* Freiburg i. B>, 30. Dez. Eine Eigen­tümlichkeit besitzt die hiesige Stadt, die sicher­lich allein dastehen dürfte: wie Wiesbaden und Baden-Baden Lieblingswohnsitze verabschiedeter Offiziere sind, so ist Freiburg, wie man der Fr. Ztg." schreibt, die größte Apothekerstadt Deutschlands, da nicht weniger als fünfund­sechzig reichgewordene Apotheker, darunter kaum vierzigjährige Männer als Rentner in Freiburg leben und wirken.

* Speyer, 4. Jan. In Folge von Regen­wetter ist das Rheineis aufgethaut. Die Schiff­brücke ist hergestellt, die Bahnstrecke Heidelberg- Würzburg wieder betriebsfähig.

* Augsburg. Der Kassierer Deibele aus Wien, welcher daselbst mit 150 000 Gulden durchgegangen war, ist Hierselbst dingfest gemacht worden.

* Berlin. Bei seiner Ansprache an die kommandierenden Generale hat der Kaiser die Politische Lage nicht berührt.

* Berlin, 5. Jan. Die ital. Regierung beabsichtigt, vom Parlament sich ermächtigen zu lassen, gegen die Bischöfe, die ihre staatsbürger­liche Pflicht verletzen, mit Suspendierung des Exequatur vorzugehen.

* DieNat.-Ztg." bemerkt zu der von den Blättern angekündigten Vorlage über die Sperr­gelder:Die kirchenpolitische Gesamtlage, die Rücksicht auf den kirchlichen Frieden läßt nach wie vor die Verwendung der fraglichen Geld­mittel für Zwecke der katholischen Kirche an­gezeigt erscheinen. Aber nach wie vor bleibt die unerläßliche Bedingung, daß der Sperrfonds nicht zu einem Mittel der hierarchischen Macht­erweiterung werden darf, und daß seine Ver­wendung thatsächlich dem kirchlichen Frieden dienen muß. Es wäre unvereinbar mit dem Ansehen des Staats, mit diesen Mitteln eine neue gehässige Agitation des Klerikalismus zu unterstützen."

* lieber die deutsch-österreichischen Handels­vertragsverhandlungen hat sich am Donnerstag der ungarische Ministerpräsident Graf Szapary bei dem üblichen Ncujahrsempfange in Buda­pest sehr freundlich geäußert. Der Minister erklärte, die Regierung halte es für höchst wünschenswert, daß der den Interessen beider Teile Rechnung tragende Handelsvertrag zu stände komme, welcher die Freundschaft und das politische Bündnis, in welchem Ungarn mit Deutschland lebe und leben wolle, nur inniger gestalten werde.

* Wie aus Berlin geschrieben wird, hat in dem bei Schönweide gelegenen Walde ein Liebespaar gemeinsam den Tod gesucht. Der junge Mann, der als ein Kaufmann Neuer aus Niesenburg in Westprcußen erkannt wurde, ist tot; das Mädchen, die Tochter einer angesehenen Berliner Familie, wurde mit einer Schußwunde im Kopf, aber noch lebend in ein Berliner Kranken­haus gebracht.

* Rixdo rf bei Berlin, ein großes Dorf von von 35 900 Einwohner, zahlt nach derKreuz-

Zeitung" zwischen 170 und 200 Arbeiter und Arbeiterinnen, die über 70 Jahre alt sind und daher sofort in den Genuß der Altersrente treten. Es find für die Rente derselben im Jahre 1891 20 bis 24 000 Mark erforderlich.

* Bingen, 1. Jan. Infolge des niedrigen Wasserstandes, welcher den Grund des Rheines gut erkennen läßt, glückte es Schiffern von St. Goar, am sogenanntenStein" einen Eichbaum herauszufischen, nach welchem schon oft gesucht wurde. Der Baum hat 7 Meter Länge, 65 Cm. Durchmesser und war fast versteinert, denn er soll schon ein halbes Säculum im Wasser liegen. Da der Stamm zugleich ein Hindernis für die Schifffahrt war, erhalten die Finder eine Belohnung.

* Köln, 3. Jan. Der Lustmörder Franz Kohlbrecher in Düsseldorf wurde um 10 Uhr heute morgen mittelst Fallbeils enthauptet.

* Essen. In letzter Zeit wurde hier und in der Umgegend eine große Masse falsches Geld verausgabt. Die angestellten Untersuch­ungen haben nun zur Verhaftung eines Metall­arbeiters geführt. Bei demselben fand die Polizei allerlei Prägesachen, Falschmünzen und Metalle. Mehrere Verhaftungen stehen bevor.

