eine seinerzeit dem Kaiser Friedrich für geheime Korrespondenzen mit den obersten Reichsbehörden zur Verfügung gestellte Chiffre, welche sich zur Zeit des Todes des Monarchen noch im Sterbezimmer befand, abhanden gekommen und spurlos verschwunden sei.
* In welchem Umfang unser deutsches Heer gewachsen ist, beweisen folgende Zahlen. Die Friedenspräsenzstärke betrug vom 1. Januar 1872 ab 401 659Mannd.h. Mannschaftenohne Aerzte, Zahlmeister u. s. w., vom 1. April 1881 ab 427 274 Mann und ist am 1. April 1887 auf 468 409 Mann erhöht worden. Dazu kommen noch 1770 Militär-Aerzte, 841 Zahlmeister, 516 Roßärzte, 803 Büchsenmacher, 93 Sattler. Zusammen 491726 Mann, dazu noch 11000 Einjährig-Freiwillige, macht als Totalsumme über eine halbe Million Friedenspräsenzstärke. „Lieb' Vaterland magst ruhig sein!"
' Die Munitionsfabrik in Spandau ist gegenwärtig mit Bestellungen in solchem Umfange versehen, daß sie nicht im Stande ist, dieselbe durch Tagesbetrieb allein auszuführeu. Es ist deswegen seit einiger Zeit die Nachtschicht eingeführt.
^ Elberfeld. Einem hiesigen kranken Fabrikarbeiter, Vater von 8 Kindern, war von einem Arzte Opiumtinktur verschrieben worden. Der Patient nahm die fünfzehnfache Menge der ihm verordneten Dosis und starb bald nachher an Opium-Vergiftung.
* Münster in Wests., 8. Oktbr. In dem Wohnhaus eines Arbeiters zu Ottmarsbocholt brach, wie die ,RH. W. Ztg.' schreibt, dieser Tage Brand aus. Die Ortsfeuerwehr war bald genug am Platze, indes stellte sich ihrem Eingreifen zunächst noch ein Hindernis entgegen. Man konnte nämlich die Feuerspritze nicht finden. Im Spritzenhause, wohin sie ja eigentlich gehörte, war sie nicht und während schon die Flammen mächtig zu dem Gebälk des Dachstuhls emporschlugen, stand rings um das brennende Gebäude die gesamte Dorfbewohnerschaft in Erörterung der nicht minder „breunenden" Frage: „Wo ist die Feuerspritze?" Schließlich erinnerte sich jemand, sie vor längerer Zeit in der Scheune eines Bauernhofes gesehen zu haben. Richtig — da steckte sie, aber so furchtbar eingezwängt zwischen gewaltigen Haufen aufge- stapelter Holzscheite, daß es unendliche Mühe kostete, das wichtige Rettungswerkzeug aus der heillosen Klemme zu befreien. Nasch wurden ein paar Pferde vorgespannt und im Galopp ging cs zur Brandstätte! Man kam gerade zur rechten Zeit, um in den von dem Hause übrig gebliebenen rauchenden Trümmerhaufen noch ein paar Wasserstrahlen zu senden.
* Der Kölner Männergesaugvereiu beabsich
tigt, im kommenden Frühjahr nach Italien zu gehen. Die Osterzeit würde den Verein in Mailand, Turin, Genua, Rom, Florenz u. Bologna sehen, und dann soll Rom den Mittelpunkt der Reise bilden. ^
* Leipzig. Der Rat der Stadt hat dieser
Tage von einem Menschenfreunde, der ungenannt bleiben will, die Summe von 42 500 Mk. zu einer Stiftung für verunglückte bezw. hilfsbedürftige Feuerwehrleute und deren Angehörigen erhalten.
* Bremen, 12. Oktbr. Der hier tagende Protestantentag beschloß eine Resolution gegen die Versuche, ein katholisierendes Kirchenregiment zur Vernichtung der Freiheit und Selbständigkeit der Gemeinde herzustellen, ingleichen gegen die Bestrebungen, dem Staate die Aufsicht und Leitung der Schule zu entreißen.
Ausländisches.
* In Küblis in der Schweiz machte sich ein reisender Engländer den Spaß, auf den Kirchturm zu steigen und Sturm zu läuten. Alles lief erschrocken zusammen und der Engländer kam viel schneller zum Thurm hinab und zum Dorf hinaus, als er hinein und hinauf gekommen war.
