Ferner: ob durch den (Übergang der Oberhoheit von Ostafrika an das Reich eine Aenderung der internationalen Stellung Ostafrikas eingetreten fei. So lange Ostafrika nicht durch eigene Einnahmen erhalten werden könne, empfehle sich die äußerste Sparsamkeit. — Reichskanzler v. Caprivi versichert, daß die Regierung die durch die Congoaktm garantierte Gleichberechtigung der Religionsbekenntnisse in ganz Ostafrika zur vollen Geltung bringen werde. — Abg. Helldorff (kons.): Der Vertrag mit England und die Einschränkung unserer kolonialen Unternehmungen sei notwendig und nützlich vom Standpunkte einer gesunden Kolonialpolitik. Im Gegensatz zu anderen Stimmen der Rechten habe er zu der Kolonialpolitik der jetzigen Regierung volles Vertrauen. — Abg. v. Cuny (nat.-lib.) ist damit einverstanden und bittet nur, überall die deutschen Interessen gegen die Engländer zu schützen. — Reichskanzler v. Caprivi bedauert, daß der Vorredner sich schließlich wieder über den Vertrag mit England aufgehalten habe. Im Witufaille verdiene die Regierung keine Borwürfe, sie vertrete d:e Interessen der Geschädigten, was aber nicht leicht sei, denn Künzel sei ein vielfach vorbestrafter Mensch und Deserteur aus der Fremdenlegion gewesen; er habe in Witu Holz gesägt, das ihm nicht gehörte, den Sultan beschimpft u. s. w. Daß Herrn Dr. Peters von den Engländern der Eintritt in Afrika erschwert woroen sei, beruhe auf einer Note, die Bismarck erlassen habe; vielleicht genüge dies Herrn Cuny. Abg. Barth (frs.): Herr Cuny sei der Typus jener doktrinären Kolonialpolitik, die stets zu Verwicklungen mit dem Auslande führe. Für unsere Kolonialpolitik trägt Herr Windthorst allein die Verantwortung. Abg. v. Kendell (kons.) erklärt fein Einverständnis mit dem englischen Abkommen und den Erklärungen Capnvis. — Abg. Windthorst erklärt den Abg. Barth gegenüber, daß er freudig die Verantwortung für die Kolontalpolitik übernehme. Abg. v. Armin (kons.) drückt entgegen Hellvorf und Kendell die Mißstimmung eines Teiles der Konservativen über die neue Richtung der Kolonialpolitik aus. Hiermit ist der Etat des Auswärttgen Amtes erledigt.
ist. Die Druckerei dürfte mindestens 12,000 M. gekostet haben und heute wurde sie für 2300 M. von einem Buchbinder ersteigert.
* Sicherem Vernehmen nach sind heute mit Allerhöchster Genehmigung Sr. Majestät des Königs von dem Ministerium des Kirchen- und Schulwesens in Betreff der Schullehrcrkon- ferenzen neue Vorschriften erlassen worden, welche im wesentlichen folgende Bestimmungen enthalten: Es soll künftighin neben der Be- zirksschul-Versammlung jährlich nur noch eine allgemeine Konferenz (statt bisheriger 3 Konferenzen) für die sämtlichen ständigen Lehrer, welche das 60. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt haben, und die unständigen Lehrer unter der Leitung des Bezirksschulinspektors oder zufolge Auftrags der betreffenden Oberschulüehörde eines besonderen Konfercnzdirektors abgehalten werden. Die Aufsatzpflicht der ständigen Lehrer wird (statt bisheriger zwei Aufsätze) aus einen Aussatz jährlich beschränkt und soll mit dem znrück- gelegten 40., nicht erst dem 50. Lebensjahre amhören. An dem genannten Aufsatze haben sich auch die unständigen Lehrer und Lehrerinnen unter 30 Jahren zu beteiligen. Außer den beiden allgemeinen Konferenzen (der Be- zirksschulversammlnng und der obengedachten weiteren allgemeinen Konferenz) werden für die unständigen und diejenigen ständigen Lehrer, welch- das 30. Lebensjahr noch nicht zurückgelegt hatten, zunächst versuchsweise alljährlich zwei Souderkonferenzm angeordnet. Die Diäten für den Besuch der Schulkonferenzen sind, den jetzigen Preisverhältnissen entsprechend, von bisherigen 2 Mk. 60 Pfg. auf 3 Mk. 50 Vfg. erhöht worden. (St.-Anz.)
* (Besitzwechsel.) Das bestrenomierte Hotel Textor in Stuttgart ist nun definitiv um die Summe von 500,000 Mk. in den Besitz von Hofbäcker Anselm daselbst übergegangen. Vom 1. April ab wird der neue Käufer unter der Firma „Hotel Tcxtor" den Hotelbetrieb unverändert weiterführen.
