertägige Kämpfe mit den Auf­ständischen stattfanden. Diese verloren 2000 Tote, 50 Rädelsführer wurden enthauptet.

* London, 28. Dez. Gestern abend brach im Theater in Gateshead während der Auf­führung der ZauberpantomineAladin und die Wunderlampe" eine Feuerpanik aus. Neun Kinder wurden in den Gängen erdrückt, während die Zuschauer in wilder Flucht sich zu retten suchten. Viele Personen sind mehr oder weniger verwundet. Unbeschreibliche Verwirrung herrschte, während überhaupt kein Feuer ausgebrochen und der Schrecken ein blinder war.

* Rußland. Es bestätigt sich, daß in Rußland drei nihilistische Druckereien entdeckt worden sind, und zwar die erste Anfang Dezem­ber in Petersburg, wie es heißt auf der Insel Wassiljewo, die zweite in Moskau und vor zehn Tagen die dritte. Proklamationen, die Mitte Dezember in Charkow vorgefunden wur­den, gestatten den Schluß, daß verschiedene nihilistische Parteien an der Arbeit sind.

* Sofia, 27. Dezbr. Die Sobranje hat gestern das gesamte Budget erledigt. Die Sobranje beschloß, einen Betrag von 200 000 Fr. für die Errichtung eines Denkmals in Sliv- ntza zur Erinnerung an den serbisch - bulgarischen Krieg zu widmen. Die Sobranje bewilligte ferner 3000 Fr. für Denkmäler zu Ehren der verstorbenen Minister Mutkurow und Beltschew.

* Der in Konstantinopel kürzlich ver­storbene General Steffen-Pascha soll bei dem Konkurs der Gebrüder Sommerfeld in Berlin 500,000 Mk. verloren haben. Er habe sein Depot in der angegebenen Höhe bei seiner Uebersiedlung nach Konstanttnopel gekündigt, das Bankhaus konnte aber die Summe nicht zahlen und sah sich genötigt, den Konkurs anzumelden. Die verlorene Summe soll übrigens nicht das ganze Vermögen Steffens sein, vielmehr sei noch ein Teil bei der Reichsbank deponiert.

Kilvester.

Komm Bruder, komm, ich muß jetzt scheiden Mir singt man heut den Grabgesang,

Hörst du denn nicht die Glocken läuten? Sie läuten mir zum letzten Gang!

Gern wär ich länger noch geblieben.

Doch ist verronnen meine Zeit;

Die Tage die mir vorgeschriebe»

Sind alle abgelaufen heut.

Dir will ich alles anvertranen Was ich zurückließ in der Welt,

In jedem Haus mußt du halt schauen,

Ob da und dort nicht etwas fehlt.

Hier brachte einer meiner Tage,

Wo vorher Lust und Freude, war,

Unglück und manche andere Plag«,

Nun hoffen sie aufs neue Jahr,

Dort Hab in Thränen ich verkehret Der armen Kinder frohe Lust,

Nicht lang war ihnen Freud bescheexet.

Weil ihre Mutter sterben .mußt.

Dort riß inmitten seiner Jahre Ein jäher Tod den Vater fort.

Ratlos umstanden seine Bahre Die Kinder, um ihr tägtich Brot.

Und hier verheerten Blitz und Feuer Was in der Ernte eingebracht,

Den Hof, das Haus mitsamt der Scheuer Es war zu Asche über Nacht.

Sie alle warten auf dein Kommen,

Erwarten Hilfe nun von dir.

Auch Linderung wird ihnen frommen.

So gut du kannst, hilf dort und hier.

Doch darfst du ja mit Nichten denken.

Daß ich nur Leid und Tod gebracht.

Auch vielen ließ ich Freude winken,

Hab manche wieder froh gemacht,

Wohl mancher sieht mich gerne ziehen Und mancher sorgt, was du ihm bringst.

Auch manchem war in mir verliehen,

Was er schon lang gehofft, gewünscht.

Ich scheibe gerne von der Erde,

Ich kenne ihre Nichtigkeit;

Das Irdische gar bald mich lehrte.

Daß es vergehet mit der Zeit.

Doch wenn ich hörte fromme Lieder Und sah manch' edle, schöne That,

Dann zogen meine Tage wieder Mit Fried und Freude schön gepaart.

Nun gute Nacht, ihr Menschenkinder,

Was auch mein Bruder bringen mag,

Nehmt's an, ihr seid ja alle Sünder.

Gott sorget für euch Tag für Lag!

l'. ».

Rätsel.

Beginnt mein Wort mit Eis,

Läuft auf mir kein Greis.

