ist zu sehen auf Männer, welche ihre Wohnung in der Parochie (Kirchgemeinde) haben, für die sie als Netteste gewählt werden sollen, mindestens 40 Jahre alt sind, einen unanstößigen Wandel führen und ihren christlichen Sinn insbesondere durch Wertschätzung der kirchlichen Gnadenmittel bethätigen. Wahlberechtigt sind alle in der betreffenden Parochie wohnenden Männer, welche wenigstens 30 Jahre alt sind, selbständig und ans eigene Rechnung in der Pfarrgemeinde leben, hier entweder ihren festen Wohnsitz haben oder doch während der drei letzten Jahre hier ihren Aufenthalt hatten, sich als Mitglieder der evangelischen Kirche bekennen und an keinem derjenigen Mängel leiden, welche zur Ausübung des gemeindebürgerlichen Wahlrechts unfähig machen.
* Tübingen, 3. Novbr. Heute vormittag um 9 Uhr wurde der zum Tod verurteilten Mörderin ihrer Stieftochter, Katharine Langheinz, die Vollstreckung des Todesurteils auf nächsten Samstag angekündigt. (N. Tgbl.)
Cannstatt, 2. Nov. (Operation ) Oberamtstierarzt Karl Reiser von hier nahm gestern in Zazenhausen eine gelungene Operation vor. Einem Zuchtfarren war ein Stück Rübe im Schlund stecken geblieben, und als man dasselbe mittels eines Peitschcnsteckens entfernen wollte, brach dieser ab lind gelangte in den Magen des Farren. Herrn Reiser gelang cs nun, mittels eines Einschnitts in den Magen den ziemlich laugen Stock zu entfernen. Der Farren befindet sich ganz wohl.
Balingen, 30. Okt. (Umlage.) Die dieser Tage seitens des k. Oberamts veröffentlichte Umlage der Staats- und Amtskörperschaftssteuern hatt für 1888/89 ein nicht erwartetes günstiges Ergebnis, insofern als die Staatssteuer 10,597 M. 86 Psg. weniger beträgt als im Vorjahre.
* (Verschiedenes.) Ein Mann aus Schnaitheim beschenkte einen Bettler, wie er meinte, mit einigen Pfennigen, hatte sich aber vergriffen und ein Zehnmarkstück verabreicht. Als er den Fehlgriff abends entdeckte, suchte er mit der Polizei'nach dem Beschenkten. Letzterer wurde nun auch in einer Wirtschaft gefunden, wo er den Goldvogel willig zurückgab. — In Ulm wurde ein Bienenstand gewaltsam erbrochen und 70 Pfd Honig gestohlen. Gleich darauf wurde auch ein Bienenstand in Neu-Ulm erbrochen und bestohlen. — In Stuttgart wurde eine ältere Frau auf der Straße vom Schlag betroffen und war sofort tot. Ebendaselbst glitt ein junger Mann, der den Athleten spielen wollte, aus und erlitt einen doppelten Bruch des rechten Fußes. — In Geislingen stürzte ein Radfahrer auf der neu basaltierten Straße und viel so unglücklich, daß an seinem Aufkommen gezweifelt wird. — Ein aus Munderkingen gebürtiger junger Mann, der in Straßburg seiner Militärpflicht genügt, wurde jüngst als Deserteur in den Zeitungen ausgeschrieben. Der Bruder des
Verfolgten soll sich nach Straßburg begeben haben, um in der Umgebung Recherchen über den Verbleib desselben anzustellen. Seine Nachforschungen seien von Erfolg gewesen, indem erden Vermißten von einer Kugel durchbohrt in einem Flusse aufgefunden habe. — In Mötz- ingen, OA. tzerrenberg, wurden in der Zeit vom 13. Sept. bis 29. Oktbr. d. I. an einen vom Gemeinderat aufgesteltten Manu von 142 Bürgern 83200 Stück Feldmäuse abgeliefert und wurden aus der Gemeindekasse für je 100 Stücke 40Pfg. bezahlt. Noch besonders nennenswert ist, daß ein einziger Bürger 7432 Stück geliefert hat. — In Ulm wurden zwei Mitglieder der Ortskrankenkassc des Baugewerks, welche unter Vorweis von ärztlichen Krankenscheinen die Ausbezahlung von Krankengeldern durchsetzen wollten, wegen Vetrugsversuchs zur Anzeige gebracht. Der Krankenkontroleur hatte sich vorher davon überzeugt, daß dieselben ander- wellig der Arbeit nachgegangen waren. — In Eßlingen leerte ein 10 Jahre alter Knabe auf Veranlassung eines 15jährigen Burschen die Ladenkasse eines dortigen Metzgers.