* Rom, 11. Okt. Der deutsche Kaiser traf nachmittags 4 Uhr bei herrlichstem Wetter ein. Eine begeisterte Begrüßung seitens des gesamten Volkes, welche alles übertraf, wurde ihm hier zuteil. Die Stadt war in fieberhafter Aufregung. Die außerordentlich belebten Straßen hatten reichen Flaggenschmuck angelegt, überall zeigten sich massenhaft deutsche Fahnen, Flaggen und Standarten, so auf dem Kapitol und dem Qui- rinal. Der Fremdeuzudrang erreichte eine schwindelnde Höhe, die Frage der Verpflegung flößt wirkliche Besorgnisse ein. Die Witterung, die feit acht Tagen fast ununterbrochen regnerisch war, ist sehr schön geworden. — Zur Begrüßung hatten sich der König, der Kronprinz Viktor Emanuel und die Prinzen Amadeus und Thomas nachmittags um 4 Uhr auf dem Bahnhofe eingefunden. Gegen 4 Uhr 10 Min. nahte sich die reichgeschmückte Lokomotive, welche den kaiserlichen Sonderzng brachte. Sobald der Zug hielt, eilte König Humbert Dem Kaiser Wilhelm, welcher die Uniform seines Garde-Husaren-Regi- ments und das Band des Annunziaten-Ordens trug, entgegen, und begrüßte denselben mit wiederholten Umarmungen und Kuß. Einen gleich herzlichen Charakter trug die Begrüßung des Prinzen Heinrich, welcher die Marineuniform trug, durch den König Humbert, und die Begrüßung zwischen dem Kaiser und den Prinzen des königlichen Hauses ec. Die Musik der Ehrenkompagnie spielte bei der Ankuust des Kaisers die preußische Volkshymne. Nachdem der Kaiser an der Seite des Königs die Front der Ehrenkompagnie abgeschritten hatte, begaben sich die allerhöchsten Herrschaften in das Königszimmer, wo die Vorstellung des beiderseitigen Gefolges stattfand. Dann fuhren die Monarchen in einem zweistimmigen Wagen langsamen Schrittes durch die herrlich geschmückte Vis. trlumplislis in den Quirinal. Die am Bahnhof versammelte, Kopf an Kopf gedrängte Volksmenge empfing den Kaiser mit brausenden Willkommrufen. Als die beiden Monarchen den Quirinal erreichten, be-
Amtsnachfolger bestimmt war. Der Orden wurde nun wieder eingepackt, zurückgeschickt und gelangte endlich an die richtige Adresse. — Kürzlich kam ein Schuhmacher voin Lande nach Stuttgart, um Gesellen zur Einstellung zu suchen. Auf der Herberge „Zur Heimat" traf er 3 arbeitslose junge Arbeiter, die er einstellte. Er bezahlte diesen dann in einem Gasthaus das Nachtquartier und die Zehrung. Des andern Tags begab er sich mit denselben auf den Bahnhof, um mit ihnen heimzufahren. Während er an der Kaffe für diese und sich die Billete löste, verschwanden plötzlich alle drei. — Die Amtsversammlung in Oehringe u hat als Beitrag für das in Stuttgart zu errichtende Denkmal für Kaiser Wilhelm I. eine Summe von 6000 Mark beschlossen. — InBopfingen fiel das 4jährige Mädchen des Zementwarenfabrikanten Schäffler vom zweiten Stock des Hauses auf die Straße herab, jedoch ohne Schaden zu nehmen.
* Karlsruhe, 11. Oktbr. Einen Akt em
pörendster Rohheit hat ein Holzhändler aus Feldrennach (Württemberg) hier im Gasthaus zum „Prinz Ludwig" verübt. Derselbe schnitt seinem Pferde, weil dasselbe nicht nach seinem Wunsch gelaufen sein soll, auf beiden Seiten das Maul auf. Man sollte es kaum für möglich halten, daß ein Mensch solch' einer That fähig fei! Dem Vernehmen nach ist der rohe Geselle bereits in gerichtliche Untersuchung gezogen. (Württbg. Lztg.)
* Baden, 11. Okt. Wie das „Badeblatt" aus zuverlässiger Quelle erfährt, sei die offizielle Anzeige der Verlobung der Prinzessin Bourbon, Tochter der Gräfin Traui, mit dem Erbprinzen von Hohenzollern heute hier eiugetroffen.
* Berlin, 11. Oktbr. Ein hiesiger sehr reicher Groß-Industrieller adoptierte die Tochter einer armen Wäscherin. Das Mädchen hatte den alten Herrn einst aus der Gefahr, von zwei sich kreuzenden Trambahnwägen überfahren zu meiden aeeettet.
' Berlin, 12. Oktbr. Die Mackeuzie'sche Broschüre ist bereits in Auszügen im Londoner „Medical Journal" und im „Newyork Herald" publiziert. Dieselbe wird als höchst unbedeutende Leistung bezeichnet und ist besonders gegen die Professoren Gerhardt und v. Bergmann gerichtet, welch' letzteren Mackenzie direkt beschuldigt, durch sein „brutales Verfahren" am 12. April den Tod des Kaisers Friedrich beschleunigt zu haben. Mackenzie behauptet, auch niemals daran gezweifelt zu haben, daß die Krankheit Kaiser Friedrichs Krebs gewesen sei.