Beginnt's jedoch mit Eisen,

Kannst Du mit mir reisen.

(Auflösung folgt in nächster Nummer.)

Verantwortlicher Redakteur: W. Rieker, Altensteig.

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fofortige Uebersiedelnng in eine andere, auf der entgegengefetzten Seite des Turmes belegenen Zelle anzuordnen, die abendliche Erleuchtung der- felben zu untersagen, und ihr die ernste Warnung zu erteilen, daß sie im Wiederholungsfälle die schärfsten Blaßregeln zu erwarten habe.

Eine abermalige, nach ihrer Entfernung angestellte Nachforschung in der betreffenden Zelle, welche sich hauptsächlich auf den gedielten Fuß­boden richtete, blieb ebenfalls erfolglos. Es war nicht nötig, Melzer und dessen Frau zu erhöhter Wachsamkeit aufzufordern.

Der Gedanke an einen Fluchtversuch seitens Elisabeths blieb mir fern; ich argwöhnte nur eine Verbindung nach außen zum Zwecke der Beseitigung noch vorhandener Schuldbeweise, und dachte dabei mit tiefem Mißbehagen an Johannas gestriges Benehmen. Uebrigens sorgte ich dafür, daß dieser Vorfall und Elisabeths Uebersiedelnng in eine andere Zelle nicht verlautbart wurden, wie ich selbst auch niemand etwas da­von sagte.

Von diesem Tage an war es mit dem vorhergeschilderten herzlichen Verhältnis zwischen mir und Johanna vorbei.

Mein Argwohn und ihre Empfindlichkeiten mochten zu gleichen Teilen die Schuld daran tragen. Wir begegneten einander mit Kälte: und wenn wir uns auch nicht augenfällig mieden, so suchten wir noch weniger einander auf.

Während der drei Monate meines nunmehrigen Hierseins war kaum ein Tag vergangen, an welchem sie mir nicht irgend ein kleines Anliegen vertraut hätte, dessen Erfüllung mir eine Freude gewesen; fortan hatte sie kein Wort einer freundlichen Bitte mehr für mich, und für die Aufmerksamkeiten, die ich ihr in gewohnter Weise erwies, und denen sie sich nicht entziehen konnte, erntete ich eher Spott als Dank.

Im allgemeinen nahm sie die Haltung wieder an, die mich vor sieben Jahren so sehr verdrossen hatte, so daß ich bald geneigt war, die

vorteilhafte Umwandlung ihres Wesens, die mich nach meiner Wider- knnft so sehr entzückt, für eine Täuschung zu halten.

Der Onkel und die Tante gewahrten diese Veränderung mit Be­dauern ; aber gewohnt, Johannas Thun und Lassen ohne die mindeste Einmischung ihr allein anheimzuslellen, befragten sie mich um die Veran­lassung jener. Ich begnügte mich, mit den Schultern zu zucken, ein Wort über die unerklärbaren Launen junger Damen fallen zu lassen, und versuchte nicht, die Meinung der Tante, daß ich wahrscheinlich wieder die Schuld an dem gespannten Verhältnis trage, zu widerlegen. Daß ich das versprochene Schweigen iiber Johannas von mir zurückgewiesene Verlangen gewissenhaft beobachtete, verstand sich von selbst.

Jemehr ich auch jetzt Johannas schönen Eigenschaften Gerechtig­keit widerfahren lassen mußte, um so herber war mir das Gefühl der mir gewordenen Kränkung, welches ich unter der Maske der Gleichgültig­keit verbarg und gelegentlich durch bittere Ironie zu vergelten trachtete. Ich litt übrigens mehr noch unter diesen Umständen, als ich mir selbst damals klar bewußt wurde oder mir gestehen mochte.

Der Wernersche Giftmord also, wie oben bereits gesagt, war die Veranlassung, daß das süße Glück, welches ich im traulichen Umgänge mit der brüderlich geliebten Freundin gefunden, ein so schnelles Ende faiü>.

Was nun die von mir geleitete Untersuchung gegen die des Gift­mordes an dem leiblichen Vater beschuldigten Geschwister betrifft, so will ich den Leser nicht ermüden mit der Aufzählung der täglichen Ver­höre, den vielen Nachforschungeil und Erkundigungen, die ich zum Teil selbst an den betreffenden Orten anstellte und einzog, um die volle Wahr­heit zu ermitteln, und enthalte mich auch aus derselben Rücksicht der Erzählung von der mancherlei angewandten erlaubten List, behufs der Entlockung eines Geständnisses, wie der Ueberrednngskmist, welche ich zu diesem Zwecke aufbot. (Fortsetzung folgt.)