" Es geschehen oft wunderbare Dinge in der Welt. Vor etwa 20 Jahren wurde bei Kirchweihhändeln im Dorfe N. im badischen Unterland ein Bursche erstochen. Die Thäter erlitten sämtlich Haftstrafen von 1—5 Jahren. Der Hauptschuldige, der den tätlichen Stich geführt, wunderte gleich nachdem er seine Strafzeit erstanden nach Amerika aus. Der Getötete hatte noch ein Schwesterchen von damals 3 Jahren, welches vor einigen Jahren gleichfalls nach Amerika answanderte. Es kam in Dienst zu einem wohlhabenden Farmer in Ohio. Nachdem das Mädchen zwei Jahre dort war, starb die Frau des Farmers und der Witwer, der keine Angehörigen oder Kinder hatte, verlobte sich mit dem Mädchen. Als aber wegen des Aufgebotes die nötigen Fragen gestellt wurden, kam es erst zu Tage, daß der Farmer, der inzwischen seinen Namen amerikanisiert hatte, der Mörder des Bruders seiner Verlobten war. Das Mädchen machte infolge dessen die Verlobung sofort rückgängig. Einige Tage darauf verunglückte der Farmer auf der Jagd, hatte aber noch vor seinem Tode so viel Kraft, ein Testament zu machen, worin er das Mädchen zur Erbin seines Vermögens einsetzte. Die Hinterlassenschaft ist sehr beträchtlich. Vor einigen Wochen ist nun das Mädchen in seinen Heimatsort, den es vor sechs Jahren als blutarme Waise verlassen, zurückgek hrt, im Besitze eines Vermögens, das sie zn der reichsten Bewohnerin des Orts macht.
Berlin, 2. Novbr. Das heutige Reichsgesetzblatt bringt eine kaiserliche Verordnung vom 31. Okt., wonach der Reichstag auf 24. November einberufen wird.
* lieber Goldfunde in Lüderihlaud bringt die „Post" folgende Meldung: Von der in Kapstadt ansässigen angesehenen deutschen Firma
Poppe, Russow u. Co., die in Kapstadt mit der Generalvertretung für die „Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwcstafrika" betraut war, ist ein beglaubigtes Telegramm eingegangen, welches die Entdeckung von reichhaltigen und ausgedehnten Goldminen in Lüderitzland meldet.
Der Reichskommissär Göhring und der Führer der Goldgräber sind von den entdeckten Minen in Kapstadt angekommen. Es scheint sich um Funde von großer Wichtigkeit zu handeln. Die Fundorte liegen nordöstlich von der Walfischbai, die Goldgräber sind erfahrene Leute, die früher bereits in Australien, gegraben hatten. Die Erlaubnis zum Graben auf Gold und edle Steine ist den Gräbern unter den üblichen Bedingungen gewährt worden; die wesentlichsten Rechte sind der Gesellschaft Vorbehalten geblieben.
Das vielverrufene Lüderitzland erhält wahrscheinlich durch diese Entdeckung einen größeren Wert."
* Herford. Am Donnerstag hielt der '
Magistrat eine Sitzung, die sich in langen ^ Debatten bis zum späten Abend hinzog. Man war erst zu Ende, als die städtischen Beamten das Rathaus längst verlassen hatten; der letzte schloß, wie gewöhnlich, die die Räume des oberen Stocks von dem unteren trennende Flurthür ab; er mochte denken, die Stadtväter säßen längst bei Muttern oder beim Abendtrunk. Da ^ saßen die Vertreter der Stadt gewaltig in der I Klemme. Zwar versuchte man durch Trampeln D 95 auf den Fußboden den in dem Kellergeschoß wohnenden Kastellan auf die Bedrängnis auf- - eZ ^ merksam zu machen; aber der Brave hörte die - ^
Notsignale nicht. Ein Antrag, durch's Fenster -
an der Mauer herabzuklettern, wurde als lebens- ^ s»» gefährlich mit großer Majorität abgelehnt. ^8« Auf der am Rathause vorbeiführeuden, fast immer verkehrslosen Straße ließ sich an diesem ll «« Unglücksabend vollends reine Menschenseele blicken, bis endlich — als schon die Geister- --- ^
stunde nahte, ein kleines Mädchen in Sicht H - kam und den Kastellan herbeiholte. ü
* Eine seltene Ueberraschuug wurde laut -
„Fr. Ztg." am 31. Okt. einem Bankhanse in Elberfeld zu teil. Genau an diesem Tage « ^ vor 17 Jahren hatte die Firma bei einem eng- Zfl lischen Hause in London die Summe von 709 Thalern verloren. Heute erschien nun der Sohn -« Z - des damals fallierten und inzwischen verstorbenen - - - - Londoner Firmeninhabers bei dem hiesigen Bank- ' * - - Hause und zahlte die 2100 M. nebst Zinsen zu Z. - 4 Prozent zurück! '-
* Görlitz, 30. Okt. Ein erschütterndes ^ ! °
Familiendrama spielte sich hier ab. Ein Schuh- - machermeistcr namens Friedrich sieht, daß die -» langen schweren Leiden seiner Frau durch deren Z. 7" bevorstehende Auflösung ihr Ende erreichen. Da ^ ^
verliert er den Mut, den Kampf um's Dasein - noch länger zu führen und angesichts seiner ? I? Lebensgefährtin, deren Stunden gezählt sind, ^ und die nicht im Stande -ist, sich von dem Lager i
zn erheben und- den Gatten von dem entsetzlichen Schritte abzuhalten, knüpft dieser sich an der Thürklinke ans. Tags darauf hauchte die Frau ^
Klein-Wieschen.
