sei dort zusammengesunkcn. Die Sachverständigen erklärten übereinstimmend die Stiche für absolut totbringend und gaben an, daß der Angeklagte in Folge seiner Verletzungen etwa 10—14 Tage arbeitsunfähig gewesen sei, er habe Verletzungen an den Händen und Armen sowie am Kopfe, an letzterem u. A. eine bedeutendere Wunde gehabt, die ziemlichen Blutverlust im Gefolge gehabt habe. Das Hemd des Angeklagten, welches vorgezeigt wurde, ist an der Brust und Hals ganz blutig und es ist nach Angabe des Angeklagten auch seine Weste und seine Juppe blutig gewesen. Der Angeklagte ist als friedliebend, die beiden Lörcher als etwas aufgeregt geschildert. Einer hinterließ 4, der andere 10 Kinder. Der Staatsanwalt (Hr. Dr. Schanz) begründete die Anklage auf Totschlag, der Verteidiger des Angeklagten Hr. Rechtsanwalt Kapp von Stuttgart machte Notwehr geltend und bat eventuell um Annahme mildernder Umstände. Die Geschworenen, welche als ihren Obmann den Herrn Verwaltungsaktuar Ruoff von Herrenberg erwählt hatten, sprachen den Angeklagten der Körperverletzung mit nachgefolgtem Tod schuldig und bejahten die Frage nach mildernden Umständen, auch nahmen dieselben eine Handlung au. Der Staatsanwalt beantragte 3 Jahre Gefängnis, das Gericht sprach eine vierjährige Gefängnisstrafe aus. Hiemit schlossen abends V-9 Uhr die Schwurgerichtssitzungen des II. Quartals und entließ der Vorsitzende die Geschworenen unter Dankbezeugung und mit dem Wunsche glücklicher Heimreise.
* Stuttgart, 23. Juni. Das Eisenbahnunglück bei Mühlacker hat ein weiteres Opfer gefordert. Zugmeister Bezmann ist am Sonntag gestorben. Augenzeugen des Unglücks berichten, daß der Anblick ein grauenhafter gewesen fei. Die schweren Maschinen blieben zwar auf dem Geleise stehen, doch wurden die einzelnen Güterwagen nach beiden Seiten hinausgeworfen. Wer trägt nun die Schuld an dem schrecklichen Unglück? Herbeigeführr wurde das Unglück dadurch, daß eine Weiche nicht gestellt war; Weichenwärter Rößler, der dieselbe zu bedienen hatte, hat seinen Dienst schon 28 Jahre lang tadellos versehen. Derselbe stand lt. „N. Tagbl." an diesem Tag schon 11 Vs Stunden im Dienst und hatte zuerst weiter unten eine Weiche zu stellen. Dadurch nun, daß der Zug von oben mit 20 Minuten Verspätung ankam, war es Rößler trotz schnellsten Laufs, wobei er noch zu Fall kam, nicht mehr möglich, die obere Weiche zu erreichen, bis der Zug hinausfuhr, der dadurch auf das falsche Geleise kam. Rätselhaft ist es, daß die Führer der beiden Lokomotiven dieses Zugs etwa 1 Kilom. weit fahren konnten, ohne zu bemerken, daß sie auf dem falschen Geleise sind. Sodann fragt man weiter, warum Bahnwärter Reichert, bei dessen Bahnwarthaus der Zusammenstoß erfolgte, seinen Posten etwa 500 Meter weiter unten in einer Kurve einnehmen muß, wo er weder nach oben
noch nach unten eine Aussicht hat, während man vom Bahnwärter-Haus bis herein zum Bahnhof weit hinaufsieht; hier aufgestellt, wäre es dem Bahnwärter viel leichter möglich gewesen, die Gefahr zu sehen und abzumenden.
* (Krankenversicherung in Württemberg.) Am 1. Januar d. I. bestanden in Württemberg 127 Orts- bezw. Bezirkskrankenkassen mit 107794 Mitgliedern, 20 Gemeinde- trankenverficherungeu mit 13 780 Mitgliedern, 239 Betriebs- (Fabrik-) Krankenkassen mit 46 397 Mitgliedern, 2 Jnnungskrankenkassen mit 217 Mitgliedern, 3 Baukrankenkassen mit 898 Mitgliedern, 3 Knappschaftskasseu mit 2207 Mitgliedern, 121 Krankenpflege-Versicherungen mit 117 221 Mitgliedern, zusammen 515 Kassen mit 288 514 Mitgliedern; außerdem zählen 92 Hilfs- kassen, welche ihren Sitz im Königreich haben, 24 735 Mitglieder; 144 örtlichen Verwaltungsstellen von Hilfskassen, welche ihren Sitz nicht im Königreich haben, gehören 10 645 Personen an, demnach Angehörige von Hilfskassen 35 380 Personen. Die Gesamtzahl aller in Württemberg Versicherten beträgt hiernach 223894 Personen.