* Oranienburg. In dem Dorfe Fiddi- chow (Kreis Niederbarnim) kochte im Herbst eine wohlhabende Bauersfrau für sich und ihre Haus- und Dienstleute einen großen Kessel Pflaumenmus ein. Durch irgend einen Zufall geriet nun in Abwesenheit der Hausfrau der alte Hauskater in den kochenden Brei und wurde in demselben bei lebendigem Leibe ge­schmort. Erst als der große Kessel seines Inhaltes entleert wurde, entdeckte man den un­glücklichen Dachhasen. Mit Ausnahme der Bauersfrau leisteten nunmehr alle Beteiligten Verzicht auf ihren Teil Pflaumenmus. Die spekulative Bauersfrau verkaufte indessen den ganzen Segen in Oranienburg und soll eine hübsche Geldsumme erzielt haben. Jetzt, nach­dem die Sache ruchbar geworden, empfinden verschiedene Personen, die von dem Mus ge­nossen, eine Art Katzenjammer und haben die­selben eine Strafanzeige gegen die Bäurin erstattet.

* Hamburg. 3. Januar. Gestern nach­mittags 5 Uhr fand in der Nobcl'schen Dynamit- sabrik beim Aufgrab-m einer Leitung eine Ni- troglycrrin-Explosion statt, wobei mehrere Arbeiter getötet wurden. Der materielle Schaden ist unerheblich.

Ausländisches.

* (Erstickt). Ein Elternpaar inRemaufens (Schweiz) hatte seine 4 Kinder im Älter von 1 bis 6 Jahren abends 6 Uhr zu Bette gelegt. Einige Holzstücke, die man zum Trocknen auf den heißen Ofen gelegt hatte, fingen an zu glimmen und verursachten dichten Rauch. Als der Vater um 8 Uhr wieder ins Zimmer trat, fand er die Kinder erstickt.

* Rom, 2. Jan. 300 auf den Gütern des

Fürsten Sciarra arbeitende Bauern empörten sich, griffen den Gutsverwalter an und plün­derten mehrere Gutsgebäude. Die Militärmacht schritt ein und 28 Bauern wurden verhaftet.

* Mailand, 5. Jan. DiePerseveranza" kündet die versuchsweise Mobilmachung des italienischen Heeres im Frühjahr an.

* Paris, 31. Dez. DemEcho de Paris* zufolge sind nunmehr sämtliche Linien- und gemischten Regimenter, sowie die drei ersten Bataillone der Territorialregimenter vollständig mit dem kleinkalibrigen Gewehr Modell 1886 versehen.

* Paris, 3. Jan. General Boulanger hat den Jahreswechsel benutzt, um wieder ein Lebenszeichen von sich zu geben. In einem Briefe an den Eclair warnt er von den über ihn ausgesprengten falschen Nachrichten. Er erwartet nichts von der Parlamentsregierung und verzichtet daher darauf, den boulangistischen Abgeordneten ihr politisches Verhalten vorzu- schreibcn. Der General hat vielerlei politische Ansichten kennen gelernt und gefunden, baß alle eine Grundlage von Wahrheit enthalten, ist daher duldsam gegen jedermann geworden. Er will versuchen, alle diese Richtungen zu ver­söhnen, indem er in einer neuen Republik der Volkssouveränität einen größeren Einfluß zu­gesteht. Man muß daher duldsam gegen die persönlichen Meinungen sein, oqne jedoch Zwei­deutigkeiten zu dulden, die bisher zu sehr aus­genutzt wurden. Die von Boulanger geplante Republik soll in vielen Punkten den der Ver­einigten Staaten gleichen. Boulanger will keine Ralgebcr hören, sondern direkt mit dem Volke verkehren, um die sozialen Strömungen an der Quelle zu' studieren.

* Das XIX. Siäcle meldet:Der deutsche Spion Toussaint, der im Juni 1885 aus Frank­reich ausgewieseu wurde, nachdem er beim Spio­nieren abgefaßt war, ist in Rouen wiederum verhaftet worden. Bald nach seiner Ausweisung erschien Toussaint wieder in Belfort und wahr­scheinlich hat er seit der Zeit Frankreich über­haupt nicht mehr verlassen."

* Ein Angehöriger des höchsten bayerischen Adels soll sich, wie dem LondonerStandard" aus Nizza geschrieben wird, dort im Hotel Mentone mit Morphium vergiftet haben. Er hatte enorme Spielverluste in Monte Carlo erlitten. Ein anscheinend den höchsten Ständen augehöriger Fremder wurde in San Remo erschaffen vorgefunden. Bei der Leiche fand sich ein Zettel, der die Worte enthielt:890,000 Rubel verloren, mein Name bleibe verschollen."

