* Im Amtsbezirk Tübingen tritt Lamm­wirt Bayha von Tübingen als Kandidat für die Landtagswahl auf.

* Stuttgart. Die Miller'schen Broschüren scheinen in den oberen Regionen doch nicht un­beachtet geblieben zu sein. Ein Entwurf für die Reform des Milttärstrafprozefses soll bereits fertig gestellt sein. Eine Aenderung der be­stehenden Verhältnisse ist in der That notwendig, wenn auch nur die Hälfte von dem wahr ist, was Miller in seiner 2. Broschüre über Soldaten- mtßhandlungen, Offiziersersatz, Militärjustiz, Reserveoffiziersgeschenke und Offizierspensionie­rungen ans Tageslicht zieht. Man mag mit den früheren und den neuesten Darstellungen des -Verfassers einverstanden sein oder nicht, jedenfalls spricht die von Miller gegebene Schil­derung von Soldatenmißhandlungen, die teil­weise geradezu haarsträubend sind, für die un­bedingte Notwendigkeit, daß auf diesem Gebiete so schnell als möglich gründlicher Wandel ge­schafft wird.

* Stuttgart, 12. Septbr. (Ferienstraf­

kammer.) Wegen Beleidigung durch die Dresse im Sinne des 8 186 des Str.-G.-B. erschienen heute vor der Strafkammer Pfarrer a. D. Schmid-Sonncck und der Redakteur der Deutschen Reichspost, Herr Joh. Reimers. Das K. Ober­steueramt hier fühlte sich durch einen in Nr. 82 des genannten Blattes vom 10. April d. I. erschienenen, von Pfarrer Schmid-Sonneck ein­gesandten ArtikelZur Frage der Sonntags- Heiligung" beleidigt, worin darüber Klage ge­führt war, daß am hl. Osterfest die Zustellung von Fafsionsbogen stattgesunden habe. Das Gericht erkannte auf Freisprechung, indem es den beiden Angeklagten den Schutz des 8 193 des Str.-G.-B. (Wahrung berechtigter Interessen) zubilligte. '

* Zur Verwaltungsreform werden nach und nach abgesehen von der Gegnerschaft der Volks­partei auch aus andern Parteien Stimmen laut, welche den Regierungsentwurf wenigstens in einzelnen Punkten bemängeln und einer Ver­besserung bedürftig halten. So hat der Vor­stand der Fraktion der deutschen Partei im Landtag, Gemeinderat Dr. Göz, in einer vor seinen Wählern zu Böblingen gehaltenen Rede bei Besprechung der Vorlage die Frage ange­regt, ob nicht in den größeren Stadtgemeinden die Wahl der Ortsvorsteher den bürgerlichen Kollegien zu überlassen und alsdann die Lebens- länglichkeit derselben zu beseitigen wäre. Mit der im Entwürfe vorgeschlagenen Beiziehung der Höchstbesteuerten zu den Verhandlungen des Gemeinderats erklärte er sich nicht einverstanden, da eine solche überflüssig sei, welcher Ausfüh­rung die Zuhörerschaft allgemein zustimmte. Die Volkspartei führt den Kampf gegen die Vorlage mit allem Nachdruck und hat R.-A. Fr. Haußmann in zwei Versammlungen im Oberland (Mengen und Biberach) die Agitation eingeleitet. Außer der Abschaffung der Lebens- länglichkeit der Ortsvorstcher, die ja eine alte

Förderung der Demokratie ist, verlangt sie, daß künftig die Mitglieder der Amtsversammlnng direkt durch die Gemeindebürger gewählt wer­den und wendet sich mit aller Energie gegen die Beiziehung der Höchstbesteuerten zum Ge­meinderate. Ferner will sie eine Bestimmung im Gesetz, nach welcher die Bestätigung einer Ortsvorsteherswahl nur unter Angabe von Gründen versagt werden darf; im Falle der Verweigerung der Bestätigung solle den Bürgern das Recht der Berufung an das Verwaltungs­gericht eingeräumt werden; endlich solle den Amtsversammlungs- und Gemeindevorständen, das Recht nicht zuftchen, gegen die Mitglieder der elfteren Versammlung bezw. Gememdekolle- giem Haftstrafen zu verhängen. Wan darf auf die Verhandlungen über dieses ein­schneidende Gesetz in der Ständekaurmer ge­spannt sein.

* Großbottwar, 13. Sept. Me Güter­preise auf hiesiger Markung haben eine solche Höhe erreicht, daß; es fast unmöglich ist, nach Abzug der Baukosten noch einen Reinertrag zu erzielen. Infolge dieses Uebelstandes haben in den letzten Wochen zwei verwandte Familien ein Gut in Bayern in der Nähe vsn Aßfurth um die Summe von 20000 Mk. erworben, das sie ausgangs dieser Woche beziehen werden. Ihr Besitztum kam in die Hände von Güter­händlern, welche großenteils die. Güter mit. Nutzen an den Mann gebracht haben. Drei­weitere Familien- haben schon oder werden ähn­liche Käufe in oben benannter Gegend abschließen.

