Mädchen beim Abspringen von der Kirchhofmauer ein Grabstein auf den Kopf, was einen Schädel­bruch verursachte. Am Dienstag nachmittag ertranken im Bodensee drei junge Männer, welche in einem kleinen Segelboote eine Ausfahrt nach Arbon machen wollten.In Knittlingcn brachte ein Dicnstknecht feine linke Hand in die Futterschneidmaschine, welche ihm den Daumen abschnitt. Der l8jähr. Sohn des Zieglers Michel von Bernsfelde n wurde in einer Lehmgrube von einer herabstürzenden Erdmasse verschüttet und getötet. In Kitzin gen machte sich das vierjährige Söhnchen des Müllers mit einem geladenen Gewehre zu schaffen; das­selbe ging los, der Knabe bekam die volle Lad­ung ins Gesicht und wurde getötet. Zwei junge Bursche vom Lande, welche im Januar einen schwer erkrankten Dienstknecht in den Spital nach Waldsee zu überführen hatten und dabei in solch schnellem Tempo fuhren, daß der Kranke fortgesetzt den Kopf an die Leitern des Wagens austieß, sind wegen dieses groben Unfugs mit je 5 Tagen Haft bestraft worden. Ein Dienstknecht, welcher an einer ab­schüssigen Stelle auf der Straße von Fron- rot h nach Bühlerthaun von dem vollbe­ladenen Holzwagen springen wollte, blieb an der Mügge hängen, wodurch er eine zeitlang ge­schleift wurde und ihm schließlich der Wagen über den Oberschenkel ging; derselbe ist seinen Verletzungen erlegen. Vor ungefähr einem Jahr kam ein ziemlich defekt gekleideter, ganz junger Bursche nach Hofs bei Leutkirch und fand bei einem Bauern daselbst Unterkommen. Derselbe wollte nach seiner Angabe elternlos und in einer Stadt bei Regensburg zu Hause sein; doch blieben die angestellten Nachforschungen erfolglos. Vergangene Lichtmeß wechselte der Bursche seinen Platz; derselbe schrieb nun vor Kurzem an seinen Firmpathen und teilte dem­selben seine Adresse und Verhältnisse mit. Der Firmpathe erschien letzten Sonntag und holte den Burschen nach seiner Heimat zurück, wobei man zum größten Erstaunen erfuhr, daß es der Sohn sehr achtbarer Eltern ist und daß er aus Furcht vor Strafe von zu Hause entflohen sei.

* Speyer, 27. Febr. Der Deutsch-Ameri­kaner Henry Hilgard, welcher schon Vieles für den Bau der Protestationskirche gcthan, hat dem Baufonds der Protestationslirche neuerdings wieder 30,000 Mark unter der Bedingung zuge­wiesen, daß der Grundstein der Kirche noch im Laufe dieses Jahres gelegt wird.

* Bebel hielt in Mainz eine Rede, worin er folgendes sagte: Eine bedingungslose Rück­gabe von Elsaß-Lothringen an Frankreich wolle er nicht empfehlen, allein man könne doch er­örtern, ob man sich wegen Elsaß-Lothringens nicht verständigen könne. Man möge Elsaß- Lothringen neutralisieren, es zu einem selbstän­digen Staat wie die Schweiz machen, es wie Belgien unter den Schutz der europäischen Mächte stellen, dabei aber seine Festungen schleifen und

bedingen, daß Elsaß - Lothringen kein Militär unterhalte, und den Rückersatz der von Deutsch­land bis jetzt für jene Provinzen aufgewandten Gelder begehren.

* Berlin, 26. Febr. Eine dunkle Ange­legenheit beschäftigt die Berliner Kriminalpolizei. Der 47 Jahre alte Inh. eines Konservatoriums für Musik, Neumann, welcher einer großen Zahl von Schülern teils selbst, teils durch Hilfslehrer Musikunterricht erteilte, ist am Montag nach­mittag verhaftet worden. Derselbe soll sich zahlreicher Sittlichkeitsvergehen schuldig gemacht haben. In fünf Fällen ist der gewissenlose Mensch bereits überführt worden. Anfangs leugnete Neumann mit frecher Stirn und suchte die Schuld auf seinen 22jähr. Sohn Richard abzuwälzen. Dieser erklärte denn auch schrift­lich, der Thäter zu sein, räumte aber schließlich ein, daß nicht er, sondern sein Vater der Thäter sei. Was sich darauf in der Neumann'schen Wohnung abgespielt hat, ist vorläufig noch nicht genügend aufgeklärt; kurz, am Montag morgen fand man den Rich. Neumann in der elterlichen Wohnung als Leiche vor, der Tod war durch Erdrosseln herbeigeführt. Ob, wie das Gerücht behauptet, der Vater den Mitwisser seiner Ver­brechen mit eigener Hand aus dem Wege ge­räumt, oder der Sohn seinem Leben durch Er­hängen ein Ende gemacht, vermochte man noch nicht festzustellen. Jedenfalls wird jenes Gerücht durch die Behauptung unterstützt, daß bereits vor zwei Jahren eine Nichte des Neumann in dessen Wohnung unter ähnlichen Umständen er­hängt vorgefunden wurde; damals schenkte man der Annahme, daß das Mädchen durch Selbst­mord geendet, Glauben. In einzelnen Fällen soll Neumanu seinen jugendlichen Opfern Be­täubungsmittel eingegeben haben.

