Haus verließ. Dieser Knabe hat sich, weil er Streiche hörte, in der Nacht zu dem Gesellen geflüchtet, sonst wäre er sicherlich auch totgeschlagen worden. Der Geselle war der Meinung, sein Meister habe eben einen nichtssagenden Streit mit seiner Frau. Ein Motiv zur That liegt bis jetzt nicht vor. Die Leute sind ver- möglich und gut prädiziert, die Ehe war eine friedliche. Anlagen zur Verrücktheit sind seither von niemand an dem Manne wahrgenommen worden.
* (Verschiedenes.) In Stuttgart bekam ein Bäcker u. Konditor in der Königsstraße unerwarteten und unberufenen Besuch von einem Bienenschwarm, der, angelockt durch den guten Duft, die Ladenthüre von oben bis unten mit riesiger Beharrlichkeit besetzt hielt und die Süßigkeiten des Bäckerladens erproben wollte. Der Ueberfallene hatte unsägliche Mühe, dem Bienenvolks begreiflich zu machen, daß es nicht in die rechte Küche geraten sei. — In Wald see errettete ein Metzgermeister eine dem Tode des Ertrinkens nahe Bäckerin aus dem Stadtsee. — In Ebingen suchte ein 19jährigcr Bursche seinen Tod auf den Eisenbahnschienen und in Brackenheim hat sich eine Wirtsfrau in einem Anfall von Schwermut erhängt.
* Mannheim, 20. Juli. Die Witwe eines vor einiger Zeit durch einen unglücklichen Zufall eines Mainzer Gasthofbesitzers auf der Jagd getöteten Waldhüters erhält von jenem 5000 Mk. baar und 360Mk.Jahresrente als Entschädigung.
* Nach nur cktägiger Krankheit starb in Würzburg am vorigen Dienstag das 11jährige Töchterchen des Herrn Rechtsanwalt Medikus dort. Dasselbe hatte sich durch das Tragen von blauen, mit giftigen Stoffen gefärbten Strümpfen eine Blutvergiftung zugezogen. Untersuchung ist im Gange.
* Berlin, 23. Juli. Die „Nordd. Allg. Ztg." bespricht heute einen Artikel der Pariser „Autoritee", in welchem behauptet wurde, daß Graf Bismarck nach der Petersburger Zusammenkunft nach Paris gehen und dort d'ie „Abrüstung" verlangen würde, und sagt: „Der Gedanke, daß Deutschland sich wegen der Abrüstung in Paris bemühen sollte, sei ein so insipider, daß er wirklich nur auf Kinder in der Politik berechnet sein könne."
* Berlin, 23. Juli. Mehr als seltsame Berichte bringt die „Schles. Ztg." aus London. Danach hätte die Königin Viktoria dem mit der Notifikation der Thronbesteigung Kaiser Wilhelms betrauten Generaladjutanten v. Winter- feldt, der dem Kaiser Friedrich persönlich sehr nahe gestanden, einen eigentümlichen Empfang zuteil werden lassen. Zuerst sei dem General und dem ihn begleitenden Hauptmann eröffnet worden, die Königin wünsche die Herren in Zivilkleidern zu empfangen; obschon überrascht, da sie damit nicht versehen waren, haben sie sich in LondonZivilkleidung gekauft und seien der Weisung nachgekommen. Bei der Audienz habe die Königin
zu General Winterfeldt gesagt: „Bei Ihnen hat sich in letzter Zeit viel verändert", und zu dem ihr aus dem Gefolge Kaiser Friedrichs bekannten Hauptmann: „Ich habe Sie lange nicht gesehen"; darauf habe sie mit den Worten: „Ich danke Ihnen, meine Herren", die Audienz beendet. Nach der „Nat.-Ztg." fragte die Königin nach Durchlesung der Notifikationsurkunde den General Winterfeldt, wann er abzureisen gedenke, worauf dieser antwortete: wenn die Königin keine weiteren Befehle für ihn habe, alsbald, was denn auch geschehen sei. Bekanntlich haben manche Blätter dem General Winterfeldt noch eine besondere private Mission seitens des Berliner Hofes zugeschrieben.
— Nach Berichten aus London herrscht daselbst große Aufregung über die Meldung, wonach bei den Manövern an der irischen Küste eine ganze Anzahl von Schiffen sich als reparaturbedürftig bezw. seeuntauglich erwiesen hat.