* Friedrichshafen, 10. Sept. In der von der Staatsanwaltschaft Ravensburg er­lassenen Anzeige, betr. den Friedrichshafruer Postdiebstahl, werden als vermißt bezeichnet: ein großer Sammelbeutel, welcher enthielt: zwei Geldpostbeutel und drei Briefpostbeutel. Die wiedergesundenen drei Briefpostbeutel waren un­versehrt, die zwei Geldpostbeutel aber unter Schonung der Siegel ordnungsmäßig ausge­schnitten und ihres Inhalts beraubt. Gestohlen wurden u. a. Banknoten« darunter 237 Stück g. 100 Mk. (meistens von der Württ. Notenbank in Stuttgart), 2 Stücke ä 1000 Mk., mit dem gemünzten Gelds zusammen 26 501 Mk. 91 Pf. Unter den gestohlenen Schriftstücken werden auch Akten für das Kabinett S. M. des Königs auf­geführt. Auf die Entdeckung des Thäters ist eine Belohnung von 1000 Mk. ausgesetzt.

(Bersch ieden es.) Infolge der nassen Witterung sind in einer in der Nähe von Isny gelegenen Waldfläche 20 Morgen Wald ab­gerutscht. In Calw wurde der Restaurateur des dortigen Schießhauses von seinem sonst sehr wachsamen und treuen Hund gepackt und ge­bissen. Die Wunden an beiden Oberschenkeln und an einem Arm waren 6 om tief. Der Hund schien mit Tollwut behaftet gewesen zu sein und wurde deshalb erschossen.

* Fr ei bürg i. B., 9. Sept. Alle bisher vorgekommenen Schändungen von Gotteshäusern

dürften durch den Akt, welcher" in dem Orte Gollercheim am Katferftuhl aus§eführt wurde, überboten werden. Als der Küster des Mor­gens die Kirche betrat, prallte er entsetzr zurück, auf dem Hauptaltar ein lebendes Ungetüm zu schm; er erholte sich aber bald von ft-nem Schrecken und als er näher kam,, fand er einen mächtigen Ziegenbock auf dem Altar stehend. Wie es sich ergab, hatten die Kirchen schänder das Tier einem Einwohner des Ortes aus dem Stalle gestohlen, die Kirche erbrochen und den Bock, auf dem Altar fcstgebundem

* Freiburg i. Br. Die Witwe B. in Opfingen hatte ihr kleines Gütchen dem jiJigsten Sohne zugedacht, womit der ältere nickst ein­verstanden war. Die beiden Müder gerieten darüber in Streit. Als der jLgere zu Bett gegangen, ergriff der ältere ein Jagdmesser und schnitt dem Schlafenden den Leib auf« Der Tos erlöste den Unglücklichen alsbald von seinen Leiden. Als ob nichts geschehen,., ging der Mör­der andern Tages an die Arbeit, , wo sr dann verhaftet wurde.

'Chemnitz. Die hiesige Handelskammer beschloß, die sächsische Regierung zu bitten, beim Bundesrate zu beantragen, die Ntckelscheide- münzen derart zu verbessern, daß dieselben ein Vertauschen mit den SilberscheidemütHen nicht, zutaffen.

"Berlin, 11. Septbr. Es sind Einlad,- ungenau Sachverständige über die Umgestaltung: des höheren Schulwesens ergangen.

* Berlin. Die Streiks im Baugewerbe sind nun vorüber und dieBkugew.Ztg." glaubt feftstellcii zu können, daß die? Arbeiter fast auf der ganzen Linie in diesem Kampfe verloren haben. Bei erhöhten Lebensmittelpreisen feien die Löhne gefimken und eine Besserung der Lage sei zunächst nicht zu erwarten. Auch viele Arbeit­geber sind jeöt in schlechter Lage, da die Gelder knapp geworden sind und das Vertrauen der Geldgeber, zu allem, was Bau heißt, stark ge­sunken ist.

* Berlin. Zum Kapitel der Bsdenwerte in Berlin wird der nachfolgende Beitrag, der das fabelhafre Steigen der Preise für Bau­terrain bekundet, von Interesse sein. Die Ge­gend am Kreuzberg, tu welcher in den letzten Jahren die Häuser wie Pilze ans der Erde gewachsen sind, giebt für Spekulanten noch heute ein ergiebiges Feld ab. Ein Terrain, welches hinter dem Kreuzberge liegt und im ganzen 21 Morgen umfaßt, wurde von seinem heutigen Besitzer im Jahre 1884 für die Ge­samtsumme von 570,000 Mark gekauft. Heute nach sechs Jahren sind demselben bereits für das Areal Offerten in Höhe von 3,500,000 Mark gemacht worden, d. h. der Grundbesitz Hai von 1884 bis 1890 einen mehr als sechs­fachen Wert erhalten. Und trotzdem denkt der jetzige Besitzer nicht daran, zu verkaufen.

