* Ein russischer Agent, welcher in Libau rin „großes Hotel" zu haben behauptete, hatte in letzter Zeit wiederholt Insterburg besucht, um stellenlose Kellnerinnen, welche sich bei den daselbst wohnenden Mietsagentinnen aufhalten, zu veranlassen, in seinem Hotel Stellung zu nehmen. Wie nun behördlicherseits in Erfahrung gebracht worden ist, hat es mit dem Hotel eine ganz andere Bewandtnis, und will der Agent lediglich die Mädchen nach Rußland locken, um sie auszubeuten und dem Elende preiszugeben. Es ist der Polizei gelungen, den Patron festzunehmen.
Ausländisches.
* Wien, 18. Dez. Durch den Streik der Antisemiten wurde die für heute im Gemeinderate anberaumte Wahl beider Vizebürgermeister vereitelt.
* In der italienischen Deputiertenkammer wurde am Mittwoch von radikaler Seite der Dreibund und die Zugehörigkeit zu diesem lebhaft angegriffen, Crispi entgegnete, die Regierung habe die feste Absicht, den Allianzen treu zu bleiben. Auf die weitere Politik der Regierung übergehend, erklärte er: Die Stellung Italiens in Afrika sei eine beneidenswerte und werde auch in Europa beneidet. Mit der Zeit werde man die Früchte dieser Politik erkennen. Uebrigens, versicherte Crispi, habe die Regierung keinerlei allzuweit ausgreifende Ziele, habe sie doch den General Orero verhindert, nach Kassala zu marschieren. Was die Stellung des Papstes angche, so sichere das Garantiegesetz die Ausübung der geistlichen Gewalt deS Papstes zu, aber es gäbe in Italien nur einen Souverän: König Humbert.
* Die Spielhölle von Monte Carlo hat in den ersten vierzehn Tagen dieses Monats nicht weniger als acht Opfer gefordert. Wie lange noch — — ?
* (Auch eine Huldigung.) Eine recht heitere politische Kundgebung hat im Theater zu Toulon stattgefunden. Einige Russenfrcunde wollten gelegentlich der Aufführung des „Nordsterns" der russischen Flagge demonstratio huldigen. Dabei ereignete cs sich, daß der Direktor des Theaters, inErmangclung einer russischen Flagge, dieselbe durch eine deutsche ersetzte!
* London. Für die verfolgten russischen Juden wurden am Sonntag, den 14. d., von allen englischen 'tänzeln herab Fürbitten eingelegt. — Ein klein bißchen politische Heuchelei ist indessen bei diesen Sympathiekundgebungen der Engländer. Viele der verfolgten russischen Juden haben sich nach dem freien und gastfreundlichen England gewandt, so daß schon Maßregeln gegen die Einwanderung Mittelloser verlangt werden!
* Dublin. Partiell besuchte entgegen ärztlichem Rate uuter strömendem Regen mehrere Meetings. Sein rechtes Auge war verbunden. Er wurde sympatisch empfangen und hielt Reden.
* Dublin, 19. Dez. Ein Manifest Par-
nells beschuldigt die Gladstonepartei, sie wolle Irland zum Knechte Englands erniedrigen, erklärt, jede Versöhnung Englands und Irlands sei unmöglich; und schließt mit den Worten: „Das irische Volk liefert mich nicht den englischen Wölfen aus." Im Gemeinderat von Ktlkenny gab es gestern eine arge Prügelszene. Die Parnelliten, der Bürgermeister an der Spitze, warfen alle antiparnellistischen Gemeinderäte hinaus und votierten sodann eine Vertrauensadresse an Parnell.
* Dublin, 20. Dez. Parnell ist in Forlan von einer mit Revolvern bewaffneten Leibgarde umgeben.
* Wegen der Proteste gegen die Judenverfolgungen in Rußland, müssen sich die Engländer von der „Nowoje Wrcmja" folgende Derbheiten sagen lassen: „Die Besorgnisse der Engländer, welche die reiche Bevölkerung Indiens und Aegyptens zu Bettlern gemacht haben, die Bevölkerung Chinas mit Opium vergiften, die einheimische Bevölkerung Australiens wie schädliche Insekten vernichtet haben und unter dem Vorwände der Verhinderung des Sklavenhandels zahlreiche Stämme Afrikas auf die allerbar- bariscbste Weise ausrotten, sind sehr rührend!"
* Warschau, 17. Dez. Die Versuche mit der Kochsck.en Lymphe sollen hier eingestellt werden; im Kiuderhospital findet morgen die letzte Einspritzung statt. Man behauptet, es hätten sich neuerdings ungünstige Wirkungen gezeigt.
