von baren 20 Mk. — An einer Meßbude auf dem Marktplatze zu Stuttgart wurde ein kaum der Schule entwachsenes Mädchin, in dem Augenblick erwischt, als sie einer Meßbe- sucheriu das Geldtäschchen entwenden wollte. Die Diebin wurde der Polizei übergeben. — In Stuttgart hat der Restaurateur des früheren Cafe Cassel infolge mißlicher pekuniärer Lage, seinem Leben durch Vergiftung ein Ziel gesetzt.
* Würzburg, 22. Mai. Auf Anordnung des kgl. Bezirksamts Karlstadt muß die Gemeinde Himmelstadt drei Wochen lang nachts ihr Pfarrhaus mit verstärkter Mannschaft bewachen lassen, weil man dasselbe mit Holz- scheitcheu bombardiert hatte und dabei mehrere Fensterscheiben eingeworfen wurden.
* Frank fur t a. M., 24. Mai. Der Frkf. Ztg. meldet man aus Paris: Als wahrscheinlich gilt entweder ein Kabinett Duclerc ohne Boulanger oder ein Kabinett Deves mit Bon- langer und den meisten früheren Ministern.
* Leipzig, 20. Mai. (Eine furchtbare Familientragödie.) Der bei der hiesigen Kreishauptmannschaft als Diätar angestellte etwa 30 Jahre alte Eduard Karl Hornung hat seine 22jährige Frau und sein tM, Jahre altes Kind gestern morgen erschossen und sich dann selbst eine Kugel in die Brust gejagt. Der Mörder hatte sich erst vor zwei Jahren mit der Unglücklichen verheiratet, derselben aber bald durch sein brutales Auftreten und seine fortgesetzten Mißhandlungen das Zusammenleben mit ihm verleidet. Wiederholt war die Aermste zu ihren in dem Hause Nr. 54 der Gnstav-Adolfstraße wohnenden Eltern geflüchtet, schließlich wochenlang von ihm ganz fortgezogen, so auch vor sechs Monaten. Seitdem war sie nicht wieder zu ihm znrückgekehrt; sie bewohnte mit ihrem Kinde ein Stübchen in der vierten Etage des Hauses, in dessen Parterrewohnung ihre Eltern wohnten, und hatte, um den fortgesetzten Geld- erpressungen und gefährlichsten Drohungen ihres Mannes ein Ende zu machen, die Ehescheidungsklage eingereicht. Heute sollte der Scheidungstermin sein. Hornung batte sich inzwischen gegenüber der Wohnung seiner Frau und seiner Schwiegereltern eingemietet. Gestern in aller Frühe sah man ihn unausgesetzt das Fenster seiner Frau beobachten. Dieselbe pflegte nem- lich, sobald sie sich und ihr Kind angckleidet hatte, die Fenster ihres Stübchens zu öffnen und sich in die Wohnung ihrer Eltern hiuab- zubegeben, nur dort den Morgenkaffee einzunehmen. Hornung wußte das und beschloß, den Moment, während die Ahnungslose die Treppe Hinabstieg, zur Ausführung seines entsetzlichen Planes zu benutzen. Es währte nicht lange, da sah der Lauernde, wie sich die Fenster der vierten Etage öffneten. Sofort trat er, bewaffnet mit einem scharfgeladenen Revolver, in das Haus und eilte die Treppe hinauf, auf welcher die bedauernswerte Frau mit ihrem Kindchen auf dem Arme herunterkam. Als er
sie sah, feuerte er drei Schüsse aus sie ab, die sie in Herz, Kopf und Brust trafen und ihren sofortigen Tod zur Folge hatten. Während sich die Unglückliche noch in ihrem Blute wälzte, feuerte der Wütherich einen vierten Schuß ab, der sein Kind niederstreckte. Inzwischen waren die Hausbewohner herbeigeeilt, aber der Unmensch wußte sie durch unausgesetztes Feuern — er gab wohl noch sieben Schüsse ab — von sich fern zu halten. Dann richtete er die Mordwaffe gegen sich und streckte auch sich nieder, freilich nicht tot, aber doch lebensgefährlich verwundet.
