Sozialgesetzgebung in den noch übrigen zwei Sessionen des Reichstags vollständig abgeschlossen zu sehen. Das beste Kampfesmittel gegen die Sozialdemokratie sei der Ausbau der Sozialreform, denn nur verzweifelte Arbeiterklassen würden durch Mord und Blut zu einer sozialen Revolution schreiten, die selbst im Falle des Sieges der lebenden Generarion keinen Segen bringe. Die Forderung für die Erweiterung der Marine, die eine große bedeutsame organische Umgestaltung derselben mit sich bringe, sei überraschend und bedürfe einer sorgfältigen Prüfung, da sie durch die Denkschrift noch nicht genügend motiviert werde. Bezüglich der Kolonialpolitik sei zu hoffen, daß es durch Zusammenwirken der europäischen Mächte gelingen werde, die Schwierigkeiten beizulegen. — v. Maltzahn-Van- selow bestreuet in Erwiderung gegen die oppositionellen Redner die Erhöhung der Getreidepreise durch die Zölle. Die Preise seien noch unter dem Durchschnitt der Preise seit 187".— Der Chef der Admiralität Graf Monts sichert weitere Erläuterungen der Denkschrift in der Kommission zu; es sei eine Systemänderung beabsichtigt, alle neuen Schiffe werden aber ans deutschen Werften gebaut werden. — Es werden darauf in herkömmlicher Weise eine Anzahl von Etatskapiteln an die Budgetkommission verwiesen.
Württemberaischer Landtag.
(Kammer der Abgeordn.) 27. Nov. (83. Sitzung.)
Abg. Nast-Cannstatt richtet an den Minister des Innern die Anfrage, ob, nachdem die Statistik über die Armenpflege von 1835 erschienen, eine Aenderung der Armengesetzgebung besonders hinsichtlich der Landarmcnverbände in Bälde zu erwarten ist. Fortsetzung der Beratung der Beschlüsse des anderen Hauses zum landwirtsch. Nachbarrechts-Gesetz. Dem Art. 19, der vom Abstand neuer Waldanlagen handelt, wird, abgesehen von einem als überflüssig angesehenen Zusatz, nach dem Beschlüsse des anderen Hauses zugestimmt. Art. 20 sprichi von den Grenzbäumen und dem Ueberhang. und wird im Sinne des anderen Hauses aber nach der Fassung der Kommission angenommen. Bei Art. 21 bestehen verschiedene Differenzen, was Berichterstatter Leemann kurz betont. Die Anträge des anderen Hauses zum Schutze des Waldes gingen jedenfalls zu weit. v. Schad wendet dagegen ein, daß die Vorschläge des anderen Hauses, ohne der Landwirtschaft zu schaden, uns ein großes Entgegenkommen beweisen. Nehmen wir diese Vorschläge nicht an, so ist zu befürchten, daß das Gesetz nicht zustande kommt. Minister v. Faber führt aus, daß durch das bürgerliche Gesetzbuch unser gemeines Recht noch nicht aus der Welt geschafft wird. Einigen wir uns jetzt nicht, so ^ wird man die Frage der Entfernung der über- ' hängenden Wurzeln und Zweige, worauf es bei Art. 21 besonders ankommt, bei den Ansführ- nngsbestimmungen zum bürgerl. Gesetzbuch zu regeln suchen müssen. Gelingt diese Regelung
dann auch nicht, so bleibt es eben bei dem jetzt herrschenden, zu Streitigkeiten aller Art Anlaß gebenden gemeinen Recht. Er empfiehlt die Regelung schon jetzt vorzunehmen, denn später möchte die Stimmung dazu nicht so günstig sein, und wünscht, daß man dem anderen Hause entgegeukomme. In gleichem Sinne spricht Minister v. Renner, darauf hinweisend, daß durch die Kommissions-Anträge der Waldbestand in Oberschwaben bedroht wäre. Auch das andere Haus wolle dem Walde ja nichts auf Kosten der Landwirtschaft geben. Frhr. v. Herrmann sucht auch das hohe Haus zu Gunsten der Beschlüsse der ersten Kammer zu überzeugen. Minister v. Schmid ebenso. Man solle doch bedenken, wie sehr das andere Haus dem diesseitigen schon in der Frage der Entfernung der Wurzeln entgeqengekommen ist. Man solle es doch nicht darauf ankommen lassen, das Zustandekommen des Gesetzes in Frage zu stellen. Komme es zu keiner Einigung, so bleibe es bei einem Zustande, der gegenwärtig von der Landwirtschaft als ein schwerer Uebel- stand bezeichnet werde. Den gegenwärtigen Augenblick solle man zu einer Verständigung benutzen. Man tritt sodann in die Beratung der einzelnen Absätze des Art. 21 ein, die in der Hauptsache nach den Komm.-Anträgen mit Amendements von H. v. Ow und v. Weber angenommen werden. Spieß wendet sich au den Ministertisch, um sich Auskunft darüber zu erbitten (er hat dabei das Beseitigen der überhängenden Zweige im Auge, das nach dem Gesetz von dem Nachbarn verlangt werden kann), wie die Aeste aufhören und die Zweige anfangen. (Heiterkeit.) Der Finanzminister gibt eine den Abg. Spieß befriedigende Erklärung. Bei Art. 32, der auf Eisenbahnbauten Bezug nimmt, hat das andere Haus eine die Waldungen betreffende Voraussetzung ausgesprochen, welche die Kommission auch aus Bäume ausdehnt. Ministerpräsident von Mittuacht führt aus, daß die Ausdehnung der Voraussetzung auf einzelne Bäume von sehr geringem praktischem Wert ist. Er habe gegen den Kom- missiousantrag übrigens nichts cinzuwenden. Derselbe wird angenommen. Nachdem noch das hohe Haus beschlossen, über eine auf das vorliegende Gesetz sich beziehende Petition der Gemeinde Kleinasbach OA. Gerabronn zur Tagesordnung überzugehen, wird dieSitzung geschloffen.