' Berlin, 12. Okt. Die Vermählung des Kronprinzen von Griechenland mit der Prinzessin Sofie von Preußen findet im Oktober 1889 zu Athen statt, und zwar in der dortigen Kathedrale nach dem griechischen Ritus. Kaiser Wilhelm werde der Hochzeit anwohnen und auf seiner Reise nach Athen von einem deutschen Geschwader begleitet werden.
* Die „Berl. Polit. Nachrichten" melden, daß
Gr sott dein Kerr sein!
Roman von Marie Lichtenberg.
(Fortsetzung.)
»Nun aber, mon vlisr arai", fuhr Leonie zu Egon gewandt, fort, »bin ich, wie Sie sehen, sicher geborgen, und will Sie nicht länger aufhalten, dem Zuge Ihres Herzens zu folgen, denn Sie werden gewiß schon vor Sehnsucht brennen, nach Ihrer jungen, reizenden Gemahlin zu sehen, welche Sie, in ihrem edelmütigen Eifer, mich zu retten, gänzlich vergaßen; und die im wilden Getümmel des Volksauslaufes, der mein Pferd scheuen machte, gewiß auch in einer recht unangenehmen Lage gewesen sein mußte. Deshalb, Graf Alhanza, entlasse ich Sie jetzt feierlichst Ihres Ritterdienstes und erlaube Ihnen, auf den Flügeln der Liebe zu Ihrer schönen Gattin zu eilen", scherzte Leonie mit allerliebster, doch etwas forcierter Heiterkeit, sich graziös in den Wagen zurücklehnend und Graf Egon mit einem freundlichen Kopfnicken verabschiedend.
Rasch bog dann der Wagen der Baronin Erdödy in eine der Hauptalleen des Praters ein, während Graf Egon, wie plötzlich von einem erschreckenden Gedanken ergriffen, sein Pferd heftig spornend, im raschen Trabe nach Hause sprengte. Denn jetzt, durch Leonies spöttische Bemerkung daran erinnert, fiel es ihm mit schmerzlicher Besorgnis aufs Herz, daß er Irma in dem wildwogenden Voltsgetümmel so ganz achtlos dem Groom überlassen und, in seiner stürmischen Hast, Leonie zu retten, sogar vergessen harte, denselben für die Sicherheit seiner Gattin verantwortlich zu machen.
Daheim angelangt, fragte Graf Egon hastig, ob seine Gemahlin zu Hause sei; und auf die bejahende Antwort des Dieners eilte er hoch- aufatmend nach Irmas Gemächern, noch immer sorgend, daß dieselbe vielleicht durch den Schreck Schaden genommen habe. Schnell durchschritt er mehrere leere Zimmer und öffnete endlich die Thür des Kinderzim
mers. Dort fand er Irma mit. thränenüberströmtem Antlitz an dem Bettchen ihres Kindes knieend.
Als Egon eintrat, flog ihm Irma mit jubelnder Freude entgegen, umschlang ihn zitternd mit ihren zarten, weichen Armen, daS goldigschimmernde Lockenköpfchen fest an seine Brust schmiegend und rief in leidenschaftlich-heißer Erregtheit« wie sie Egon seinem stillen, schüchternen kleinen Frauchen niemals zugetraut hätte, schluchzend und zugleich aufjubelnd in stürmischer Glückseligkeit:
»Du lebst!-Du bist unversehrt!-Wie bin ich glücklich!"
Tief ergriffen zog Egon sein junges Weib ans Herz und fragte besorgt:
„Hat dich denn der Groom ganz ungefährdet nach Hause gebracht, Irmas — Ist dir kein Unfall begegnet?"
„Ich glaube wohl", erwiderte Irma, »daß unsere Pferde auch etwas scheuten doch halfen, wie mir schien, die Umstehenden dem Groom die Pferde festhalten. Aber ich sah und hörte das alles nur wie im Traume, denn die Angst um dich machte mich beinahe wahnsinnig!"
„Und bist du mir auch nicht böse, armes Kind, daß ich dich so unverantwortlich, unvorsichtig in dem wilden Tumult zurückließ?" forschte Egon, indem er sich zärtlich zu ihr niederbeugte, und die unter der allzu heftigen Gemütserschütterung leicht bebende Gestalt Irmas, wie schützend und beruhigend, fest an seine Brust zog.
„Du gingst ja von mir, um ein Menschenleben zu retten! — Das war ja Christenpflicht. Und dann, Egon", schloß Irma mit kindlich- holdem Lächeln, die sanften Blauaugen voll und ganz zu ihm aufschlagend, „welches Recht hätte ich, dir böse zu sein? Bist du nicht wein Herr? Was du thust, ist recht und gut!"
Diese kindlich einfachen Worte berührten Egons ungestüm pochendes, von wilder Leidenschaft erschüttertes Herz mit mildem Friedens-