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Kr. 106. Menstelg, Donnerstag dm 10 . Septemöer

1885.

D Die spanischen Republikaner fischen jetzt im trüben. Ein Land, in welchem eine verheerende Seuche wütet, die schon mehr als hunderttausend Menschenopfer forderte ein Land, das unter dem lähmenden Einflüsse dieser Seuche in seinem Handel und Verkehr, in seiner Industrie und Landwirtschaft erschreckende Rück­schritte machte, vergißt plötzlich das nationale Leiden und arbeitet sich in die politische Wut hinein. Man kann nicht sagen, daß diese Wut für Deutschland unschädlich sei, denn unsere bisherigen Handelsbeziehungen zu Spanien waren äußerst vorteilhafte und werden zweifellos einen recht erheblichen Rückgang erfahren. Alle an­dern spanischen Drohungen aber lassen Deutsch­land vollständig kalt. Spanien ist keine poli­tische Macht, mit der zu rechnen wäre.

Die französische Regierung hat alle deutsch­feindlichen Kundgebungen hinsichtlich der Karo- linenfrage verboten. Die Stimmung Englands ist den spanischen Ansprüchen durchaus abge­neigt. Spanien ist also isoliert. In Wirklich­keit handelt es sich für die Herren in Madrid durchaus nicht in erster Linie um die Karolinen. Die sind nur das rote Tuch, das der Leiden­schaftlichkeit der Menge vorgehalten wird, um diese anznreizen. Es ist schlimm genug, aber es muß gesagt werden, die spanischen Republi­kaner halten ihre Zeit für gekommen. Emilio Castelar und Marschall Serrano sollen bereits handelseins fern.

Die Monarchie des jungen Königs Alfons hat im Lande kernen rechten Boden; die Rep», blik allerdings ebensowenig. Herren der Lage sind zeitweise immer die in der Armee ange­sehenen Generale. Prim war es, Serrano war es und ist es vielleicht noch, Admiral Topete war es. Diese Herren machten oder machen.die Regierungsform, ganz nach Gutdünken. Den Advokaten Emilio Castelar, der sehr gut zu reden weiß, hebt man auf den Schild, wenn man ihn benutzen will, oder duckt ihn, wenn er unbequem wird.

Der König genießt im Lande kein hohes Ansehen. Der Spanier spricht nicht von ihm als einem König, sondern nennt ihnDon Al- sonso*. Seine Macht ist gleich Null; er muß sich immer und in allen Stücken nach den Par­teien richten. Liberale und Konservative unter­scheiden sich in Spanien lange nicht so streng, wie bet uns. Die Republikaner sagen ganz offen, was sie find, und verhehlen ketnenfalls, daß sie nur den ihnen günstigen Zeitpunkt ab- warten.

Das gegenwärtige Kabinett nennt sich kon­servativ. Herr Canovas del Castillo ist augen­blicklich noch Herr der Lage, aber nur dadurch, daß er mit in das Horn gegen Deutschland stößt. Er konnte die Mut nicht bannen und stürzte sich deshalb selbst hinein, um darauf zu schwimmen. Er erklärt jetzt, daß er die Reise des Königs nach Deutschland stets gemißbtlligt habe. So. mit ist der arme König jetzt für seine Deulsch- landsfahrt allein verantwortlich. So läßt ein konservativer Minister seinen Monarchen im Stich > Und was wird dadurch gewonnen? Gar nichts.

Deutschland wird selbstverständlich die Ka­rolinen nicht wieder herausgeben, es sei den», daß Spanien seine angeblichen Befltztitel darauf unwiderlegbar nachweist. Kaiser Wilhelm und Fürst Bismarck haben ganz sicher die Absicht nicht, durch ihre Politik den jungen König Al­fons, den Schwiegersohn des Kaisers Franz Jo­seph, stürzen zu helfen und Spanien in eine re­volutionäre Bewegung zu versetzen. Aber unsere Regierung wird auch keinen Schritt zurückwei­chen, wo es sich um die Behauptung des guten

Rechtes handelt. Das könnte Herrn Canovas gefallen, daß der erste jetzt lebende Staatsmann vor ihm die Segel streicht!

