* Berlin, 15. Oktbr. Die Mackenzie-Broschüre wurde in Berlin, Leipzig und Oberhausen beschlagnahmt. — Nachrichten, welche der Deutschostafrikanischen Gesellschaft zugegangen sind, ist die Station Madimola am Kinganie nieder- gebrannt worden. Der durch die Verwüstung entstandene Schaden beträgt mindestens 50000 Mk. Drei Matrosen der „Möwe", welche an Land gegangen waren, wurden von den Bewohnern von Woe ermordet.
* Berlin, 15. Oktbr. Die Beschlagnahme der Mackenzie-Brochüre ist wegen Majestäts- Beleidigung erfolgt und hat auf Grund des gerichtlichen Beschlusses des Gerichts zu Mülheim stattgefunden. Der Erste Staatsanwalt in Duisburg hat die Beschlagnahme ausführen lassen. — Mackenzie behauptet, es sei ihm der Bericht über die Krankheit Kaiser Friedrichs abgefordert worden, um ihn „in die Falle zu locken." Es ist bekannt, auf wessen Befehl Mackenzie den Bericht erstatten mußte.
* Hamburg, 12. Okt. Der „Magd. Ztg." wird telegraphiert: Einem Großkaufmann im Vororte Harvestehude sind dem hiesigen „Gen.- Anzeiger" zufolge amerikanische Wertpapiere im Betrage von Mk. 400 000 gestohlen worden.
Ausländisches.
* Wien, 14. Okt. König Milan von Serbien empfing heute vormittag den Minister des Aeußern Grafen Kalnoky in anderthalbstündiger Privataudienz.
* Wien, 14. Okt. Gestern wurde das neue Burgtheater mit großem Glanze eröffnet. Der Kaiser, sämtliche Mitglieder des Kaiserhauses, die Diplomatie, König Milan von Serbien, der Prinz von Wales, die Intendanten der großen deutschen Theater waren anwesend. Der Schluß des in die österreichische Volkshymne auskliugen- den Prologs wurde zu einer rauschenden Ovation für den Kaiser.
' Rom, 13. Okt. lieber den Kaiserbesuch im Vatikan verlautet, daß beim Eintritt in den Thronsaal der Kaiser sich zweimal verbeugte und dann dem Papste dreimal die Hand schüttelte. Ein Gleiches geschah bei der Verabschiedung. Der Besuch dauerte im ganzen dreiviertel Stunden. — Am Samstag abend um halb 11 Uhr begaben sich Kaiser Wilhelm, das Königspaar, sämtliche Prinzen und Prinzessinnen des königlichen Hauses mit ihrem Gefolge nach dem Kapitol, wo sie von dem Bürgermeister und den städtischen Behörden empfangen wurden. Dem Empfange, welcher auf das glänzendste verlief, wohnten etwa 300 Personen bei. — Am Sonntag vormittag 1l Uhr begab sich Kaiser Wilhelm mit dem Prinzen Heinrich und Gefolge nach der deutschen Botschaft, um daselbst dem Gottesdienst beizuwohnen. Hierauf fand ein Dejeuner statt, an welchem auch der preußische Gesandte bei dem Vatikan, v. Schlözer, teilnahm. Nach dem Dejeuner überreichte eine Deputation der deutschen Kolonie, bestehend aus dem deutschen Konsul v. Nast, dem Präsidenten des
deutschen Künstler-Vereins Gerhardt, dem Sekretär desselben Vereins und dem Maler Tubenthal, dem Kaiser eine Adresse. Bei der Rückkehr aus der deutschen Botschaft fuhren der Kaiser und Prinz Heinrich um 2 Uhr nach dem Pantheon, legten daselbst auf den Sarg Viktor Emanuels Kränze nieder und begaben sich sodann nach dem Quirinal zurück. Auf dem ganzen Wege wurden sie von der alle Straßen füllenden Bevölkerung mit begeisterten Kundgebungen begrüßt.
* Rom, 15. Okt. Da das gestern eingetretene Regenwetter andauert, unterblieb heute die Fahrt nach Tivoli. Der Kaiser ritt heute Vormittag im Garten des Quirinal spazieren und nahm später Vorträge entgegen. — Crispi hatte vormittags mit dem Grafen Bismarck eine längere Unterredung. — Das Feuerwerk und die Beleuchtung des Forums und Palatins, wofür 100000 Franken verausgabt werden, bleiben zunächst vertagt.
* Rom, 15. Okt. Wie man der ,Fr. Ztg? meldet, sandte Kardinal Rampolla dem /Mailänder Corriere' zufolge den Nuntien im Auslande ein Telegramm, worin es heißt, daß der Besuch des Kaisers im Vatikan kurz nach seiner Ankunft in Rom die Anerkennung der vollen Souveränität des Papstes bedeute. Die Nuntien seien angewiesen, den Inhalt des Telegramms zur Kenntnis der Regierungen zu bringen.
