öffnete die schlafende Patientin die Augen und sieht seither normal. Das Bewußtsein ist vollständig zurückgekehrt. Leider fehlt immer noch die Sprache, auch besitzt die Kranke noch nicht die Kraft, das Bett längere Zeit zu verlassen.
* Stuttgart, 17. Mai. Die von der deutschen Kolonialgescllschaft angelegte Wandersammlung, welche Landesprodukte aus den deutschen Kolonien in Afrika, sowie eine Menge photographischer Ansichten aus jenen ncudeutschen Gegenden enthält, ist nun auch hier ausgestellt und zwar in den Räumen des handelsgeographischen Museums in der Gewerbehalle. Am Pfingstsonntag und Pfingstmontag ist dem Publikum von vorm. 11 bis 12 und nachmitt, von I V 2 bis 4 Uhr freier Zutritt gewährt. — Die Finanzkommission der Kammer hielt am Freitag und Samstag Sitzungen und beriet über die Anträge auf Abänderung des Accisengesetzes und Petitionen die Malzsteuer betreffend. Dem Vernehmen nach hat die Kommission die von dem Abg. Betz u. Gen. beantragte Bitte um Aenderung des Accisengesetzes (Steuerfreiheit des mit Liegenschaft verkauften Mobiliars) befürwortet. Die Mehrheit der Kommission soll ferner geneigt sein, eine Verminderung der Malz- steuer für die kleineren Betriebe mittelst Einführung einer sog. Staffclsteuer nach dem Vorgang Bayerns zu empfehlen, während eine Minderheit die gleichmäßige Herabsetzung der Malzsteuer für alle Brauereien für wünschenswert hält.
* Stuttgart, 18. Mai. Wie sehr die sozialistische Partei die Arbeiterwelt beherrscht, zeigt sich bei Vorgängen im Arbeiterbildungs- vcrein, der immer noch einen gemäßigten Vorstand hatte, trotz den lebhaftesten Gegenanstrc- bungcn. Jetzt hat dieser aber, weil er mit dem anders gesinnten Ausschuß nicht mehr auskom- men konnte, sein Amt niedergclegt, und so kommt der Verein mit einem durch Arbeiter- freunde beschafften beträchtlichen Vermögen ganz in die Hände der Sozialdemokraten und dies gerade zu einer Zeit, da ihm durch eine hochherzige Stiftung ein neues Arbeiterheim zur Verfügung gestellt wird.
* Stuttgart, 20. Mai. Der König überwies dem Zentralkomite zur Errichtung eines Bismarck-Denkmals in der Reichshauptstadt 1000 Mark.
* Württemb. Staatsschuld. Laut einer Bekanntmachung der württ. Staatsschuldenzahlungskasse ergeben die Rechnungsergebnisse vom Etatsjahr 1888/89 folgendeDaten: DerPas- sivstand auf 31. März 1889 beträgt 426 854 615 M. 69 Pf. Hievon werden verzinst zu 4-/z Proz. Anlehen in Markwährung von 1877/79 60,143,828 Mk. 59 Pf.; zu 4 Proz. Anlehen von 1846—87 339,031,376 Mk. 68 Pf.; zu 4 Proz. Pensionsfondsanlehen 9,727,285 Mk. 72 Pf.; zu 3 V 2 Proz. Anlehen von 1845, 1862, 1888 17,949,724 Mk. 68 Pf. Nicht mchr verzinst werden 2400 Mk. 2 Pf. Bei der Vergleichung dieses Standes mit dem Passivstand
der Staatsschuld ergiebt sich eine Vermehrung der Staatsschuld gegenüber dem 31. März 1888 von 4,873,074 Mk. 21 Pf.