* (Verschiedenes.) In Oberndorf hat sich der Wirt A. in einem Anfall von Schwermut erhängt. — Eine junge Frau, die mit ihrem Manne Streit bekam, reiste nach Stuttgart. Von da aus sandte sie ohne Unterschrift ein Telegramm mit der Todesnachricht seiner Frau an ihren Mann. In nicht geringer Bestürzung reiste dieser sofort in die Residenz und suchte mit Hilfe der Polizei die Leiche seiner Gattin, während diese gesund und munter sich bereits wieder auf dem Rückwege nach der Heimat befand. Als der untröstliche Mann abends nach Hause kam, fand er zu seiner nicht geringen Freude die Totgeglaubte und die Versöhnung soll bald wieder hergestellt worden sein. Dagegen blieb an der Frau doch etwas hängen, denn wo sie sich außer dem Hanse zeigt, ruft ihr die mutwillige Schuljugend nach: „Da kommt die Leiche." — Ein Angestellter einer Göppinger Firma, der zum Verkauf von Wolle auf dem lllm er Markt war, verlor dort am 20. seine Brieftasche mit 4000 Mk. Inhalt, ohne daß sich der ehrliche Finder bis jetzt gemeldet hätte. — Ein Knecht bei Müller Steinle in Horb kam unter seinen mit Langholz beladenen Wagen und erlitt so schwere Verletzungen, daß an seinem Aufkommen gezweifelt wird. — In Stuttgart hat sich das 9jährige Töchterchen eines Viktualienhändlers heimlich von Hause entfernt und fand sich erst nach 2 Tagen wieder ein. Das Kind hatte aus Furcht vor Strafe zwei Nächte in einem Steinbruch zugebracht. Die Folgen blieben nicht aus, es stellte sich Diphte- ritis ein, woran das Kind zum Jammer der schwergeprüften Eltern starb. — In Gmünd ließ sich ein 15 Jahre alter Silberarbeiterlehrling vom Berliner Schnellzug überfahren. — In Eßlingen wurde der Kellner Joh. Danner von Sigmarswangen, O.A. Sulz, welcher früher
Bauern Lorenz Lörcher und David Lörcher von Ncuweiler bezw. Breitenberg ohne Ileberlcgung getötet zu haben, indem er ihnen neben anderen Verletzungen je einen Stich in den Hals versetzte und so bewirkte, daß der Tod der beiden sofort eintrat. Der Angekl. ist der That geständig, nur macht er Notwehr geltend. Er schildert den Hergang folgendermaßen: Auf dem Heimweg vom Altensteiger Markt sei er zu Lorenz Lörcher gestoßen, welcher auf sein (des Lörcher) Fuhrwerk, das ein junger Mann geleitet habe, habe aufsitzen wollen. Da Lörcher nicht gut hinaufgekommen sei, habe er demselben aus Spaß einen „Schocker" gegeben und sei Lörcher in das Gefährt hineingefallen und habe seinen Kopf an das Sitzbrctt angeschlagen.
Lörcher habe mit seinem Stock vom Wagen herunter geschlagen und ihn an den Kopf getroffen und er habe diesen Schlag mit seinem Stock erwidert. Nun habe er die Sache für beendigt angesehen und habe er sich voraus begeben, um seinem Kollegen die Kuh. welche dieser für ihn geführt, wieder abzunehmcn, es seien aber bald Lorenz Lörcher und sein Bruder, David Lörcher, der vorher dem Fuhrwerk voraus gewesen sei, mit erhobenen Stöcken hinter ihm und seinem Begleiter drein gesprungen und haben sofort beide mit ihren Stöcken zugeschlagen. Er habe seine Kuh fahren lassen, sein Begleiter habe dieselbe weiter führen wollen, sei aber von der Kuh zu Boden gerissen worden. Er habe sich gegen die beiden Lörcher mit seinem Stock gewehrt, es sei ihm dieser überaus der Hand geschlagen worden und sei er nun den beiden Lörcher gegenüber vollständig wehrlos gewesen. Sie haben ihn mit ihren Stöcken auf den Kopf und auf die zum Schutze des Kopfes vorgehaltenen Hände und Arme geschlagen, daß er gemeint habe, er müsse sterben. Da seine Bitten, ihn jetzt gehen zu lassen, nicht beobachtet worden seien, so habe er nach seinem Messer gegriffen, solches geöffnet und müsse er damit zuzestochen haben, daß er n-eigcworden sei, er sei vom Schlagen der Lörcher ganz von Sinnen gewesen und erst nachher, nachdem er seinen blutigen Kopf abgewaschen habe, wieder zu sich gekommen. Die vernommenen Thatzeugen haben übereinstimmend angegeben, daß die beiden Lörcher dem Angeklagten nachgesprungen seien und ihre Stöcke bei der Hand gehabt haben und einige derselben haben die Lörcher gewarnt, sie sollten Zurückbleiben, auch als die beiden Lörcher den Angeklagten eingeholt gehabt haben, haben sie das Schlagen mit den Stöcken, welches aber nicht lange gedauert hat, gehört bezw. gesehen.
