AS 119. Amts- und Aiyeigeblatt fir -m Oberamtsbyirk Calw. 8«. ZG,»»,.

Erscheinungstage: Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Tamstag. JnsertionspretS II Psg. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorte; außer Bezirk lg Pfg.

Tagesuenigkeiteu.

Calw 23. Mai. Gestern Abend fand im Hotel Waldhorn eine außerordentliche Hauptversamm­lung der Deutschen Partei. Ortsgruppe Calw, statt. De: Vorstand, Georg Wagner, stellte hiebei zunächst einen von einem Mitglied in der letzten Versammlung gestellten Antrag, der die Aendernng des §5 des Statuts bezweckt, zur Dis­kussion. Der Antragsteller wünscht, daß die Wahl des Vorsitzenden und seines Stellvertreters künftig nicht mehr vom Ausschuß, sondern durch die Ge­neralversammlung stattfinden soll. Aus der sofort einsetzenden Debatte war zu entnehmen, daß zwingende Gründe zu einer Aenderuug nicht vorliegen. Es stimmten für die Bclassung 23, für die Abänderung 20 Mitglieder. Der Antrag ist somit abgelehnt worden. In den Ausschuß wurden gewählt Ver- walt -Aktuar Kober mit 31 Stimmen, Bankkassier Eberhard (28 St), Louis Wagner-Ernstmühl (28 St.), Fabkt. Georg Wa gn er (27 St.). Zahntech­niker Bayer (24 St), Bezirksnotar Krayl (23 St), Flaschner Feldweg (21 St.). Nachdem der bis­herige Vorsitzende Georg Wagner erklärt hatte, daß er zwar im Ausschuß weiter Mitwirken wolle, aber eine Neuwahl als Vorsitzender aus geschäftlichen Gründen ablehnen müsse, dankte Sägwerksbefitzer Wagner von Ernstmühl namens der Versammlung für seine Tätigkeit, worauf elfterer erwiderte daß er einen Dank nicht verdient habe, weil ihm die erforderliche Zeit gefehlt habe für die Parteisache soviel zu leisten als notwendig sei. Er hoffe und wünsche, daß dies in Zukunft anders werde und daß die Ortsgruppe Calw eine größere Wirksamkeit entfalten und wieder ein lebhafterer Parteigeist ein­kehren möge.

Wimsheim OA. Leonberg 22. Mai. Das längst Gefürchtete ist nun doch eingetroffen: Die Maul- und Klauenseuche ist auch hier aukgebrochen. Im nahe» Mönsheim herrscht die Seuche schon über ein halbes Jahr und hat nicht

Dienstag, den 23. Mai 1911.

nur dort, sondern auch de« umliegenden Orten schweren Schaden gebracht.

Zuffenhausen 22. Mai. Gestern nachmittag kurz nach 5 Uhr wollte der ver­heiratete Flaschner Otto Reinhardt mit einem Motorrad die LudwigSburgerstraße abwärts fahren, wo dar Rad in ziemlich schnellen Lauf kam. Als nun der mit der Handhabung des Rades noch etwas unkundige Fahrer bei der Wirtschaft zur Krone einem Automobil Vorfahren, gleichzeitig aber auch seinen Motor abstellen wollte, verlor er die Herrschaft über das Rad und rannte direkt auf die Ecke des Hauses Hördstraße 2 auf. Da» Rad wurde demoliert, der Fahrer selbst aber derart gegen die Mauer geschleudert, daß er mit einer schweren Gehirn­erschütterung bewußtlos vom Platze getragen werden mußte. Ob er mit dem Leben davon­kommt, ist nach Aussage des Arzte» zweifelhaft.