* (Verschiedenes.) In Neckargartach fiel ein Schiffsjunge aus Baden in den Neckar und ertrank. — In ll n terh ei m b a ch wurde der Bauer Johann Feucht aus Geddelsbach, Vater von 13 Kindern, von einigen Burschen totgeschlagen. — In Enslingen am Kocher stürzte ein bei einem Scheuernbau beschäftigter junger Zimmermann aus Mönchsberg so herab, daß er nach kurzer Zeit starb. — Im Walde bei Bernstadt, OA. Ulm, wurde durch Kinder der fast in Verwesung übergeganacnc Leichnam des Sergeanten Schlumperger aufgefunden. — In Oberndorf ist ein lOjähriger Knabe beim Baden im Neckar ertrunken. — Eine so rege Bauthätigkeit wie gegenwärtig hat die Stadt Rottweil seit 50 Jahren nicht aufzuweisen; es sind 4 neue Wohnhäuser, das Schlachthaus, die Turnhalle und eine Schäftefabrik in Angriff genommen, außerdem werden an verschiedenen Häusern Neugestaltungen und Verschönerungen vorgenommen. Auch in der Pulverfabrik herrscht eine große Bauthätigkeit; in der letzten Gemeindc- ratssttzung wurden 50 000 Mk. als erste Rate zur Herstellung von Zementtrottoirs ausgeworfen, mit welchen die ganze Stadt allmählich versehen werden soll. — In Laufen fielen 2 Scheiter von einem Wagen herab auf ein 2 Jahre altes Kind. Dasselbe wurde bewußtlos von der Stelle getragen und ist bis jetzt noch nicht zum Bewußtsein gekommen. — Am Samstag wurde ein Bauer aus Salmbach bei Neuenbürg mit seiner Tochter und 2 erwachsenen Söhnen von 4 Landjägern eingcbracht, weil sie in dringendem Verdacht stehen, die Mutter des Hauses ermordet zu haben. Dieselbe wurde letzten Sonntag nacht erhängt gefunden; doch wurden bald Zweifel an der Möglichkeit eines Selbstmordes laut. Bei der Untersuchung wurde dann auch an einem andern Ort ein Hammer gefunden, an dem Blut und Haare klebten. Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft fand am Samstag die Ausgrabung und Untersuchung der Leiche statt, die den gewaltsamen Hingang der Frau als zweifellos fcststcllte, worauf dann die Verhaftung der genannten Familienglieder erfolgte. Die Frau soll Mutter von 9 Kindern gewesen sein, wovon das jüngste erst 7 Monate alt ist. — In Stuttgart vergab eine Frau in einem Pferdebahnwagen ein unverschlossenes Körbchen, in dem sich ein Geldbeutel mit über 100 Mk. Inhalt befand. Die Passantin war, nachdem sie ihres Versehens gewahr wurde, begreiflicherweise nicht wenig bestürzt. Sie erhielt jedoch nachher auf dem Stationsbureau das dort abgegebene Körbchen samt Inhalt wieder ganz unversehrt und wohlbehalten zurück. — Am Sonntag fand in Oberndorf die feierliche Eröffnung der neuerbanten Turnhalle statt, zu welcher sich eine größere Anzahl auswärtiger Gäste aus Schramberg, Rottweil, Tuttlingen ec. eingefnnden hatte._
* Der wohlbekannte Seiltänzer Knie erfreut sich trotz seiner 72 Jahre noch voller Rüstigkeit und giebt gegenwärtig mit seiner Gesellschaft in Heidelberg Vorstellung. Wie die dortige Zeitung mitteilt, wurde ihm in den letzten Tagen das wenig Sterblichen beschiedene und wohl auch nicht jedermann erwünschte Glück zu teil, daß ihm das fünfunddreißigste Kind geboren wurde.
* Ue berlingen, 16. Mai. Von dem seltenen Fall einer „Geschäftsstocknng" im Amtsgerichtsgefängnis wird der „Konst. Ztg." berichtet: Das „Hotel Schmitt" (ortsüblicher Name für Frohnfeste) ist in der That über Nacht leer gestanden, ein Fall, der hier seit länger als 25 Jahren nicht vorgekommen ist.
* Nachdem die Einladung zum Katholikentag in M ünche n bereits durch das „Fremdenblatt" veröffentlicht war, hat man sich in den leitenden Kreisen im letzten Augenblick anders besonnen. Infolge eines Handschreibens des Prinzregenten an den Erzbischof, welches sich entschieden gegen das Projekt ausspricht, beschloß das Komitee für Abhaltung des Katholikentages in München, einstimmig nach mehrstündiger Diskussion: „von tiefstem Schmerze erfüllt, angesichts des Allerhöchsten Handschreibens, in diesem Jahre von der Abhaltung der Generalversammlung in München abzusehen."
* Berlin, 19. Mai. Der „Reichsanzciger" veröffentlicht den Text des Antrags des Reichskanzlers an den Bundesrat betreffs des Nationaldenkmals für Kaiser Wilhelm I. Das Denkmal soll ans dem Schloßfreiheitsplatz errichtet und ein Reiterstandbild werden. Der Reichskanzler wird ermächtigt, über den Entwurf einen engeren Wettbewerb auszuschreiben.
* Berlin, 19. Mai. Das „Marine-Verordnungsblatt" veröffentlicht folgende Verordnung betreffend Nachsendung von kleinen Bedürf- nisgegenständen nach dem Auslande: Ich bestimme, daß für die auf meinen Schiffen und Fahrzeugen bereits länger als ein Jahr im Auslände befindlichen und noch ein weiteres Jahr daselbst verbleibenden Mannschaften kleine Bedürfnisgegenstände.innerhalb der vom Staatssekretär des Reichsmarineamts für den Kopf und das Jahr festzusetzenden Höchstgewichtsgrenzen auf fiskalische Kosten nachgesandt werden dürfen.
