Anlaß geben. Minister v. Schmid betonte, wenn die Anträge Württembergs im Bundesrat durch­gegangen wären, so würden die hier gehörten Klagen nicht laut geworden sein. Mit der Zeit werde übrigens eine andere Austastung Platz greifen, wenn einmal die Armenlasten eine we­sentliche Umgestaltung infolge des Gesetzes er­fahren haben; doch werde er die besprochenen Nachteile im Auge behalten, bitte aber seiner­seits die Mitglieder, dazu bcizutragen, daß eine richtige Auffassung über das Gesetz im Volke sich einbürgere. Nach einer Polemik zwischen Haußmann-Balingen und Leemann über die Stellung der Volkspartei im Reichstag zu die­sem Gesetz und zu der Arbeitergesetzgebung über­haupt wurde die Debatte geschloffen und das Kapitel angenommen.

3. April. (95. Sitzung.) Etat des Ministeriums des Innern. Bei Kap. 4 l, Neckar­schifffahrtsfonds, machte Minister v. Schmid Mitteilungen über die Neckarschistsahrt. Die Strecke von Heilbronn bis Lausten ist bekannt­lich seit dem vorigen Sommer in Betrieb; eine Fortführung der Schifffahrt bis Cannstatt würde über 4, eine solche bis Eßlingen 5 Mill. Mark beanspruchen. Die Frage der Rentabilität sei vorerst zu verneinen; von einer solchen könnte erst gesprochen werden, wenn auch die Thalfahrt befrachtet werden könnte; dies aber würde eine ganz andere Emwicklung der Industrie am mitt­leren Neckar voraussetzen, als bis jetzt dort an­zutreffen. Beim Kap. 42, Flußbaufonds, wies Haffner auf die Nachteile hin, welche die Flö­ßerei auf der Enz u. Nagold den Wasserkräften zufüge. Der Minister sagte weitere Erwägung der Frage zu, bemerkte jedoch, daß einer Auf­hebung der Flößerei auch nach der Eröffnung der Bahnstrecke NagoldAltensteig jedenfalls Unterhandlungen mit den Interessenten vorher­gehen müßten. Den von mehreren Seiten vor­gebrachten Wünschen, betr. Staatsbemäge zu Flußkorrektionen, sagte der Minister wohlwollende Erwägung zu. Das Haus trat dann in die Beratung des Etats des Finanzministeriums ein. Zunächst wurde beschlossen 2 Ratsstcllen in Oberratsstellen zu verwandeln. Hierauf wurde die Sitzung abgebrochen.

Landesuachrichteu.

* (Ginges.) Auf den angekündigten Vor­trag des Hrn. Kamcralverw. Bühler glaubt man, noch besonders aufmerksam machen zu sollen, da durch das gewählte Themader Zukunstsstaat des Jahres 20(0 nach Bellamy" ein Einblick in die Bestrebungen und Ziele der Sozialdemo­kratie gegeben wird. Bellamy selbst ist nem- lich ein amerikanischer sozialdemokratischer Schrift­steller. In unserer Zeit wird ja so viel über Sozialdemokratie gesprochen, es sollte deshalb eine Belehrung hierüber durch zahlreichen Besuch anerkannt werden.

' Berneck, 5. April. Bierbrauer Geier hier hatte heute das Glück, eine Wildkatze zu erlegen.

Dieselbe hat eine Länge von 80 om und ein Gewicht von 12 Pfund.

