nicht ohne Grund. Gegenüber der bewunderns­werten Selbstlosigkeit, mit welcher Koch seine Entdeckung ganz in den Dienst der Wissenschaft gestellt hat, macht hier in weiten Kreisen das Verfahren des Dr. W. Levy unliebsames Auf­sehen, der einem Kranken, welcher sich von Davos aus an ihn wendete, antworten ließ, es sei ihm nicht möglich, eine Injektion unter 300 M. zu machen, und die ganze Behandlung werde wöchent­lich etwa 1000 Mk. kosten. Mit einem Fläsch­chen der Koch'schen Flüssigkeit, wie cs Koch selbst zu 25 Mk. abgiebt, lassen sich, je nach der Dosierung, 3500 bis 5000 Injektionen machen. Dr. Levy hätte also bei seiner Taxe von 300 M. aus einem Fläschchen 1 bis I V 2 Millionen Mark herausgeschlagen, wenn er Leute gefunden, die den geforderten Preis bezahlt hätten. Das war aber nicht der Fall, im Gegenteil, der Davoser Hilfesuchende veröffentlichte die ganze Geschichte und die hiesige Presse spricht sich sehr unzweideutig darüber aus. Dr. Levy erklärt zwar in derNat.-Ztg.", er billige die Form nicht, in welcher einer seiner tamuli den Kranken beschieden, aber die Redaktion fügt dem Abdruck hinzu, sie halte diese Erklärung nicht für aus­reichend. DerBerl. Börs.-Cour." schreibt in dieser Angelegenheit: Leider müssen wir sagen, daß dieser Fall durchaus nicht vereinzelt dasteht. Es lassen sich hiesige Aerzte 50 M. pro Tag für die Belegung eines Bettes im Krankenhause zahlen und verlangen 300 Mk. für eine ein­malige Injektion in privater Praxis. Wir wissen, daß ein weltberühmter Augenarzt in einem hiesigen Sanatorium für seine Tochter täglich 30 M. zahlen mußte und außerdem 40 M. für jede Injektion und dabei werden den Ange­hörigen von Aerzten bekanntermaßen Vorzugs­preise eingeräumt l Einem hierbei in Betracht kommenden Arzt rechnet man eine tägliche Ein­nahme von etwa 10 000 Mk. nach, ohne sich dabei einer Uebertreibung schuldig zu machen. Dieser Mißbrauch hat hoffentlich die längste Zeit gedauert."

* Berlin. Dr. William Levy, dem in den Blättern der Vorwurf übermäßiger Ausbeutung des Koch'schen Verfahrens gemacht wurde, er­läßt jetzt folgende Erklärung:Gegen die An­klagen, welche die Zeitungen gegen mich erheben, werde ich mich nicht verteidigen. Du ich dem ärztlichen Verein der Königstadt angehöre, habe ich den Ehrenrat dieses Vereins ersucht, über meine Handlungsweise zu urteilen." (Indessen soll Professor Koch dem Dr. Levy den Gebrauch der Lymphe entzogen haben.)

* Berlin. Auf einen Glückwunsch Pasteurs richtete Prof. Koch folgendes Dankschreiben an den französischen Gelehrten:Sehr geehrter Herr Kollege! Sie waren so sreundlich, mich telegraphisch zu den Ergebnissen meiner Unter­suchungen über die Tuberkulose zu beglückwün­schen. Ich betrachte dies als eine besondere Ehre und erlaube mir, Ihnen und ihren Herren Mitarbeitern meinen ergebensten Dank auszu­drücken. In der Annahme, daß Sie vielleicht

die Wirkung des neuen Mittels auf den Menschen werden beobachten wollen, gestatte ich mir, Ihnen eine Probe davon zu schicken. Empfangen Sie u. s. w."

* Berlin, 28. Nov. Die Verhandlungen zwischen dem Kultusministerium und Professor Dr. Koch gelangten zum Abschlüsse. Der Bau eines Instituts ist vorbehältlich der Genehmi­gung des Landtages definitiv beschlossen. Der Bau wird sofort begonnen, so daß im Früh­jahr die Eröffnung erfolgen kann. Das Institut wird eine bakteriologische und eine klinische Ab­teilung umfassen. Die klinische Abteilung soll bei der hiesigen Charite erbaut werden und 5 Krankeubaracken umfassen mit 150 Jnfektions- kranken. Tuberkulöse sind hier ausgeschlossen, dagegen sollen die an Diphtherie, Typhus, Lungen­entzündung, Krebs und einer anderen vielver­breiteten spezifischen Volkskrankheit Leidenden hier Aufnahme finden. Dr. Koch rechnet Krebs zu den ansteckenden Krankheiten und hält es gar nicht sür ausgeschlossen, daß auch diese Krankheit durch einen noch unbekannten Bazillus verursacht wird. Die Staatenkorrespondenz will wissen, Staatssekretär Stephan beabsichtige eine allgemeine Herabsetzung der Telegraphier­gebühren von 6 auf 5 Ps. pro Wort, serner eine Herabsetzung des Minimalsatzes von 60 auf 50 Pf.

