Stimmen des Zentrums endgiltig an. Seitens des letzteren wurden nochmals die Beschwerden der Krefelder Seidenindustrie und die Wünsche nach einem Gemüsezoll vorgetragen. Staatssekretär v> Bötticher tröstete die Seidenindustriellen mit der kurzen Dauer des Vertrages und gab von neuem seiner Befürchtung Ausdruck, daß ein Gemüsezoll die Fortschritte unserer Gemüseproduktion zu intensiverer Wirtschaft nur lähmen würde. Auf eine Beschwerde des Abg. Hammacher, daß deutsche Monteure, die in der Schweiz deutsche Maschinen aufstellen, dort zur Gewerbesteuer herangezogen würden, erklärte der Staatssekretär, daß man mit der Schweiz darüber verhandeln eventuell es bei einem neuen Vertrage berücksichtigen würde. Nach debatteloser Erledigung einiger anderer Gegenstände trat das Haus in die Beratung des Antrages Windthorst über den Sklavenhandel ein. Der Antragsteller betonte mit Nachdruck, daß er einzig und allein die Bekämpfung des Sklavenhandels und der Negerjagden im Auge gehabt, alle Nebenumstände ihm aber fern gelegen haben. Es sei lediglich der Gedanke der Thronrede, den er wiederhole. Abg. Woermann führte aus, welchen wirtschaftlichen Nutzen die Unterdrückung der Sklaverei zur Folge haben würde. Besonders verwies er auf den Aufschwung der engl. Kolonieen in Westafrika, worin England für seine Bemühungen zur Unterdrückung der Sklaverei einen reichen materiellen Lohn gefunden habe. Der gleiche Lohn stehe allen bevor, welche sich weiterhin an der Unterdrückung des Sklavenwesens beteiligten. Der freie Neger bewähre sich als tüchtiger Arbeiter, und das äquatoriale Afrika erweise sich immer mehr und mehr als für Plantagenzwecke sehr geeignet. Abg. v. Helldorf beschäftigte sich vorwiegend mit der Notwendigkeit, den deutschen Besitz in Ostafrika zu erhalten. Die Bereitwilligkeit dazu liege in der Annahme des Antrages Windthorst. Staatssekretär Graf Bismarck sprach seine Genugthn- ung über die bisher gehörten Erklärungen aus, gab auch seinerseits ein Bild der verderblichen Wirkungen der Negerjagden und beleuchtete dann die gemeinsame Aktion der Mächte, wobei er dem loyalen Verhalten Englands großes Lob spendete. Die Erhaltung der deutschen Position in Ostafrika betrachte er als Ehrensache. Die Wirksamkeit der Marine, deren bisherige Thä- tigkeit er unter dem Beifall des Hauses rühmend anerkannte, werde dazu nicht ausreichen. Die Regierung habe aber andere Vorschläge nicht eher ausarbeiten wollen, bevor sie die Stimmung des Reichstags kennen gelernt hätte. Die Annahme des Antrages werde sie ermutigen, zu solchen Vorschlägen vorzugehen. Abg. Bamberger rechtfertigte die ablehnende Haltung der deutschsreisinnigen Partei; es handle sich um eine grundsätzliche Erweiterung des s. Z. vom Reichskanzler ausgestellten Kolonialprogramms, der seine Partei nicht zustimmen könnte. Der Kritik, welche Redner an der ostafrikanischen Gesellschaft übte, trat Abg. v. Kardorff entgegen, während der elsässi-
sche Abg. Grad seine Zustimmung zu dem Anträge, der Abg. Singer eine entgegengesetzte Erklärung für die Sozialdemokraten abgab. Der Antrag wurde schließlich mit allen Stimmen gegen die der Deutschfreisinnigen und Sozialdemokraten angenommen.
Laudesuachrichteu.