28. Nov. (84. Sitzung.) Zu Beginn der heutigen T.-O. tritt man ohne Debatte den wenigen noch abweichenden Beschlüssen des anderen Hauses zum Zwangsenteiguungsgesetz bei und nimmt das ganze Gesetz einstimmig (mit 74 Stimmen) an. Beratung der Vorlage betr. Errichtung eines Remontedepots. Die Kommissionbeautragt, die Exigenz dafür (36,352 M. 50 Pf.) zu bewilligen und dem Ges.-Entwurf zuzustimmen. Die Exigenz und der einzige Art. der Vorlage, welcher ausspricht, daß die 36,352 M. 50 Pf., soweit die Deckung aus den im Etat vorgesehenen Mitteln nicht thunlich wird, aus
Kr roll dein Kerr sein!
Roman von Marie Lichtenberg, l Fortsetzung.)
Und da ich andererseits Irma mein Ehrenwort gegeben hatte, dir nicht eher zu sagen, daß ich sie gefunden habe, bis sie es mir selbst erlaubte, so war ich gezwungen, eine Lüge zu sagen, um diese Erlaubnis zu erhalten, welche aber, wie ich hoffe, zu eurem Glück führen soll. Habe ich Unrecht gethan, so möge meine glühende Freundschaft für dich meine Entschuldigung sein, denn ich konnte deine schmerzliche Reue, dein heißes Sehnen nicht mit ansehen, ohne wenigstens den Versuch zu machen, Irma zu dir zurückzubringen.
So ging ich denn gestern zu Irma und sagte ihr, daß deine Operation gänzlich mißglückt und du fürs ganze Leben zu hoffnungsloser Blindheit verurteilt seist. Durch die Vereitelung deiner Hoffnung aber, welche ich so voreilig in deiner Brust erweckt, ohne sie nun erfüllen zu können, seiest du jetzt in einem Zustande gänzlichen Lebensüberdrusses und völliger Trostlosigkeit, welcher mich das Schlimmste für dich befürchten ließe.
Bei diesen meinen Worten war Irma mit einem Aufschrei tiefsten Schmerzes ins Sofa znrückgesunken; dann aber nach einigen Minuten erhob sie sich, schneebleich und an allen Gliedern bebend, legte sie ihre kleine Hand auf meinen Arm und fragte ängstlich:
„Was wird Egon nun beginnen?-Wie wird er dieses trau
rige Leben weiter ertragen?"
„Das weiß ich selbst nicht," erwiderte ich. „Doch hoffe ich, daß Egon sich als Mann in das Unabänderliche fügen und für seinen lieben, hoffnungsvollen Knaben das Leben ertragen lernen wird. Auch Sie könnten ihm einen großen Trost gewähren, wenn Sie zu ihm zurückkehr
dem Betriebs- und Vorschußkapital der Staatshauptkasse vorzuschießen sind, werden einstimmig (mit 79 Stimmen) angenommen. Bei der Schlußabstimmung über das landwirtschaftliche Nach- barrechts-Gesetz, wie es aus der gestrigen Beratung hervorgegangen ist, wird dasselbe mit 66 gegen 14-stimmen angenommen. Verschiedene Petitionen werden g-ck aota gelegt. Schluß der Sitzung.
Laudesuachrichteu.
* Nagold, 27. Novbr. Die Diphtheritis hat bis jetzt keine weitere Opfer gefordert; im Gegenteil scheint die Epidemie im Erlöschen zu sein. Im ganzen sind 29 Krankheitsfälle diph- theristischer Art konstatiert. Morgen werden die hiesigen Schulen wieder eröffnet.
