1527, 1634, 1688) vorführte, die zweite ein Bild der Entwicklung der friedlichen Thätigkeit in Handwerk und Landwirtschaft bot, durch die Stadt nach dem Festplatz, auf welchem eine 2000 Personen fassende Halle errichtet war. In dem farbenprächtigen Zug war besonders die Gruppe von 1688 mit der Bürgermeisterin, dargestellt von der hübschen Tochter des Apothekers Haag, aus das lebhafteste akklamiert. Nachmittags hielt Professor Dr. Schott von Stuttgart in der Halle die Festrede, in welcher er die geschichtliche Bedeutung des Tages darlegte. Uni 6 Uhr begann das Festspiel „Die Weiber von Schorndorf" von Adolph Wechsler, das, neuerdings umgearbeitet und gekürzt, eine freundliche Aufnahme fand. Vor und nach der Aufführung entwickelte sich auf dem Festplatze, der wie die Halle elektrisch beleuchtet war, ein fröhliches Volksfesttreiben. Es fand noch ein Bankett und Kinderfest statt, wobei auch den Kleinen zu Ge- müte geführt worden ist, was unsere Vorfahren iu der Zeit der deutschen Uneinigkeit erdulden mußten.
* (Verschiedenes.) In Benningen wurde der Leichnam eines unbekannten Arbeiters aus dem Neckar gezogen. — Im Gewand „Re- lenberg" Stuttgarter Markung ist ein Reblausherd entdeckt worden. — In Bietigheim fiel ein verheirateter Maurer, Vater von 10 Kindern, von dem Dache eines drei Stock hohen Gebäudes und erlitt außer einem Beinbruch so gefährliche innerliche Verletzungen, daß an seinem Aufkommen gezweifelt wird. — Auf der Straße Kornwestheim-Ludwigsburg wurde ein Bierführer iu jämmerlichem Zustande aufgefunden. Derselbe ist vermutlich auf dem Wagen eingeschlafen, fiel herunter und geriet unter die Räder. Der Verunglückte wurde iu das Krankenhaus verbracht.
^ Nürnberg, 5. Sept. Ein Doppelmord, begangen von einem 11jährigen, noch schulpflichtigen Kindermädchen, wird aus dem Orte Oberhochstadt gemeldet. Ganz kurz hintereinander starb dort den Rixner'schen Eheleuten ein Säugling und ein Ijähriges Mädchen. Elfteres war anstandslos beerdigt worden, allein bei letzterem gelangte man bei der Totenschau zu der Ueber- zeugung, daß das Kind erstickt worden sein müsse. Der Verdacht fiel sofort auf das Kindermädchen; dasselbe wurde in Haft genommen und soll auch bereits ein Geständnis abgelegt haben. Jetzt liegt ein noch fürchterlicherer Verdacht gegen das Mädchen vor, indem man darauf aufmerksam geworden ist, daß im vorigen Winter bei einer Bauernfamilie iu einem anderen Dorfe plötzlich 3 Kinoer rasch nacheinander starben, während dasselbe Mädchen bei dieser Familie in Diensten stand.
* Das erste Todesurteil unter der Regierung König Wilhelms II. ist im Gerichtshof zn Thorn an dem 24jährigen Arbeiter Goreckt mittels des Beiles vollzogen worden. Derselbe war wegen Mordes in zwei Fällen, Mordversuches und gefährlicher Körperverletzung, sowie
wegen Diebstahls zur Todesstrafe und 11 Jahren Zuchthaus verurteilt worden.
* Kassel. Im letzten Frühjahr war aus Burghaun ein Schornsteinfeger, der gelegentlich einer Hochzeit einen jungen Mann durch einen sogenannten Freudenschuß getötet hatte, nach Amerika geflüchtet. Jetzt ist er zurückgekehrt, um sich, da ihm sein Gewissen keine Ruhe ließ, freiwillig dem Gericht zu stellen.
* Altkirch (Oberelsaß), 4. Sept. Während die deutsche Kolonie zu Altmünsterol, Eisenbahnstation an der französischen Grenze, am Sonntag das Sedanfest feierte, brach in dem nahen französischen Orte Petit-croix ein Brand aus.
Die Feuerwehr von Altmünsterol begab sich zur Brandstätte und griff sofort thätig ein. Nicht ! lange indes währte es, als man ihnen sagte,
sie hätten hier nichts zu thuu und möchten sich schleunigst auf den Heimweg machen, welcher Aufforderung natürlich alsbald Folge gegeben wurde.
Ausländisches.
* (Eine Millionenstadt.) In Basel giebt es, nach einer neueren Berechnung, 118 Millionäre und zwar 57, deren Vermögen 1 Million bis IVz Millionen, 19, die zwischen dem IVz- fachen und dem doppelten Millionär schwanken, 42, deren Vermögen 2 Millionen Franken übersteigt.
