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hat. - Nun folgten Vorträge vom Liederkranz und Kirchenchor, von welchen besonders als recht gelungen bezeichnet werden dürfen die Lieder: „Das ist der Tag des Herrn" und „O sanfter süßer Hauch" ec. — Auch eine Uhland'sche Dichtung: „Des Sängers Fluch" wurde durch Deklamation den lauschenden Zuhörern in ansprechender Weise vorgeführt.
* In der Nacht vom 21./22. d. M. kam in Gündringen ein sehr bedauerlicher Fall vor. Der Maurer Hirueise von Unterschwandorf saß am 21. April abends in einer Wirtschaft in Gündringeu; hier brachte ihm der 20 Jahre alte Christian Schund das Glas zu in einer Art, daß ihm Hirneise dies verwies. Diese ganz geringfügige Sache gab nun dem Schund den Anlaß,' dem Hirueise, welcher erst nach ihm die Wirtschaft verließ, auf dem Heimwege aufzulauern und den nichts ahnenden, der Heimat zugehenden Mann durch einen wuchtigen, mit einem Prügel geführten Streich uiederznstrecken. Beim Fallen verletzte sich der Getroffene auch am Unterkiefer; doch bestand die tötliche Verletzung nicht hierin, sondern wie die Sektion ergab, in der Zertrümmerung des Schädels durch den ans die Hinterseite des Kopfes geführten Streich. Hirneise, welcher 58 Jahre alt und Vater von acht Kindern ist, starb in Uuterschwandorf an den erhaltenen Verletzungen.
* Stuttgart, 6. April. Die Uhlaudfeier hat aus dem reichgeschmückten Marktplatz unter allgemeiner Teilnahme der Bevölkerung einen imposanten Verlauf genommen. Nach der Huldigung am Uhland-Denkmal bewegte sich der Festzug zum Marktplap, wo 300 Sänger Chöre nach Ühlaud'schen Dichtungen sangen und Oberpostmeister Steidle die Festrede hielt, in welcher er Uhland's Verdienste um das deutsche Lied feierte. Die Königin und der ganze Hof sahen der Feier von den Fenstern des Neef'scheu Hauses zu.
Dienstag morgen 7 Uhr wurde in Tübingen an dem Geburtshaus Uhlands eine Gedenktafel enthüllt, womit eine kleine Feier- licheit verbunden war, welche der Tübinger Festausschuß ungeordnet hatte.
* Metzingen, 25. April. Gestern wurde in dem Nachbarorte Dettingen ein Mann verhaftet, der beschuldigt ist, den auffallend rasch eiugetretcnm Tod eines 4jährigen Knaben, den ihm seine Frau in die Ehe gebracht hat, durch fortgesetzte Mißhandlungen herbeigeführt zu haben. Bei der gestern stattgehabteu Sektion zeigten sich bedeutende Blutunterlaufungen am ganzen Körper und Verletzungen am Kopfe, welche von Puffen und Stößen herrühren. Die Verhaftung erfolgte sogleich nach beendigter Sektion.
" Hall, 24. April. Es bestätigt sich, daß noch in diesem Sommer ein zweites Geleise ans der Linie Crailsheim-Heilbronn, die als strategische Bahn von großer Bedeutung für die Beförderung der Truppen von Mittelbayern an die Westgrenze zu werden verspricht, gelegt werden soll. Die Brücken, Durchlässe, Tunnels der
Bahn sind bereits für zweispurigen Betrieb angelegt, an manchen Punkten werden aber noch bedeutende Sprengungen vorgenommen werden müssen. Der dieselbe leitende Oberingenieur wird seinen Sitz über die Dauer der Bauzeit in hiesiger Stadt nehmen.
* Aus dem Fränkischen, 24. April. In
Friedrichsgmünd begeht heute der Oljährige Veteran Waigel mit seiner 86 Jahre alten Frau das seltene Fest der diamantenen Hochzeit. Der i Prinzregent von Bayern erfreute das noch merk- i würdig rüstige Ehepaar mit einer Hochzeitsgabe i von 50 Mark. !
