von Philippopel, Medini, apostolischer Vikar von Bulgarien, reiste gestern hier durch und besuchte den früheren Bulgarenfürsten Alexander von Battenberg, welcher den Bischof nach dem Bahnhof begleitete, wo ihn der Bischof küßte.
* Berlin, 8. April. Das Berliner Zentral- hilfskomite hat bis jetzt etwa 300000 M. für die Ueberschwemmten gesammelt.
* Berlin, 8. April. Sehr beliebt ist in der freisinnigen Presse in diesen Tagen der Hinweis auf das Bismarck'sche Wort: „WirDeutsche fürchten Gott und sonst nichts in der Welt." Man will die angebliche „Angst" des Fürsten Bismarck vor dem Zaren mit diesem Wort in Gegensatz stellen, und es entwickelt namentlich die „Freist Ztg." des Herrn Richter einen großen Aufwand von Dialektik in der Ausbeutung dieses Gedankens. Wir führen an, was die „Köln. Ztg." au gelegentlicher Stelle hiegegen sagt: Wenn dieselben Leute, welche stets, wenn wir in russischen Dingen ein ernstes Wort reden, mit der Behauptung bei der Hand sind, wir forderten Rußland unnützerweise heraus und störten dadurch den Frieden, es jetzt abwechslungsweise mit der Melodie versuchen, wir hätten eine unwürdige Angst vor Rußland, so sind wir an dieses kindische Spiel längst gewöhnt. Man braucht durchaus keine Furcht vor Rußland zu haben, wenn man sich dagegen verwahrt, daß Hunderttausende der kräftigsten Söhne Deutschlands auf den Schlachtfeldern verbluten sollen, auf denen nicht um deutsche Lebensfragen gekämpft wird. Die Bedürfnislosigkeit ist die Stärke der deutschen Politik, welche nicht durch eine abenteuerlich ausgreifende Staatskunst preisgegeben werden darf, wenn Deutschland nicht eines seiner kostbarsten Güter, seinen Ruf als friedenverbürgende Macht verlieren soll. Es ist einer der größten und edelsten Züge der Bismarck'schen Politik, daß die Welt, welche das geeinte und machtvolle deutsche Reich anfangs ganz naturgemäß argwöhnisch betrachtete und einen Schulmeister der Welt ä 1a Napoleon in ihm witterte, sich in dieser Beziehung voll- tändig beruhigt hat. Wir werden diesen müh- am gesammelten Schatz hoffentlich nicht leichtinnig verschleudern. Rußland wird unsere Thür stets für eine ehrliche freundschaftliche Annäherung offen finden, und wir werden uns vor Maßregeln hüten, welche der deutschen Nation nicht den geringsten Nutzen bringen, Rußland aber verletzen müssen.
Berlin, 9. April. Kaiser Wilhelm soll, wie hiesige Blätter melden, jedem Invaliden aus dem Kriege 1870 und 71 testamentarisch 30 Mark zugewiesen haben.
* Berlin, 9. April. Im Zustand des Kaisers folgen abwechselnd auf ein relativ günstiges Befinden zeitweise weniger befriedigende Intervalle und namentlich die Nächte sind immer noch durch Husten und Auswurf gestört. — Heute Abend finden kommissarische Beratungen zwischen den bei der Ausarbeitung der Notstandesvorlage beteiligten Ressorts statt. Dem Vernehmen nach
dürfte es sich um einen Betrag von circa 30 Millionen Mark handeln, wovon 20 Millionen vornehmlich zur Unterstützung der Ueberschwemmten, der Rest zur Wiederherstellung der Eisenbahndämme, Deiche rc. bestimmt sind.
* Berlin, 9. April. Neuere Nachrichten über die Kanzlerkrisis liegen nicht vor; sie ist noch in der Schwebe. — Die „Post" bemerkt heute, daß in den Vorgängen der letzten Tage für alle Anhänger der Bismarck'schen Politik die dringende Mahnung liege, ihr Pulver trocken zu halten.
* Berlin, 9. April. Kaiserin Viktoria ist Montag morgen um 7 Uhr von Charlottenburg aus nach Posen abgereist. Die drei Prinzessinnen Töchter geleiteten sie auf den Bahnhof. Die Kaiserin traf um Vs 11 Uhr in Landsberg an der Warthe ein, verließ dort den Salonwagen und ließ sich die Spitzen der Behörden und die am Rettungswerk Beteiligten vorstellen. — Der „Neumärkischen Zeitung" zufolge sagte die Kaiserin in Landsberg zu dem Landsrat Jacobs: „Ich beauftrage Sie, allen, die sich bei der jetzigen Gefahr hilfreich beteiligten, den Dank Sr. Maj. des Kaisers und den Meinigen auszusprechen. Wir nehmen tiefsten Anteil an dem Unglück und hoffen, was Menschenhilfe lindern kann, zu lindern."