* Rom, 6. Sept. Auf dem hiesigen Zen- tral-Bahnhofe wurde der Abgang von Fahr- billets erster Klasse im Werte von 80,000 Francs entdeckt. Ein Individuum wurde gestern in Anzio mit einem dieser an den Nummern kenntlichen Billete angetroffen und verhaftet, man befürchtet jedoch, daß die Mehrzahl der gestohlenen Karten bereits ausgegeben und benützt worden sei.
* Paris, 5. Sept. Der französisch-italienische Zollkrieg wird auf dem Boden dritter Staaten geführt. Als Frankreich, der bisherige Hauptabnehmer der italienischen Weine, den Eingangszoll auf diese so sehr in die Höhe schraubte, daß er dem Wert der Ware nahe kam und die Einfuhr unmöglich machte, verfielen die Italiener auf den Plan, ihre Weine als ungarisches Gewächs durch die Schweiz nach Frankreich einzuführen. Allein die französischen Zollbehörden kamen dahinter und machten dieser Einfuhr durch sofortige Maßregeln ein Ende. Da nun die italienischen Lieferanten nicht schnell genug hiervon unterrichtet wurden, spedierten sie noch Wagenladung auf Wagenladung nach Zürich und Genf, wo dieselben aber liegen bleiben mußten, bis weiter über sie verfügt wird.
* Sofia, 5. Sept. Prinz Ferdinand richtete an den Fürsten Bismarck ein Telegramm, worin der Fürst von Bulgarien erklärte, er sei verpflichtet, die Mitteilungen der „Nouvelle Revue", betreffend den veröffentlichten Brief der Gräfin von Flandern, als vollständig erfunden zu bezeichnen.
* Die Einwanderung nach Amerika
werte befindet sich in ärztlicher Behandlung; doch ist Hoffnung auf die Erhaltung seines Lebens vorhanden.
* Tübingen, 6. Septbr. Am 28. Sept. beginnen hier die Schwurgerichtsverhandlungen vom 4. Quartal. Das Interesse an denselben vereinigt sich auf den Pfullinger Raubmord, dessen der ledige Schreiner Mollenkopf von da angeklagt und geständig ist. Die Sache wurde bekanntlich letztmals vertagt, da der Verteidiger Rechtsanwalt Lammfromm auf gestörte Geistes- thätigkeit schließen zu sollen glaubte. Die mittlerweile angestellten Untersuchungen und Beobachtungen ergaben ein negatives Resultat, worauf die Verweisung des Angeklagten vor die kommenden Assisen erfolgte. Durch die bei und nach der That erfolgten Nebenumstände dürste der Kriminal-Prozeß interessant werden. Der Angeklagte fühlt jetzt tiefe Reue und geht seinem schweren Geschick mit Ergebung entgegen.
* Stuttgart, 8. Sept. Wie der „Staats- Anzeiger" mitteilt, ist die Massagekur, welcher sich der König unterzogen hatte, heute beendet worden. Die neuralgischen Schmerzen sind nicht völlig geschwunden, es ist aber eine Kräftigung der Muskulatur und die Gebrauchsfähigkeit der Beine erreicht worden und die früheren Störungen des Kreislaufes sind gehoben.
^ Heidenheim, 6. Sept. Die Stadt Giengen feierte gestern das sog. „Brandfest". Nach der Schlacht bei Nördlingeu am 27. Äug. 1634 lagerte die ganze spanische Macht vor und in Giengen. Die Gräuel, die verübt wurden, waren unbeschreiblich; Kinder, Weiber, Wehrlose aller Art wurden mißhandelt und grausam getötet. Am 5. September brach ein Brand aus, der die ganze Stadt einäscherte, was noch fliehen konnte, flüchtete sich nach Ulm. Pfarrer Edelmann war der letzte, der sich aus der Stadt machte. Zum Andenken an diese schrecklichen Tage war heute vormittag iu der Stadtkirche und nachmittags in der Spitalkirche Gottesdienst.
* Schorndorf, 6. September. Vom besten Wetter begünstigt hat die heute hier abgehaltene Künkeliu-Feier einen sehr gelungenen Verlauf genommeu. Extrazüge brachten von allen Seiten eine nach Tausenden zählende Menge, welche gekommen war, das Jubiläum der tapferen Bürgermeisterin Walch-Künkelin, die mit ihrer tapferen Weiberschaar die Stadt Schorndorf im Jahre 1688 von den Mordbrennern Melacs errettete, zu feiern. Die Stadt hatte einen reichen Flaggeu- schmuck angelegt und Ehrenpforten mit sinnigen Inschriften überwölbten die Straßen. Prinz Wilhelm, welcher sein Erscheinen zugesagt hatte, ward leider wegen anderweitig getroffener Dispositionen vom Feste ferngehalten. Der Festtag ward von einer Tagewache eingeleitet und um 9 Uhr begann ein Festgottesdienst in der Stadtkirche. Nachmittags bewegte sich der in zwei Abteilungen zerfallende Festzug, von denen die erste die hauptsächlichsten Kriegszeiten, in welchen Schorndorf als Festung eine Rolle spielte (1490,
Gr soll dein Kerr fein!
