Grunde auf den Widerspruch zurückzuführen sei, den der damalige Reichskanzler der zweiten Kaiserreise nach Rußland entgegensetzte, da ließ sich noch nicht abschätzen, wie scharf das Adler­auge des großen Staatsmannes alle Konsequenzen jenes falschen politischen Schrittes vorausgesehen hatte. Bismarcks Warnung war gewesen, das hochmütige Russentum nicht zu verwöhnen und dadurch den slavischen Größenwahnsinn nicht wieder wachzurufen. Der Erfolg zeigte, wie richtig der Fürst geurteilt halte. Die Aufnahme entsprach den Erwartungen nicht. Die Truppen­schau war eine nichtssagende Parade und ver­stimmt und unbefriedigt kehrten die preußischen Herrschaften nach Berlin zurück. Ein feierlicher Besuch in England sollte nun die Scharte wieder auswetzen. England, das seinen Vorteil versteht, versäumte nicht, die deutschen Gäste mit un­erhörtem Jubel, mit nie dagewesener Pracht zu empfangen. Vertiefte man doch so den Gegen­satz zwischen Berlin und Petersburg und ge­wann eine Deckung gegen den Moskowiter, der Englands verhaßtester Rivale ist. Die Antwort auf diesen demonstrativen Empfang, der in Deutschland recht kühl beurteilt wurde, blieb nicht aus. Die französische Flotte erschien in Kronstadt und bewies, daß ein Zusammenwirken Rußlands und Frankreichs gegen die deutsche Ostseeküste eine strategische Möglichkeit sei. Der Zar hörte stehend die Marseillaise an, Bruder­küsse wurden ausgetauscht, anzügliche Reden in Menge gehalten. Die Ueberzeugung, stark, dem Gegner gewachsen, vielleicht überlegen zu sein, wird der diplomatischen Aktion beider Staaten ein Selbstgefühl verleihen, das die Mutter schwerer Thaten werden kann. Möchte die Probe, wie richtig Bismarck auch in diesem Falle die Zukunft abschätzte, uns für die Zu­kunft lehren, es mit dem Rate des Mannes nicht leicht zu nehmen, der im heute das mor­gen wandeln steht, auch wenn dieser Rat zum tiefen Schmerze der Nation nur noch indirekt erteilt werden kann! (Schw. M.)

* Nach der Volkszählung vom 1. Dezember v. I. zählt Berlin nach der Konfession 1,352,000 Evangelische, 135,000 Katholiken und nicht ganz 80,000 Juden.

* Marburg. 4. August. Ein Heiratsschwindler schlimmster Sorte, der die verschiedensten Gegenden Deutsch­lands unsicher gemacht, erhielt von der hiesigen Straf­kammer den Lohn für seine Schwindeleien. Es ist der frühere Maschinenmeister W. Hofsmann aus Dresden, der es fertig gebracht hat, sich mit 6 jungen Mädchen auf ein­mal ;u verloben, ohne natürlich eine zu heiraten, denn er hatte es weniger aui die Herzen als auf den Geldbeutel seiner Schonen abgesehen. Hofsmann ist noch dazu ver­heiratet, ein Mann in den dreißiger Jahren und mir äußeren Mitteln ausgestattet. Im August 1888 verlobte er sich mit einem Mädchen in Hamburg, die aus Kirch- hain in Hessen gebürtig war und ihren lustigen Bräutigam mit zu ihrem Barer, einem Landwirt, nahm. Von seiner zukünftigen Schwägerin erschwindelte er sich nun unter einer Reihe falscher Vorspiegelungen 115 Mk. und ver­duftete damit. Jetzt entdeckte man auch, daß der feine Bräutigam Kisten und Koffer durchwühlt und außerdem noch 20 Mk. der Braut entwandt halte. Darauf tauchte Hoffmann in Berlin ans und verstand es alsbald, das liebessehnende Herz einer vertrauensseligen Köchin zu ge­

winnen, welche ihm zur angeblichen Herrichtung des trau­lichen Heims ihre Ersparnisse im Gesamtbetrag« von 700 Mark anvertraute, aber weder den Bräutigam noch ihr Geld jemals wieder sah. Zur selben Zeit verlobte er sich auch unter der Maske eines Wachtmeisters mit einem an­deren jungen Mädchen, das gern Frau Wachtmeisterin wer­den wollte und mit Wonne ihrem Bräutigam das Spar­kassenbuch über 245 Mk. aushändigte. Selbstredend ent­schwand Hoffmann auch dieser Geliebten alsbald aus den Augen. Wenige Tage später hatte derselbe es fertig ge­bracht, in Berlin, Dresden und anderen Orten sich mit noch drei weiteren jungen Mädchen, die in dienender Stellung waren und sich einen hübschen Groschen Geld erspart hatten, in intime Beziehungen zu treten und sich mit ihnen zu verloben, worauf er ihnen ihre sämt­lichen Ersparnisse von 200, 250 und 750 Mk. abschwin­delte. Den Hochzeitstag hatte er, um die heiratslustigen Schönen sicher zu machen, stets anberaumr, und zwar in allen sechs Fällen auf einen Tag. Hoffmann wurde zu sechs Jahren Zuchthaus und 1200 Mk. Geldstrafe ver­urteilt.

