das Pamphlet zu 10 Cts. per Stück in dessen Laden verkauft. Die Polizei hat, als sie davon erfuhr, den Verkauf untersagt und die noch vorhandenen Exemplare vernichtet. (Der „deutsche" Kolportagebuchhändler ist hoffentlich ein El- läßer.)
* Rom, 19. März. Der Marineminister verlangt einen außerordentlichen Kredit von 12 Millionen zur Anschaffung von 10 neuen Torpedos, zur Verstärkung der Befestigungen von Magdalena, Venedig und Spezia, zur Armierung einer größeren Anzahl von Schiffen für den Kriegsfall und zur Anschaffung von unterseeischen Kriegswerkzeugen.
* Die Pariser Regierung beabsichtigt nach hier eingelausener Meldung Boulanger vor ein Disziplinargericht zu stellen und ihn wegen politischer Umtriebe endgiltig aus dem Heeresver- baude auszuschließen.
* Paris, 18. März. Die Agitation zu Gunsten Boulangers nimmt immer bedrohlichere Dimensionen an. Man verkennt in parlamentarischen Kreisen nicht die große Gefahr derselben. Die gesamte Presse erörtert die Frage mit besorgtem Ernst. Cornely schreibt heute im „Matin": „Ich erkläre auf Ehre und Gewissen, daß ich an die Zukunft Boulanger's glaube; ich glaube, daß er Diktator sein wird und daß Nichts ihn daran verhindern kann.
* Paris, 19. März. Das „Komitee des Nationalprotestes" gegen die Absetzung Boulangers versammelte sich bei Laguerre und erließ folgenden Aufruf an die Wähler des Departements Aisne und Bouches-du-Rone: „Im Innern zeigt die Negierung Ohnmacht, nach außen Flachheit. Das von energielosen Ministern geleitete Parlament läßt keine einzige republikanische Reform reifen. Die Gleichheit bezüglich der Militärdienstpflicht ist nach vier Legislaturperioden noch immer ein leeres Wort. Die gewältthätige antinatwnale und gegen das patriotische Gefühl des Landes gerichtete Maßregel, welche den General Boulanger getroffen, zwingt uns, gegen diese unheilvolle Politik zu protestieren. Frankreich weist jede Diktatur zurück. Es handele sich nicht darum, einen Mann an die Spitze der Gewalt zu bringen, sondern darum, auf einen Soldaten von republikanischer, patriotischer Gesinnung die Nation selbst zu stützen. Der Name Boulanger bedeutet öffentliche Freiheiten und demokratische Reformen im Innern (!) und würdevolles Auftreten nach außen. Als Boulanger Minister war, sagte er: wenn ich zum Kriege triebe, wäre ich ein Narr, und wenn ich auf denselben nicht vorbereitete, wäre ich ein Elender. Boulanger hat damit die Gedanken aller Franzosen ausgesprochen. Wähler! Ihr werdet eure patriotischen Gesinnungen bekunden, indem ihr am Sonntag für Boulanger stimmt." Da Boulanger gesetzlich gar nicht wählbar ist, so kann man die Frivolität dieses Vorgehens seiner Freunde ermessen. Man glaubt eben der gegenwärtigen Regierung alles bieten zu können. Der „Temps" ermahnt die Regie
rung nicht auf halbem Wege stehen zu bleiben, da der Krieg einmal erklärt sei. Die Umtriebe des Komitös diktieren dem Kabinett sein Verhalten. — Bei den gestrigen Feiern zur Verherrlichung der Kommune trat Louise Michel auf. Sie sprach auch über Boulanger und sagte u. a.: „Die Bourgeoisie fühlt von Zeit zu Zeit das Bedürfnis, einen Pelzmärte heraufzubeschwören. Der heutige hat einen Federbusch, und es wäre lustig, diesen Kaspar zu bewundern, wenn nicht die Zukunft gar so traurig wäre!" Der Anarchist Leboucher rief: „Ein Boulanger am Ruder, das heißt die soziale Emanzipation um 50 Jahre vertagen! Es wäre gut, wenn sich ein Anarchist fände, um die Haut Boulangers zu durchlöchern!"
* Brüssel, 18. März. Wie verlautet, trifft auf besondere Einladung König Leopolds der Präsident der französischen Republik Carnot Ende März in Brüssel ein. Man trifft große Vorbereitungen zum Empfange des französischen Staatsoberhauptes.
* London, 20. März. Bei dem jüngst in Shanghai, Provinz Aun-Nan, stattgehabten Erdbeben sind die beiden großen Städte Shippang und Kientchouen total zerstört worden. Die Zahl der dabei umgekommenen Menschen wird auf 4000 geschätzt.