* (Verschiedenes.) In der Manser'sch en ^ Gewehrfabrik in Oberndorf ereignete sich i ein schweres Unglück. Während ein Heizer an! der Dampfmaschine putzte, setzte der Maschinen-! Wärter dieselbe in Gang, so daß dem ersteren ^ der Arm vollständig abgedrückt wurde. —^ Der, Ausbau des ll l m e r M ü u st e r s geht seiner Vollendung entgegen; es fehlen nur noch 14 m i bis die Gesamthöhe von 160 m erreicht und das i Ulmer Münster damit der höchste Turm der i Welt sein wird. In wenigen Jahren soll das i großartige Werk zu Ende geführt sein. Seit Beginn der Restauration (in den 40 er Jahren) sind 3 490000 Mark anfgewendet worden. — Der Spaichinger Turnverein hat bei der Stuttgarter Pferdemarkt-Lotterie ein Pferd im Werte von 900 Mk. gewonnen; eine Kommission zur Empfangnahme ist nach Stuttgart abgegangen. — In der Nähe der Solitnde wollte ein Fuhrmann von Gerlingen auf seinen mit Steinen schwer beladenen Wagen steigeil und kam hiebei so unglücklich zu Fall, daß ihn: ein vorderes Rad über die Brust ging. An seinem Auskommen wird gezweifelt. - In Kirchheim wollte der Dienstknecht eines Güterbeförderers einen ca. 5Ztr. schweren Ballen Garn allein vom Wagen schaffen, glitt hiebei aus, siel rückwärts vom Wagen und erlitt schwere Verletzungen. — Die Spielleideu- schaft ist unter der Landbevölkerung des Oberlandes eine sehr verbreitete. Jüngst passierte es einem Bauersmann, welcher in A. ein Schwein um 84 Mark verkauft hatte, daß derselbe nicht nur diese Summe, sondern noch 20 Mrk. dazu beiin „Paschen" verspielte. Ohne Schwein und ohne Geld zog er am andern Morgen der Heimat zu. — In Ludwigs bür g verhaftete die Polizei einen Hochstapler raffiniertester Sorte. Derselbe mietete eine elegante Wohnung und gab sich für einen Baron aus, der zu den höchsten Kreisen Zutritt habe. Schließlich wurde er in einer Wirtschaft untergeordneten Ranges als Gipser von Neuhausen a. d. F. entpuppt, der lieber ans hohem Fuße hätte leben mögen, als auf hohen: Gerüste zu arbeiten.
Grodstadt (Untersranken.) Ein geisteskranker, junger Bauernsohn, welcher sich vor einigen Wochen mit einem Küchenmesser zweimal tief den Hals durchschallt, die Luftröhre in drei Teile trennend und darauf ins Wasser sprang, ist wider Erwarten seinen schweren Verletzungen
nicht erlegen. Die Wunden sind zum größten Teil ohne Eiterung geheilt, aber jetzt droht dem Unglücklichen der schreckliche Tod einer langsamen Erstickung infolge von Verengerung der Luftröhre, durch die Schrumpfung der Narbe. Der junge Mensch, der immer in Gedanken an Mord und Selbstmord dahinbrütet, warf dieser Tage ein scharfes Küchenbeil nach seinem Vater, der nur durch eine rasche Wendung dem sicheren Tod entging.
' Frankfurt a. M., 26. April. Die „Franks. Ztg." meldet aus Mainz: Gestern wurden hier abermals zahlreiche Sozialisten verhaftet.
* Berlin, 26. April. Die Affaire Schnäbele nimmt jetzt einen ruhigeren Fortgang, auch in Frankreich scheint die Ueberzeugung zum Durchbruch zu kommen, daß deutscherseits keinerlei gewaltthätige Handlung beabsichtigt wird und daß die Angelegenheit am ersten zu ordnen ist, wenn französtscherseits unberechtigte Ansprüche nicht erhüben werden.
* Berlin. Die deutschen Goldansprägungen haben die zweite Milliarde jetzt überschritten. Dabei darf indes nicht übersehen werden, daß ein guter Teil dieser Ausprägungen bereits wieder im Auslände in die Schmelzngel gewandert ist. Man schätzt den Verbrauch Deutschlands an Geld für industrielle Zwecke auf jährlich 33 Millionen Mark, wovon ein erheblicher Teil durch Neichsmünzen gedeckt wird. Nicht minder verbraucht auch die schweizerische Industrie (Uhren) alljährlich erhebliche Summen Reichsgold, während Auswanderer und Reisende unsere Münzen über die ganze Welt verschleppen und namentlich die Vereinigten Staaten sort- danernd Gold an sich ziehen. Nachweisen läßt sich die Umprägung von etwa 200 Mill. Mrk. deutscher Neichsgoldmünzen ans fremden Münzstätten. Genaue Angaben ü'er unfern Goldumlauf sind naturgemäß unmöglich, doch wird angenommen, daß mindestens 25 Prozent, vielleicht aber 30 Proz., also 500 bis 600 Millionen Mark der Neuprägungen bereits wieder in Abgang gebracht werden müssen.
* Forst i. L., 23. April. Ein grauenhafter Mord erregt die Gemüter unserer Stadt. Gestern abend gegen 10 Uhr dnrchschnitt der hiesige Fleischer Müller seiner Ehefrau den Hals bis auf die Wirbelknochen, so daß der Tod sofort eintrat. Das Motiv zu dieser That soll Eifersucht gewesen sein. Müller versuchte gleich nach dein Morde durch Ertränken, dann, nach seiner Verhaftung, durch Erhängen seinem Leben ein Ende zu machen, doch wurden die Selbstmordversuche vereitelt.