" Kirchheim u. T., 7. Febr. Ein hiesiger Bürger, welcher während des uordamcnkanischen Sezessionskriegs auf einem der Kriegsschiffe der Nordstaaten Dienste that, vernahm im Laufe des vorigen Jahres, daß Amerika den noch lebenden Kriegern oder deren Hinterbliebenen Pension bezahle. Er wandte sich mit seinem Abschied an den amerikanischen Konsul iu Stutigart, welcher ihm alle Aussicht gab, eine Pension zu erhalten. Nun kam ihm, wie die „Kirchh. Ztg." berichtet, in den letzten Tagen die Nachricht zu, daß er vom Tage der Anmeldung au einen jährlichen Ruhegehalt von gegen 600 Mk. erhalten werde.
* (V e r s ch i e dc n e s.) In G e r a d stetten tm Remsthal feiern im Laufe dieser Woche nicht weniger als 4 Paare das Fest ihrer goldenen Hochzeit. — In Horkheim ist ein Ojähriges Mädchen, das den Neckar überschreiten wollte, eingebrochen und ertrunken. — In Fellbach hat sich tu voriger Woche ein evangelischer Ar
beiterverein gebildet. Der Zweck desselben ist neben der Treue gegen den evangel. Klauben die Anhänglichkeit an Kaiser und Reich zu pflegen und zu beleben; zugleich will der Verein im Anschluß an den Bund der evangelischen Arbeitervereine Deutschlands die Interessen der Arbeiter wahren und ans gesetzlichem Wege die Erfüllung berechtigter Wünsche anbahnen. — In Besigheim wurde beim Graben eines Kellers zwischen der Enz und dem Bahnhof eine Münze gefunden, welche die Aufschrift Trajan trug, und nun stießen die Arbeiter in einer Tiefe von ungefähr 2 Meter auf ein Menschliches Skelett. Ob die Vermutung, daß man es hier mit einer römischen Niederlassung zu thun yat, zutrifft, wird die Untersuchung von berufenen Sachverständigen ergeben. — In Rottenburg wurde in dem Metzgerladen des Metzgers Klingler eingebrochen und die Kaffe mit ca. 24 Mk. Inhalt geleert. Der Dieb wurde in einer Wirtschaft in Seebronn verhaftet. — In Meßftetten verspürt'' eine 64jährige Frau schon längere Zeit zuerst Magen-, später Bauchschmerzen; nachdem dieselben 3 Wochen angedauert, kam eine ziemlich lange Nähnadel aus natürlichem Wege zum Vorschein und seildem ist die Frau wieder gesund. — In Stuttgart stellte ein Dienstmädchen eme verschlossene Bettflasche in den Ofen. Die Tochter vom Hause wollte dieselbe öffnen; in diesem Augenblicke erfolgte die Explosion und das junge Mädchen trug nicht unbedeutende Brandwunden davon.
* Berlin, 8. Febr. Der vom Kaiser zum Generalstabschef ernannte Graf Schlüffen, war seit 9 Jahren die rechte Hand des Grafen Walder- sce; er ist ein Mann von unermüdlicher Arbeitskraft und ungewöhnlichen Kenntnissen, und gilt für einen Strategen ersten Ranges. Als Kommandeur des 1. Garde-Ulanenrcgiments zu Potsdam ist er in die besten persönlichen Beziehungen zum jetzigen Kaiser getreten. Unvergessen ist seine Thätigkett als Militärattache in Paris und als Chef der französischen Abteilung des Generalstabs. Graf Schlüffen ist ein stiller, ernster Mann, der vor allem seinem Berufe lebt.
* Aus Spandau wird der „Bert. Volkszeitung" geschrieben, daß in den-Militärwerk- stälten wegen Betrübseuischränkungen umfangreiche Arbeiterentlassnngen bevorstchen. Zunächst wird man hiermit in der Gewehrfabrik beginnen, tu welcher behufs Herstellung des Gewehres Modell 38 seit nahe 2 Jahren Tag und Nacht gearbeitet wird. Da die erforderlichen Gewehre nunmehr bald fertig sind, so wird der Betrieb ganz erheblich verkleinert. Betrübseinschränk- ungen sind auch in der Artilleriewerkstatt und im Fcaerwerkslaborawrium in Aussicht genommen. Es heißt, daß man gegenwärtig noch aus dem Grunde mit den Entlassungen zurückhält, um nicht in dieser an Arbeitsgelegenheit knappen Zeit eine so große Anzahl von Arbeitern brodlos zu machen.
Lalldesnachrichteu.
* Man schreibt aus Calw: Am Sonntag wurde nach einer Beratung des Mustkobsrlehrers Hegele aus Nagold mit dem Vorstände des hiesigen Kirchcngesangvereins bestimmt, daß das jährliche Kirchenkonzert der evangelischen Kirchen- geftngvercine Württembergs Heuer in Calw stattfinden werde.