Man will in Spanien 15 bis 20 Millionen durch Sammlungen ausbringen, um Kriegsschiffe zu bauen. Das muß in Deutschland einen ge­radezu komischen Eindruck machen, denn man' besinnt sich darauf, daß in den fünfziger Jahren auch in Deutschland für eine Flotte gesammelt wurde. Die Begeisterung war ja groß, aber die Flotte verfiel später dem Hammer des Auktio nators. Man kann den Spaniern nur die Stro­phe aus ihrem Nattonalepos zurufen:Rück­wärts, rückwärts, Don Rodrigo!" Herr Ca­novas arbeitet als konservativer Minister nur den Republikanern in die Hände, wenn er der Steigerung der Volksleidenschaften nicht energisch Einhalt thut. Denn irgendwohin muß diese Leidenschaft zum Ausbruch kommen, und da sie das ferne Deutschland nicht erreichen kann, wir auch keine Angst vor dieser kleinen Faust haben, so wäre es leicht denkbar, daß sie sich gegen das Königtum in Spanien selbst richtet.

LrmoesMchnchteil«

* Sulz a. N>, 7. Sept. Heute früh ge» langte die Nachricht von einer schrecklichen in der Nähe von Bergselden verübten Blutthat hierher. Der Schauplatz der That soll die Mühle des Christian Schlagenhauf sein, in welcher zwei Knechte namens Georg Schmid (ein Bergfelder) und Johannes Binder (ein Böhringer) beschäftigt waren. Dem Vernehmen nach soll elfterer schon länger seinen Haß auf letzteren geworfen haben, der nun gestern in der Art zum Ausbruch kam, daß Schmid ein Gewehr md und wie man sich erzählt hinterrücks dem Binder eine Lad­ung Schrote in den Kops schoß, so daß dieser lebensgefährlich verletzt zu Boden stürzte. Hier­auf lud Schmid die Flinte wieder, schloß sich in die Mahlstube ein und tötete sich durch einen Schuß in die Brust. Das Gericht hat sich heute früh an den Ort der That begeben.

* Tübingen, 6. Septör. Gestern abend sprach sich der hiesige Gewerbeverein in einer Besprechung dafür aus, die Sonntagsarbeit durch gesetzliche Vorschriften nicht weiter etnzuschränken.

* Stuttgart, 6. Sept. Zur Kaiserparade haben sich bis heute von fast allen Obcrämtern des Landes Vereine des württ. Kriegerbundes angemeldet; die Zahl der einzelnen Krieger be­trägt über 7000 mit mehr als 200 Fahnen und Standarden. Die Anmeldungen dauern noch fort.

* Marbach, 7. Sept. Wie wir erfahren, soll der deutsche Kaiser auf Einladung des Orts­vorstands von Pleidelsheim dem dortigen von Hofer geschaffenen Denkmal einen Besuch in Aussicht gestellr haben.

* (Verschiedenes.) In Rädern bei Eßlingen stürzte der 72jährige Weingärtner Klein in seinen Keller und brach hiebei den zweiten Halswirbel, so daß der Tod sofort ein­trat. InMös singen erhob sich am 4. ds. mittags ein heftiger Sturm, welcher viele der stärksten Obstbäume entwurzelte und bedeutenden Schaden in den Hopfengärten anrtchtete. In Batersbronn, OA. Frrudenstadt brannte das Wohnhaus des Stemhauers Morlock, in Scharenstetten OA. Blaubeuren ein Wohn­haus und eine Scheuer, in Ringgen Weiler (Ravensburg) das Oekonomieanwesen einer Witwe und in Knöbelhof bei Mariabrunn das ganze Anwesen des Ockonomen Nothweiler ab. In Ebingen hat ein überraschend schneller Tod einen der angesehensten Bürger, den Geweinderat Wohnhas hinweggerafft. Auf einem Morgmspaziergaug mit seinem Bruder

