Nähe der Krone. Nach wenigen Stunden war das Haus ein Raub der Flammen.
* Rottweil, 3. Mai. Daß das Bestreben einzelner als Zeugen vor Gericht geladener Personen, möglichst hohe Zeugengebühren herauszuschlagen, sei es durch Angabe höherer Taglöhne, als ein Zeuge in Wirklichkeit bezieht, oder durch das unwahre Vorbringen, der Zeuge habe Stellvertretungskosten über die Dauer seiner Abwesenheit zu bezahlen und dergl., mitunter höchst unangenehme Folgen haben kann, zeigt der nachstehende Fall. Ein Zimmermeister in Freudenstadt war am 8. Januar d. I. in einer Privatklagsache vor das Königliche Schöffengericht Frcudenstadt geladen; bei Ausbezahlung der Zeugengebühren brachte er dem Kassenbeamten des Amtsgerichts gegenüber vor, er habe einen Stellvertreter über die Dauer seiner einen halben Tag in Anspruch genommenen Abwesenheit vom Geschäfte bestellen und bezahlen müssen, wodurch der betreffende Beamte bestimmt wurde, ihm eine um mindestens 2 M. höhere Zeugengebühr auszubezahlen. Auf erfolgte Anzeige der in dieser Privatklagesache unterlegenen und zur Bezahlung der Kosten verurteilten Partei wurde der genannte Zeuge vom Schöffengerichte Freudenstadt wegen Betrugs zu 10 M. Geldstrafe verurteilt. Die von dem Verurteilten erhobene Berufung an die hiesige Strafkammer hatte dessen Freisprechung zur Folge, weil es ihm gelang, nachzuweisen, daß er seiner Ehefrau den Auftrag gegeben hatte einen Stellvertreter für den 8. Januar zu besorgen, welchen zu bestellen diese allerdings vergessen hat. Da der Zeuge von der Nichtbestellung eines Stellvertreters nichts wußte, so konnte ihm nicht nachgewiesen werden, daß er wissentlich eine falsche Thatsache vorgespiegelt und in dem Bewußtsein gehandelt habe, daß er sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil habe verschaffen wollen.
^ Die „Köln. Ztg." erfährt aus Stuttgart, daß dortige Kreise wissen wollen, König Karl wünsche die Rückkehr des Amerikaners Baron Savage nach Stuttgart. Ferner ist von Ränken einer hohen beamteten Persönlichkeit die Rede, welche dahin zielen, unter Hilfe eines württembergischen Diplomaten in Dienst, den Minister v. Mittnacht zu verdrängen. (Der Bericht wurde von maßgebender Seite bereits als eine müßige Erfindung bezeichnet.)
* Wie wir hören, wurde ein Gesetzentwurf über eine württ. Hagel Versicherung sanft alt, ähnlich der bayerischen, auf Anordnung des Ministeriums des Innern von der Zentralstelle fürLandwirtschaftausgearbeitet, und auch darüber in der Sitzung des Gesamtkollegiums der K. Zentralstelle f. d. Landwirtschaft beraten. Der Entwurf wurde dem Ministerium des Innern vorgelegt.
* (Württembg. Staatsschuldenzahlung skasse.) Nach der im „St.-Anz." veröffentlichten offiziellen Uebersicht der Rechnungs- ergcbnisse des Etatsjahres 1887/88 betrugen
die Einnahmen Mark 68,715,412, die Ausgaben Mk. 65,910,944, der Kafsenbestand am 31. März 1888 somit Mk. 2,804,468 gegenüber Mark 2,397,703 am 1. April 1887. Die Staatsschuld selbst hat sich im genannten Etatsjahr um Mk. 1,998,410 vermindert und betrug Ende März 1888 Mk. 421,981,541.
* (Häuser der Barmherzigkeit.) Nach dem soeben erschienenen Rechenschaftsbericht betrugen die Einnahmen für das Haus in Wildberg M. 20,787.61., denen M. 9850.86. Ausgaben gegenübcrstehen. Die Zahl der Pfleglinge ist 40, die Kosten für einen Pflegling berechnen sich auf M. 224.64. Für das Haus in Eßlingen beziffern sich die Einnahmen auf M. 19,167.35., die Ausgaben auf M. 16,110.76. Die Zahl der Pfleglinge ist 65, die Kosten für einen Pflegling berechnen sich auf M. 247.86. Das Grundstockskonto beider Häuser beträgt M. 82,875.64. Nach genauer Erwägung aller Verhältnisse und Bedürfnisse, insbesondere aber, um den stets begehrten und seither immer mangelnden Raum zu schaffen, hat der Verwaltungsrat den Bau eines dritten Hauses im Anschluß an das in Eßlingen bestehende beschlossen. Seit Spätjahr 1888 steht der einfache aber stattliche Bau neben dem alten Haus in der Richtung von Obereßlingen unter Dach. Seine innere, den schlichten Bedürfnissen entsprechende Einrichtung ist im Gang, und man hofft, um die Zeit des 25jährigen Regierungsjubiläums S. M. des Königs das neue Haus etwa 80 weiteren Pfleglingen zum Eintritt anbieten zu können. Die beiden Häuser in Eßlingen werden dann 140—150 Pfleglinge aufnehmen können, und rechnet man hiezu diejenigen von Wildberg, so werden 180—190 alte, arme, erwerbsunfähige Personen, Männer und Frauen, ohne Unterschied der Konfession, ihr Heim finden.