Bei dem Angeklagten wollen die Zeugen keinen Stock gesehen haben, außer er mußte denselben unter seinem linken Arm getragen haben, nur eine Zeugin hat gesehen, wie der Angeklagte zum Stoß gegen Lorenz Lörcher ausgeholt hat, und daß dieser dann sofort in den Straßengraben getaumelt sei, gleich nachher sei dann David Lörcher dem Gefährt zugelaufen und
Are Pflegekinder des Kommerzienrats.
Novelle von Carl Hartman n-Plon.
(Fortsetzung.)
„Und um keinen weiteren Grund zu Vermutungen zu geben, ersucht er mich, vor der Abreise seiner Tochter nach Dorenberg seine Villa nicht mehr zu betreten und dem Drange des Herzens, durch irgend welche Aufmerksamkeiten dessen Gefühle zu bekunden, nicht nachzugeben, sondern alles aufzuschieben, bis Jsabella die Stadt verlassen."
„Das wird mir nun wirklich sehr schwer", fuhr Heinrich fort, „mich bis dahin gänzlich unthätig verhalten zu müssen und nicht durch ein Brieschen, durch ein Bankett mich in Erinnerung bringen zu dürfen. Aber Jsabellas Wunsch ist mir Befehl und ich werde standhaft bleiben."
Der Kommerzienrat ging plötzlich mit raschen Schritten bis an die nur angelehnte Thür, die zum Nebenzimmer führte, öffnete dieselbe und sah in das Gemach hinein.
„Wonach siehst du, Onkel?" fragte Heinrich.
„Da deine Verlobung noch ein Geheimnis bleiben soll", erwiderte der Kommerzienrat, die Thür wieder schließend, „so wollte ich mich nur überzeugen, ob dort auch nicht zwei Ohren anwesend sind, die unser Gespräch gehört haben könnten."
„Ich sah vorhin das ganze Kontorpersonal sich entfernen."
„Bis auf einen. Ich hielt Brodersen noch einen Augenblick zurück und kurz vor deinem Eintritt ging er in jenes Zimmer, um an Werner und Sohn ein kurzes Telegramm aufzusetzen, das er selbst zur Post bringen wollte. Das Zimmer ist leer, er wird sich längst durch die andere Thür entfernt und hoffentlich nichts von dem, was wir verhandelt, gehört haben."
„Brodersen ist ein zuverlässiger Mensch und die Verschwiegenheit selbst; hat er von unserer Unterhaltung etwas gehört, so wird er auch vernommen haben, daß meine Verlobung noch nicht veröffentlicht werden soll und sicher nichts darüber verlauten lassen."
„Aber der Katharina und Tante Sophie dürfen wir doch von dem freudigen Ereignisse Mitteilung machen?"
„Das glaube ich verantworten zu können, wenn wir an beide die Bitte richten, zu schweigen. Ich gehe sogleich zur Tante und dich möchte ich ersuchen, Onkel, es der Käthe zu sagen."
„Willst du das nicht lieber selbst thun, mein Junge?"
„Es wäre mir angenehm, wenn du es wolltest, Onkel! Ich weiß nicht, wie ich augenblicklich mit der Katharina daran bin. Unser früheres freundschaftliches Verhältnis ist eigentlich ganz aufgehoben; sie zeigt mir entweder einen so finsteren Ernst, daß ich oft gar nicht wagte, sie anzureden, oder sie erwidert mir, wenn ich es dennoch einmal versuche, in einem Tond, der stets eine Beimischung von Ironie und Sarkasmus hat. Ich bin auch überzeugt, daß sie, wenn ich ihr meine Verlobung mit der Gräfin Waldsee mitteilte, nicht unterlassen würde, ihren Glückwunsch mit einigen spöttischen Bemerkungen zu versehen und das würde mir doch sehr peinlich sein."
„Aber bist du nicht selbst ein wenig schuld, Heinrich, an diesem veränderten Verhältnisse? Wenn jemand einen finsteren Ernst in den letzten Wochen zur Schau trug, so warst du es! Ich kannte ja die Ursache deiner düsteren Stimmung, die aus der Ungewißheit hervorging, ob du da drüben Erfolg haben würdest oder nicht und da wunderte es mich auch nicht, daß du dich nie mehr im Familienzimmer aufhieltest, sondern dich in dein Zimmer einschloßest, bis der Abend kam, wo du dann zu den Waldsees gingst. Die Damen haben deine Vernachlässigung sehr empfunden und die Tante, die schon recht böse auf dich geworden