516

Tages, Mittwoch 14. Juni, steht der Festgotte«- dienst um V-10 Uhr in der geräumige« Stifts­kirche mit der Frstpredigt von Stadtpfarrer Mayer-Stuttgart und Ansprachen mehrerer Diasporaredver über Steiermark und Galizien. Beim Kindergottesdienst wird Stadtpfarrer Laux- mann-Zuffenhausen reden. Nach dem Festmahl im HotelPost" soll ein Kirchenkonzert in der Stiftskirche (V-4 Uhr), für welches auswärtige Künstler und hiesige Kräfte gewonnen find, dem Fest den erhebenden Abschluß geben. Möchten eS viele Freunde der wichtigen und ernsten Gustav-Adolfs-Arbeit für unsere evangelischen Glaubensgenoffen draußen für der Mühe wert finden, zum Fest nach Herrenberg zu kommen!

Z H errevberg 20. Mai. Heute Sanstag fand hier die Gasthof zur Post die alljährlich im Mai vorzuuehmende Generalversammlung der Elektrizitäts-Genossenschaft E. K. H. statt. Die Versammlung war wie gewöhnlich sehr gut besucht, ein Beweis vom Vorhandensein eines regen allsritigen Interesse». Aufsichtsrats- Vorsteher Stadtschultheiß Hauser gab zunächst einen allgemeinen Ueberblick über die Gesamt - läge der Genossenschaft. Hierauf referierte Di­rektor Schultheiß Wizemann über Mitglieder­zahl, Haftsumme, Geschäftsanteil, Baukonto, Strom-Ein- und -Verkauf, JahreSgewin». Letzterer beträgt nach sämtlichen Abschreibungen 60 000 Der Stromverbrauch betrug 1400 000 Kilowat. Eingehende Debatten fanden noch statt betreff» Ankauf der Werke», Zählermirte und Strompreis. Unter allseitiger Befriedigung fand die sehr an­regend verlaufene Versammlung ihren Abschluß.

Stuttgart 20. Mai. Die zweite Kammer trat heute in die Beratung des HauptfinanzetatS für 1911/12 ein und befaßte sich zunächst mit den Kapiteln 1 (Zivil­liste) und 2 (Apanage), die ohne Erörterung genehmigt wurden. Kapitel 3, betr. die Staats­schuld, deren Verzinsung und Tilgung jährlich rund 26 Millionen erfordert, wurde nach dem Bericht de» Abg. Häffner (D. P.) genehmigt, vorbehaltlich einer Abänderung infolge der Ein­bringung de» Elsenbahnbaukreditgesetzk». Bei Kap. 3 a (Zinsen und Schatzanweisungev) wurde der Etaissatz von 200 000 auf 154 702 ^ herab­gesetzt. E« folgten die Kap. 1619 (Departe­ment» der auswärtige» Angelegenheiten), die ohne wesentliche Erörterung genehmigt wurde«. Das Hau» trat dann in die Beratung der Kap. 20 bi» 44 b (Departement de» Jvnern) ein, womit Anträge der Abgg. M aier-Blaubcuren und Gen., sowie Kraut und Gen., betr. die Bekämpfung der Maul- und Klauenseuche, undDam- bacher und Ge», betr. die Entschädigung für Verluste durch die Egelseuche ver­bunden werden. Nach einem Berichte de» Abg. Freiherr Perglerv. Pergla» begründete Abg. Maier-Blaubeuren (D. P.) seinen Antrag und bedauerte die allzuscharfen Sperrmaßregel», die doch keinen durchschlagenden Erfolg erziele». E» sollte vielmehr auf wissenschaftlichem Wege versucht werde«, den Krankheitserreger kennen zu lernen, und Reichsmittel zur Verfügung gestellt werden zur Bekämpfung der Seuche. Die im Reichtag durch einen RegierungSvertreter ver­fochtene Ansicht, die vom Reiche zur Bekämpfung von Seuchen eingestellten Mittel dienten nur zum Schutze der Militärpferde, sei verfehlt. Es handle sich hier um die Volksernährung. Deshalb bitte er die Regierung, auf eine Einstellung von Mit­teln zur Seuchenbekämpfung durch da» Reich hinzuwirke». Der Minister de» Innern v. Pis chek erwiderte, da» Reich habe schon ver­schiedene Male größere Summen zur Bekämpfung der Seuchen eingestellt. Die von dem Abg. Maier gewünschten Maßnahmen durch da» Reich seien bereit» in Angriff genommen. Er wolle zu gegebener Zeit bei der ReichSrrgierung entspre­chende Anträge stellen. Die Regierung werde e» an nicht» fehlen lassen und überall dazu bei­tragen, die Krankheit zu erforschen. Die Abgg. Sommer (Ztr.) und Schock (Vp.) beantragen, die Anträge Maier und Kraut an die Kommission für innere Verwaltung zu überweisen. Abg. Bantleon (D.P.) wünsckt eine Besprechung. Abg. Ströbel (B.K.) schildert die großen Ver­luste, die die Landwirtschaft infolge der Maul­

