fn die Hände spielen möchte. Hat sich ja diese Partei, um ihr Ziel zu erreichen, nicht gescheut, Arm in Arm mit einem Diplomaten vom Schlage eines Däroulöde das Gespenst eines unübersehbaren Krieges herauszubeschwören! Schon daraus ist zu ersehen, zu welchen Schritten und zu welchen Allianzen jene Heißsporne fähig sind. (N. Tgbl.)
* St. Petersburg, 2. November. Der „Regierungsanzeiger" teilt den letzten Notenwechsel zwischen Kaulbars und der bulgarischen Regierung mit und fügt hinzu, General Kaulbars eröffnete mit Genehmigung des Kaisers dem bulgarischen Minister des Auswärtigen, er werde bet der ersten Vergewaltigung russ. Unierihanen irgendwo in Bulgarien mit allen diplomatischen Agenten Rußlands Bulgarien verlassen.
* In Sofia sind Befehle erteilt worden, daß in allen öffentlichen Schulen künftighin die deutsche Sprache an Stelle der russischen gelehrt werden soll.
* Softa, 2. Nov. Kaulbars, von der Antwort der bulgarischen Regierung auf sein Ultimatum unbefriedigt, beabsichtigt in den nächsten Tagen abzureisen und droht bei Verhinderung einer Ausschiffung der Russen vor Varna mi: Beschießung.
* Ttrnowa, 30. Okt. Seit drei Tagen ist die Stimmung sehr gedrückt, da die Bulgaren die Hoffnung auf die Hilfe Europas verloren haben. Man glaubt, daß Kaulbars mit seinem Ultimatum Ernst machen und ab> reisen werde und daß darauf die Besetzung erfolgen werde. Die Bulgaren nehmen an, daß die Mächte gegen dis Besetzung nichts einwenden werden; ja sogar die Anschauung gewinnt an Boden, daß die Mächte, namentlich Oesterreich, die russische Besetzung und die Umwandlung Bulgariens in eine russische Provinz genehmigt haben.
* Tirnowa,1. Nov. Die Sobranje wurde mit folgender Botschaft eröffnet: Nach der Abdankung des Fürsten hat die Regierung die Leitung der Geschäfte übernommen und ihre Kräfte daran gesetzt, den Frieden, die Ruhe und Sicherheit des Landes aufrecht zu erhalten, sowie das Wohl und die Ehre der bulgarischen Bürger zu schützen. Ihr Ziel war, das Vaterland aus der Krisis zu ziehen, die aus dem Staatsstreiche vom 21. Aug. folgte. Die Regierung betrachtete es als den wichtigsten Akt, der ihr obliege, die Sobranje zur Wahl eines Fürsten für den bulgarischen Thron zu berufen. Trotz den mit dem provisorischen Charakter der Regierung zusammenhängenden Schwierigkeiten haben sich die Wahlen ohne erhebliche Zwischenfälle vollzogen. Die Regierung sieht mit Befriedigung heute die Vertreter der Bevölkerung in der alten Hauptstadt Bulgariens vereinigt. In der festen Ueberzeugung, daß sie einen Fürsten wählen wird, welcher sein Leben der Aufgabe widmen wird, die Freiheit und die Interessen des Vaterlandes zu schützen, und welcher die Nation auf dem Weg des Fortschritts, der Größe,
des Ruhmes und der historischen Bestimmungen Bulgariens führen wird, erklären wir die große Sobranje für eröffnet und erbitten den Segen Gottes für ihre Arbeiten. Es lebe das unabhängige freie Bulgarien. Die Botschaft ist von Stambuloff, Karaweloff und Mutkuroff unterzeichnet. Karaweloff, welcher in Sofia geblieben war, genehmigte telegraphisch seine Unterschrift. Die Sobranje nahm sodann die Bureauwahl vor.
* Tirnowa, 2. Novbr. Die Urheber des Staatsstreiches vom 21. August, Major Gruew und Kapitän Benderew, wurden der Haft entlassen.
* Nisch, 29. Okt. König Milan drückte gegenüber dem bulgarischen diplomatischen Abgesandten Dr. Stransky über die Vorgänge, welche die Entthronung des Fürsten Alexander herbetsührten, sein Bedauern aus und betonte die Notwendigkeit des Zusammengehens aller Balkanvölker.
-emdel m»d Berkehr.
* Stuttgart, 1. Nov. (LandeS-Produkien« Börse.) Das schöne milde Hsrbstwetter, das der heurige Jahrgang uns in reichem Maße brachte, hat sich bis heute erhalten und von starken Reifen, welche der Vegetation geschadet hätten, sind wir bisher verschont geblieben. Bezüglich des Getreidegeschäftes ging es in der verflossenen Woche sehr still zu, und wo etwa die vorige Woche einen kleinen Aufschlag brachte, ging derselbe wieder verloren. In Weizen war I auch auf heutiger Börse ein flaues Geschäft, dagegen wurde Gerste und Haber in bedeutenden Mengen umgesetzi.