* Eine gesunde Luft muß in Fürstenzell an der Donau sein; da hat ein kleiner Gutsbesitzer, der nicht viel aus dein Ort und höchstens auf den nächsten Markt gekommen ist, seinen 100. Geburtstag und seine Schwester, die ihm das Hauswesen führt, ihren 97. Geburtstag gefeiert.
* Ein junger Fabrikarbeiter aus Fegers-
Das Gold des Heufeks.
Erzählung von A- v. Winterfeld.
(Fortsetzung.)
„Ich wollte, der junge Herr wäre erst wieder zurück," sagte Medard, „und wollt Ihr auch wissen, weshalb, Meister? — weil alle junge Mädchen des Dorfes in ihn verliebt sind . . . jede will ihn heiraten, und alle können ihn doch nicht haben . . . aber wenn er erst seine Wahl getroffen haben wird, dann kommt unsereiner an die Reihe, denn unsereiner ist doch der Zweithübscheste und Zweitgeistceichste im Dorfe. . . jedem, was ihm gebührt, Mei'ter Loriot . . . Euer Sohn ist der Erste, aber ich bin der Zweite, und wenn Euer Sohn erst seine Wahl getroffen hat, dann reißen sie sich nach mir. aber ich will nur um meiner sechst willen geliebt und geheiratet sein "
Rose war bei der Rede Medards bleich geworden und hatte die kleine Hand auf das ärztlich pochende Herz gelegt War es Eifersucht, die sie gefühlt? . . . Kommt denn die Eifersucht, ehe man liebt, oder war die Liebe bereits da, ohne daß sie sich dieselbe eingestanden?
Und er? Hatte sie denn irge d ein Anrecht an ihn? — Sie waren mit einander ausgewachsen, hatten sich aber nur als Bruder und Schwester betrachtet, wie konnte sie also andere Gefühle bei ihm voraussetzen? Sie hatten ja nie ein Woll von Liebe zu einander gesprochen, ihm stand also vollständig freie Wahl zu unter den Mädchen des Dorfes, und dennoch . . .
Des Müllers Blicke wa en unterdessen ruhelos in dem Raume umherg.'wandert, ob er nichts zu schelten oder zu tadeln finden würde. Endlich entdeckte er auf dem großen Tische in der Ecke etwas, woran er seinen Unmut auslassen konnte.
„Was ist denn das?" rief er, mit dem Finger daraufhinweisend.
„Kohl... und ein Kaninchen zum Mittag heute", entgegnete Marcelle.
„Ein Kaninchen?" fuhr Loriot auf; „seit wann gibt es hier Kaninchen zu Mittag? Sollen die Leute vielleicht denken, daß ich auf Geldsäcken sitze? wollt ihr mir Diebe und Meuchelmörder auf den Hals ziehen? Ihr werdet nicht eher ruhen, bis ihr unch wieder aus dem Hause getrieben habt!"
„Wie?" fragte Rose; „Ihr wollt Eure Heimat wieder verlassen?"
Der Müller lachte höhnisch auf.
„Meine Heimat! ... sie ist wie jedes andere Land . . . neidisch nnd schlecht gegm seine Mitmenschen! Jetzt kann ich mir erklären, weshalb die Leute alle so höflich den Hut vor mir ziehen . . . weil sie denken, daß ich ein reicher Mann bin, aber den Glauben will ich ihnen benehmen . . . fort mit dem Kaninchen!" wandte er sich dann an Marcelle; „der Kohl allein genügt vollkommen, uns alle satt zu machen . . . wenn du gegen meine Befehle handelst, jage ich dich fort!"
„Aber Meister," legte sich Medard in's Mittel; „wenn man den ganzen Tag arbeitet, will man doch auch satt zu essen haben . . . alles was recht ist, Meister Loriot ..."
„Still!" herrschte ihn der Meister an, „oder ich jage dich ebenfalls fort . . . jeden, der mir widerspricht oder nicht gehorcht. . . dich auch, Rose, wenn du gegen meinen Willen handelst."
Das Mädchen senkte traurig den Kopf, aber Medard trat vor sie hin zu ihrer Verteidigung.
„So!" rief er, einen Fuß auf der Leiter . . . „Ihr jagt uns fort, aber wißt Ihr auch, was wir thun? ... wir gehen nicht . .
. . fällt uns gar nicht ein, zu gehen! . . . weil es eine schreiende Ungerechtigkeit ist, die Ihr an uns verübt. Da sieht man aber, daß die Gerüchte wahr, die im Dorfe über Euch im Umlauf sind."
„Gerüchte? . . . was für Gerüchte?" fuhr Loriot auf, indem er sich entfärbte; „wirst du augenblicklich sprechen, Schlingel, oder ich drehe dir das Genick um!"