Stuttgart 22. Mai. (Neues Ge­sangbuch.) Der im Auftrag des Konsistoriums ausgearbeitete amtliche Entwurf eines neuen Gesangbuchs für die evangelische Kirche Württem­bergs wird demnächst erscheinen. Er soll vor seiner Vorlage an die Landessynode der öffent­lichen Kenntnisnahme unterbreitet werden. Da» Konsistorium ist überzeugt, daß der Entwurf in weiten Kreisen, insbesondere innerhalb der Geist­lichkeit unsere» Lande», auf lebendige Teilnahme und sorgfältige Prüfung rechne» darf. Aeuße- runge» auf Grund solcher Prüfung sind erwünscht; sie möge« spätestens bis zum 1. Oktober 1911 dem Konsistorium eingesandt werden. Der Ent­wurf erscheint in Kommission bei der Buchdruckerei Chr. Scheufele in Stuttgart, Christophstr. 26. Er wird nur gebunden ausgegeben. Im Verkauf ist der Ladenpreis de» Buch» auf 3 ^ festgesetzt.

Bezugspr.i.d. Stadt-/Zährl. in. Lrägerl. Mk. I.2S. PostbczugSpr. f.d.Orts-u.Nachbarortsaerk. - -jährl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk.1.30. Bestellg.in Württ. MPsg., in Bayern». Reich 4» Pfg.

Stuttgart 22. Mai. Gestern nachmittag wurde auf der Spielstätte bei Degerloch einem 20jährigen, jungen Mann beim Fußballspielen von einem anderen Spieler der rechte Fuß abgeschlagen. Der Verletzte wurde ins Karl-Olga-Krankenhaus übergeführt, nachdem ihm vorher ein Notverband angelegt worden ist.

Stuttgart 22. Mai. Am Sonntag 27. Februar vormittags wurden der 21 Jahre alte Maler Eugen Schmauder von Cannstatt und der ledige 30 Jahre alte Tapezierer Gustav Birk von Sigmaringen bei einem Einbruch­diebstahl in der Wohnung eine« Wirts in der Tübingerstraße ertappt und festgenomme». Von den Beiden wurden von der Polizei Fingerabdrücke genommen, und da stellte sich heraus, daß die Abdrücke genau übereinstimmten mit denen, die die Einbrecher in einem Verkaufslokal auf der Registrierkasse hinterlassen hatten. Die Kaffe war erbrochen und daraus etwa 3040 ^ ge­stohlen worden. Außer diesen Diebstählen waren den beiden noch zwei weitere in den Wohnungen von Pfarrern zur Last gelegt. Die Diebstähle wurden auch Sonntags während de« Hauptgottes­dienstes begangen. In dem einen Fall wurden 110 ^ und Schmucksachen im Werte von einigen hundert Mark und im andern 300 ^ und eine Obligatio» über 2000 ^ gestohlen. Die An­geklagten bestritten die Täterschaft. Die Straf­kammer erkannte wegen der elfteren Diebstähle gegen Schmauder auf 2 Jahre 8 Monate Zucht­haus und 4 Jahre Ehrverlust, gegen Birk auf 1 Jahr 3 Monate Gefängnis. Schmauder ist trotz seiner Jugend schon häufig vorbestraft. Die Art und Weise, wie er zweimal flüchtig gegangen ist, zeigt, daß er ein verwegener Bursche ist.

Heilbronu 22. Mai. (Vom Wein-

Me Zlimme des Gewissens.

Roman von Arthur Zapp.

(Fortsetzung.)