Ausländisches.

* Wien, 10. Aug. Aus Belgrad wird ge­meldet: Die serbische Regierung ordnete für den September eine große Probemobilisierung und Manöver mit 80,000 Mann längs der bulgarischen Grenze an. Die Anwesenheit eines russischen Großfürsten mit zehn hohen russischen Militärs wird dazu erwartet.

* Die Polizei verhaftete in Wien ein Ehe­paar, welches dienstsuchende Landmädchen an sich lockte, in der Umgebung Wiens in oen Wald lockte und erschlug. Zwei Fälle sind demselben bereits nachgewiesen.

* In Prag dauerr der jungtschechische Lärm und die panslavistischen Kundgebungen fort, so weit nicht die Behörden neuerdings dagegen ein­geschritten sind. Die Jungtschechen begnügen sich in ihrer nationalen Raserei nicht mehr mit der Agitation unter erwachsenen Slawen; sie veranstalten jetzt Ausflüge von Kindern, die slawische Schulen in überwiegend deutschen Ge­genden besuchen, nach Prag; den Kindern wird dann die Ausstellung und die Stadt gezeigt und bei Gelegenheit werden nationale Reden und Lehren gehalten, ja die Kinder werden förmlich gegen die deutsche Bevölkerung in deren Mitte sie wohnen, aufgehetzt. Oft geht es noch weiter: die tschechischen Schulkinder aus Reichenberg, der kerndeutschen Stadt Nordböhmens, die leider auch für etliche slawische Kinder eine slawische Schule zu unterhalten verpflichtet ist, begrüßte beim Empfang ein Prager Schulkind, eine Schülerin der tschechischen Bürgerschule, mit einer gegen die Deutschen Reichenbergs auf­wiegelnden Ansprache! Man könnte darüber lachen, wenn es nicht eine Erbärmlichkeit wäre, selbst die jugendlichen Gemüter harmloser Kinder mit dem Hasse gegen andere zu vergiften.

* In Znaim (Mähren) wurde am Sams­tag nach Otägiger SÄwurgerichtsverhandlung der Gutspächter Karl Fukatsch des Schwester­mordes einstimmig für schuldig erkannt und zum Tode durch den Strang verurteilt.

* Genua. An den italienischen Küsten sind zur Zeit Haifische in besorgniserregender Zahl zu spüren. Aus siebzehn Orten sind da-

Verletzungen, daß er nach Verlauf einiger Stun­den den Geist aufgab. In Geislingen wurde ein 6jähr. Knabe von einem scheugewor­denen Pferde, auf welchem derselbe saß, abge­worfen, infolgedessen der Knabe das Genick brach und bald darauf verschied. In Win- nenden hat sich der schon bejahrte Bürsten­macher H., an dem Morgen, als er nach Amerika zu seinen dort befindlichen Söhnen auswandern wollte, erhängt. Ein frecher Diebstahl wurde am Sonntag nachmittag auf freiem Felde in der Nähe von Reutlingen verübt. Ein Bürger von dort war mit seinen Leuten mit Oehmden beschäftigt und hatte seine Weste mit wertvoller Uhr samt Kette, der Sohn seinen Hut und der Taglöhner Juppe und Weste am Rand des Feldes niedergelegt, als ein des Weges kommender, mit blauer Blouse bekleideter Mensch die Sachen in einen Korb, den er bei sich trug, packte und sich schleunigst der Stadt zu ent­fernte. Die Bestohlenen bemerkten es zu spät, um an die Verfolgung des Diebes gehen zu können. Der Schaden beläuft sich auf weit über 100 Mk.

* Breiten, 9. Aug. Eines schweren Ver­brechens machte sich vorgestern die 17 Jahre alte Dienstmagd Mina Einser von Dürenbüchig, bei Metzgermeister Böckle dahier, schuldig, indem sie dem ein halbes Jahr alten Kinde der Dienst- Herrschaft absichtlich Essigsäure zu trinken gab, um sich für eine wegen Hausdiebstahls erhaltene strenge Zurechtweisung zu rächen. Nach furcht­baren Leiden ist das Kind heute nacht an den Folgen dieser unseligen That gestorben. Die Mörderin wurde noch am Freitag abend ver­haftet.

* Berlin, 9. Aug. In dem hinter dem flüchtigen Kassier Frank erlassenen Steckbrief wird der Verlust der Deutschen Bank auf zwei bis drei Millionen beziffert.