* Ein sozialdemokratischer Wortführer hat unlängst in Berlin den Versuch gemacht, die Lylografen für die sozialdemokratische Sache zu gewinnen. In der einberufenen Lylographenver- sammlung wurde er, so berichtet dasD.Tagebl." dringend ersucht, wenigstens ein ungefähres Bild des Zukunftsstaats zu geben, und es sagte da­rauf nach dem Bericht ses sozialdemokratischen Hauptorgans der betr. Wortführer, der Stadt­verordnete Vogtherr: Im Zukunftsstaate werde der Einzelne im Dienste der Gesamtheit stehen. Es sei dann wohl möglich, daß der Einzelne ein Zahn im großen Rädergetriebe oder eine traurige Null" sein werde. Doch gebe es heute schon Millionen, welche noch nicht einmal eine traurige Null seien. Es fragt sich, ob das Los des heutigen Arbeiters ein so beneidenswertes sei, daß er es nicht eintauschen sollte gegen ein Los, wo er volle Freiheit der Bewegung habe. Volle Freiheit der Bewegung alsZahn im großen Rädergetriebe!" Dieser seltsame Wider­spruch blieb unerörtert.

^ Berlin, lieber den österr.-deutscheuTarif­vertrag ist es seit einiger Zeit in der Oeffentlich- keit sehr stille geworden. Nach den lebhaften Diskussionen in der Presse ist eine Reaktion eingetreten, die zu der Auffassung verleiten könnte, als hätten auch die Regierungen Deutsch­lands und Oesterreichs die Heiterveratung und Entscheidung der hochwichtigen Frage vertagt. Dem ist jedoch nicht so. Aber es zeigen sich eben Schwierigkeiten, über welche man beim beiderseits besten Willen nicht so schnell hinweg- kommt. Den Stein des Anstoßes bilden für Deutschland die von Oesterreich geforderte Herab­

systematischen Behandlung und Kontrolle durch Untersuchungen.

* (Verschiedenes.) In Feldstetten wurde eine Familie am Mittwoch in großen Schrecken versetzt. Der 13 Jahre alte Knabe des Maurers Joh. Kölle daselbst hatte mit seinen zwei jüngeren Schwestern in der Scheuer der Eltern gespielt und dabei im Scherz ge­äußert, jetzt probiere er das Erhängen; wenn er schreie, sollen sie auch schreien. Er steckte sodann den Kopf in die Schlinge eines herab­hängenden Seils, blieb aber dabei mit den Füßen auf dem Boden stehen. Da er aber bald im Gesicht erbleichte, sprangen die zwei andern Kinder aus Angst davon, und als das jüngste seiner Mutter den Vorfall unglücklicherweise erst nach fast einer Stunde erzählte und diese in der Scheuer nach ihrem Knaben sah, fand sie ihn zu ihrem Entsetzen tot in der Schlinge. Dr. Möä. Fischer in Ulm, welcher sich kürz­lich bei einer Operation verletzte und bald da­rauf erkrankte, ist am Samstag nacht an Blutvergiftung gestorben. Viehhändler B. Müller von Saulgau, welcher vor ca. einem halben Jahre den Erlös von einem Paar ihm zum Verkauf auf dem Viehmarkt in Ravens­burg anvertrauter Ochsen veruntreute und mit dem Betrage durchbrannte, ist in Antwerpen verhaftet worden und seine Auslieferung wird demnächst erfolgen. In der Lohmühle in Winnenden brachte ein daselbst beschäftigter Mann aus Breuningsweiler beim Riemenab- stellen seinen Arm in das Getriebe, wobei der Arm dreimal gebrochen wurde, so daß derselbe abgenommen werden muß. Auf der Wärter­strecke 105 der Abteilung Oberndorf wurde am Samstag der 70 Jahre alte Martin Ackerer von Holzhausen von einem Güterzug überfahren.

* Landau, 28. Nov. Die gegen Wieder­zulassung der Jesuiten gerichtete Bewegung ergreift in unserer Pfalz die gesammte Prot. Bevölkerung. Ueberall erweisen sich die Versammlungs­lokale als ungenügend für die zusammen­strömenden Massen. Nachdem die Landauer Versammlung den ersten Anstoß gegeben, waren am letzten Sonntag Versammlungen in Zwei­brücken und Jngenheim, am nächsten Sonntag stehen solche in Homburg, Dürkheim, Franken­thal, Bergzabern in Aussicht. Auch der geringste Mann im Volke fühlt es, daß die Jesuiten Störenfriede sind, die wir gerade in dieser ernsten Zeit am wenigsten brauchen können und daß durch falsche Nachgiebigkeit am allerwenigsten der Friede erkauft wird. Sind die Jesuiten wirklich die Erretter aus der sozialen Not, so mögen sie erst in andern Ländern, wo sie bisher in zahlreichen Scharen gewirkt, wie in Belgien, ihre Meisterschaft beweisen.