Roman von Marie Lichtenberg.
(Fortsetzung.)
Ich übergab also Irma mit sieben Jahren dem Urmlinerkloster in Pest, in dessen Mauern die Töchter der besten Familien erzogen werden. Ich hätte Irma ebenso gut in ein elegantes Pensionat »enden können, aber erstens schien mir für die einfache Irma Brumislav — denn so lautete Irmas Taufschein, welchen ich vorzeigen mußte — das Kloster der bessere Platz; und zweitens fürchtete ich für den frühgeweckten, übersprudelnden Feuergeist meines impulsiven Kindes diese moderne, nur aus den äußeren Schein berechnete Erziehung. Ich wollte meines Kindes junges Herz bewahren vor jener koketten selbstsüchtigen Weltanschauung — die sich selbst zum Mittelpunkte alles Denkens und Fühlens macht — welche, bei geistig regen Kindern, gewöhnlich das Resultat der modernen Penfionserziehung ist. Irmas eigentümliches Kindheitsleben war von so vielen Exzentrizitäten und Gefühlsbewegungen erfüllt gewesen, daß ihr ganzer Charakter leidenschaftlicherer Natur war, als es sonst bei so jungen Kindern der Fall ist.
Irmas Herz war engelsgut, aber ihr ganzes Denken und Empfinden stürmisch, heftig und leicht erregbar.
Eben, weil sie mich so unsäglich liebte, war auch ihr Schmerz, von mir gemimt zu werden, ein fast verzweifelnder. Aber weil ich sie nicht selbst erziehen konnte, so wählte ich die allerdings etwas einförmige Klosterdisziplin, um durch die milde Strenge und gleichförmige Ruhe derselben die allzuhoch gehenden Gefühlswogen in der Brust meines wilden Naturkindes allmählich in das ruhige Geleise des alltäglichen Lebens zurückzuführen.
An dem Tage selbst, wo ich Irma dem Kloster in Pest zu über.
geben beabsichtigte, lag mir noch di: schwere Aufgabe ob, meinem Kinde begreiflich zu machen, daß weltliche Gründe, welche sie noch nicht verstehen könne mich zwängen, nicht mehr als ihr Vater, sondern als ihr Vormund und Pflegevater zu gelten. Sie müsse im Kloster — so schloß ich — den Namen Irma Brumislav führen und dürfe mich bei meinen gelegentlichen Besuchen nicht „Vater", sondern „Herr Vormund" nennen. Nur unter dieser Bedingung würde ich sie später im Kloster besuchen.
So sanft und ruhig Irma im gewöhnlichen Leben war, so blieb sie in Momenten der Erregung doch ganz das heißblütige Kind meiner wilden Steppenrose. Schluchzend lag sie nach diesen Worten an meiner Brust und war stundenlang nicht zu beruhigen.
„Wenn ich dein Kind nicht mehr sein darf, Herzensvater-
dann laß mich sterben, damit ich zu meinem lieben Mütterchen komme," schluchzte Irma, in leidenschaftlicher Verzweiflung zu meinen Füßen niedersinkend.
Mir zitterte das Herz in tiefem Weh bei diesem wilden Schmerzensausbruch meines hilfelosen Kindes; doch ich mußte hart, ich mußte unbeugsam sein, zu meines Kindes Wohl.
Fast gewaltsam trug ich das schluchzende, in Thränen aufgelöste Kind in den Wagen, welcher uns nach dem Kloster der Ursulinerinnen brachte; und als ich dort Irma in die Arme der Aebtissin legte, brach das tieferschütterte kleine Wesen ohnmächtig zusammen.
Diesen Augenblick der Bewußtlosigkeit benutzend, flüchtete ich rasch fort, denn ich befürchtete, bei Irmas Erwachen nicht mehr den Mat zu haben, mich von ihr zu trennen.
So kehrte ich als düsterer, lebensmüder Mensch nach Alhanza zurück, während alle meine Gedanken bei meinem Kinde weilten.
Mit der Aebtissin — welcher ich Irmas Pflege und Erziehung ganz besonders ans Herz gelegt hatte — blieb ich in regem Briefwechsel.