— Die K. württemb. Regierung hat beim Bundesrat beantragt, daß trotz des Bundesratsbeschlusses, wonach vom 1. Juli an fremde Scheidemünze in Zahlung weder gegeben noch genommen werden soll, die Scheidemünzen der Frankenwährung bei den Kassen der württemb. Eisenbahn- und der württemb. Bodensee-Dampf- schifffahrts-Verwaltung in Friedrichshafen auch fernerhin in Zahlung genommen und gegeben werden dürfen.
* FürstBismarck wird, wie der „Hamb. Korr." mit Bestimmtheit meldet, Mitte August in Begleitung seines Schwiegersohnes, Grafen Rantzau, zu 3wöchiger Kur in Kissingen eintresfen. Seine Wohnung im Schlosse an der Saline wird bereits in den Stand gesetzt und die Sendung von Equipagen und Dienerschaft aus dem königlichen Marstall in München ist bereits angekündigt.
* Solingen. Auf dem Turm der größeren evangelischen Kirche war ein Arbeiter damit beschäftigt, eine neue Blitzableiter-Platinaspitze auf dem Kopf des Hahnens zu befestigen. Ein Genosse war ihm dabei behilflich. Nach vollendeter Arbeit führte einer der beiden Arbeiter ein waghalsiges „Reiterkunststück" aus. Er setzte sich nämlich in die Vertiefung zwischen Kopf und Schwanz des Hahns, sein Genosse drehte sodann den Hahn mehrere Male schnell um, während der tollkühne „Reiter" aus schwindelnder Höhe herab den am Fuße des Turms stehenden Zuschauern mit seiner Mütze zuwinkte. Der Verwogene langte für diesmal ohne Unfall unten an.
* Straßburg, 21. Juli. Der des Landesverrats angeklagte, nach mehrmonatlicher Untersuchungshaft aber mangels Beweis freigegebene Apotheker Girard aus Schirmeck hat durch Beschluß des Bezirkspräsidenten von Unterelsaß die Weisung erhalten, das Neichsland innerhalb dreier Tage zu verlassen.
* Aus dem Reichslande, 19. Juli. In den Kreisen Hagenau und Weißenburg hat sich ein aus angesehenen Eingesessenen zusammen
gesetzter Ausschuß gebildet behufs Errichtung eines würdigen Denkmals für den verewigten Kaiser Friedrich auf dem erinnerungsreichen Boden des Schlachtfeldes von Wörth. In allen Kreisen der Bevölkerung fand der Gedanke begeisterten Wiederhall. Die Vertretung der Gemeinde Wörth hat sich ferner schon bereit erklärt, einen für das Denkmal geeigneten Platz aus Gemeinde- Mitteln zu beschaffen.
* Niederbronn (Elsaß), 21. Juli. Gestern nachmittag trafen unter Leitung des Chefs des Gencralstabs v. Bock und Polach 20 Offiziere verschiedener Truppenteile vom 15. Armeekorps hier ein. Dieselben waren von Sulz u. W. hergekommen und hatten im Laufe des Tages auf den Gemarkungen zwischen dort und hier Terrainstudien vorgenommen. Bei dieser Uebungs- reise ereignete sich ein bedauernswerter Unfall, indem zwischen Langensulzbach und Nehweiler, ganz in der Nähe des Wörther Schlachtfeldes, Major v. Arnim vom Pferde stürzte und das Genick brach. Seine Leiche wurde in das Militärhospital nach Hagenau verbracht.
Ausländisches.
* Wien, 22. Juli. Man spricht davon, daß außer Kuhn auch die Korpskommandanten Ramberg in Agram und Herzog von Württemberg in Lemberg durch jüngere Kräfte ersetzt werden sollen.
* Wien, 23. Juli. Die „Sonn- und Montagszeitung" meldet aus angeblich verläßlicher Quelle, daß König Milan von Serbien den Gedanken an eine Scheidung von seiner Gattin bereits fallen gelassen habe, da mächtige Einflüsse sich in diesem Sinne geltend machten.
* Rom, 24. Juli. Die Abendblätter veröffentlichen ein Telegramm, wonach am 20. Juli einige in Claviöres liegende Alpenjäger im Glauben, noch auf italienischem Gebiete sich zu befinden, die Grenze überschritten, auf ihren Irrtum aber aufmerksam gemacht sofort zurückkehrten. Zwei italienische Sergeanten, welche einige Minuten ans französischem Gebiet blieben, wurden rasch von 50 französischen Soldaten umzingelt, verhaftet und nach Briancon gebracht. Eine heutige Depesche meldet, daß der Kommandant von Briancon seinen Irrtum erkannte und die italienischen Sergeanten freiließ; der betreffende italienische Kompagniekommandant wird für seine Nachläfsigkeit der verdienten Strafe entgegengeführt.