* Berlin, 11. Aug. Aus Kiel wird ge­meldet: Das Allgemeinbefinden des Kaisers ist recht gut. Einige Wochen dürften indessen noch bis zur vollständigen Heilung der Kniescheibe vergehen. Die Dispositionen für die Manöver werden demzufolge verändert. Die meiste Zeit bringt der Kaiser in sitzender Stellung zu.

* DieKöln. Ztg." meldet gegenüber beun­ruhigenden französischen Meldungen über das Befinden des Kaisers:Wir können aus bester Quelle versichern, daß das Befinden des Kaisers durchaus günstig ist und kein Anlaß zu der ge­ringsten Beunruhigung besteht. Der Kaiser bleibt der Bequemlichkeit halber an Bord der Hohenzollern* und hofft in den nächsten Tagen auf seiner Dacht Seeausflüge unternehmen zu können. Die Verletzung des Knies erheischt allerdings Vorsicht; der Kaiser kann sich aber ganz gut bewegen. In allernächster Zeit kann zweifellos jede ärztliche Maßregel fortfallen."

* Als durch Mitteilungen, deren Verläßlich­keit von keiner Seite bestritten worden ist, be­kannt wurde, daß Bismarcks Sturz im letzten

(Nachdruck verboten.)

Roman von Karl Ed. Klopfer.

(Fortsetzung.)

Sie streckte ihm über den Tisch ihre Hand entgegen, die er zögernd ergriff.

Es bleibt also wieder so, wie es gewesen?"

Und dennoch, Olga," rief er, als gälte es, den Alp, der ihm seit Monaten die Brust belastete, abzuwerfen,dennoch kann es nicht wieder so sein!"

Wie?"

Ja, das ist meine Schuld, aber ich kann es nicht ändern!"

Und weshalb?" sagte sie erbleichend.

Nun denn, weil weil ich den Pakt gebrochen habe. Ich habe die Rolle des Freundes schlecht erfaßt; ich muß sie zurückgeben."

So kann Sie meine aufrichtige Reue nicht versöhnen?"

Olga, wollen Sie mich denn nicht verstehen? Ich spreche ja nicht von der unbedeutenden Kontroverse zwischen uns, sondern"

Sondern ?"

Sondern von der Szene zwischen Ihnen und jenem Herrn Tor­mann, bei der ich unfreiwilliger Augenzeuge gewesen bin."

Ah -!"

Sie sah ihn nachdenklich an, als könne sie ihn nicht ganz verstehen. Dann aber trat die ganze Erkenntnis an sie heran, und sie errötete bis zu den Haarwurzeln über das, was sie nun erraten konnte.

Sie waren Augenzeuge," sagte sie nach einer Weile,aber nicht Ohrenzeuge?"

Ich stand in der Fensternische und konnte an Ihrer beiderseitigen Erregung leicht ersehen, was der Inhalt Ihres Zwiegesprächs war."

Nicht so ganz vielleicht."

Immerhin genug," brach er aus,um zu wissen, daß Sie diesen Sormann lieben!"

Nein, Theodor! Das ist Ihr Irrtum."

Wie wäre das möglich? Sormann sprach doch"

Sprach mit mir von einer Neigung, deren Gegenstand ich sein sollte allerdings, aber ich erwiderte ihm der Wahrheit gemäß, daß ich ihn ohne diese Thorheit hochgeachtet haben würde, seine Gefühle jedoch nicht erwidern könne."

Und Ihre Erregung, Ihre"

Ich war entsetzt darüber, was mir jener Herr als eine Erklä­rung sagte, zu der er sich durch mein Vorgehen ihm gegenüber berechtigt glaubte. Ich sah ein, daß ich allerdings ohne Absicht und Wissen, ein schweres Unrecht an ihm begangen hatte. Dies ihm einzugestehen war meine Pflicht."

Und das war alles?" sagte Theodor leuchtenden Auges.

Alles, was damals zwischen uns vorfiel. Und seit jener Zeit, die mich erkennen lehrte, daß ich für ihn niemals wärmer fühlen könne, seit jener Zeit habe ich Herrn Sormann nur selten gesehen und niemals mit ihm Worte gewechselt, die etwas anderes als konventionelle Formeln zum Gegenstand gehabt hätten."

O, ich blöder, blinder Thor, der ich war!" jubelte jetzt Theodor aufspringend und den Stuhl zurückschleudernd.

Olga brauche ich Ihnen nun wirklich zu erklären, was mich so lächerlich verblenden konnte in meinem Urteil über Sie? Was mich in meinem Irrtum, den ich ja für Wahrheit hielt, so namenlos elend machte? Was mich zu dieser albernen Rolle verdammte, die ich seither gestehen Sie es nur! unter Ihren Augen gespielt habe!"

Sie trat zurück und wollte ihn abwehren, aber er mußte etwas