* Rom, 16. Okt. Um 7 Uhr 50 Min. früh verkündete eine Artilleriesalve die Abfahrt der beiden Monarchen vom Quirinal nach dem Bahnhof. Höchstdieselben wurden währenddem mit endlosen Zurufen begrüßt. ' Die Spitzen der Zivil- u. Militärbehörden waren am Bahnhofe erschienen. Um 8 Uhr 12 Min. setzte sich der Sonderzug nach Neapel in Bewegung.
* Rom, 16. Okt. Der von den Notabeln der deutschen Kolonie und vom deutschen Künst- lerverciu zu Ehren des Kaiserbesuches abgehaltene Festkommers nahm einen überaus glänzenden Verlauf. Die Feier begann mit dem Gesang eines patriotischen deutschen Liedes; daran schloß sich die Absingung der preußischen und italienischen Volkshymne an. Der Präsident des deutschen Künstlervereins, Gerhardt, hielt eine Ansprache, worin er, auf das deutsch-italienische Bündnis hinweisend, den Kampf beider Länder für ihre Einheit verglich und au' die schon zwischen Kaiser Wilhelm I. und König Viktor Emanuel bestandene Freundschaft erinnerte, die auf König Humbert und Kaiser Friedrich übergegangen und jetzt von Kaiser Wilhelm II. aufs neue besiegelt worden sei. Mit den jetzt unternommenen Reisen diene der Kaiser der Sache des Friedens. Das Fest war von etwa 400 Teilnehmern besucht.
* Paris, 13. Okt. Fürchterlicher Skandal herrschte gestern Abend in der Salle Elliot, Avenue de la Bourdonnais, wo neulich schon eine boulaugiftische Versammlung eiuberufen war und diesmal die Antiboulaugisten ihre Revanche nehmen wollten. Verzollt und Michelin waren so klug gewesen, der Einladung nicht Folge zu
leisten, aber der Boulangist Laur und der Anti- boulangist Hubbard vertraten als Abgeordnete die zwei feindlichen Lager, welche bald so aneinander gerieten, daß von einem halbwegs vernünftigen Gedankenaustausch nicht die Rede sein konnte. Man raufte sich an den Schänktischen wie auf der Tribüne, betäubte.einander durch Absingen des ,0'sts LoulanAS qu'il L0U3 ks.ut!" und der „Marseillaise" und bediente sich aller beweglichen Gegenstände, Gläser und Flaschen, Lampen, Stühle, Bänke, Tische als Wurfgeschosse. Die Frau des Wirts bekam einen Nervenanfall bei dem entsetzlichen Toben und mußte zu Bett gebracht werden, der Mann stand in einer Ecke und sah verwirrt und trostlos den Heldenthaten zu. Als die wüste Menge sich endlich verlor, schien er froh zu sein, daß die Anarchisten nur ihre Drohung nicht ausgeführt und sein Lokal mit der Brandlegung verschont hatten. Während er einen Blick nach dem Grabe seiner Habe sandte, wurden in den umliegenden Apotheken Köpfe verbunden und Heftpflaster aufgeklebt.
* Paris, 15. Oktbr. Der Kriegsminister beschloß, daß künftighin fremde Offiziere weder in die militärischen Bildungsanstalten noch in Regimenter aufgenominen werden dürfen.
* Paris, 15. Oktbr. Das Parlament ist heute wieder zusammengetreten. Floquet reichte seinen Antrag auf Revision der Verfassung ein. Rechte und äußerste Linke begehrten die Verlesung. Floquet verlas mit pathetischer Stimme die Motive des Projekts, deren Inhalt gestern bereits angegeben ist: Erneuerung beider Kammern zu je '/z nach je 2 Jahren; Einschränkung der Rechte des Senats bei Differenzen mit der Kammer, so daß er in> legislatorischen Fragen einen aufschiebenden Einwand bis zur nächsten zweijährigen Wahl hat, in finanziellen Fragen aber auf eine Abmahuung beschränkt ist, mit welcher die zweite Kammer anfangen kann, was sie will. Dem Präsidenten und dem Senat wird das ihnen beiden zustehende Recht der Kammerauflösung genommen. Die Verlesung dauerte Stunden, und Floquet erhielt nur auf den Bänken der Radikalen einen spärlichen Beifall. Er beantragte die Verweisung an die Kommission, die bereits mit den andern Revisionsprojekten betraut ist. Andrieux beantragte die Verweisung an eine Spezialkommission und die Dringlichkeit, damit die öffentliche Meinung darüber aufgeklärt werde, daß der Senat, an dem die Revision scheitern werde, abgeschafft werden müsse und die Wahlen sich unter der Losung vollziehen: „Nieder mit dem Senat!" Nach Reden des Herzogs La Roche- Foucault und Labordsre's erklärt der Präsident, daß er zuerst über den Antrag der Dringlichkeit abstimmen lassen werde. Floquet erklärt, daß er der Verweisung des Projekts an die Kommission den Charakter eines Vertrauensvotums beimeffe. Dieselbe wird mit 307 gegen 181 Stimmen angenommen.