* Sofia, 19. März. Das Blatt „Swoboda" erklärt mit Nachdruck, falls man auf der Entfernung des Fürsten bestehen sollte, würde die bulgarische Regierung, um der Anarchie und dem Ruin des Landes vorzubeugen, dieses Verlangen ablehnen, gar keine Ratschläge mehr annehmen, niemandem eine Einmischung in ihre Angelegenheiten gestatten und mutig Bulgarien für unabhängig erklären.
Gesundheitspflege.
* (Pflege der Atmungsorgane.) Alles, was die Ausbildung des Brustkastens befördert, trägt auch zur Entwickelung der Lunge bei. Im Sitzen findet nur halbes Atmen statt. Wer eine sitzende Beschäftigung hat, stehe öfter ans und atme mit über den Kopf geschlagenen Händen, womöglich am offenen Fenster ordentlich tief ein und aus. Was nun den Brustkasten betrifft, so wird dieser sehr häufig in ber Entwickelung seiner Weite gehemmt und zwar schon im ersten Kindesalter durch zu festes Wickeln. Später, beim weiblichen Geschlecht, durch unpassende Schnürleibchen, durch zu festes Binden der Röcke. Beim Turnen sind für die Erweiterung des Brustkastens „Knickstützübungen" von großem Vorteil. Diese Hebungen können Kinder täglich in der Stube vornehmen und sie werden sich bei tiefem Atmen hierbei sehr wohl befinden. — Bei dem jetzigen Wechsel der Witterung, wo Erkältungskrankheiten an der Tagesordnung sind, hüte man sich vor dem jähen Wechsel von Kälte und Wärme, mau atme immer durch die Nase, weil die Lust hierdurch erwärmter und gereinigter wird, das gewöhne man den Kleinen von Jugend auf an. — Bei Halsentzündung (Rau
heit des Halses) wirkt die Einatmung von warmen Dämpfen von bloßem Wasser, Camillen-, Malven- oder Hollunderthee meist sehr wohl- thätig. Es ersetzt das Gurgeln. Ganz besonders günstig wirkt in dieser Beziehung, wenn man dem heißen Wasser etwas BenzoAinctur (1 Eßlöffel voll auf V 2 Liter Wasser) zusetzt und den Dunst öfters 10 Minuten lang einatmet. Beim Wiedergebrauch wird die Flüssigkeit immer heiß gemacht. Mit diesem Mittel allein ist oft eine Kehlkopfentzündung geheilt worden.
Handel «nd Berkehr.
* Alten steig, 21. März. Der gestrige Viehmarkt hatte eine ziemlich starke Zufuhr, (jedenfalls infolge des stark fühlbaren Futtermangels) und war auch von Käufern zahlreich besucht. Es wollte sich aber kein lebhafter Handel entwickeln: Fettvieh fand zwar Abnehmer aber in den Preisen machte sich noch durchaus keine Neigung zum Steigen bemerkbar. — Auf dem Schweinemarkt waren Läufer wie Milchschweine sehr begehrt und fanden rasch Abnehmer. Milchschweine kosteten 18—24 M. per Paar.
* Stuttgart, 19. März. (Landes-Pro- dukten-Börse.) Die wssrttembergischen Märkte waren schwach befahren, Preise gleich den vorwöchigen. Die heutige Börse verlief bei guter Stimmung dennoch geschästslos, weil der Mehlabsatz immer noch sehr schwach ist. Wir notieren per 100 Kilogr.: Weizen bayer. 20 M. bis 20 M. 50 Ps., Haber rufst 14 M. 80 Pf. bis 15 M. 50 Pf.
* (P 0 stalisches.) Vom 1. April d. Js. ab sind die Post- und Telegraphen-Aemter angewiesen, keine Goldmünzen in fremder Währung in Zahlung mehr anzunehmen. Dagegen werden die Eisenbahnkassen auch künftighin fremde Goldmünzen zu dem jeweils im Staats- Anzeiger veröffentlichten Kurs annehmeu.
Arühkiugskied.
„Heraus all' ihr Blüten,
Heraus nun, du L-aat!
Erwachet, ihr Lieder,
Der Frühling, er naht:
Ich schüttle die Tannen,
Ich küsse die Luft,
Da strömet und wogt eS Von himmlischem. Dust.
Und alle die Düfte Und alle den Glanz,
Den schenk' ich der Liebe Zum bräutlichen Kranz-
Heraus nun, ihr Veilchen,
Der Frühling ist nah,
Ihr Blättlein, ihr Glöcklein,
Die Liebe ist da!"
