anwalt Schickler, sein Programm entwickelte. Da zu der Versammlung Jedermann eingeladen war, so hatten sich auch viele Gegner eingefunden, was der Vorsitzende, Kfm. Georgii, derselben sonderbarerweise zum Vorwurf machte. Einen sehr schlechten Eindruck auf die Anwesenden hervorgebracht zu haben, kann sich der mitan­wesende Landt.-Abg. Haußmann rühmen. Statt wie sein Gegner, Prof. Hang, bei der Sache zu bleiben, erging er sich in aufreizenden Redens­arten und war unanständig genug, selbst die kaiserliche Familie nicht zu verschonen.

* Stuttgart, 15. Okt. Nach einem langen

und schweren Krankenlager ist gestern abend der langjährige Parlamentarier und Redakteur desBeobachters", Karl Mayer, im Alter von 70 Jahren verschieden. Der Verstorbene war der Sohn des Dichters Karl Mayer, des Freundes von Ludwig Uhland, und er selbst ist dem Uhland- Kerner'schen Kreise immer sehr nahe gestanden. Karl Mayer studierte in Tübingen Ende der 30er Jahre die Rechte, ist aber nicht in den Staatsdienst eingetreten. Seine politische Thätig- keit im Sinn der Volkspartei ist bekannt; die Redaktion des Beobachters übernahm er 1863 und führte sie verantwortlich bis 1870, war aber auch hernach noch eifrig mit seiner unge­mein gewandten Feder im politischen Leben thälig. In den württembergischen Landtag trat er 1868 ein und gehörte demselben von 1868 bis 1870 und dann wieder von 1876 bis 1882 an; in den Reichstag wurde er erstmals 1881 und wieder 1884 gewählt; bei den Wahlen im Februar 1837 unterlag er mit seinen übrigen demokratischen Kollegen. Der Verstorbene war auch ein Meister der Rede und hat diese Gabe nicht nur im Parlament, sondern auch in Volks­versammlungen landauf landab mit dem grössten Eifer in den Dienst seiner Partei gestellt. In den letzten Jahren zog sich übrigens Karl Mayer mehr vom politischen Leben zurück und genoß eines südlicheren, geistigen Genüssen in Muße zugewandten Alters. Er beschäftigte sich viel mir württembergischer Geschichte und Altertums­forschung, schrieb u. a. auch ein Stückdie Weiber von Schorndorf" und war ein eifriges Mitglied des Altertums-Vereins, in dessen Kreise er bei Männern aller politischen Richtungen seines regen Geistes und seiner liebenswürdigen Unterhaltungsgabe wegen ein sehr gern gesehener Gesellschafter war. (St.-Anz.)

Ulm, 14. Okt. Nach dreitägiger Schwur­gerichtsverhandlung wurde der Postexpedieut Josef Ege von Obermarchthal wegen Unter­schlagung und Betrugs zu 4 Jahren 6 Monaten Zuchthaus, dessen Schwester Barbara Ege wegen erschwerter Unterschlagung amtlich anvertrauter Gelder zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt.

* Weinsberg, 15. Okt. Durch eine große Feuersbrunst ist hier in vergangener Nacht ein ganzes Häuserviertel, 1012 Gebäude, in Asche gelegt worden. Das Feuer war in dem Den- zel'schen Hause, in einer enggebauten Gegend der Stadt, ausgebrochen und verbreitete sich

trotz der größten Anstrengungen der- Feuerwehr so rasch, daß schon nach einer Stunde das ganze Häuserviertel ein großes Feuermeer bildete. Menschenleben ist glücklicherweise keines zu beklagen. Die zahlreiche Familie des Auf­sehers Barth ist mit Mühe dem Flammentod entrissen worden.

"Vom Lande, 11. Okt. Ein Hopfen- Pflanzer aus dem Oberamt Kirchheim wollte seinen Hopfen an den Bierbrauer und Wirt zum H . . . verkaufen; der Abwechselung hal­ber einigten sie sich bezüglich der Trinkgelder dahin, der Käufer soll 25 Mk. pr. Ztr. bezahlen und jedem Kind des Verkäufers 2 Mk. Trink­geld mit jedem Ztr. Der Wirt glaubte ein gutes Geschäftchen zu machen, war aber nicht wenig verblüfft, als ihm der Verkäufer seine 10 Sprößlinge vorstellte und er bei 10 Ztrn. 200 Mk. Trinkgeld zu bezahlen hatte, sonach der Ztr. auf 45 Mk. zu stehen kam.