' Paris, 16. Okt. Die das Vertrauens-
Gr sotl dein Kerr sein!
Roman von Marie Lichtenberg.
(Fortsetzung.)
Gleich nach dem Tode seines Onkels war Graf Egon Alhanza mit seiner Familie wieder nach Ungarn zurückgekehrt und hatte sein prachtvolles Stammschloß Alhanza bezogen. Die eintönige Lebensweise aber, welche Graf Egon auf dem zwar prächtigen, aber etwas einsam gelegenen Schlosse führen mußte, war dem jungen, feurigen Wanne nach seinem vielbewegten, extravaganten Leben in Wien nur allzubald unerträglich geworden; deshalb suchte er sich durch häufige Vergnügungsreisen nach Pest, wo er viele Bekannte besaß, zu zerstreuen.
Graf Egon war nach Graf Gyulas Tode lediglich nur Leonies wegen so schnell mit seiner Familie nach Alhanza gereist, denn er scheute diese zwecklosen, qualvollen Herzenskämpfe, weil er erstens sich selbst nicht die Kraft zutrante, fortwährend in Leonies berauschender Nähe so stark zu bleiben, wie er es mußte, wenn er sich nicht selbst verachten sollte, und zweitens, weil er bei Leonies rücksichtslos-leidenschaftlichem Charakter stets hätte befürchten müssen, dieselbe nähere sich Irma ohne sein Wissen und zerstöre in ihrer schrankenlos-wilden Heftigkeit vielleicht durch ein einziges Wort für immer Irmas himmlisch-reinen Seelenfrieden.
Egon hatte wohl durch die Baronin Erdödy vernommen, daß Leonie ganz plötzlich abgereist sei; doch weil selbst die Baronin Erdödy, ihre vertraute Freundin, nicht wußte, wohin diese plötzliche Reise unternommen worden sei, so vermutete er. daß dieselbe eben wieder nur eine flüchtige Laune Leonies gewesen und die schöne, allgemein bewunderte, reiche Erbin nur allzu bald wieder nach Wien zurückkehren werde. Deshalb beschleunigte Graf Egon die Abreise nach Ungarn soviel als möglich und verließ mit den Seinigen sofort nach der Bestattung seines Onkels die Residenz.
Doch kaum weilte Graf Egon einige Tage auf Schloß Alhanza, da fühlte er schon die unerträglichste Langeweile und jenen ungestümen Trieb, im Strudel des Weltlebens alles zu vergessen und zu übertäuben, was sein heißfühlendes Herz bedrückte. Deshalb begann er häufig Ver» gnügungsreisen nach Pest zu unternehmen, wo er sich, da er viele Jugendfreunde dort traf, gewöhnlich mehrere Tage aufhielt.
So war Graf Egon auch heute wieder nach Pest abgereist, wohin er in seiner Eigenschaft als Magnat und Besitzer bedeutender Landesstrecken zu einer großen Landtagssttzung einberufen worden war und von welcher er eist nach Verlauf von acht Tagen zurückzukehren beabsichtigte.
Einige Tage vorher hatte Graf Egon einen Brief von seiner Mutter, der jetzigen Baronin Belany erhalten. Dieselbe schrieb ihm in unsäglich schmerzerfülltem Tone, daß sie mit ihrem zweiten Gatten sehr unglücklich gelebt und sich jetzt gänzlich von ihm getrennt habe; denn der Baron Belany sei ein leidenschaftlicher Spieler und ein höchst roher Mensch, welcher sie jetzt, krank und gebrochen an Leib und Seele, hilflos in Genua zurückgelassen habe.
Durch den Verkauf ihrer Schmucksachen habe sie gerade so viel zusammengebracht, um nach der Heimat zurückkehren zu können. Doch jetzt elend und krank bis ins tiefste Herz hinein, vermöge sie nicht sofort eine neue Existenz für sich zu gründen, und ersehne nur ein paar Wochen völliger Ruhe und Erholung, um sich von dem entsetzlichen Schlage zu erholen, welcher sie getroffen. Deshalb bitte sie jetzt ihren Sohn demütig, ihr, nur für ein paar kurze Wochen, ein Asyl in seinem Hause zu gewähren.
„Wohl weiß ich, mein Sohn", so schloß sie mit ziemlicher Leichtigkeit über ihre Schuld hinweggleitend, „daß ich schwer gegen dich gefehlt habe, aber ich kenne dich, mein Sohn, als viel zu edel und großdenkend, um nicht fest überzeugt zu sein, daß du mir jetzt, wo ich krank und un-