* Stuttgart, 3. Mai. Eine tragikomische Geschichte vom Pferdemarkt macht hier die Runde. Ein Bauer vom Strohgäu war in Begleitung seines Sohnes in die Stadt gekommen, um seine beiden Normänner zu verkaufen. Es waren ein paar schöne kräftige Pferde und so konnte es nicht fehlen, daß sich bald ein Käufer fand. Vater und Sohn wären nun fertig gewesen mit ihren Geschäften und hätten den Heimweg an- treten können. Aber zuerst mußte ein Schoppen getrunken werden, dem noch viele andere nachfolgten. Am Ende waren beide stark berauscht; der Vater wankte auf die Straße und fand nachher seinen Sohn nicht mehr vor. Endlich schlief er ein und als er morgens erwachte, fand er sich in einem Gasthofsbett, aber sein Geld war bis auf das, was er in einer Handbörse hatte, weg. In nicht zu beschreibender Stimmung eilte er der Heimat zu, wo er seinen Sohn wiederfand, der vorsorglich dem Alten das Geld abgenommen und nach Hause gegangen war.
* Murrhardt, 3.Mai. Das hiesige Stadt- schultheißcnamt erläßt die ortspolizeiliche Vorschrift, daß die Versammlungen der Heilsarmee in der Gesamtgemeinde an Sonn-, Fest- und
Feiertagen auch während der Zeit der öffentlichen Gottesdienste verboten sind. Auch werden die Gemeindeangehörigen darauf aufmerksam gemacht, daß Mitglieder der Heilsarmee, welche sich in den Häusern Zudringlichkeiten zu schulden kommen lassen, wegen Hausfriedensbruch bestraft werden können.
* (Verschiedenes.) Dienstag mittag wurde Gustav Tochtermann von Ne ckarg arta ch, Soldat beim Manen- Regiment in Stuttgart, von einem Dienstpferd derart auf den Unterleib geschlagen, daß er an der Verletzung verschieden ist. — In Tübingen stürzre der Maurerlehrling Märkte vom Neubau der Frauenklinik und starb alsbald. — Einem Schwen ninger Beamten wurden kürzlich von einem früher dort beschäftigten Arbeiter 5 Dollar in Papier zugesandt mit der Bitte, mit diesem Betrag die hinterzogene Steuer zu decken. Offenbar wollte er nun den Beamten düpieren, denn der Schein war unächt. — In Altingen beging ein Storch die Unart, vom Giebel der Kirche aus den Inhalt seines Magens dem Meßner ins Gesicht zu senden.
* (Siebent es deutsches Turnfest.) Wie aus München geschrieben wird, find die Ausgaben auf 280000 M., die Einnahmen auf 286000 M. veranschlagt, wobei eine Beteiligung von 18 000 Turnern zu Grunde gelegt ist. In Dresden waren über 20 000 turnerische Festteilnehmer zu verzeichnen; gleichwohl hat man diesmal eine niedrigere Zahl angenommen mit Rücksicht darauf, daß Sachsen ganz besonders viele Turner zählt und wohl auch Dresdens zentrale Lage auf den Besuch günstig einwirkte. Uebrigens hofft man, daß München durch andere Vorzüge seine den Grenzen nahegerückte Lage wieder ausgleichen werde. Die Kosten für die Festhalle find auf etwa 100000 M. veranschlagt.
* Darmstadt, 30. April. Eine für das Lebensversicherungswesen interessante Entscheidung hat das hiesige Oberlandesgericht dieser Tage getroffen. Ein Landwirt aus Grimmelfingen (Württemberg) hatte vor 7 Jahren bei der Darmstädter Rentenanstalt sein Leben auf Todesfall versichert und zwar unter Bedingungen, welche die Versicherungsanstalt von der Zahlungsverpflichtung entbinden, sobald der Versicherte durch Selbstmord enden sollte. Dieser Fall ist eingetreten und verweigert die Leitung der Rentenanstalt die Auszahlung des versicherten Kapitals. Auf erhobene Klage hatte das Landgericht die Ansprüche der Erben abgewiesen, das Oberlandesgericht dagegen erkannte, daß der im Jahre 1886 seitens der Rentenanstalt eingeführten Bestimmung, wonach das Versicherungskapital auch in Selbstmordfällen, fünfjähriges Bestehen des Versicherungsvertrags vorausgesetzt, zur Auszahlung zu kommen habe, rückwirkende Kraft beizumessen sei. Hiernach würde die Rentenanstalt zahlungspflichtig sein, es läßt sich aber vermuten, daß dieselbe ein Urteil des Reichsgerichts veranlassen wird.