* Altensteig, 18. Dez. Der Vortrag des Vorstands des württbg. Zweigvereins des „Evangelischen Bundes", Eduard Elben, am Samstag den 15. ds., fand zahlreiche Beteiligung seitens der hiesigen Einwohnerschaft und von auswärts. Die Versammlung wurde eröffnet durch eineAn- sprachedesHrn.StadtpfarrersHetterich überdieien Verein, worin betont wurde, daß es heutzutage eines kräftigen Zeugnisablegens seitens der Mitglieder der evang. Kirche auch nach außen hin bedürfe, was eben der „Evangel. Bund" sich zur Aufgabe mache, indem er bei allem Hochhalten der Duldsamkeit und bei aller Achtung des Bekenntnisses der Gegner die Angehörigen der evangelischen Kirche anfrufe, die Stellung und die Heilsgüter der letzteren fest und treu wahren zu helfen. Sodann erfolgte der Vortrag Hrn. Elbens. Zuerst entgegnete derselbe den Widersprüchen und Bedenken, welche von dreierlei Seiten, den Ultramoutanen, den Indifferenten, teilweise selbst von wohlmeinenden Evangelischen gegen die Berechtigung bezw. Notwendigkeit des betr. Bundes erhoben werden, in taktvoller und überzeugender Weise; zeigte, wie nicht die katholische Kirche an sich, sondern die in ihr zur Herrschaft gekommene ultramontane, vom Jesuitismus geleitete Partei, neben welcher alle Stimmen selbst von Bischöfen schweigen müssen, unserer Kirche die Feindschaft bereite, ja alle Kräfte zusammenzuraffen suche, ihr den völligen Untergang anzubahnen: gieng hierauf über auf die Thätigkeit des Vereins gegenüber solchen Angriffen ans die evangelische Kirche, und berichtete über das schnelle Wachstum desselben in den zwei Jahren seines Bestehens (ca. 40000 Mitglieder in Deutschland), sowie über die ersichtlichen Wirkungen seines Auftretens. Der „Evangelische Bund" wolle Duldsamkeit erstreben gerade, indem er von den Evangelischen Entschiedenheit des Eintretens für die Sache ihrer Kirche verlange; solche Festigkeit fördere eben, weil sie dem Gegner Achtung abnötige, am besten wahre Toleranz und Frieden, während ein fauler Frieden den Streit nur mehr heransfordere. Wie dem staat, der Ehe und Familie, dem Handwerk, jeder gesunden Thätigkeit die gebührende Achtung und Stellung durch die Reformation wiedergegeben worden, bewies Redner besonders auch aus'manchen beherzigenswerten Aussprüchen Luthers in treffender Weise; sogar die kath. Kirche in Deutschland habe, wie verständige Katholiken selbst erkennen, der Berührung mit dem Protestantismus für ihre innere Förderung viel zu danken. Deswegen gelte es nun, diese Segensgüter gegenüber dem glaubenslosen Materialismus sowie gegen den Romanismus und Ultra
montanismus treu zu bewahren und in diesem Streben zusammenzuhalten; denn die Geschichte beweise deutlich, wie die Uneinigkeit in der evangel. Kirche ihr so manche Einbuße gebracht, die furchtbarsten Angriffe ihrer Gegner z. B. im 30jährigen Kriege heraufgerufen und verderblich gemacht habe. In Wärme und Entschiedenheit, verbunden mit Würde der Darstellung, was bei den Zuhörern der tiefen Wirkung nicht verfehlte, ergieng sich der Redner über diese und andere Punkte. Nach einer eingehenden Danksagung seitens des Hrn. Stadtpfarrers, welche anschließend an den vorausgegangenen Vortrag das Wesen der evangelischen Freiheit hervorhob, erfolgte eine begeisterte Rede des Bezirksagenten, Hrn. Prof. Wetzel aus Nagold, ebenfalls über die Verdienste der Reformation um Staat, Familie, Schule, Wissenschaft; die daraus hervorgegangenen Segnungen, die man jetzt als selbstverständlich ansehe, weil man sie schon lange besitze, habe man der Reformation zu verdanken, was auch im Interesse des protestantischen Bewußtseins nie vergessen werden sollte, und was der „Evangel. Bund" eben ins Bewußtsein rufen wolle. Nachdem noch andere das Wort ergriffen, z. B. Hr. Schullehrer Müller, welcher einiges über das Treiben der Jesuiten aus eigenen Erlebnissen mitteilte, wurde ein Lokalverein für hier und Umgegend gebildet, welchem 47 der Anwesenden sich anschloffen, so daß derselbe mit den 14 bisher Beigetretenen nunmehr 61 Mitglieder zählt.