Mitte» in der Nacht, etwa um zwei Uhr, war ein Arzt au» der Stadt mit eigenem Gesährt eingetroffen. Alle» auf dem Gutthof hatte in tiefem Schlummer gelegen. Der Kutscher de« Arztes mußte erst Lärm schlagen, denn niemand habe den Arzt gerufen. Er der Kutscher und ein paar Knechte seien zuerst zur Stelle gewesen und hätten sich erstaunt erkundigt, wa« es denn gäbe. Da habe Dr. Schirmer, der Arzt, mitgeteilt, daß er nach Mitternacht von einem Mann au» dem Schlaf geweckt worden sei. Er solle doch schleunigst nach Wolfshagen kommen, man brauche seine Hilfe auf dem Gute. Im ersten Augenblicke habe man gedacht, es hätte sich jemand einen schlechten Scherz gemacht «nd den Arzt irre geführt, aber da sei einer der Knechte, der eilig aus dem Stalle herbeigeeilt war, über etwas gestolpert. Und da habe man erst den Herrn tot vorgefunden. Keine Spur von Leben sei mehr in ihm gewesen und die ärztliche Untersuchung habe ergeben, daß er schon ein paar Stunden vorher gestorben sein müsse. Womit der Herr denn getötet worden sei? Durch Schläge auf den Kopf; der Tod müsse auf der Stelle eivgetrete» sei« so habe der Arzt gesagt.

Ob denn niemand von dem Morde etwas gehört habe?"

Nein! Keine Menschenseele. So ein Knecht, der seine zwölf Stunden hinter dem Pfluge gegangen sei, habe einen festen Schlaf," meinte der Kutscher.

Al» die Gerichtsherren auf den Gutshof fuhren, wurden sie von dem Amtsvorsteher, der sich mit zwei Gendarmen eingestellt hatte, empfangen. Der Amtivorsteher, der die erste Untersuchung vorgenommen hatte, rappor­tierte:Die Tat sei mit einer Wagenrunge geschehen, die neben der Leiche gelegen hätte. Der Mörder müsse mit großer Wucht auf den Un­

glücklichen eingeschlagen haben. Die Hirnschale sei gänzlich zertrümmert. Die wertvolle Uhr «nd da» Portemonnaie habe sich bei dem Leichnam vor- gefuvden. ES handelte sich also anscheinend nicht um einen Raubmord, sonder» um einen Racheakt und der Mörder der Amtsvorsteher dämpfte seine Stimme und warf einen unwillkürlichen Blick nach dem Gutlpersonal, das sich in respektvoller Entfernung hielt sei wohl auf dem Gute selbst zu suche».

Die Herren begaben sich nach der Mordstelle. Die Mitteilung de» Amtsvorsteher« schien da» Interesse der Kriminalbeamten noch gesteigert zu haben. Die Decke wurde von der Leiche entfernt und die allen wohl­bekannte kräftige, starkbleibige Gestalt de» Gutsherrn kam zum Vorschein. ES war ein Mann hoch in den Dreißig. Ein dunkler Vvllbart rahmte da» starre Antlitz ein, auf dem schon der Frieden de« Tode» ruhte. Die Züge waren nicht unschön geformt, freilich der Eindruck, den ein menschliches Gesicht hervorbrachte, ließ sich ja nur beurteilen, solange e» durch Seele und Geist belebt wurde, die ihm da« charakteristische Grpräge verliehen.

Die drei Herren aus der Stadt nahmen alle» genau in Augenschein. Der Leichnam lag auf dem Rücke»; die Hirnschale war durch zwei oder drei kräftig geführte Schläge mit der schweren Wagenrunge zerschmettert worden. Ob ein Kampf des Mörder» mit seinem Opfer vorhergegange«, ließ sich nicht feststrllen. Fußspuren waren nicht zu sehen, da dieser Teil de» Hofes gepflastert war. Unmittelbar hiuter der Leiche befand sich ein Arbeitswagen, der defekt war und zu dem da» Mordinstrument gehörte. Wie die Knechte äusgesagt, hatte die Runge auf dem Erdboden gelegen. Danach ließ sich also annehmen, daß e« sich nicht um einen geplanten Mord handelte, sondern daß die Tat wahrscheinlich die Folge einer zufällige» Begegnung und eine» daran sich anknüpfenden Streite« gewesen, wobei der unbekannte Mörder »ach dem ersten besten sich ihm bietenden Gegenstand gegriffen, um seinen Gegner «iederzustrecken.

Der Staatsanwalt ließ den Leichnam wieder verhüllen und ordnete