* Belgrad, 2. Jan. Aus dem hiesigen Krankenhause wurde ein Patient als geheilt entlassen. an dem bei seiner Aufnahme be­ginnende Tuberkulose konstatiert worden war. Nach wiederholten bis zu 1 Centigramm ge­steigerten Injektionen mit Kochin wurden keine Bazillen mehr im Auswurfe gefunden.

* London, 2. Jan. Bei einer Weihnachts-

Aer Ilüchtling.

Historische Novelle von August Nordheim.

(Fortsetzung.)

Despard blieb vollständig ruhig, nur sein Auge folgte aufmerksam jeder Bewegung seines Spießgesellen; und als er sah, wie dieser vergeblich seine Waffe suchte, spielte ein Hohnlächeln um seinen scharf­geschnittenen Mund.

Wie schade!" sagte er mit schneidender Kälte,wie jammerschade, daß du dein Schwert fortwarfst in bloßem Schrecken vor einer nicht einmal geladenen Pistole, während du, wofern nur ein Fünkchen Mannes­mut in deiner Heldenseele gewesen wäre, ohne Zweifel jenen übermütigen Clifton nebst seinem Begleiter, den kindischen Farmer, spielend nieder­gemacht hättest. Ha! Ha! Ihr Ritter des Königs seid zu nichts nutze, als Postwagen auszurauben oder ländlichen Einfaltspinseln das Ohr oder die Nase abzuhauen. Still! sage ich. Wir sind nicht hier, uns zu zanken, sondern uns an unfern Feinden zu rächen und gute Beute zu machen. Du weißt das so gut wie ich. Aber wenn euch wieder einmal der Hafer stechen sollte, so denkt an euren ver­scharrten Kumpan!"

Der Teufel hole den Clifton und dich desgleichen!" brummte Jones, nichtsdestoweniger sich wieder, wenn auch beschämt und zögernd, niederlassend.Hätte sich der großprahlerische General nicht in Sachen gemischt, die ihn nichts angingen, so hätten wir jetzt Gold in Ueberfluß und längst das herrliche Frankreich erreicht!"

Ja, wahrhaftig!" wandte sich nun auch der zweiteKavalier" an Despard, mißvergnügt durch die mit jenen Worten erweckte Vorstellung, daß er sich bei geglücktem Raube jetzt auf Frankreichs schönem Boden in Sicherheit und Wohlleben ergehen könnte.Und nun kommt Ihr

auch noch mit euren vermaledeiten Anschlägen! Es ist wahrlich arg! Den langjährigen Lehnsherrn, unseren guten und tapferen Marley, der uns nie böse Miene machte, den kaltblütigen Rundhüten in die Hände zu spielen! Es ist eine Schändlichkeit! Entgehen wir auch dem Gehangen­werden, so doch nicht den quälenden Gewissensbissen. Nein, nein! ich will nicht länger mit! Ich habe keine Lust mehr!"

Nun, Beverly!" versetzte Jones ärgerlich,wenn du so denkst, wäre es das beste, du gingest deiner Wege und versuchtest dein Heil anderswo. Meister Despard und ich werden den Spaß auch wohl ohne dich zu stände bringen. Allein es wäre nur dein eigener Schade. Bedenke doch, Mann: zweihundert Guineen in Gold, dazu freien Abzug!"

Zum Henker mit dem Mammon!" schrie Beverly erbost.Nicht um das Zehnfache würde ich es thun, wenn ich nur sicher drüben über den Kanal wäre."

Aber dahin kannst du jetzt nicht gelangen, Freund", fiel Despard ein, dem es an der Zeit schien, den drohenden moralischen Bedenken seines Verbündeten Einhalt zu thun.Du kannst es nicht und wenn dein Seelenheil davon abhinge. Alle Wege sind mit Schleichposten be­setzt, und du hast keinen Heller in der Tasche. Zudem wird es dem Marley nicht allzu übel ergehen. Meinetwegen möchte er frei davon- kommen, wenn es nicht der zweihundert Guineen wegen wäre und wenn ich nicht den Hund von Clifton des Einverständnisses mit dem Landesfeinde überführen wollte, um ihn für seine Frechheit und Infamie unter das Beil zu bringen. Komm, Kamerad, den Kopf hoch! Du mußt mit dabei sein!'

Ich fürchte, Ihr sprecht die Wahrheit", gab der Räuber seufzend zu.Allein, ich schwöre es euch bei diesem ganzen nichtsnutzigen Leben! wenn ich einen anderen Ausweg wüßte, so nun reich' mir einstweilen