Die Zeit ist gekommen, zu der in die meisten Familien ein Jahresgast einzieht, der Kalender; und weil dieser ein ganzes Jahr ver­weilt und von jung und alt oft zur Hand ge­nommen wird, so wollen wir auch nur einem guten Kalender den Eintritt gestatten. Auch hier ist es oft der Hausierhandel, welcher, der Bequemlichkeit schmeichelnd, geringe Ware ins Haus schmuggelt. Neben Schund- und Schand- litteratur haben wir prachtvolle, gut ausgestattete und sittlich reine Kalender zu erstaunlich billi­gem Preise. Nur solch ein Kalender paßt in ein christlich Haus und wird Segen stiften, so gewiß als die Gistsaat schlimmer Ware ihre bösen Früchte früh oder spät tragen wird. Also die Augen auf und dann den Beutel und die Herzen auf der wohlgemeinten Mahnung.

* München, 13. Okt. Die hiesigen Hand­lungsgehilfen hielten eine von 500 Personen besuchte Versammlung ab, in welcher nachstehende Resolution zur Annahme kam:Die versammel­ten Angehörigen des Haudelsstandcs erklären, daß eine vollständige Sonntagsruhe für den Handelsstand anzustreben sei und zwar aus mo­ralischen, religiösen, volkswirtschaftlichen und ge­sundheitlichen Gründen. Sie ermächtigen zu diesem Behufe das Comite der vereinigten kauf­männischen Corporation in München, beim deut­schen Reichstage und dem eben versammelten bayerischen Landtage die geeigneten Schritte zu thun, damit baldmöglichst ein Gesetz ergehe, welches das Gebot der Sonntagsruhe den Han­dels- und Gewerbetreibenden unter thunlichster Schonung der durch die Jahreszeit, besondere Verhältnisse, die Natur der Betriebe und die Interessen des Verkehrs gebotenen Rücksichten zur Pflicht macht." Bis zur gesetzlichen Regelung der Frage sollen die Inhaber der verschiedenen Handelszweige einzeln das Ziel der Sonntags­ruhe zu erreichen suchen.

* Berlin, 14. Okt. Der Zar ist nicht, wie ursprünglich bekannt gegeben war, vom Potsdamer, sondern vom Lehrter Bahnhof ans

abgereist. In der letzten Stunde erfolgte noch eine Veränderung des Reiseplanes. Die Hof­tafel in der Bildergallerie des Schlosses wurde abgesagt. Am Lehrter Bahnhof war keine Ehrenwache aufgestellt und nur ein Teil der Generalität anwesend, dagegen erschienen Fürst Bismarck, Graf Herbert Bismarck, der Bot­schafter Schweinitz, die gesamte russische Bot­schaft und der preußische Ehrendienst des Zaren. Stärker als je waren in Berlin diesmal die Absperrungsmaßregeln. Bei dem gestrigen Besuch des Zaren in der Alexauderkaserne waren nicht nur die Straßen im weitesten Umfang ab­gesperrt, sondern die Aufstellung an den Haus­thoren, auf den Kellertreppen wie auf den Dächern war verboten. Einzelne Häuser wurden ge­schlossen, andere polizeilich besetzt bis zum Dach.

* Berlin, 14. Okt. Nach der Abreise des Zaren forderte der Kaiser den Fürsten Bismarck auf, in seinem Galawagen Platz zu nehmen, und begleitete den Reichskanzler zur Wilhelm - straße. Der Kaiser verblieb bei dem Fürsten Bismarck über eine halbe stunde lang.

'Berlin, 14. Okt. Die Eröffnung des Reichstags findet am 22. ds. Mts., mittags 12 Uhr statt.

* DemReichs-Anzeiger" zufolge lautete der Trinkspruch des Kaisers Wilhelm auf das rus­sische Heer:Bei einer Feier wie der heutigen, welche das Regiment betrifft, das auf eine lange ruhmreiche Geschichte zurückblicken kann und zu­gleich die Ehre hat, den kaiserlichen Chef bei sich zu sehen, spielt die Erinnerung eine große Rolle. Die Erinnerung führt mich in die Zeit jener Tage zurück, wo inein hochseliger Groß­vater als junger Offizier vor dem Feinde den Georgs-Orden empfing und sich in dem Kugel­regen die Chefstelle des Kaluga-Regiments er­warb. Ich knüpfe hieran an, um auf die gemeinsamen glorreichen Traditionen der Erin­nerungen der russischen und preußischen Armee zu trinken. Ich trinke auf das Wohl derer, die in heldenmütiger Verteidigung des Vater­landes bei Borodino fochten, mit uns vereint bei Arcis sur Aube, Brienne in siegreichem Kampfe bluteten; ich trinke auf die braven Verteidiger von Sebastopel und die tapferen Kämpfer von Plewna! Ich fordere Sie auf, auf das Wohl unserer Kameraden von der russischen Armee das Glas mit mir zu leeren, Hnrrah!"

Ausländisches.