* Berlin, 27. Febr. Der Kaiser leitete die gestrigen Verhandlungen der Staatsrats­abteilungen mit bewundernswerter Umsicht und strengster Objektivität; er folgte dem Gange der Diskussion mit großem Ernste. Nach dem Referat Miguels und Correferat Zankes folgte eine eingehende Debatte.

* Berlin, 28. Febr. Verschiedene Blätter bringen aus Lublinitz folgende, in dieser Form kaum richtige Meldung: Eine Revision des Standesamtsregisters ergab, daß die Geschäfte von einem Beamten geführt wurden, der weder dazu amtlich berufen, noch vereidet worden war. Alle von ihm vollzogenen Handlungen sind für ungiltig erklärt worden. Man befürchtet sehr unangenehme Konsequenzen.

"Berlin, 1. März. Aus Brüssel wird gemeldet: König Leopold zeichnete zur Beschaf­fung eines Dampfers für die belgische Antiskla- vereicxpedition 40,000 Francs. Wie aus Rom gemeldet wird, fand vor dem römischen Schwurgericht, wo der Aufruhrprozeß verhandelt wurde, eine anarchistische Kundgebung iftatt, wobei die Gendarmerie mit den Anarchisten ins Handgemenge geriet.

* Berlin, 1. März. Demnächst soll eine

deutsche Gesandtschaft nach Marokko gehen, um dem Sultan Gegengeschenke des Kaisers zu über­bringen.

* Berlin, 1. März. DieEons. Corr." hat bereits eine vorgestern ausgesprochene Vermutung bestätigt, daß die Konservativen nicht geneigt sein werden, in dem von Wiudthorst be­herrschten Reichstage den Präsidenten zu stellen. Jetzt äußert sich auch die freikonservativePost" im gleichen Sinne, indem sie empfiehlt, die Zu­sammensetzung des Reichstages in der Zu­sammensetzung des Präsidiums auch äußerlich erkennbar zu machen. Ein Klerikal-Demokrat, eia Deutschfreisinniger und Sozialdemokrat im Präsidium würden eine gute und bezeichnende Firma für den neuen Reichstag sein.

* Berlin, 1. März. DerNord" erklärt, Rußland begrüße den Zusammentritt der Ber­liner Arbeiterschutz-Konferenz sympathisch, ob­wohl es daran nicht teilnehme.

* DerStraßb. Post", welche sich zuweilen als gut informiert erwiesen hat, wird aus Berlin geschrieben, daß der Kaiser mit dem Ausfall der Wahlen durchaus nicht unzufrieden sei, vielmehr in dem neugewählten Reichstage eine sichere Stütze für seine Sozialpolitik er­blicke.

AllSliiMscheS.

* P r a g, 26. Febr. Auf Anregung des jungtschechischen Landtagsabg. vr. Podlipny, des Führers der vorjährigen Sokolfahrt nach Paris, findet im Juli eine große tschechische Wallfahrt nach Konstanz statt, wo bekanntlich am 6. Juli 1415 Magister Johann Huß verbrannt wurde.

" Rom, 1. März. Bischof Kopp wird im Mai eine große deutsche Wallfahrt organisieren.

* Rom. Großes Aufsehen erregt in allen Schichten der Bevölkerung die vom Kriegsmi- nister an 19 Brigade- und Divisions-Generale ergangene Aufforderung, ihre Versetzung in den Ruhestand nachzusuchen. Veranlassung zu diesem ungewöhnlichen Schritt ist ein Bericht des Chefs des Gencralstabes, welcher die betreffenden Ge­nerale für vollkommen unfähig erklärt, ein Kom­mando zu führen.

* Paris, 27. Febr. Der 20jährige Enkel Viktor Hugos, Georges Hugo, welcher sehr verschwenderisch lebt, ist Wucherern in die Hände gefallen; er unterschrieb 240,000 Franks, und erhielt dafür 80,000 in Geld und 160,000 in Gestalt eines Steinbruchs; von den 80,000 wur­den noch 30,000 abgezogen als Bezahlung für einen Zobelmantel, den der junge Georges einer Freundin schenkte. Der Vormund Lockroy klagte gegen die beiden Wucherer, welche verhaftet wurden. Das Gesetz von 1850 bedroht den gewerbsmäßigen Wucher mit einer Strafe von 6 Tagen bis zu 6 Monaten nebst einer Geld­strafe, welche bis zur Hälfte der wucherisch ge­liehenen Kapitalien gehen darf.