* Berlin, 9. April. In hiesigen nationalen Kreisen ist eine Adresse an den Reichskanzler in Vorbereitung, in welcher der dringende Wunsch nach seinem Verbleiben im Amte, sowie das rückhaltlose Vertrauen ausgesprochen wird, daß Kaiser Friedrich in seiner allgemein verehrten Weisheit und hochherzigen Hingebung an die großen Interessen der Nation Mittel und Wege finden werde, einen so unersetzlichen Verlust von Deutschland abzuwenden. Die Adresse soll öffentlich zur Unterzeichnung ausgelegt werden.
* Berlin, 10. April. Der Kaiser spendete für die Ueberschwemmten fünfzig Tausend Mark.
^Berlin, 10. April. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Der Kaiser verlieh dem Dr. Sir Morell Mackenzie das Groß-Komthurkreuz des Hohenzollern-Ordens und händigte ihm am 3. April die Insignien des Ordens mit ungefähr folgenden Worten ein: „Als Sie zuerst kamen, hatte Ich Vertrauen zn Ihnen, weil Sie durch Meine deutschen Aerzte empfohlen waren. Bald lernte Ich Ihre Tüchtigkeit selbst schätzen. Ich gebe Ihnen deshalb mit vielem Vergnügen diesen Orden in Anerkennung Ihrer wertvollen Dienste und in Erinnerung an Meine Thronbesteigung."
* Der Witwe des Erfinders des Fernsprechers, der Frau Reis in Friedrichsdorf bei Homburg, ist, infolge eines Antrages des Unterstaatssekretärs Dr. v. Stephan, vom Kaiser ein jährliches Gnadengehalt von 1000 M. bis ans Lebensende bewilligt worden. Herr v. Stephan hat die Witwe Reis von dieser kaiserlichen Zuwendung durch ein Telegramm in Kenntnis gesetzt.
* Straß bürg, 10. April. Die amtliche
Landeszertung meldet: „Sicherem Vernehmen nach hat Se. Majestät der Kaiser im Anschluß an den für Preußen ergangenen Gnaden-Erlaß einen solchen Erlaß auch für Elsaß-Lothringen vollzogen."
* Rom, 10. April. Wegen der Kopfsteuer kam es in Bernalda, im Bezirk Potenza, zu einem thätlichen Konflikt zwischen Bauern und Gensdarmen. Letztere mußten feuern; sie töteten vier und verwundeten mehrere Bauern. Auch Gensdarmen wurden blessiert.
* Bern, 10. April. Der Bundesrat beschloß, gegen den Verfasser, den Herausgeber und den Verbreiter des Gedichts „Vivs M Graues" bei der Baseler Fastnacht die strafgerichtliche Untersuchung einzuleiten und den Fall an die Bundesassisen zu verweisen.
* Paris, 9. April. In Perigneux (Dor- dogne) wurden von 148000 eingeschriebenen Wählern 100000 Stimmen abgegeben. Mulmiger erhielt 59 500 Stimmen und ist also gewählt. Der Opportunist Clerjonnie erhielt 35 750, zerplittert waren 4450 Stimmen.
— (Boulangitis.) In der Dordogne ist Boulanger gewählt, in Laon haben sich die 45000 Stimmen vom 25. März fast ohne Ausnahme nach seinem Kommando auf den erzradikalen Doumer vereinigt, in einem zweiten Departement im Süden kam er in die Stichwahl, die indirekt ebenfalls zu seinen Gunsten entschied. Das ist ein wahrhaft großer Erfolg an einem Tage. Im Norden will nun Boulanger zum dritten Mal gewählt sein, ehe er in die Kammer eintritt — sofern dies überhaupt seine Absicht und nicht vielmehr das Jmmer- Wieder-Kandidieren und Jmmerwieder-Gewählt- werden Selbstzweck ist, bis zu den allgemeinen Neuwahlen der eigentliche Spektakel losgehen kann. Boulanger soll nicht nur der Held einer vollkommen zielbewußten Protestationspartei sein, er ist tatsächlich auch die Verkörperung einer rapid anwachsenden reinen Kriegspartei. Eine soeben gegründete Patrioteuliga Nr. 2 hat in einer Adresse an Boulanger auch deutlich ausgesprochen, was man von ihm erwartet. Der Gedanke der „Wiedererwerbnngen" soll bei Straßbnrg und Metz keineswegs still halten. „Vom Atlantischen Meer bis zum Rhein" soll Held Boulanger „das Vaterland wieder frei machen."