und Klauenseuche erleidet. Hier sollte der Staat bei außerordentlichen Verlusten eingreifen, wobei namentlich die kleinen Leute in Betracht kämen. Bei der Durchführung der Sperrmaßregel« sollte etwa» milder vorgegangen werden. Es frage sich, ob man angesichts der Gefahr der Ueber- tragung durch Personen nicht sofort nach dem Ausbruch der Seuche in einem Gehöft die dortigen Kinder vom Schulbesuch befreien soll. Der Be­trag, der für die Seuchenbekämpfung ausgesetzt ist, sollte erhöht werden. Minister v. Pischek gibt eine Aufstellung der Oberäwter bezw. Ort­schaften, in denen die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen ist. Im Ganzen seien 215 488^ für deren Bekämpfung von der Regierung ver­ausgabt worden. Wenn bei größere» Seuchen die Betroffenen mehr oder weniger entschädigt werde» sollen, durch den Staat, so sei nicht ab- zusehev, wo diese Entschädigungen ihr Ende finden, da dann mit dem nämlichen Recht auch Gewerbe­treibende z. B. bei Streiks oder sonstigen Krisen Unterstützung gewährt werden müßte. Der Mi­nister kann sich mit Zisfir 1 betr. besondere Ent­schädigungen oder Unterstützungen in Form un­verzinslicher Darlehen anläßlich außergewöhnlicher Verluste durch die Maul- und Klauenseuche und mit Ziffer 2 betr. Zuwendung besonderer Bei­träge zur Neubeschaffung geeigneter Zug- und Zuchttiere, die durch die Seuche zu Grunde ginge», nicht einverstanden erklären, doch sei er bereit bezüglich der Sperrmaßrrgel» der Frage eine» Beirats für da» ganze Land näher zu trete». Ziffer 3 des Antrag» betr. Entschädigungen für eingrgangene Schweine sollte zurückgestellt werden. Auch denübrigenPunktendrSAntrags könne er nicht ohne weiteres zustimmev, so insbesondere nicht den Wünschen bezüglich des Steuernachlasses. Eine Aeuderung der Vorschriften über die Or tssperre und das Beobachtung!gebiet erscheine ihm unzweck­mäßig. Dambacher (Ztr.) begründet seinen An­trag, die Regierung zu ersuchen, Mittel bereit zu stellen für eine außerordentliche Unterstützung der durch die Egelseuche geschädigte« Gemeinden in den OberamtSbezirken Ellwangen. Der Schaden belaufe sich auf 400500000 Auch die Einführung einer EntschädigungLpflicht für an Egelseuche gefallenes Vieh möge die Regierung erwäge». Bantleo« (D. P.) spricht sich «ach längere« Ausführungen über die Verheerungen durch die Seuche und Maß­nahmen zu deren Verhinderung für Verweisung der Anträge de» Zentrums und der Bauern­bunds an die Kommission aus. Sommer (Z.) bittet nochmals, die Anträge Maier, Kraut und Dambacher an die Kommission für innere Ver­waltung zu überweise». Schmid-Neretheim (Z) bespricht die große« Schädigungen der Landwirte durch die Egelftuche im Bezirk NcreShcim und ersucht den Staattunvistcr unter anderem, die Geschädigte« vielleicht durch eine Landeskollekte zu unterstütze». Der OrtSviehversicherungSverrin könne bei dem Um­fang de» Schaden» mit seinen kleinen Mitteln nicht mehr in Betracht komme«. Ferner bittet Redner zu untersuchen, ob die Egelsruche nicht cutschädigungSpflichtig gemacht werden könne, und fordert schließlich das Haus zur Annahme de» Antrag» Dambacher auf. Ke« ngo 1 t (Soz.) unterstützt den Antrag Maier dahingehend, daß da» Reich Mittel in genügendem Maße zur Verhütung stellen solle, um den Krankheits­erreger zu erforschen. An der Hand von Einzel­fälle« kritisiert er die oft zu scharfe Anwendung von Sperrmaßregeln und kommt dann auf die Einschleppung der Seuche zu sprechen, die nicht, wie immer behauptet, von Frankreich, sondern au» Preußen eingeschleppt worden sei. Seine Partei sei für die Beratung der vorliegenden Anträge im Ausschuß für innere Verwaltung.? Vogt-Neckarsulm (B.K.)stellt Kenngott gegen­über fest, daß die Seuche au» Rußland eingeschleppt worden sei, wozu die schlechte Handhabung der Sperre an der russischen Grenze hauptsächlich beitrug. Wieviel da» Geschrei von Fleischnot dazu beitrug, will Redner nicht untersuchen. Daß auch der Münchener Fall nicht auf franz. Vieh zurückgehe, sei nicht erwiesen. Damit ist der Redner einverstanden, daß die Sperrmaß­nahmen in manchem anders gestaltet werden. Mit der Verweisung de» Antrag» Kraut an