* Die Erwerbung der Villa Zirio in San Remo durch die Königin Viktoria von England geschieht, wie der „Magdeb. Ztg." mitgeteilt wird, zu Gunsten der Kaiserin Friedrich. Es soll in diesen Räumen kein Fremder wieder wohnen; die Villa soll der Benutzung der kaiserlichen Witwe und ihrer Töchter Vorbehalten bleiben.
* Paris, 21. Juli. Der „Matin" publiziert eine Korrespondenz aus Metz, welche in sensationeller Form mitteilt, daß die ganze deutsche Armee jetzt mit Repetiergewehren bewaffnet sei.
In einem schwachen Augenblick.
Von Arthur Zapp.
(Fortsetzung.)
„Erich wird es mit der Zeit überwinden*, reflektier« die Gräfin. Aber als sie wieder in ihrem Zimmer allein war, drückte ihr die Erinnerung an sein bleiches, bekümmertes Gesicht bald das Herz ab. Wie frisch und rosig sah ec noch heute morgen ans! Das war die Wirkung der Liebe des jungen Mannes. Jetzt war er bleich und elend — das war ihr, der Mutter Werk. Sollte er jetzt wieder, nachdem seine Gesundheit sich so erfreulich gekräfligt, durch ihre Schuld krank oder siech werden? O, was waren Rang und Reichtum im Vergleich zu Glück und Gesundheit ihres Kindes! Und Alma Werner? Er hatte recht! Wenn sie von gleicher Herkunft gewesen wäre, sie würde ihr zehnmal willkommener sein, als Baronesse Helene.
Es war schon spät in der Nacht, als die Gräfin, die keine Ruhe finden konnte, ihre Schritte nach dem Zimmer ihres Sohnes lenkte. Sie hatte sich vorgenommen, ihm wenigstens den Trost eines Aufschubs zu geben, ihm zu sagen, daß sie noch einmal reiflich überlegen wolle. Seine Thür war nicht verschlossen Sie trat ein. Auf dem Tische brannte eine Kerze, deren gelber Schein auf Erichs Gesicht fiel. Er war nicht zu Bett gegangen. In einem weiten Armsessel ruhte er, unruhig schlummernd. Wie das Antlitz des Sohnes rhr vorkam, bleich wie das eines Toten! Entsetzt stieß sie einen Schrei aus.
„Ei ich — Erich!*
Er sprang hastig aus, sie mit verstörten Blicken betrachtend.
„Erich, mein Sohn, mein liebes Kind!* rief sie aus, sich schluchzend an seine Brust werfend. „Dein Glück ist mir teurer als alles andere in der Welt. Ich gebe meine Einwilligung.*
VII.
„Alma, mein süßer, lieber Schatz — mein süßes kleines Weibchen!*
Mit diesen Worten begrüßte Erich am andern Morgen zu einer Stunde, die unter Umständen unschicklich früh gewesen wäre, des Doktors Tochter, als er in das Wohnzimmer trat, in dem Alma allein bet einer Handarbeit saß.
„O Erich, täuschest du mich nicht — so hat deine Mutter eingewilligt?" rief sie aus, indem sie aufsprang und ihm freudig enigegeneilte.
„Sie hat eingewilligt, daß ich der glücklichste Mann sein soll und darum bin ich schon so zeitig hergeeilt, um dir diese goldene Neuigkeit zu bringen und mit deinem Vater zu sprechen. Wo ist er, Schatz?*
„Da kommt er", antwortete sie, als sich von draußen Schritte vernehmbar machten. Erich schlang seinen Arm um ihren Hals und so gingen sie mit glückstrahlendem Antlitz dem Doktor entgegen.
Und in der That, noch nie batte das junge Mädchen sich so überglücklich gefühlt, wie an diesem Morgen, der ihr wie ein süßer Traum oerstrich. Am Nachmittag ging sie hinaus nach Schloß Meldern auf der Gräfin ausdrücklichen Wunsch. Gräfin Meldern war Alma gegenüber die Liebenswürdigkeit selbst.
„Mein Kind*, sagte sie, indem sie Alma auf die errötende Wange küßte, „ich gestehe, daß ich anfangs keineswegs zufrieden war, als ich von Erich hör«, welche Wahl er getroffen, aber jetzt fühle ich, daß er gut gewählt hat. Du wirst ihm eine gute und liebevolle Frau fein.*
„Das soll mein höchstes Bestreben sein", entgegnen Alma in innigem Ton.