* Wien, 13. Okt. Der Prinz Alois Liech­tenstein hat sein Mandat niedergelegt. Hiezu sagt dasFremdend!.":Unstreitig verliert das Parlament am Prinzen Alois Liechtenstein ein hochbegabtes Mitglied. Aber so sehr man das Verschwinden einer so eigenartigen und hervor­ragenden Individualität aus der parlamentari­schen Kampfeswelt bedauern muß, so ist es in hohem Maße erfreulich, daß damit die Nieder­lage von Zielen endgiltig ausgesprochen ist, deren Verwirklichung für den Staat verderblich werden müßte. Jener Schnlantrag, mit dem

Mal'dschmetlerling. (Nachdruck verboten.)

Erzählung von B. W a l d o w.

(Fortsetzung.)

Wie ein Häufel Unglück habe er auf der Thürschwelle gehockt, sei aber samt dem andern, da sie nun endlich unter Dach und Fach und Herr Werner mit trockenen Kleidern ausgeholfen habe, jetzt wieder Hahn im Korbe. Und endlich öffnet sich nun abermals die Thür und gestützt auf Kathi und den Forstgehilfen Werner, einer großen, kräftigen Gestalt, hinkt ein mittelgroßer, junger Mann herein, dem trotz des verstauchten Fußes der Uebermut aus hübschen, jugendfrischen Zügen lacht. Ihm folgt der andere Fremde, emo hohe würdige Erscheinung mit dunklen, ernsten Augen, die sich mit forschendem Blick auf Margaret: heften, welche mit unbefangener Freundlichkeit der Gruppe näher tritt. Plötzlich aber hemmt sie ihren Schritt, preßt ihre Lippen wie verlegen aufeinander und die klaren Kinderaugen, die teilnahmsvoll soeben das Gesicht des Pa­tienten suchten, senkten sich vor dessen heiterem Blick verwirrt zu Boden.

Ah, welch' unerhörtes Glück bei allem Unglück!" ruft der Patient mit unverkennbar froher Ueberraschung aus, indes er Kathi und Herrn Werner nötigt, ihn dicht vor Margarete zu geleiten.

Ich mache Ihnen, gnädiges Fräulein, mein nnterlhäniges, wenn durch die Umstände auch ein etwas unbeholfenes Kompliment, mit dem Bemerken, daß ich mich glücklich schätzen würde, wenn Sie die Güte hätten, sich unserer früheren, wenn, wie ich bedaure, auch nur flüchtigen Begegnung zu erinnern und Grund deren mir, als einem nicht vollständig Fremden, Absolution erteilen wollten, um die ich ganz besonders bitten muß, da ich die Hauptschuld trage, daß wir so ungestüme Forderung um Einlaß stellten."

O, ich habe gar nichts zu vergeben," entgegnet Margarete mit zurückgewonnener Unbefangenheit,bedauere vielmehr nur, daß wir wider Willen zweifellos Sie etwas länger warten ließen, indem der Sturm"

O, das hat nichts zu bedeuten, gnädiges Fräulein, sind wir doch jetzt um so geborgener. Nehme mir übrigens die Freiheit, auch meinen Freund und Reisekameraden Ihrer Güte zu empfehlen: Doktor Salfeld, ein sich bereits berühmt gemachtes Menschenkind, das jedoch, wie ich erst heute eingesehen, den sehr großen Fehler hat, nicht Arzt für kranke Glieder zu sein, obgleich im allgemeinen sonst ein Monstrum an Gelehrsamkeit und nebenbei Inhaber einer chemischen Fabrik."

Ein leichter Blick des Vorwurfs aus den ernsten, dunklen Augen unseres Freundes L-alfeld, denn er ist es, der mit dem lustigen Thal­berg sich hierher verirrt, trifft das Gesicht des letzteren, um dann mit Wohlgefallen auf Margaretens zierliche Gestalt zurückzukehren, indessen es über seine Lippen klingt:Ja, in der Thar, gnädiges Fräulein wollen Nachsicht üben an den unliebsamen Störern, die vom rechten Wege ab- gek'ommen, vom Unwetter und der Dunkelheit arg überrumpelt und, durch den leider dadurch herbeigeführten Unfall sehr erschreckt, von Herzen froh gewesen, endlich ein menschliches Asyl entdeckt zu haben, und nun äußerst dankbar -sind, daß dessen gastliche Thür sich ihnen öffnete. In jedem Falle sollen Sie nicht lange Zeit belästigt werden, und ist das Leiden meines Freundes, wie ich hoffe, nur ein unbedeutendes, das ein Verfolgen unserer Tour nach kurzer Rast ermöglicht."

Nun, das wird sich finden," mischt sich hier Kathi ein;zu spaßen Ist bei derartigen Vorkommnissen nicht und hat nach solchem Fall schon mancher einen steifen Fuß behalten, wenn er nicht mir Vernunft behandelt worden ist. Die alte Kathi aber weiß zum Glück mit derlei Schäden umzugehen und wird, sobald die Herren nur auf ihrem Zimmer sind, das ihrige schon für den Patienten thun Vorerst jedoch müssen Sie sich

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