* In Portugal geht es schon wieder drunter und drüber. Die heißblütigen Republikaner können cs der Regierung nicht vergessen, daß sie mit England den unvorteilhaften afrikanischen Handel abschloß. Die Zeitungen schimpfen fast ohne Ausnahme wie die Rohrspatzen und von Zeit zu Zeit rottet der Pöbel sich auch zusammen uno macht einen Straßenskandal. Es steht die Einberufung der Cortes bevor.
* New-Aork, 15. Dez. Mehrere Kondukteure von Güterzügeu und andere Angestellte der Cincinnati-Abteilung der Louisville und Nashville Eisenbahn sind in St. Louis verhaftet worden, unter der Anklage, daß sie vorsätzlich Bahnzüge hätten verunglücken lassen. Dem Vernehmen nach ist eine ausgedehnte Verschwörung entdeckt worden und die Nachricht verursacht großes Aufsehen.
* Quebeck, 19. Dez. Reuter meidet: Der Expreßzug Halifax—Montreal stürzte von der Lrvisbrücke herab. Es gab 15 Tote. Die Wagen stürzten von der Brücke auf die 20 Fuß niedriger gelegene Straße.
Vermischtes.
* (Warnung!) In einer auswärtigen Zeitung war neulich eine Annonce erschienen, nach welcher man gegen Einsendung von 1 Mk. 50 Pf. hundert Gegenstände bekomme, die man in jeder Haushaltung notwendig hat und gebrauchen kann. Ein Leser ging auch auf den Leim und was erhielt er? 12 Hemdenknöpfe, 12 Nadeln, 12 Haften, 12 Ringeln u. s. w. Alles in Allem
bekommt man das in den Laden für 40 bis 50 Pfennig.
* (Ein Freund der Arbeit.) Fürst Nikolaus von Montenegro hielt kürzlich in Dali ilograd, wo er auf einem Ausfluge ins Innere wegen rheumatischer Schmerzen für längere Zeit Halt machen mußte, an das zufammengeströmte Volk eine Ansprache, in welcher er sagte, es sei bedauerlich daß die Montenegriner nicht auch als gute Arbeiter gelobt werden könnten. Wenn sie ebensolche Arbeiter wären wie Helden, würden sie ebenso reich als ruhmvoll sein. Er munterte das Volk zur Arbeit auf und sagte, er wolle das Seinige dazu bettragen, um es auf die Bahn der Arbeit und des Fortschrittes zu führen. Er verfügte deshalb, daß jeder montenegrinische Krieger aus Gegenden, wo die Weinrebe gedeihen kann, in diesem Jahre 200 Reben setze; ferner solle jeder Brigadier 20, jeder Bataillonskommandant und Unterkommandant 10, jeder Offizier und Fahnenträger 5, jeder Führer 2 Olivenbäume und jeder Korporal 1 Olivenb mm Pflanzen. Nach einer weiteren fürstlichen Verfügung ist Denjenigen, welche noch in diesem Jahre freiwillig 2000 Reben setzen, eine 10jährige Steuerfreiheit zugefichert. Das Amtsbatt spricht die zuversichtliche Erwartung aus, daß in Folge der fürstlichen Verordnung Montenegro im Frühjahre 1891 um 4 Millionen Reben und 20,000 Oelbäume reicher sein wird, als es derzeit ist. Das Blatt betont, der Fürst habe immer gehofft, das Volk werde schließlich aus eigenem Antriebe auf die Bahn ersprießlicher Arbeit sich begeben; nachdem sich diese Erwartung indessen nicht erfüllt habe, wäre die sanfte Gewalt im Interesse der heilsamen Zwecke angczeigt.
* (Aus dem Regen in die Traufe.) Witwer (zu seiner zehnjährigen Tochter): „Dora, weißt du's schon, unsere Haushälterin Susanne wird bald heiraten!" — Dora: „Gott sei Dank, daß wir das alte Reibeisen bald los werden! Nicht wahr, da giebt's ein Fest? Wer aber heiratet die denn?" Vater: „Nun, ich!"
Verantwortlicher Revatteur: W. skieter. Aternsterg.