begriffen wurde er unweit der Stadt vom Schlage betroffen und war fast augenblicklich tot. Trotz der wenig günstigen Gutachten hat der Gemeinderat von Neresheim nunmehr mit dem Abbau des dortigen Marmorlagers beginnen lassen. Gleich am ersten und zweiten Tage der Arbeit kamen größere Blöcke zum Vorschein, wovon einer 2 V 2 Kubikmeter stark ist. Dieselbe» sind kompakt und gesund, ihre Farbe ist gelblich und fleischrot; sie ähneln den französischen und italienischen Sorten. In Eselshalden bei Pfaylbronn kam ein IVzjähriges Mädchen in einem unbewachten Augenblick in die Küche, woselbst kaum vorher von dessen Mutter ein eiserner Hafen mit heißem Wasser auf den Boden gestellt worden war; mir diesem Gefäß machte sich das Kind zu schaffen und stürzte zu Boden, den Hafen mit sich umwerfend und seinen Inhalt über sich ergießend. Als die Mutter auf das Jammern ihres Kindes herzu­eilte, war letzteres so übel zugerichtet, von den betroffenen Körperteilen hatte sich bereits die Haut abgelöst, daß bald darauf der Tod ein­trat. In Tübingen ereignete sich am vergangenen Donnerstag bei der Feier des Ge- burtsfesies I. M. der Königin ein großes Un­glück. Beim Abfeuern der üblichen drei Salven auf dem Schlöffe ging, wie der St. Anz. be­richtet, die erste Ladung nach rückwärts los, wodurch einem der fünf Kanoniere ein Fuß oberhalb des Knöchels völlig abgerissen wurde. An Blutvergiftung starb in Tübingen der Weingärtner Friedr. Gugel. Er hatte sich dieselbe durch einen Fliegenstich, welchen er vor ca. 8 Tagen erhalten, aber nicht weiter beachtet hatte, zugezogeu. In Stuttgart w«rde am Freitag abend ein 15 Jahre alter Knabe erhängt gefunden. Derselbe soll schon öfters mit anderen Kindernhenkerles" gethan uud dieses wahrscheinlich an demselben Abend wieder­holt haben, wobei er sich den von ihm benützten Riemen um den Hals gelegt und auf diese Weise seinen Tod gefunden haben dürfte. In Melchingen siarb vorige Woche eine Witwe ohne Kinder, die sich bis zu ihrem Ende abmühte und kärglich lebte. Nach ihrem Tode fand man in einen Sack eingenäht die hübsche Summe von 20,000 Mark, darunter noch 73 Kronenthalcr. Das Geld erhallen jetzt lachende Erben.

Deutsches Reich.

* Berlin, 6. Sept. Die Nordd. Allgem. Ztg. sagt: Die Vorgänge inMadrtd würden bei deutschen Lesern zweifellos eine gewisse Er­regung, namentlich einen großen Grad von Verwunderung Hervorrufen, da der Verlauf der Karolinenfrage bisher keinen Moment geboten habe, woraus das zügellose Treiben der Madri­der Tumulranten erklärbar sei. Dergleichen Vorgänge seien aber nicht nach den ersten Ein­drücken zu beurteilen; es gebe Augenblicke, wo selbst eine kräftige Regierung, wie die preußische, Ausschreitungen, wie Brandstiftung, Sachbe- schädigung, momentan nicht würde verhüten können. Hoffentlich werde, wenn nicht auf anderem Wege, doch jedenfalls durch gerichtliche Untersuchung klargestellt, was für Leute es waren und von welchen Impulsen dieselben ge­leitet, die jedes Mittel ergreifen, um zwischen Deutschland und Spanien Feindschaft zu stiften.

* Berlin, 7. Sept. Dem Präsidenten des Reichstags Hrn. v. Wedell-Piesdorf ist vom Könige von Spanien das Grobkreuz des Ordens Jsabellas der Katholischen verliehen worden.

* Berlin, 7. Sept. Eine Note Benomars nach Madrid, Berlin den 5. Sept. nachmittags teilt eine Unterredung mit dem Vertreter des