* Stutigart, 9. Febr. Wie sehr manchmal wertvolle Vermögensobjekre mittels der Zwangsvcrkäuse im Konkursverfahren im Preise herabgedrückt werden, zeigte der heute erfolgte Zwangsverkauf einer hiesigen erst vor verhältnismäßig kurzer Zeit neu eingerichteten Buchdruckerei, deren Inhaber in Konkurs geraten
mutet, daß Meißner cs wnst nicht ohne gerichlliche Entscheidung herausgeben werde und er ihm entgegenkommen möchte. Ihr fürchte aber, Ihres Mannes empfindliches Ehrgefühl wird sich gegen Vergleich sträuben, wenn nicht Sie, gnädige Frau —"
„Und diesen rechtlichen Sinn trauen Sie mir nicht zu?" unterbrach ihn Dora.
„Um Gotteswillen, Sie dürfen mich nicht so mißverstehen", sagte er verwirrt, fügte aber dann leichteren Tones hinzu: „Die Damen pflegen doch sonst eher als wir schwerfälligen Männer einen anständigen Mitiel- weg zu finden. Ich hätte wirklich diese Mission nicht übernommen, wenn sie mir nach irgend einer Richtung hin anstößig erschienen wäre. Was nützt Meißner sein Recht, wenn cs vor Gericht nicht anerkannt wird, und dieser Vorschlag von Schnitze —"
„Bitte, Herr von Scheppwitz," unterbrach ihn Dora wieder sehr ernst, ersparen Sie Ihre näheren Auseinandersetzungen für meinen Mann, denn ich habe nicht die Absicht, ihn zu beeinflussen."
Felix wurde in der Ferne sichtbar und Dora erhob sich, ihm entgegenzugehen. Scheppwitz mußte sich gestehen, daß sie doch anders sei, als die Frauen mit denen er sonst verkehrte und bei denen er gerade durch seine überlegene, nichtsachtende Art Eindruck zu machen pflegte.
Felix begrüßte seinen Gast aufs herzlichste und nahm es als selbstverständlich an, daß derselbe den Abend über bei ihnen bliebe. Nicht ohne einige Verlegenheit brachte Scheppwitz das Gespräch wieder auf Schnitze und dessen Vorschlag. Der andere hörte ihm mit Staunen zu und meinte dann sehr ernst: „Sie haben sich hoffentlich dü Tragweite Ihrer Worte nicht klar gemacht, lieber Freund, denn was Sie mir znmuten, har einen häßlichen Beigeschmack."
„Wie verstehen Sie das?" fragte Scheppwitz betreten.
„Ich ahnte schon etwas Aehnliches," fuhr Felix fort, „als neulich
beim Abschiede Schultze von „arrangieren" sprach, und ich muß zugeben, der Mann operiert nicht unschlau. Natürlich wäre es ihm unlieb, mit seiner Forderung vor das Gericht zu gehen, da seine Klage doch sehr verschieden beurteilt werden würde, selbst wenn die Entscheidung zu seinen Gunsten ausfallen sollte. Mein Eingehen auf seine Absichten würde aber zwei Vorteile für ihn haben, außer dem Geld noch meinerseits das halbe Zugeständnis seines Rechtes. Er irrt sich aber in mir — ich weiß, man hat mich oft einen Träumer genannt und gerade in dieser Angelegenheit habe ich mich als solcher gezeigt. Wirklich, hätte ich nicht die Entschuldigung, daß mein Leichtsinn einem allzu großen Vertrauen zu dem Anstandsgefühle meiner Mitmenschen entsprungen sei, ich müßte mich vor mir selbst schämen. Jetzt aber wenigstens will i-y mit dem vollen Bewußtsein meiner Verantwortlichkeit handeln, will nicht durch Schwanken und Nachgeben die Ehrenhaftigkeit meines Vaters in Zweifel ziehen lassen."
„Wenn Schultze indessen einen etwaigen Prozeß gewönne?" fragte Scheppwitz unsicher.
„So muß ich die Strafe für meine Nachlässigkeit tragen, aber ohne richterliche Entscheidung weiche ich nicht einen Strohhalm breit. Das mögen Sie Schultze als mein letztes Wort sagen."
Scheppwitz reichte ihm die Hand. „Obgleich ich mit dem Vorsatze herkam, mein möglichstes zu thun, um unserer Unterredung ein anderes Resultat zu geben. kann ich doch Ihren Gründen meine vollste Anerkennung nicht versagen."
Damit war die Angelegenheit erledigt und Scheppwitz hätte nicht ein so weltgewandter Mann sein müssen, wenn cs ihm nicht gelungen wäre, das Gespräch bald in freundlichere Bahnen zu lenken und bei Dora die Mißstimmung zu verdrängen, die seine früheren Worte in ihr erregt hatten. (Fortsetzung folgt.)