* Berlin, 22. Mai. In höheren Finanzkreisen wird die Uebernahme einer neuen großen russischen Anleihe durch Berliner Finanzkräfte als eine Thatsache behandelt. Es heißt, daß schon demnächst der Prospekt erscheinen und die Unterschriften hervorragender 'Firmen tragen werde. Dies Ereignis, welches unter andern Umständen nur die' Kapitalisten zu interessieren brauchte, gewinnt gegenwärtig zugleich einen politischen Beigeschmack, der die Besprechung desselben an dieser Stelle rechtfertigt. Berliner Häuser würden sich auf das Anleihegeschäft nicht einlassen, wenn sie nicht die Ueberzeugnng gewonnen hätten, daß kriegerische Verwicklungen mit Rußland in absehbarer Zeit nicht eintreten werden. Diese Ueberzeugung braucht aber bei den vortrefflichen Beziehungen, die sie zu maßgebenden deutschen politischen Persönlichkeiten unterhalten, keineswegs nur eine private zu sein, und sie verdient sonnt volle Beachtung als Gradmesser des Vertrauens unserer leitenden Kreise auf die Fortdauer des Friedens. Man erinnert sich, daß die russische Regierung schon im vorigen Herbst in Berlin eine größere Anleihe anf- zunehmm beabsichtigte. Damals reiste Hr. v. Bleichröder zum Fürsten Bismarck nach Varzin, um sich, soweit das einem Privatmann möglich ist, über die internationale Lage zu informieren. Das Resultat seines Besuchs war die Ablehnung des russischen Anleiheplanes, und das Petersburger Kabinett fand ebenso in London, Amsterdam und Paris verschlossene Thüren.
* Berlin, 23. Mai. Die Besorgnisse, die der Zustand des au einem Halsleiden erkrankten deutschen Kronprinzen Erregt hat, sind, wie die „Fr. Z." aus bester Quelle erfährt, nicht ganz unbegründet. Unter Zuziehung des Hofarzres der Königin von England, des bedeutenden Hals- nnd Kehlkopf-Spezialisten Dr. Morrel Mackenzie hat eine Konsulation der hiesigen Autoritäten (Bergmann, Gerhardt, Lauer, Virchow und We- gener) stattgesnnden, von deren Ergebnis es ab- hängen soll, ob ein operativer Eingriff erfolgen wird. (Nachschrift: Eine Operation unnötig.)
' Berlin, 23. Mai. Von gntunterrichteter Seite wird den: Berl. Tagbl. bestätigt, daß die gerichtliche Untersuchung wegen der Ermordung des Polizeirats Rnmpff, welche wohl niemals ganz geruht hat, neuerdings wieder aufs eifrigste betrieben wird. Die Behörde zu Frankfurt a. M. hat bereits zahlreiche Beweise in Händen,
daß die seit kurzem im dortigen Gefängnis unter- gebrachten drei Anarchisten Mitschuldige des Schustergesellen Liske sind; es ist deshalb nicht unwahrscheinlich, daß ein zweiter sensationeller Prozeß wegen der Ermordung Rumpffs demnächst die Gerichte beschäftigen wird.
* Berlin, 23. Mai. Den Abendblättern zufolge gedenkt Schuwaloff im Laufe dieser Woche abermals nach Petersburg sich zu begeben, wie verlautet, zu einem 14tägigen Urlaub zur Ordnung von Privatangelegenheiten. Man dürfte in der Annahme aber nicht fehlgehen, daß die Reise doch mit der spätem anderweitigen Verwendung Schuwaloffs im gewissen Zusammenhang stehe.
* Berlin, 24. Mai. Das Berliner Tageblatt erfährt aus absolut zuverlässiger Quelle, daß der deutsche Botschafter in St. Petersburg, v. Schweinitz, durch den Reichskanzler beauftragt wurde, energisch auf das sofortige Einschreiten der russischen Regierung gegen die No- woje Wremja wegen deren neuesten Hetzartikels über die Organisation der deutschen Spionage zu dringen. Schweinitz ist diesem Aufträge bereits gestern nachgekommen.
- (Verunglückte Wasserfahrt.) Sechs Arbeiter, sämtlich Familienväter von Danzig machten dieser Tage von Nmfahrwasser aus eine Vergnügungsfahrt mit einem Segelboot in die See. Das Boot schlug infolge des Sturmes um und sämtliche Insassen ertranken.
' Ein Gesetzentwurf, betreffend die Ernennung und Besoldung der Bürgermeister und Beigeordneten in Elsaß-Lothringen, hebt die Bestimmung auf, wonach der Bürgermeister und die Beigeordneten dem Gemeinderat zu entnehmen sind, sowie die Bestimmung, wonach dieselben vor ihrer Ernennung in die Wählerliste oder in die Rolle der vier direkten Stenern eingetragen sein müssen. Das Ministerium kann anordneu, daß die Stellen des Bürgermeisters und der Beigeordneten mit Besoldung und Repräsentationskosten ansgestattct werden, deren Höhe der Bezirkspräsident festsetzt. Landesbeamte, welche sich zur Uebernahme einer Bürgermeister- oder Beigeordnetenstelle bereit erklären, können mit Wartegeld einstweilen in den Ruhestand versetzt werden. Die Dienst- bezüge der Bürgermeister und Beigeordneten sind Pflichtausgaben der Gemeinden und sollen bei Berechnung der den Gemeinden zu überweisenden Schulzuschüsse nicht in Anrechnung kommen.