* Parts, 1. März. Es verlautet, heute abend neun Uhr sei im Elysee wegen der De­mission Constan's Ministerrat. Bekannt wer-

Auf Irrwegen.

Original-Novelle von Claire Gerhard.

(Fortsetzung.^

Er starrte sie entsetzt an; noch nie hatte er das maßvolle Mädchen in so leidenschaftlicher Erregung gesehen; aber mitten durch die Sorge brach die Freude, so geliebt zu sein. Er preßte sie innig an sich:Nora, mein einzig Lieb, wie kannst du an mir zweifeln? Ich bitte dich, wirf die unnützen Sorgen von dir; du bist krankhaft erregt und ich mache mir ernstliche Vorwürfe, dich in die Oper geführt zu haben."

Nein, nein, Herbert," unterbrach sie ihn angstvoll,das ist es nicht. O, sag' mir, sag, was wollte jene Frau von Brodinska von dir, und welch ein Recht hat sie, in so höhnischer Weise mit dir zu reden?"

Ein Recht?" Er lachte kurz und bitter auf.Sie hat keins, aber sic gehört zu jenen Menschen, die sich ihr Recht selbst schaffen."

Du willst mir ausweichen, Herbert. Wie könnte sie einen so ver­traulichen Ton dir gegenüber anschlagen, wenn du ihr nicht einst nahe gestanden? O, Liebster, sag', was war sie dir?"

Eine Wolke der Schwermut und des Kummers lag auf seiner Stirn und er fragte sanft, aber eindringlich:Nora, hast du kein Ver­trauen mehr zu uür?"

O, gewiß, Geliebter," rief sie leidenschaftlich,aber weil ich dich so unsäglich liebe, kann ich den Gedanken nicht ertragen, daß du vielleicht einst jene andre o, ich kann cs nicht ausdenken! Sieh, Herbert, mein Leben lieg! so offen vor dir, nichts ist dir verborgen von all meinem Sein, und ich ich weiß so wenig von dir." Die Klage erschütterte ihn, aber er antwortete ernst:Mein Lieb, bedenke wohl, ich bin vier- unddreißig Jahre alt; das Leben eines Mannes geht nicht ohne Stürme dahin; es ereignet sich manches darin, was den Ohren einer Achtzehn­

jährigen verborgen bleiben muß; doch glaube mir, fehlte ich auch in jugendlichem Uebermute du brauchst dich meiner nicht zu schämen; brauste auch die Leidenschaft des Jünglings einmal auf, ernsthaft geliebt habe ich keine außer dir."

Mit leuchtenden Augen schaute sie ihn an, aber doch fragte sie bang:Und jene Frau?" Nun kam ein zürnender Ausdruck in seine Augen.Nora, gedenke jener Worte Lohengrins:Nie sollst du mich befragen!" Auch ich rufe sie dir zu, denn ich kann dir nicht sagen, was jenes Weib und mich einst aneinander fesselte und wieder trennte. Auch ohne dieses mußt und kannst du mir vertrauen."

Alles Licht und jede Farbe war bei den letzten Worten aus dem holden Antlitz des Mädchens entschwunden, Walden aber fuhr fort:

Ich hoffe, mein Lieb, du bist charakterfester als jene Elsa, die trotz des Verbotes die verhängnisvolle Frage nicht zurückhielt. Sie büßte ja auch ihr Vergehen mit dem Tode."

Büßen sagst du?" rief sie erregt,der Tod war keine Buße für sie, sondern eine Erlösung. Wie sollte sie leben, da er von ihr ging, den sie über alles liebte?!"

Du magst hierin recht haben, mein Liebling," gab er weich zurück, aber kannst es nicht bestreiten, daß ihre Frage ein Vergehen war; ich bin sicher, daß meine holde Braut mir nun, ohne eine Antwort erhalten zu haben, vertrauen wird."

Walden hob ihr gesenktes Köpfchen und fuhr dann feurig fort: Ich versichere dich noch einmal im Glanze dieser leuchtenden Sonne, daß mich keine Schuld an Frau von Brodinska knüpft, daß ich kein Empfinden für sie hege und daß ich dich allein und ewig lieben werde."

Da warf sie sich schluchzend in seine Arme und er jküßte die Thräncn von ihren Augen. Kein Laut störte sic in der stummen Ver­söhnungsfeier, denn Walden hatte die einsamsten Wege des Tiergartens