Wir notieren per 100 Kilogr.:
Weizen württ. . . 18 M. — bis —- M. —-
do.85er Ocenb. . 19 M. 20 bis — M. —
Gerste daher. . . 18 M. — bis 19 M. —
Haber Alb . . 11 M. 20 bis 11 M. 80
* Stuttgart, 2. Nov. Auf hies. Güterbahnhof sind heule angekommen: 5 Waggons bayrisches, 15 Waggons schweizerisches, 20 Waggons österreichisches Mostobst. Preise: 6 M. 10 bis 6 M. 30 Pfg. per Zentner. Tendenz: lebbaft.
* Stuttgart, 2. Novbr. (Kartoffel- und Krautmarkt.) Leonhardsplatz: 500 Säcke Kartoffeln L 2 M. 60 bis 3 M. Pr. Zir. Markt, platz 4000 Stück Filderkraut zu 10 bis 12 M. per 100 Stück.
* Weinpreise vom 1. Nov. Rothenberg. Verkauf ordentlich; noch Vorrar 30 Hekt. zu seitherigen Preisen. — Fellbach. Mittelgewächs 42—50 M. per Hekt. Bergwein 58 bis 60 M. per Hekt. Vorrat, worun er noch gute Bcrgweine, ca. 80 Hekrolüer. Käufer sehr erwünscht. — Von der Tauber. In Ger- lachsheim, dessen Produkt dem Markels- heimer gletchkommt, ist der diesjährig Ertrag, kaum 200 Hekioliter, bald verkauft. 1 Preis zu 44—46 M. per Hekiol. JnKönigshofen, Unrerschüpf, Sachsen fl ur kauft man den Neuen zu 34—36 Mk. per Hektoliter.
* Ravensburg. 30. Okt. (Obstmarkt.) Heutige Zufuhr 1800 Säcke. Verkäufer verlangten anfangs die bisherigen Preise, so daß Handel flau, gegen Mittag waren noch größere Partien unverkauft. Verkäufer mußten schließlich nachgeben. Preise sanken von 5.80 M. bis 4.80 M. Pr. Ztr.
Literarisches.
Jllustrirte Geschichte vo» Württemberg,
herausgegeben unter Mitwirkung eines Vereins
schwäbischer Schriftsteller von der Verlags.
Handlung Emil Häuselmaun in Stuttgart. 40 Lieferungen L 40 Pfa.
Lon diesem patriotischen Werke, das ja für jeden Wiirttemberger und für das ganze Württemberger Land von besonderer Bedeutung ist, liegen uns die weiter erschienenen Hefte 25—32 vor. Wir können auf diese Lieferungen, die uns wiederum den Beweis bringen, welch tüchtige Kräfte der Verlagshandlung zur Bearbeitung einer Geschichte unsere. Heimat, wie sie einzig dasteht, erworben har, mit Freuden begrüßen. Wahrhaft meisterlich führt Diakonus A. Klemm sein: „Aus dem Leben der Grafenzeit", das mit Heft 18 begonnen wurde, in der 25. Lieferung zu Ende und liefert uns hiermit ein Schriftstück, das an Gediegenheit und Genauigkeit nichts zu wünschen übrig läßt. Alsdann führt uns Diakonus Landenberger in mehreren Heften die Zeit der Herzoge vor Augen und fesselt uns mit diesem bis zum 30jähr. Kriege reichenden Aufsatz in wirklich ansprechender Weise. Sehr glücklich ist hier nun die Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts eingeschoben worden und behandelt dieselbe der auf diesem Gebiets vertraute Maler Mar Bach, der artistische Leiter des Ganzen, der hier seine erprobte Tüchtigkeit in Wort und That in vollem Maaße bewährt. Ausgezeichnet geschrieben schließt sich nun an: „Württemberg und der 30jährige Krieg" von dem bekannten vr. Rich. Weitbrecht. Formgewandt in der Darstellung, meisterhaft in der Ausführung, entrollte uns der Verfasser ein lebendiges Bild der damaligen Zustände vor unseren Augen und weiß uns mit seiner liebenswürdigen Art mehr und mehr zu fesseln. Was nun die künstlerische Ausstattung betrifft, so wird uns auch hier in diesen neuen Heften erstaunliches geboten. So fallen uns neben den in den Text gedruckten Zeichnungen und Bildern namentlich mehrere Vollbilder in die Augen. So z. B. der Ritterschlag des Grafen Eberhard im Bart in Jerusalem, die Frauenkirche in Eßlingen und das bedeutungsvolle Bild von Faber du Fanr „Kampf des Grenadierregiments Königin Olga im Park von Coeuilly, das wohl manchem, der im 70er Kriege mitgefochten hac, willkommen sein wird. Von weiteren Vollbildern seien noch erwähnt das Bild des Herzogs Friedrich Karl, Stifter des Stuttgarter Gymnasiums und Ansichten der Stiftskirche und von Hohen Urach. Wenn das Werk vom ganzen Volk schon mit Freuden begrüßt wurde so muß es der Verlagshandlung noch mehr zur Ehre gereichen, daß dasselbe von Ihren Majestäten mit solchem Interesse ausgenommen wurde, welches dieselben mehrfach in huldvollster Weise bewiesen haben.