*. Thonbach, 26. Nov. Heute nachmittag wurde der 73 Jahre alte Holzhauer K. F. Fink- beiner von hier, welcher mit anderen Männern Forchen fällte, durch eine behufs Fällung angesägte und angehauene Forche, die durch einen Windstoß auf eine andere als die beabsichtigte Seite fiel, erschlagen.
* Stuttgart, 27. Nov. Wie man als sicher anuimmt, wird der Kammerschluß etwa am 10. Dezbr. erfolgen. Noch vor dem Auseinandergehen der .Kammer wird eine Erklärung des Ministeriums bezüglich der Verfassungs- Revision zur Sprache kommen. Man sagt, daß dieselbe dahin gehen wird, daß die Revision für nächste Zeit nicht als dringlich angesehen werden soll, da eine Einigung der Parteien in den Beratungen nicht erzielt wurde.
* Stuttgart, 29. Novbr. Ihre Kaiser!. Hoheit die Frau Herzogin Vera von Württemberg, Großfürstin von Rußland, hat dem Oberbürgermeister aus Anlaß ihres 25jährigen Aufenthalts in Stuttgart die Summe von 10000 Mark überwiesen, welche unter die Armen Stuttgarts zur Verteilung kommen sollen.
" (Verschiedenes.) In Mötzingen hat sich ein Kind, welches in einem unbewachten Augenblick in den neben ihm stehenden Waichkeffel fiel, derart verbrüht, daß es bald darauf starb. — In Eßlingen wurde ein 60 Jahre alter Mann tot aus dem Neckar gezogen. — In Stuttgart wurde ein Kaufmann verhaftet, als er eben im Begriffe war, einen in einem Restaurant entwendeten lleberzieher zu versetzen. Allda wurde ein Kellner verhaftet, welcher versucht hatte, in einem Laden eine Spielmarke mit dem Bildnis Kaiser Friedrichs als Zehnmarkstück in Zahlung zu geben. — In Hengstfeld hat sich ein ^jähriger Gastwirt durch einen Sturz vom Garbenloch auf die Schenerntenne mehrere Beinbrüche und schwere innere Verletzungen zugezogen.
Karlsruhe, 29. Nov. Der Raubmörder Dauth, welcher den Spediteur Hülseberg ermordete und beraubte, ist gestern abend hier verhaftet worden; er befindet sich bereits auf dem Transport nach Hamburg. Man fand in einem Damenkoffer, den derselbe mit sich führte, blu
ten. Denn noch heute sagte er zu mir: „Ach, hätte ich doch meine liebe engelsgute Irma jetzt bei mir!"
„Glauben Sie das nicht!" fiel Irma rasch ein. „Es ist nur sein Edelmut, sein tiefes Pflichtgefühl, welches ihn wünschen läßt, mich wieder an seiner Seite zu haben, um so gut zu machen, was Komtesse Üeonie an mir verschuldete. — Aber es müßte ihm ja für die Länge der Zeit qualvoll-peinlich sein, sich immer verstellen und mir gegenüber eine Neigung erdichten zu müssen, von welcher sein Herz nichts weiß, um mein Zartgefühl zu schonen. — Und das soll und darf nicht sein! Darum bitte, sagen Sie Egon: daß Sie mich gefunden, und daß ich mich in jenes Kloster zurückgezogen habe, in welchem ich meine halbe Kindheit und Mädchenzeit verlebte und daß ich mich dort vollkommen glücklich fühle."
„Das wird Ihr Gatte niemals glauben! Denn er weiß ja, wie sehr Sie ihn lieben!" entgegnete ich schnell.
„Dann sagen Sie ihm die volle Wahrheit!" klang es wie von Thränen umschleiert von Irmas bebenden Lippen. „Sagen Sie ihm, daß ich jetzt — wo ich alles weiß — es nicht vermag, länger an seiner Seite zu leben, weil mich die Scham vernichten würde, einem Manne anzugehören, welcher nur durch die eiserne Macht moralischen Zwanges mein Gatte ward!-Und Egon ist viel zu edelherzig und großdenkend, um mein Empfinden nicht zu verstehen und mitzufühlen.-
Er wird mich freigeben und dann selbst Frieden finden. Glauben Sie mir, sobald Egon über mein Geschick beruhigt ist und seinem regen Pflichtgefühl Genüge gethan hat, wird er mich schnell vergessen und sehr zufrieden sein, daß alles so gekommen ist. - Der Himmel möge ihm in unserem Kinde soviel Glück und Frellde geben, daß er endlich in seinem Vaterglück einen kleinen Trost findet für den unheilbaren Schmerz, welchen ihm Leonies Herzlosigkeit bereitet hat."
„Da war sie wieder bei dem unseeligen Thema deiner Liebe zu