* Der Kampf zwischen den Berlins r Brauern und den Sozialisten verschärft sich immer mehr. Die sozialdemokratische Lokalkommission hat sich jetzt dem Boykott gegen 31 Brauereien angeschlossen. Es ist bei der unter den Arbeitern herrschenden Disziplin anzunehmen, daß die Arbeiterschaft geschlossen der Lokalkommission Gefolgschaft leisten wird. Wir können nun in Bezug auf den Verlaus der Krise, welche das Brauereigewerbe jetzt durchzumachen hat, folgende Thatsachen von Bedeutung mitteilen. Mehrere kleinere Brauereien vermögen sich bereits nur noch schwer zu halten und sehen angesichts der neuen lebhaften Anstrengungen der
Die MegeKinder des Kommerzienrats.
Novelle von Carl Hartmann-Plön.
(Fortsetzung.)
„Ein Geschäft? Ich wüßte nicht —"
„Vorerst erlaube ich mir die Mitteilung zu machen, daß ich gestern die Villa der Witwe Strauß hier nebenan käuflich erstanden habe." „Ah!"
„Mein Neffe ist zurückgekehrt und wird mein Kompagnon, das Haus, in welchem wir wohnen, genügt unseren Ansprüchen nicht mehr, wir wollen uns etwas besser einrichten und ich wünsche, daß mein Pflegesohn, wenn er sich verheiraten sollte, seine junge Frau in ein behagliches und reich ausgestattetes Heim einführe. Die Verhältnisse erlauben es ihm, ein Haus zu machen, und dazu gehören große und weite Räume. Die Villa der Witwe Strauß erfüllt alle diese Bedingungen.
„Es ist ein fürstlicher Besitz mit seinem zwischen dem Flusse und der Straße gelegenen herrlichen Parke."
„Er gefällt auch mir. Ich habe die Absicht, die Räume für das Geschäft in den Hinteren Anbau zu verlegen, damit die Bewohner der Villa so wenig wie möglich von letzterem sehen und hören. Es sind darin hinreichend große Zimmer für die Kontore, die zwar nur eine Aussicht auf die Stallgebäude gewähren, was aber nicht in Betracht kommt. Nun möchte ich aber nicht gern, daß alle diejenigen, die geschäftlich zu mir kommen und von mir gehen, den hübsch angelegten Vorgarten passieren, sondern daß sie von einer anderen Seite zu dem Geschäftslokale gelangen. Ihre Villa und Ihr Garten, Herr Graf, liegen an der Ecke der Parkstraße und der Kirschenallee, letzterer erstreckt sich bis an den Fluß — wenn Sie sich entschließen könnten, mir ein mit dem Wasser parallel laufendes Stück Ihres Gartens, das nur die
Breite eines Fahrweges zu haben brauchte, zu überlassen, so würde ich Ihnen dafür, wenn Sie geneigt wären, daneben noch eine besondere Bedingung zu erfüllen, die Summe von dreimalhunderttausend Mark geben."
Graf Waldsee sah den Kommerzienrat verwundert und fast betroffen an, es war nicht anders möglich, er mußte sich verhört haben.
„Ich habe Sie wohl nicht recht verstanden," sagte er, „welche Summe nannten Sie?"
„Dieselbe Summe, die Sie gestern von mir verlangten und die Ihnen auf dem Wege der Anleihe wohl sehr schwer fallen dürfte, zu bekommen."
„Sie scherzen wohl, Herr Kommerzienrat, Sie bieten mir dreimalhunderttausend Mark für diesen kleinen Fleck Landes? Doch Sie sprachen noch von einer Bedingung, vielleicht, daß hier der Schwerpunkt der Offerte liegt."
„Das ist allerdings der Fall und ich muß gestehen, es wird mir in diesem Augenblicke recht schwer, die Bedingung zu nennen, ich habe es mir vorher leichter gedacht."
„Sie spannen meine Neugierde, Herr Kommerzienrat."
„Nun ja, gesagt muß es ja werden, aber was thut und versucht man nicht für einen Neffen, den man wie einen Sohn liebt. Ohne Umschweife denn, Herr Graf, — mein Pflegesohn hat Ihre Tochter, die Komtesse Jsabella, auf Hohenfels kennen gelernt und sich in sie verliebt. Er steht in ihr das höchste Ideal alles Weiblichen und würde tief unglücklich werden, wenn sie die Hand, die er ihr bieten wird, verweigern sollte. Er würde nie so anmaßend sein, um die Tochter eines so hochadeligen Geschlechts zu werben, wenn er die Komtesse nicht für so vorurteilsfrei hielte, einem Bürgerlichen ihr Her; zu schenken, den sie seiner