Vermischtes.
* (Amerikanisches Geschäfislalent.) „Ja," sagt ein sorgender Vater zn seinem Sohn, „ja, in New-Duk ist noch etwas za machen. Sieh' einmal James an. Der begann sein Geschäft ohne einen Pfennig bares Geld und hat kürzlich mit hundertundfüafzig tausend Dollar falliert. Natürlich ist das ein ganz außerordeuiltcher Fall, aber dennoch sehe ich kernen Grund, warum du, wenn du ehrlich und fleißig bist, in einigen Jahren nicht einen Bankrott von wenigstens fünfzigtausend machen solltest."
Für die Redaktion verantwortlich: W. Rieker, AUensteig.
Es war am neunten Lage uacy jenem Verfall — der letz.e vvn «ns geschilderte Auftritt hatte sich erst gestern ereignet — da erhielt W>l- born ein paar Zeilen von HornS Hand, der schrieb:
„Lieber Freund!
Ich hoffe, du bist großmütig — du vergissest, was dir kürzlich bei uns zugcfügt worden — durch meine Schuld. Der Onkel war zu heftig; verzeih's ihm. Wir wollen nun solch' Aergernis künftig zu meiden suchen, wir wollen wieder solid sein, — sei es mit. Ich habe in anderen Stücken deine Freundschaft schätzen lernen, ich möchte auch nicht, daß ich — um dieses verdrießlichen kleinen Vorfalls willen — sie verlöre. Erhalte sie mir! — W.llst du heute abend sechs Uhr zu Haus sein, dann erlaube, daß ich auf einen Moment zu dir komme. Ich habe noch eine Bitte an dich, weißt du? Bis dahin grüßt dich nach wie vor
Dein Fritz.
Wie ein jäher Lichtstrahl schoß es Wtlborn durchs Hirn. —
„Beim Himmel, ja, daran dachte ich nicht. Nun erst fällt mirs ein. Ho, trefflich, trefflich! Ja, komm du, mein Junge — laufe in die Falle, an die du selbst mich erinerst. Ich will sie dir schon stellen. Triumph!"
Es ist hier zu sofortigem Verständnis nachzuholen: Horn hatte noch vor dem Tag, als das in dem Brief Erwähnte geschehen war, eine Spielschuld ausgenommen. Bei einem jener heimlich veranstalteten Pharaos, zu denen er sich schon gern »ud oftmals hatte schleppen lassen, war's übermäßig hoch gegangen; er hatte hitzig pointiert; alles Bare, das er bet sich gehabt, war geschmolzen; da hatte ihm Wtlborn verlockend zugeredet, er sollte doch weiter spielen — auf Ehrenwort; er war gefolgt und — kurz: eine nicht unbedeutende Summe sollte er binnen
karzrw zahlen. Da er schon damals seine Veilegenheir geäußert, wo sie hernehmen vor dem Ersten, hatte ihm Wilborn versprochen, auszuhelfen und also — dies ohne Zweifel war die Bitte, auf die er in seinem Billet Bezug nahm.
So versöhnlich und vertrauensvoll aber auch diese Zeilen lauteten, auf Wilvorns einmal erregte Stimmung machten sie keinen Eindruck.
„Er braucht mich!" rief er hohnlachenden Mißtrauens bei sich; „sonst käme er nicht. Aber so gut. Sei's! Ich erwarte ihn."
Am Abend kam Horn denn wirklich. Bon dem mißlich Borgefallenen sprach er bewegt, aber kurz, nur noch einmal den Onkel und sich entschuldigend. Wilborn gab den Versöhnungs-Handschlag, um den jener bat, und — damit sollte es gut sein. Dann kam Horn ohne Umschweife auf den weiteren Zweck seines Besuchs zu reden, — es war in der That der bewußte.
„Ich kann das Geld nicht schaffen vorm Erken", äußerte er; „gerade jetzt; da noch die Wunde von jenem Abend im Verharschen ist, kann ich dem Onkel damit unmöglich kommen. Da bist eben du mir der nächste, zumal ich ja dein Versprechen hierfür habe. Und du wirst's halten, nicht wahr?"
„Gewiß, mit Freuden!" war des Angebrochenen rasche Entgegnung. „Jetzt habe ich die Summe freilich auch nicht; aber ich kann sie schaffen bis zu dem Tage. Also wenn es Zeit ist, komm! Du sollst das Geld bei mir liegen finden."
„Schönen Dank!" sagte Horn daun aufstehend, im Begriff wieder zu gehen. „Ich verlaß' mich ganz bestimmt darauf."
„Verlaß dich!" beteuerte der andere wiederholt und Horn ging.
(Fortsetzung folgt.)