Verfälschte schwarze Seide. Man »er-!
brenne ein Müsterchen des Stoffes, von dem man kaufen! will, und die etwaige Verfälschung tritt sofort zu Tage: Aechte, rein gefärbte Seide kräuselt sofort zusammen, vrr-' löscht bald und hinterläßt wenig Asche von ganz hell-, bräunlicher Farbe. — Verfälschte Seide (die leicht speckig! wird und bricht) brennt langsam fort, namentlich glimmen, die „Schußfäden" weiter (wenn sehr mit Farbstoff er-j schwert), und hinterläßt eine dunkelbraune Asche, die sich! im Gegensatz zur ächten Seide nicht kräuselt, sondern: krümmt. Zerdrückt man die Asche der ächten Seide, so! zerstäubt sie, die der verfälschten nicht. Das Seiden-! fabrik-Depot von G. Henneberg (K. u. K. Hoflief.> Zürich versendet gern Muster von seinen ächten Seiden-; stoffen an Jedermann, und liefert einzelne Roben und! ganze Stücke porlo- und zollfrei in's Haus. Doppeltes Briefporto nach der Schweiz.
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selben auf dem Friedhof seines Ortes beerdigen und besuchte ihn fast täglich, um sich an seinem Grabe dem Schmerze hinzugeben.
Um seinen Kummer zu vermehren, war auch kurz darauf der Tod an seine verwitwete Schwester, die Mutter Luises, hcrangetreten. Er nahm nun seine Nichte zu sich, welche ihn, die selbst des Trostes bedurfte, vergebens über den Verlust seines Sohnes zu trösten suchte.
Oskar hatte, in trübe Gedanken versunken, die Stadt wieder erreicht; er bemerkte kaum das lebhafte Treiben auf der Straße, er sah nicht die frohe Feststimmung auf den Gesichtern der Vorübergehenden; ebenso wenig achtete jemand auf ihn, es hatte ja heute ein jeder im Gedanken mit seinen Lieben zu thun, denen er eine Freude zu bereiten willens war.
Was kümmerte die Glücklichen heute ein trauriges Gesicht. Mau dachte gar nicht daran, daß es an dem heutigen Tage auch Unglückliche gäbe, man hätte auch nicht einmal Zeit gehabt, sie zu trösten; vielleicht morgen-
Oskir stand vor einem großen, schönen Hause still; ein heftiges Herzklopfen erschwerte ihm das Atmen. Es war dasHauS seines Pflegevaters. Er zögerte, in dasselbe einzutreten; welcher Empfang würde ihm zu teil werden, ihm, dem —
Nein, er wollte das Wort nicht ausdenken, sein Gewissen war rein, rein wie die Sonne, und doch, er fühlte in diesem Augenblick so recht den ganzen Jammer des Erdendaseins, sein grenzenlos elendes Leben, das ein einziger Augenblick ihm bereitet. Er fühlte es, er konnte niemals wieder froh werden, wenn ihm sein Pflegevater, den er schwer gekränkt, dem er so viel Dankbarkeit schuldete, und den er so sehr liebte und bedauerte, nicht Verzeihung gewähren würde. Morgen feierte man das Fest der Liebe in der ganzen Christenheit, den Geburtstag
des Erlösers, der für seine Feinde noch in der Todesstunde bat: „Vater vergib ihnen, sie wissen nicht was sie thun!" — Würde ihm auch sein
Vater vergeben? — Doch wenn er ihn von sich weist, dann-ja
dann-
Die Glocken vom nahen Kirchturm schlugen zum ersten Mal feierlich zusammen, und ein harmonisches Geläute verkündete den Beginn des heiligen Abends. Wie eine heilige Mahnung klang es über die Stadt und „Friede und Vergebung" kündeten die ehernen Glockeuzungen.
Oskar legte die Hand aufs Herz, um es zu beschwichtigen, und trat festen Schrittes über die Schwelle. Er erstieg eine Treppe und zog die Glocke an der Thür der Wohnung seines Pflegevaters.
Ein Dienstmädchen öffnete.
„Ist Herr Schönau zu sprechen?" fragte Oskar mit unsicherer Stimme.
„Bitte, treten Sie ein; Herr Schönau befindet sich in dem Wohnzimmer. Ich werde Sie melden. Darf ich um Ihren werten Namen bitten?" entgegnete das Mädchen.
„Es ist wohl nicht nötig", antwortete Oskar, „ich bin für Herrn Schönau kein Fremder."
Das Dienstmädchen machte zögernd Platz und Oskar klopfte an die ihm wohlbekannte Thür.
„Herein", erscholl eine männliche Stimme, au welcher Oskar seinen Pflegevater erkannte.
Oskar öffnete und blieb auf der Schwelle stehen. Mit tränen- umflortm Augen erblickte er den alten Mann, der in einem Lehnstuhle am Fenster saß. Wie hatte er gealtert, und wie warsein Haar gebleicht, seit Oskar ihn zum letzten Male mit seinem Pflegcbrudec vor einem Jahre gesehe n._ (Schluß folgt.)
Auflösung des Rätsels tu Nr. 149: „Wenden (wen? den! — Die Wende»)'-