Ausländisches.
* Wien, 23. Mai. Im hiesigen Auswärtigen Amte wird einer Begegnung des Grafen Kalnoky mit dem Reichskanzler Fürsten Bismarck in Kissingen im Juli entgegeugesehen; eine Begegnung der beiden Kaiser wird nicht erwartet.
* Wien, 23. Mai. Die Pforte hat eine Zirkularnote erlassen, in welcher sie die Mächte zil einem Gedankenaustausch über die Lösung
Gin Hechvogek.
Tragikomische Erzählung von Heinrich Köhler.
(Fortsetzung.)
Wohl ein Dutzend Sckritte ging er darauf schweigend an ihrer Serie dahin, dann faßte er sich ein Herz u d fing zum dritten Male an:
„Mein wcrtgeschätztes Fräulein, kaum wage ich es, noch einm tt das Wort an -sie zu richten, aber es gibt eine Tugend, die man als Haupt- zrerde des weiblichen Geschlechts bezeichnet, das ist die des Vergebens Sie kennen mich ja noch zu wenig, um über meinen Charakter sich ein Urteil bilden zu können, aber wenn Sie wüßten, wie tief zerknirscht ich selbst über die eigentümliche Situation bin, in die unangmchme Vorkomm msse mich Ihnen gegenüber gedrängt laben, dann, das bin ich von Ihrer Güte überzeugt, würden Sie N ichsicht mit mir haben und mir nicht deswegen zürnen,"
Er atmete nach dieser wohlgelungenen Rede tief erleichtert auf.
„Ja, wer sagt Ihnen denn, daß ich Ihnen überhaupt zürne?" ent- gegnete Fräulein Walter etwas schnippisch,
Herr Lachtaube wußte si sen Sinn die'ec Worte nicht gleich zu- sammenzureinien. Er blickte seine Be ck iterin etwas verblüfft an.
„Wie, Sie zürnen mir nicht — siuo mir überhaupt nicht böse gewesen S-
Das junge Mädchen unterdrückte nur mir Mühe ein lettes Lachen.
„Lie scheinen über diese Abnahme ordentlich beleioigt zu sein! Ist Ihnen an meinen-. Zorn dean ft viel gelegen?"
„Ja - nein — das heiß: — ich glaubte —" stammeite Herr Lachtaube verwirrt,
„Sie glaubten, daß ich Ihnen böse sein müsse; wissen Sie auch, daß das Ihrerseits eine sehr große Unbescheidenheit verrät?" sagte Fräulein Walter.
Unier Held wurde immer verwirrter.
„Unbescheiden — ich? O, mein Fräutein — glauben Sie das nicht von mir - nur das nicht — Sie veckenn n mich und ich verstehe auch wirklich nicht, inwiefern —"
„Nun, das ick doch nicht so schwer zu verstehen,- unterbrach ihn die junge Dame mit naiv altklugem Tone. „Wenn man jemand böse ist, so setzt doch das voraus, daß man für die betreffende Person ein gewisses Interesse empfindet. Aber in diesem Falle
Nun war plötzlich die Reihe des Verwicrtwerdens an Röschen gekommen.
„O. mein Fräulein,- fiel ihr Begleiter ihr schnell in die Rede, „auf diese Weise habe ich auch nicht gewagt, die Sache aufznfassen, aber —-
Nun kam auch er ins Stocken. .
Um ih .e eigene Verlegenheit zu verbergen, fragte Fräulem Walter:
„Nun — aber?
„So bin ich Ihnen also total gleichgültig?- fahr es dem zangen Mann jäh über die Lippen. Als ihm die Worte heraurgefahren, war er über sich selbst erschrocken, und Fräulein Röschens hübsches Gesicht war wie mit Purpur übecgossen. So gingen sie -wieder einige Minuten schweigend nebeneinander hin, bis Fräulein Walter plötzlich stehen blieb.
„Dort ist das Haus meiner Tante,- sagte sie, „ich möchte Nicht, daß Sie weiter mitgehen und — und —- setzte sie mit reizender Verwirrung hinzu, ich war Ihnen wirklich böse — sehr böse, aber nun ist es wieder gut.- Dabei streckte sie ihm die kleine behandschuhte Rechte entgegen . .
„Sie waren mir wirklich böse!- brach es wie ein Jubckruf über die Oppen unseres jungen Freundes — „o, das macht mich sehr, fthr glücklich!" und in hochgehender Begeisterung drückte er einen Kuß auf die entblößte Stelle zwischen Handschuh und Aermel ihrer Hand und dann trennten sie sich schnell.
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