Eine münsterländische Novelle von I. v. Dirkink.
(Fortsetzung.)
Die Schul-in seufzte. „Sein Schutzengel", erwiderte sie schärfer, als es ihre Gewohnheit war, „hat es ihm am Ende verraten, daß du ihn nicht lieb hast. Jetzt strengt er sich sogar aus Kräften an, liebenswürdig zu sein. Sieh nur, Schwesterchen, winkt er, ich lächele dich on, sei mir endlich gut!"
Mit vor Mutterglück strahlenden Zügen schaute sie auf ihren Liebling, den Mieschen vor ihr auf das Bett gesetzt hatte und schäkerte mit ihm, indem sie seine geballten Händchen an ihre schmale Backe hin und her rieb. So oft er die langen spindeldürren Finger ausspreizte, verglich Lucie sie in Gedanken mit den Füßen einer Kreuzspinne.
„Wie Ihr Euch nur cinbilden wöget, daß der Junge schon lächeln kann," erwiderte sie spöttisch auf die Mahnung der Frau. „Krämpfe sind's, die ihm das Gesicht verzerren, mich wundert nur, daß er nicht laut kreischt, weil ich anderer Meinung über ihn bin, als Ihr!"
„Der Kleine hat die ganze Nacht nicht geschlafen," lenkte die Schulzin ab „und ich auch nicht, das bringt mich von Kräften und weder Doktor noch Apotheke können mir helfen. Ach, wenn ich mich nur einmal recht ausschlafen könnte!" rief sie gähnend.
„Dann laßt mich einmal bei Euch wachen," rang es sich über Luciens Lippen, Mieschen traute ihren Ohren kaum, war aber in ihrem Herzen dankbar und gerührt über dieses Wort, das doch von Luciens kernhafter, guter Natur Zeugnis ablegte. Einzig Mieschen ließ sich durch Luciens herbe Aeußerungen und ihr abstoßendes Wesen nicht beirren. Wie schwer muß sie innerlich leiden, daß sie anderen durchaus auch Weh bereiten will, war ihre Ueberzeugung und sie traf das richtige.
„Bei mir wachen? Ach, danke schön, Lucie! Nein, das ist nicht nötig," rief die Schulzin, während ein feines Rot freudiger Erregung ihre Züge überflog. „Wenn du nur das seidene Kleid, esrauscht so hart, und die knarrenden Schuhe nicht tragen wolltest, so wäre ich schon sehr zufrieden."
Luciens Züge umdüsterten sich. „Das Kleid ist meine alte Fahne und zur Kirche nicht mehr zu gebrauchen, ich trage es auf," rief sie bitter, „und für die neuen Stiefelchen ist der Schuhmacher verantwortlich. Aber mich wundert, daß Ihr so zarte Nerven habt; an alledem trägt der Knabe die Schuld. Er übt jetzt schon eine unerhörte Tyrannei aus, wohin soll das führen, wenn er erst größer wird."
Noch ehe die Schulzin ein Wort erwidern konnte, hatte Lucie die Kammer verlassen. , „ ^
Die Großmagd nahm dem jungen Mädchen die Thür aus der Hand. „Meine Güte," rief sie eintretend zu Meschen gewandt, „was ist unserm Fräulein widerfahren? Sie schaute drein wie drei Tage Regenwetter; ein wahrer Gallapfel, daß sie den kleinen Engel nicht leiden kann."
„Still, Liesbeth, das ist ein böser Irrtum!" mahnte die Schulzin strenge. „Sage das nur ja nicht wieder, sonst kommen Lügen in Umlauf, die aus der Welt zu tilgen fast unmöglich ist. Du weißt aber i wohl, daß es eine schwere Sünde ist, Ehrabschneider:, Verleumden und , Ohrenblasen."
Lisbeth errötete jäh; Ohrenblasen hatte die Schulzin betont und i gewiß absichtlich. Denn dieses scheinbar so harmlose, gutgemeinte, ge- j wohnheitsmäßige Wiedersazen und Uebertragen von einem zum anderen, - verurteilte die scharfsichtige Schulzin stets mit Recht als absichtliche, boshafte Ohrenbläserei.
Leider bewirkte die Zurechtweisung der Schulzin nur eine« vor-