* Alten steig, !8. Dezbr. Die am vergangenen Sonntag im Gasthof zur „Traube" hier stattgefnndene Versammlung des landwirtschaftlichen Bezirksvereins war weniger zahlreich besucht als im Interesse der Wichtigkeit der zum Vortrage gebrachten Gegenstände zu erwarten gewesen wäre. Kurz nach 3 Uhr eröffnete der Vereinsvorstand, Herr Oberamtmann Dr. Gugel die Versammlung und erteilte hierauf dem Referenten, Hrn. Landwirtschaftsinspektor Dr. Wiedersheim das Wort zu seinem Vortrage: „lieberdie verschiedenen Futtergcwinnnngs- methoden." Redner berichtete einleitend über den Weidegang des Viehs, wie er in norddeutschen Landesteilen, dann im Allgäu und besonders in der Schweiz gehegt und gepflegt wird, und hob dann in eingehender Ausführung den großen Wert dieser Fütternngsart hervor, mit welcher Versuche angestellt werden sollten. Zwecks einer guten Futterdörrung empfahl sodann der Herr Redner die Anschaffung von sog. Heinzen oder Pyramiden, welche der Kostenersparnis wegen von den Landwirten möglichst selbst angefertigt werden sollten. Um dies zu ermöglichen, empfehle sich die Austeilung eines Mnsterexem- plars an jede Gemeinde. Hierauf wurde die Zweckmäßigkeit der sogen. Futtergrnben, Futterpressen rc. beleuchtet. Im Anschluß an diesen seinen Vortrag gab der Hr. Redner nach einer Pause Belehrungen über die Hühnerzucht. Angesichts der in diesem Jahre ausgetretenen Hühnerseuche müsse vor dem Bezug von ausländischen
einer alten Kommode ein eisernes Kästchen, das sie mit einem Schlüssel, den sie stets an ihrem Halse trug, öffnete und nahm aus diesem ein Stück vergilbtes Papier heraus, welches sie, der Tochter reichte und sprach mit feierlicher Stimme: „Nimm hin das Angebinde deiner unglücklichen Mutter! Mögest du nie vergessen, daß nur du mich an diese Erde gefesselt hast, und laß es mich nie bereuen, daß ich um deinetwillen dieses unseelige, unnütze Leben erhalten habe! Und nun lies den Brief laut vor!"
Sie nahmen ihre Plätze wieder ein. Die Tochter entfaltete das Papier und während die Mutter das gefurchte Antlitz in ihren Händen barg, las sie:
„Meine heißgeliebte Marie!
Wenn Du diese Zeilen liest, hat ein tückischer Blitzstrahl, der ans dem heitersten Himmel herniederfuhr, unser schönes eheliches Glück bereits zerstört und uns in ein Meer von Wirrnissen gestürzt, deren Ende nicht abzusehen ist.
Ein Freund, auf den ich große Stücke hielt, hat mein grenzenloses Vertrauen mißbraucht und mich mit einem Schlage zum Bettler gemacht! Gestern noch einer der Reichsten der Stadt, besitze ich heute nicht einmal so viel, um unserem süßen Kinde selbst den armseeligsten Christbaum zu kaufen. Ich kann aber das Elend nicht ansehen, in das euch mein blindes Vertrauen zu einem Elenden gebracht hat und habe mich sofort an die Verfolgung des Räubers meines Glückes gemacht. Möge es ein gütiges Geschick wollen, daß ich ihn erreiche und ihm seinen Raub abjage, denn Du siehst mich nnr als reichen Mann wieder, oder nie mehr. Unser armes Kind überlasse ich vertrauensvoll Deinem Schutze und bin überzeugt, daß Du sie erziehen wirst, wie es immer mein Ideal gewesen. ' Und nun einziggeliebtes Weib, lebe wohl und wenn es im Ratschlüsse der götttlichen Vorsehung beschlossen ist — für immer. Bleibe
stark und erhalte Dich unserem Kinde und verzeihe den ungeheuren Schmerz, den ich dir verursachen muß.
Dein bis über das Grab hinaus getreuer
Eduard."
Eine tiefe Stille trat ein, als der Brief zu Ende war, nur unterbrochen von dem heftigen Weinen der beiden Frauen, denn auch die Tochter, die nach dem Lesen des Briefes das ganze furchtbare Elend der Mutter erkannte, konnte sich der Thränen nicht erwehren und ein Meer von Liebe strahlte aus den Blicken, mit denen sie die hoffnungslos sich ihrem neu geweckten Schmerze hingebende Mutter anschaute, bei dem Gedanken, mit welcher alles verleugnenden Zärtlichkeit diese ärmste aller Frauen ihr ahnungsloses Kind die vielen Jahre hindurch geleitet und vor jedem Schmerze bewahrt hatte.
„Und weiter hast du nichts von dem unglücklichen Vater gehört?" fragte sie, als sie sich ein wenig gefaßt hatte.
„Nichts!" stieß diese, immer noch schluchzend, hervor. „Dieser Brief ist das letzte Lebenszeichen, das ich von meinem Gatten erhielt. Nachdem ich den Brief gelesen und mein grenzenloses Elend erkannt hatte, war ich eine Zeit lang wie gelähmt."
(Fortsetzung folgt.)
L e s e f r ü ch t e.
Thue was gut ist! Die Liebe und Achtung deiner Mitmenschen wird darauf folgen, wenn sie kann; wo nicht, so wirst du ihrer zu entbehren wissen. _
Mit ungehemmten Flügeln dringen wir jung wie Adler in die Luft, doch jeder Tag kürzt uns die Schwingen, und endlich sinken wir gelähmt zur Gruft.
N
«
L>
N