* Mainz, 2. Mai. Heute wurde auf dem hiesigen Standesamte das dritte taubstumme Paar seit 1875 getraut. Die Neuvermählten,
Much und Segen.
Novelle von B. Baldow.
(Fortsetzung.)
„Da plötzlich wurde ich weit fort geschleudert, fühlte einen brennenden Schmerz am Hinterkopf — die Sinne begannen mir zu schwinden — und um mich her war's Nacht.
„Als ich erwachte, befand ich mich an Bord eines englischen Kutters uud zwar in der Nähe des Hafens von Baltimore. — Nur mit Mühe vermochte ich meine Gedanken zu ordnen, denn der Schmerz am Kopfe war sinnraubend.
„Viele standen um mich her und schauten teilnehmend auf mich herab. - - Die Glieder waren mir wie gelähmt — ich schloß die Augen. — „Mit dem ist's aus, hörte ich eine liefe Stimme sagen und gleich darauf drang von der anderen Seite her ein lautes Schluchzen an mein Ohr. Ich blickte auf und sah, wie eine große kräftige Gestalt die mich Umstehenden beiseite schob und dicht an mich herantrat. Zwei harte, rauhe Hände erfaßten die weinigen, und ich erkannte in dem Manne einen alten, wackeren Matrosen von Bord der „Lydia".
„Sie dürfen so nicht sterben, Herr Kapitän," sagte er, indem die Hellen Thränen über sein wetterhartes Gesicht rannen. „Ich habe in Baltimore einen Bruder — bei diesem will ich Sie so lange pflegen, bis wir zusammen wieder heimkehren können."
„Ich drückte dem Manne dankbar die Hand — man legte einen frischen Verband um meinen Kopf und wieder wurde es dunkle Nacht um mich. Als ich zum zweiten Male aus todesähnlicher Ohnmacht erwachte, waren Tage vergangen; ich war in Baltimore unter einem schlichten, einfachen Dache, wo barmherzige Menschen mich auf ein reinliches, wenngleich ärmliches Lager gebettet. An meiner Seite saß der alte Seemann und hielt treulich bei mir Wacht. Es waren traurige Tage, die ich damals
durchlebt. — Von dem Verdienst für schwere, mühevolle Arbeit gab der Bruder meines alten Freundes mit Bereitwilligkeit den größten Teil zu meiner Pflege hin und wachte manche Nacht an meinem Bett, trotzdem der frühe Morgen zu angestrengter Thätigkeit ihn aus dem Hause rief.
„Wenn ich auf Stunden aus der immer wiederkehrenden Bewußtlosigkeit erwachte, meine Gedanken zu ordnen suchte, dann marterte mich die Sorge, wie ich diesen redlichen Menschen das vergelten könne, was sie an mir gethan. Auf eine hierauf bezügliche Aeußerung meinerseits sagte einst der wackere Arbeiter, indem er seine schwielige Hand auf meine Stirn legte: „Machen Sie sich deswegen keine Sorge, Herr Halbing; — ich habe unserem Herrgott ein größeres Sühnopfer zu bringen, als das bißchen Wohlthat, das ich Ihnen etwa gethan." Zum ersten Male sah ich meinem Wohlthäter deutlich in das durchfurchte Gesicht und erkannte einen vor Jahren in meinem Elternhause beschäftigt gewesenen Kontordiener, den mein Vater —" Hugo schwieg und deckte die Hand über die Augen.
Horst ahnte, daß irgend ein trübes Ereignis im Zusammenhänge mit jenem Manne stehen mußte, und taktvoll darüber hinweggehend, fragte er in teilnehmendem Ton, indem er noch fester seinen Arm um des Freundes Schulter legte:
„Und lagst du lange krank in Baltimore?"
Hugo drückte verständnisinnig mit einem dankbaren Blick Horsts Hand in der seinen.
„Ja," entgegnete er, „und eines Tages kam ebenfalls krank und mit gebrochenem Arm der Wackere nach Hause, der sein mühevoll erworbenes Brot bisher mit mir geteilt.
„Verzweifelt flehte ich den alten Seemann an, er möge mit dem Reiterpistol an der morschen Wand meinem Leben ein Ende machen, aber zuversichtlich gab derselbe mir zur Antwort: „Der alte Gott, der lebt