eine Kommission sei er einverstanden, ebenso mit der Verweisung der Anträge Dambacher und Maier. Die Erforschung de» Krankheitserreger» der Maul- und Klauenseuche sei eine Not­wendigkeit. Aber man dürfe nicht alles dem Reiche zuschiebev, sondern auch die Bunde»staate« müßten ihre Erfahrungen sammeln. Ja ein- geheneer längerer Rede bespricht sodann der Abg. Vogt den Antrag Kraut. Minister v. Pischek wie» die gegen die Regierung er­hobenen Vorwürfe zurück und bestritt die Ein­führung der Seuche von München aus, bezüglich der Egelseuche seien Erhebungen angestellt. Nach weiterer Debatte, an der sich die Abgeordneten Schock (V.), Rembold-Aalen (Z.), Keßler (Z.), Graf-Heidenheim (B. K), Herbster, Bantleon u. a. beteiligten, wurden die drei Anträge an die Kommission für innere Verwaltung über­wiesen. Dienstag vormittag Fortsetzung.

Stuttgart 20. Mai. (Wassersnot.) Heute vormittag gegen 11 Uhr platzre in der unteren Neckarstraße bei der Stöckachschule ei» Hauptrohr der Wasserleitung mit einem Durch­messer von 90 Zentimetern. Da» Wasser riß da» Pflaster auf, drang aus dem Boden heraus, überschwemmte einen großen Teil der Neckarstraße und drang wieder in die Keller der benachbarten Hauser ein, wo es von der Feuerwehr unter Leitung von Branddirektor Jakoby mit der Dampfspritze herausgepumpt werde« mußte. Die Straßenbahn konnte durch die Wasserflut und durch de» aufgerissene« Boden nicht über der Strecke verkehren und der Betrieb mußte durch Umsteigen aufrecht erhalten werden. Stunden­lang waren ganze Stadtteile ohne Wasserleitung, wa» sich besonders in den Küchen der Haus­haltungen, aber auch in gewerblichen Betriebe» sehr störend bemerkbar machte. In den Straßen standen die Mägde dutzendweise an den Brunnen, umQuellwasser", das gegenwärtig nicht nach Karbol schmeckt, zu holen. Nach zwei Stunden war die Störung beseitigt.

Heilbron» 20. Mai. (Männerstolz.) Der aus dem Städtischen Krankenhaus wo er als Unlrrsuckungrgkfangener untergebrocht war aukgebrochene Zuhälier Otto Klingen- maier hat sich gestern vormittag um '/-7 Uhr im Untersuchungsgefängnis nach einer mit seine« Freunden und Freundinnen fröhlich durchlebten Nacht ft löst gestellt. Als Grund feiner Entweichung gab er an, sein Stolz laste e» nicht zu, von einem Schutzmann vom Krankenhaus in» Gefängni» zmücktrarttportiert zu werden.

Weingarte«20. Mai. Der Blutfreitag mit dem berühmten Blut-Ritt wird tüchtig vorbereitet. Die Anmeldungen von Reitergruppen gehen so zahlreich ei«, daß die heurige Blut- prrzesfion die größte seit Aufhebung des Kloster» Weingarten sei« wird. Dieses Benidiktinerflift erhielt am Freitag nach Christi Himmelfahrt 1090 eine kleine Reliquie des Herzblutes Christi al» Geschenk von der Gräfin Judith« von Flandern, Gemahlin der in Weingarten residieren­den Wolf IV. Seither wird diese Reliquie hier verehrt, besonder» wird sie au»gezeichnet durch den Blutritt, eine Prozession zu Pferd, die aber auch Tausende von Fußgängern mitmachen. Die Entstehung dieser merkwürdigen Prozession ist geschichtlich nicht festzustelle», aber schon auf der große«, 138 Zentner schweren GlockeHosanna", die auf da» Jubiläum 1490 gegossen wurde, ist ein Priester zu Pferd mit den Reliquien de» heiligen Blute» zu sehen. Regelmäßig wird am Vorabend, also am Feste Christi Himmelfahrt, eine Frstpredigt gehalten, diesmal durch einen Ordensmanv. Das Pontifikalamt am folgende» Tage hält Heuer nach Rückkehr der Reiterpro- zesfion der Bischof von St. Gallen, Dr. Ferdinand Rüegg.

Friedrichshafe» 20. Mai. (Gräß­lich e r U » f a l l.) Eine 30 Jahre alte Kranken­pflegerin wärmte in Schlatt bei Eriskirch auf einem Kochapparat Milch an und goß, als die Flamme ourging, au» einer fast vollen Kanne Spiritus nach. Mit einem furchtbare« Knall explodierte die Kanne. Al» Feuersäule stürzte das Mädchen die Treppe hinunter. Dem HauS- brsitzer gelang e», mit einem Sack die vom Feuer bereit» verzehrten Kleider des Mädchen» vollend»