* Berlin, 27. Nov. In den ersten Tagen nach dem Bekanntwerden der Koch'schen Ent­deckung wurde schon die Furcht vor geschäftlicher Ausbeutung durch mehr kaufmännisch-spekulativ als wissenschaftlich angelegte Aerzte laut. Leider

hinauf und zieht dieselbe in das klGewölbe dort oben nach; es dient nur zum Aufbewahren alten Tauwerks und verbrauchter Segel. Dort wird Euch niemand suchen. Sollten indes die Verfolger, die un­zweifelhaft bald zurückkehren werden, dennoch hier eindringen, was Gott gnädig verhüten wolle, so hüllt Euch in eines der alten Segeltücher und liegt vollständig regungslos. Habt Ihr mich auch verstanden?"

Der junge Kavalier nickte schnell und sprang nach einigen Dankes­worten leicht die Sprossen hinauf; das Mädchen wartete, bis er in der schmalen Oeffnung der Bodenluke verschwunden war, und lächelte dann befriedigt.

So ist's recht!" rief sie leise.So seid Ihr geborgen. Aber nun beugt Euch herab und merkt genau auf meine Worte, Euer Ge­schick hängt daran. Ihr könnt schwimmen, vermute ich."

Ein gedämpftesJa!" erklang von oben herab.

Nun wohl, so gebt auf das rote Licht an jenem Fenster acht, das Ihr durch das Loch dort über der Luke erblicken könnt. Sobald es dreimal nach je zehn Sekunden dort aufleuchtet und wieder erlischt, werft Euch kühn in die Flut. Denn dann ist alles sicher. Ich werde Euch drüben an der Bootstreppe empfangen. Lebt wohl! Der Herr sei mit Euch!"

Und auf Euch Gottes reichsten Segen!" scholl es leise zurück.

Darauf hörte man nur das leise Plätschern der Ruder, deren Schlag das lose angekettet gewesene Boot dem Schlosse zutrug.

Auf ein dreimaliges Klopfen ertönte von drinnen ein langsamer, schlürfender Tritt, und eine zitternde Stimme fragte ängstlich durch die erleuchtete Schießscharte neben der Thür:Wer ist da?"

Ich bin's, guter Jerry; deine Jane. Oeffne nur rasch, die Nachtluft weht kühl und ich bin nur leicht gekleidet."

Ein Schlüssel drehte sich knarrend im Schloß, die schwere eichene

Thür der Schleuse öffnete sich langsam und schloß sich sogleich nach Aufnahme des Bootes wieder.

So spät, teuere Herrin?" sagte der Diener, dessen ehrwürdiges Gesicht schneeweises Haar umrahmte. Ihr hättet mich zur Begleitung mitnehmen sollen, es ist so gefährlich draußen in dieser schrecklichen Zeit!"

Laßt nur, laßt, guter Freund!" wehrte sie ab, sich zu einem halben Lächeln zwingend.Bleß war ja mein treuer Begleiter, und du siehst, ich bin wohlbehalten hier. Doch nun leuchte mir, ich habe den Vater allzu lange warten lassen und möchte ihn deshalb jetzt gleich

^ Der Greis schritt voran, an der Thür des Gestndezimmers vorüber, aus dem munteres Gespräch und fröhliches Lachen erklang, bis an den Fuß einer breiten, durch Teppiche geschützten Freitreppe, welche von dem mit Marmorfließen belegten Vorsaal in die oberen Räume führte. Von den Wänden schauten in langen Reihen in dem gespenstischen Halbdunkel die Ahnen des Schloßherrn in starrer Unbeweglichkeit auf das mutige Enkelkind herab, das leichtfüßig die Treppe hinaufsprang, bis es an einer hohen Thür hielt, die der Alte diensteifrig öffnete.

Jane trat in ein weites, saalarttges Gemach von finsterem Ge­präge. Einzelne wenige Kerzen warfen nur einen schmalen Schein auf das braune, gebeizte Holz, mit dem die Wände bis zur halben Höhe betäfelt waren. Ein ungeheurer Kamin zeigte noch glimmende Feuer­reste. Rings um die Wände zogen sich lange Gestelle mit Büchern, welche auf der Ostseite sogar ganz bis auf den parkettierten Fußboden hinabreichten. Inmitten des Saales stand ein langer Tisch, mit Büchern, Karten und physikalischen Instrumenten bedeckt, an demselben der einzige Bewohner des Raumes, ein alter Mann in dunklem Samtwams, der bei dem Geräusche der sich öffnenden Thür das noch lebendige, feurige Auge der Eintretenden zuwandte. - (Forts, folgt.)