* Unter Bezugnahme auf die schon angekün­digte Broschüre, welche eine Darlegung der von der kaiserlichen Regierung angestrebten Sozial-

Was fällt dir ein!" fuhr er ans und erzählte Julia, welche Zwei­fel über das Mädchen wieder in ihm ausgestiegen seien, und aus wel­chem Grunde.

Unsinn!" rief Julia ärgerlich aus, während dennoch ihr Mißtrauen geweckt war, wenn auch nach ganz anderer Richtung hin, als man hätte meinen sollen.

Nachdem Robertson gegangen war, saß sie lange in tiefes Nach­denken versunken. Alles, worüber sie sich bisher nie Gedanken gemacht, schien ihr mit einem Male verdächtig. Warum hatte sich das Mädchen gerade ihr in den Weg gestellt, warum hatte Robertson so ohne allen Grund den Mißtrauischen gegen dieselbe gespielt? Sollte er das nicht in schlauer Berechnung gethan haben, damit sie, Julia, um so ahnungs­loser in die Falle ging, welche er ihr stellte? Sollte er ihr nicht selbst das Mädchen ins Haus gebracht haben, um sie beobachten und ausspio­nieren zu lassen während seiner Abwesenheit? Ja, es war seiner eifer­süchtigen Gemütsart wohl zuzutrauen hatte ihr nicht erst vorgestern Charles gesagt, daß sie es mit einem Schlaukopf zu thun habe, daß sie sich in ihm täusche, wenn sie ihn für einen so leicht zu lenkenden Narren hielte? Sollte Charles nicht am Ende recht haben?

Immer mehr redete sich Julia in die Ueberzeugung hinein, daß das Mädchen nur vorgab, kein Englisch zu verstehen, um sie desto be­quemer zu gunsten des mißtrauischen Liebhabers aushorchen zu können. Julia dachte an Charles, an die Möglichkeit, nicht in den Besitz der gestohlenen Gelder zu kommen, wenn das Mädchen ahnte und Robertson wiederberichtctc, daß Robert nicht ihr Bruder war. Und ohne das Geld verlor sie ihn, den sie liebte, auf ihre Weise liebte und in dessen Händen sie zum Werkzeug geworden, den reichen Bankier ködernd. Für Charles hatte sie von dem verliebten Narren Unsummen gefordert, für Charles hatte sie den Bankier zu einem Schurkenstreich verleitet. Und

wenn er erfuhr, daß sie ihn betrog, wenn er es durch Lucie erfuhr, Ah, wenn mein Verdacht begründet ist", flüsterte Julia mit heilerer Stimme,dann werde ich sie zum Schweigen bringen!" Und ein schreck­licher Zug verunstaltete das Gesicht der schönen Frau.

Lucie!" rief sie,Lucie!"

Mit gewohnter Freundlichkeit trat das Mädchen ins Zimmer und fragte nach den Befehlen ihrer Herrin.

Plötzlich ohne Vorbereitung fragte diese auf englisch:

An wen schrieben Sie vorhin?"

Das Mädchen schüttelte mit dem Kopfe, sichtlich erstaunt darüber, daß Julia sie in einer Sprache anredete, von der sie doch wissen mußte, daß ihre Jungfer sie nicht verstand.

Julia ging sofort ins Französische über, als hätte sie nur nicht daran gedacht, wen sie vor sich habe. Sie gab einige unwichtige Befehle und entließ das Mädchen.

Zu schon sehr vorgerückter Stunde ging Julia mit leisen, unhör­baren Schritten nach dem Zimmer der Jungfer. Dies lag in dem Man­sardenbau des nur dreistöckigen Hauses. Julia hatte sich mit einem Fläschchen Chloroform versehen und einem seidenen Tuche: sie wollte, ohne befürchten zu müssen, daß das Mädchen erwacht, mit den Sachen derselben eine genaue Untersuchung vornehmen. Vorsichtig öffnete sie die Thür zu Lucies Mansarde und trat ein. Im Dunkeln tappte sie nach der Stelle, wo sie das Bett wußte, das in Chloroform getränkte Taschentuch bereit haltend. Leise glitt ihre Hand über das Kopfkissen sie erschrack das Kissen war glatt und unberührt. Zitternd vor Erregung steckte sie Licht an; ein Schrei der Ueberraschung entfuhr ihren erblassenden Lippen: das Bett war leer, war überhaupt in jener Nacht noch nicht benutzt worden.

(Fortsetzung folgt.)