* Tübingen, 3. April. (Schwurgericht.) Im dritten Fall handelt es sich um das Ver­brechen des betrüzlichen Bankerotts und um ein Vergehen des einfachen Bankerotts, deren der frühere Schultheiß und nachherige Bauer und Weinhändler Georg Friedrich Landherr von Heselbronn, Gemeinde Ueberberg, OA. Nagold, angeklagt ist. Der früher »ermögliche Mann, dessen Ehefrau ein Vermögen von über 20000 Mark in die Ehe gebracht hat, ist mit der Zeit insbesondere durch Unglück im Stall, ober auch dadurch, daß er ein etwas ausschweifendes Leben führte, in Schulden geraten und wurde gegen ihn von einer Ettlinger Firma ein Urteil wegen einer Weinfordcrung in Höhe von über 3000 Mk. vollstreckbar, für welche Forderung die ganze Fahrnis des Angeklagten gepfändet wurde. Am 7. Dezember 1890 sollte der Ver­kauf der Fahrnis stattfinden und am 5. Dezbr. entfernte steh der Anklagte von Heselbronn. Er nahm, wie er zugiebt, eingezogene Gelder in Höhe von etwa 115 Mk. mit, es hat aber die Ehefrau des Angeklagten im Vorverfahren dem Schultheißen gegenüber angegeben, daß ihr Mann am Tag oder einige Tage vor seiner Abreise etwa 300 Mk. in seinem Geldbeutel gehabt habe. Mit dem Gclde hat sich der An­geklagte zunächst nach Karlsruhe, dann nach Hall und Stuttgart begeben und hat er, wie erhoben ist, einige Tage nach seinem Abgang seiner Ehefrau von Stuttgart seine Adresse zu- kommeu lassen. Er hat sich dann bis zum Erscheinungsfest d. I. bei emem Bekannten in Oberlimpurg bei Hall aufgehalten und ist dann im Besitze von noch ungefähr 10 Mk. wieder nach Hause zurückgekehrt. Die Beschuldigung hinsichtlich des Verbrechens geht nur dahin, daß er das Geld mitgenommen habe, um es seinen Gläubigern dauernd zu entziehen. Bald nach ^ dem Abgang des Angeklagten hat die Ehefrau desselben den Antrag auf Konkurseröffnung gestellt und es wurde infolgedessen der Konkurs am 9. Dezember eröffnet. Der Verkauf der Fahrnis zu Gunsten der Weinfirma unterblieb und es stellte sich infolge des anfgcnommenen Inventars heraus, daß einem Aktivvermögen von 9000 Mk. ein Passivvermögen von 28 000 Mark gegenüberstand. Der Angeklagte bestreitet, daß er das Geld mitgenommen habe, in der Absicht, solches seinen Gläubigern zu entziehen, er sei vielmehr im Unmut darüber, daß ihm sein ganzer Fahrnisbesitz gepfändet worden sei, fortgegangen und hätte es nicht mitansehen können, wenn seine Sache verkauft worden wäre. Die weitere Beschuldigung geht dahin, daß er als Weinhändler es unterlassen habe, ordnungs­mäßige Bücher zu führen, aus denen der Ver­mögensbestand ersichtlich, und daß er es unter­lassen habe, eine Bilanz seines Vermögens zn ziehen. In letzter Richtung konnte der Ange­klagte auch gegen die Anklage nichts einwendcn und es erfolgte in dieser Beziehung auch seine

Verurteilung zu einem Monat Gefängnis, wel­cher durch die erlittene Untersuchungshaft als verbüßt zu betrachten ist, wegen des Verbrechens des betrüzlichen Bankerotts erfolgte Freisprech­ung des Angeklagten.

* Stuttgart, 1. April. Das dem Re­staurateur Atbert Gallion gehörige Anwesen zur Kaiserhalle", Keplerstraße l, wurde um die Summe von 27 000Mk. an den Restaura­teur Joh. Flaitz verkauft.

* Zufolge einer vom Auswärtigen Amt in Berlin in Holzelfingen einzetroffenen Nach­richt erkrankte Lehrer Flad in Kamerun auf seiner Station Bonebela am 16. Januar d. I. am Schwarzwafferfieber. Sein Zustand besserte sich jedoch unter der sorgfältigen Behandlung des Marinearztes Dr. Schacht so weit, daß die Gefahr überwunden schien. Der stellver­tretende Gouverneur ordnete, um ihm eine längere Erholung zu gönnen, seine Heimbeförde­rung an; die Einschiffung fand am 26. Jan. statt. Auf der Fahrt trat jedoch ein neuer Fieberanfall ein, den er nicht überwinden sollte. Am 29. Januar nachmittags 1 Uhr erlag er auf der Rhede in Lagos dem Kltmafieber und wurde am 31. Januar auf dem Friedhofe in Lagos bestattet.

* Ravensburg,4.April. Der37Jahre alte Ankuppler Auffinger von Aßmannshardt wurde heute von der hiesigen Strafkammer wegen Diebstahls des bekannten Postbeutels in Fried­richshafen zu 2 Jahren I Mon. und 15 Tagen Gefängnis, sowie zu dreijährigem Ehrverlust, seine Frau wegen Hehlerei zu 6 Monaten Ge­fängnis verurteilt.

* (Verschiedenes.) Ein von Dun- ningen gebürtiger Realschüler hat alle seine Bücher und sonstigen Requisiten zu Geld ge­macht und ist mit dem Erlöse auf und davon in der ausgesprochenen Absicht, über Marseille nach Afrika zu gehen; er fehlt seit letzten Diens­tag. wird aber wohl nicht zu weit kommen. In Bietigheim fiel der Sohn einer dortigen achtbaren Familie in einer Gastwirtschaft die Stiege herunter, und verletzte sich derart, daß ec nach einigen Tagen starb. Herr Kronen­wirt Fahrner von Baiersbronn, welcher bet dem Vaihinger Eisenbahnunglück am 1. Okt. 1889 auch unter den Verunglückten war, hat eine Entschädigung von 11 000 Mk. erhalten.

Ju Burrweiler erhängte sich ein 45 Jahre alter in gutenVerbältnissen stehender Mann.