-- Die durch den Wahlsieg Boulangers hervorgerufene Aufregung in Paris wird von den Boulangisten gesteigert. Gegen halb 4 Uhr' wurde in der Rue Montmartre vor dem Bou- langistenblatte „Cocarde" eine Kundgebung für Boulanger gebracht, der erschienen war, um seinen offenen Brief an seine Wähler nach dem Bureau des Blattes „France" zu bringen, das in demselben Hause erscheint. Als Boulanger abfuhr, umringte ein Volkshaufe den Wagen, rief Lebehochs und stimmte Boulangisteulieder an. — In Regieruugskreisen ist man verstimmt;
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§ 8 2 ss
Louisou.
Erzählung von Brunno Köhler.
(Fortsetzung.)
Mit erneutem Eifer widmete er fich seinem Rettungswecke. Eine seltsame Aufregung war über ihn gekommen. War es ihm doch plötzlich, als belaste der Kummer der schönen, bleichen Frau auch sein eigenes Herz. Ihr rührender, flehender Ton hallte fort und fort in seinem Ohr.
Nachdem Walter mit dem Verbände zu Ende gekommen war, erhob er sich aus seiner gebückten Stellung. Er mußte den Kopf einen Augenblick etwas hintenüber beugen und tief Atem schöpfen; das Blut war ihm — wohl infolge seiner angestrengten Thätigkeit — in die Schläfe gestiegen und hämmerte dort mit lauten Schlägen. Oder hatte die beständige Berührung mit der kleinen, zarten Hand der Gräfin, die so willenlos in der jeinigen lag. die Unruhe seines Blutes verursacht? Der besorgte Blick, den er auf die wie leblos Daliegeude warf, verriet, wie sehr ihn die Aufregung um seine Patientin erfüllte. Ein Wundfieber schien fich bei dieser einzustellen. Mit einem halb unterdrückten Schmerzenslaut wandte die Gräfin wieder ihr Gesicht der Wand zu.
Der Graf erschien an Walters Seite. „Was ist dir, Louison, wünschest du etwas?" fragte er, sich nach dem Bett hinüberbeugend.
Die Angeredete beantwortete seine Frage nicht, sie mußte sie nicht vernommen haben.
Ein jäher Zornesblitz schoß aus dem Auge des Grafen. Sein hübsches, von einem dunklen, spitzgeschorenen Vollbart umrahmtes Antlitz wurde plötzlich durch einen Ausdruck wilder Leidenschaft verzerrt. Seine Lippen preßten sich fest aufeinander, wobei ein brutales Lächeln,
das im auffallendsten Widerspruch mit seinen streng aristokratischen Zügen stand, um seinen Mund spielte. Doch schon im nächsten Moment war diese zornige Aufwallung wieder verrauscht und die Besorgnis um seine Gemahlin drückte sich aufs neue in seinen Mienen aus. Er bemerkte, daß Walter sich nach einem Glase Umsatz, in welches derselbe aus einem Mitgebrachten Fläschchen eine beruhigende Arznei für die Gräfin gießen wollte. Eilig sprang der Graf hinzu und brachte das Gewünschte von einem Nebentisch herbei, auf dem noch ein zweites, ebenfalls unversehrtes Glas neben einer Wasserkaraffe stand.
„Ist dies das Glas, mit welchem fich die Gräfin verletzte?" fragte Walter halblaut, mit gedehntem, forschenden Tone, indem er das geschliffene, zierliche Gefäß in Empfang nahm.
Eine sichtliche Verstimmung zeigte fich auf dem Gesicht des Grafen. „Nein!" antwortete er kurz, „jenes Glas ließ ich entfernen!"
„Ich hätte darauf schwören wollen, die Wunde am Handgelenk Ihrer Gemahlin sei durch eine scharfe Waffe — ein Dolchmesser z. B. — verursacht worden!" sprach Walter, und zählte dabei die Tropfen, die er aus einem Fläschchen in das Glas goß.
Der Graf konnte eine Bewegung des Unwillens nicht verbergen. „Es thut mir leid, Ihnen sagen zu müssen, daß Sie sich irren, mein Herr!" erwiderte er barsch.
„Es kann ja möglich sein!" bemerkte Walter ruhig. „Vielleicht war es ein Tischmesser. — Ein Glasscherbe keinesfalls!"
Mit einem plötzlichen Ruck hatte sich der Graf nach Walter herumgewandt, eine heftige Erwiderung lag auf seinen Lippen. Beide Männer blickten sich einen Moment fest an. Die Gelassenheit des vermeintlichen jungen Doktors schien auch dem Grafen die Besonnenheit zurückzugeben.
„Ich wiederhole Ihnen nochmals, daß Sie sich irren!" sagte er
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