* (Unbegreiflich.) Prinzipal: „Rosenfeld warum lachen Sie?" — Commis: „Kann ich bei meinem Salair auch nicht begreifen!"
Verantwortlicher Red.: W- Rieker, Altensteig.
sicher annehmen ourste, er wolle die kommende Nacht im Hotel in S. zubringen, glaubte ich doch, diesen Vorbereitungen nicht trauen zu dürfen. Ich konnte mich des Gedankens nicht erwehren, daß in der Brust des jungen Mannes eine neue That gereift. Welcher Art sie sein konnte, wußte ich nicht zu entscheiden, aber ich hatte das unbestimmte Gefühl, daß sie schon in der kommenden Nacht zur Ausführung gebracht werden sollte. Da galt es, auf der Hut zu sein. In der Schloßhalle schritt der Verwalter an mir vorüber, um in sein Zimmer hinauf zu gehen. Als er meiner anstchtig wurde, wandte er sich zu mir hin und fragte mit großer Neugier, ob ich dem Mörder des Klemens Larssen auf die Spur gekommen sei.
Ueber die kalte Ruhe dieses Mannes beinahe verwirrt, und deshalb immer wieder von Zweifeln beschlichen, antwortete ich ihm, daß man leider über die Person des Mörders noch keine Vermutung habe. „Nun, so wird der arme Franz wohl nicht wieder schlafen dürfen!' lautete die beinahe im Ton des Bedauerns hervorgebrachte Antwort, wobei der junge Mann gemächlich die Treppen hinauf stieg. — O, dieser Bursche war ein vollendeter Heuchler. Die Leidenschaft, die sein ganzes Wesen erfüllte, war von so dämonischer Gewalt, daß sie ihn völlig zum Teufel machte — wie sie ihn vielleicht, wäre sie erwidert worden, zu allem Guten und Edlen hätte begeistern können.
IV.
Ich ging in mein Zimmer hinauf, um zu überlegen, in welcher Weise ich die besten Vorkehrungen treffen konnte, um den Verwalter vollständig und sicher zu überwachen und zugleich jede Gefahr eines neuen Bubenstückes von den Bewohnern des Schlosses fernzuhalten. Ich wäre ja immerhin befugt gewesen, ihn auf die bereits gegen ihn vorliegenden Verdächtigungen hin zu verhaften, aber es entging mir dann auch der
Triumph, ihn vollständig überführt zu haben. Außerdem mußte ich jetzt darauf gefaßt sein, daß er die an und kür sich schwach fundierten Beweise durch schlagendere Gegenbeweise völlig gegenstandslos machte. Bei der raffinierten Schlauheit, mit welcher der junge Mann zu operieren wußte, konnte ich bestimmt erwarten, daß er sich gegen jede leichtsinnige Bloßstellung seiner Person zu sichern gewußt hatte. Nur in der großen Erregung, die ihm der heutige Tag brachte, war es möglich, daß er die bisher immer zur Schau getragene Vorsicht außer acht ließ.
Es klopfte an meine Thür. Ein Diener brachte mir von der Baronin einige Zeilen, worin diese mir bestätigt, daß mein Verdacht mit dem ihrigen zusammengetroffen sei. Nur beschwor sie mich, ihr einen greifbaren Beweis für die Vermutungen zn erbringen. Dieser war gleich darauf in meinen Händen. Der Assessor war aus Markendors zurückgekommen und hatte mir als den Urheber aller jener gehässigen Gerüchte gegen den Baron den Verwalter Ewald Droffen genannt. Dieser kam in jedem Monat ein paar Mal in jenes Dorf, um in einer dortigen Baumschule Bestellungen zn machen. Er unterhielt sich dann oft mit einem älteren Arbeiter, der ans dem Dorfe stammte, aus dem er selbst gebürtig war. Diesem Manu hatte er mitgetetlt, der Schreiber Claus Weber habe jene Angelegenheit von de» Armenhäusern in der Schänke erzählt. Nachdem der Verwalter zuerst gegen die abscheuliche Handlungsweise seines Herrn protestiert, habe er später doch zugegeben, daß man der Erzählung des Claus Weber immerhin Glauben schenken müsse, da solche Verfügungen stets durch dessen Hände gingen. Um selbst nicht bet der voraussichtlichen Verbreitung dieser Neuigkeit genannt zu werden, hatte Ewald Drossen dem Arbeiter auf das dringendste eingeschärft, nicht von dem Mitgeteilten Gebrauch zu '.wachen, besonder? aber nicht seinen Namen damit in Verbindung zu bringen.
(Fortsetzung folgt.)