Donnerstag früh spielte sich in Wasser- alfingen eine traurige Szene ab. Abends zuvor logierte sich nämlich im Gasthaus zum Lamm" daselbst ein junges Paar ein und als man gegen Morgen mehrere Revolverschüffe von dessen Zimmer vernahm, wurde die ge­schloffene Thür gewaltsam geöffnet, wobei sich den Eintretenden ein schrecklicher Anblick bot: Beide lagen blutend auf dem Boden. Das Mädchen war, durch eine Revolverkugel schwer verletzt, noch am Leben, dagegen hatte der junge Mann bereits ausgehaucht. Es ergab sich, daß

pfiffigem Gesicht hinzu,nun anders m erlegt.Na, und sobald die Mission erfüllt, will ich nach Reinsberg fahren; Onkel Senden wäre außer sich, entzöge ich ihm den Hochgenuß, mich an die Brust zu drücken. Ueberdies ist heute ein Familienfest bei den Verwandten, das kann ich mir schon nicht entgehen lassen. Morgen aber sehen wir uns wieder, und wenn auch Onkel Senden schmollt, ich eile her mit einer Vehemenz, daß Roß und Reiter stiegen und Kieß und Funken stieben. Bis dahin lebe wohl. Oder willst du mir vielleicht in eurem Nest als Führer dienen und mir bis an die Thür der Lindenau'schen Wohnung deine schätzbare Begleitung gönnen?"

Gewiß, ich komme mit."

Hans von Kobell drückt unter herzlichem Lebewohl der Mutter seines Freundes warm die Hand, um dann mit letzterem das saubere Stübchen zu verlassen, indes die alte Frau am Fenster Posto faßt und die beiden sich Entfernenden mit ihrem Blick verfolgt, so lange dies nur möglich ist.

Frau Gerichtsrat Lindenau, eine kleine, schmächtige Frau, mit ewig exaltierten Zügen, schlägt nach mehrstündigem Schlummer soeben ihre grauen Aeuglein auf, um von ihrem Beobachtungspunkt aus, der Ottomane, auf der sie im vermeintlichen Unwohlsein stets einen Test des Tages zuzubringen Pflegt, mit kritischen BlickenUmschau im Gemach zu halten.

Heute sieht die kleine Frau in Wahrheit trotz des ausgedehnten Mittagschläfchcns etwas abgespannt und angegriffen aus und als sie beim Emporrich:en des Oberkörpers die diesbezügliche Warnehmung im gegen- übcrhängenden Spiegel macht, bemächtigt sich ihrer auf der Stelle große Ungeduld. Mit nervöser Hast zieht sie die Glocke, doch niemand kommt, um ihre Befehle in Empfang zu nehmen. Sie schellt zum zweiten, ja zum drittenmal, doch wiederholt vergebens.

Unerhört", ruft sie in weinerlichem Tonmich arme Kranke hilflos hier allein zu lassen! Wo nur Auguste weilen mag? Na, und mein Alter muß um diese Zeit ja auch in seinem Zimmer sein."

Sie springt empor und eilt behenden Schrittes nach der Thür.

Ja so ich darf ja nicht hinaus! Hab' ja dem Sanitätsrat feierlich versprechen müssen, nicht das Zimmer zu verlassen. Mein Gott, wie sein Bedenken über meinen Zustand mich geängstigt hat! Und nun aufs neue diese Aufregung. Ich armes, unglückseliges Geschöpf!"

Sie klingelt abermals und immer wieder, doch ohne jeglichen Erfolg.

Diese Rücksichtslosigkeit ist unerhört, empörend!" murrt sie weiter. Ich verschmachte geradezu vor Durst und das Wasser dort in der Karaffe ist vollständig abgestanden." Sie lehnt sich wie erschöpft in einen Sessel und Ungeduld und Aerger treiben ihr die Thränen in die Augen.Himmelschreiend, daß man nicht einmal einen kühlen Trunk erhalten kann!" schluchzt sie in sich hinein, um in der nächsten Sekunde auszurufen:Ach was der Sanitätsrat kann mjr's nicht verdenken, wenn ich seiner Anordnung in dieser martervollen Situation zuwiderhandle. Ich muß hinaus und wenn's mein Leben kostet!" Damit ist sie wieder aufgesprungen und ruft im nächsten Augenblick jenseits der Ztmmerthür nach ihrem ungetreuen Mädchen, von dem jedoch noch immer nichts zu spüren ist. Nun reißt sie mit nervöser Hast die Thür zu dem Zimmer ihres Mannes auf und prallt entsetzt zurück, als auch hier sich keine Spur von einem lebenden Wesen zeigt.

Das ist mein Tod!" stöhnt die erregte Frau.Er hat es selbst mit angehört, wie krank ich bin, wie peinlich mir der Sanitätsrat größte Ruhe anempfahl und brachte es dennoch übers Herz, mich hier allein zu lassen. O, ich bedauernswerteste der Frauen, wie habe ich diese Rück­sichtslosigkeit verdient?"

(Fortsetzung folgt.)