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wolkenbruchartigem und mit Graupel» vermischtem Regen, ist gestern abend nieder- gegange«. Unheil wurde in der Stadt nicht angerichtet. Auch in Kochendorf ist gestern abend von 9 Uhr ab ein schweres Gewitter, verbunden mit Hagel und wolkenbruchartigem Regen nieder­gegangen. Da» sonst stille Bächlein, welches durch unseren Ort fließt, glich einem reißende» Fluß. Viele Aecker und Wiesen stehen im Master. In Heuchlingen hat ein Wolkenbruch große Verheerungen angerichtet. Da» Master schoß in Strömen herab, gegen den Haltepunkt und das Wärterhau» hat sich da» Master durch große Aushöhlungen seinen Weg gebahnt. Fast wurde da» Wärterhau» ganz unterwühlt. Die Bewohner desselben kamen aber mit dem Schrecken davon. Da» Gleis wurde überschwemmt und der Schnellzug v 37 nach Würzburg mußte über Nrckarelz umgeleitet werden. Dank dem schnellen Eingreifen der Bahuarbeiter war da« Gleis bis gegen 12 Uhr freigelegt. Das sonst so romantische Schloß, besten Umgebung schon den Frühling verkündete, sieht jetzt auf der Ost­seite ganz verödet au». In Dattenberg richtete der wolkenbruchartige Regen große« Schade» an den Feldern an, indem er große Mengen Erde mit wegschwemmte. Auf der Straße von hier nach Heuchlingen liegt die gute Ackererde stellen­weise bis zu 15 Zentimeter tief angeschwemmt. Die Wiesen stehen bei Heuchlingen meisten» unter Wasser.

Gmünd 1. April. (Die Pistolen in der Schule.) Zu dem Unfall, der fick gestern in der katholischen Volksschule zutrug, wird be­richtet: Gestern Vormittag zwischen 9 und 10 Uhr spielte ein 13 jähriger Volksschüler während de» Unterricht» imKlösterle" mit einem scharf geladenen Terzerol. Auf einmal ging der Schuß lo» und die Kugel drang dem Knaben in de» linken Oberschenkel. Ein Arzt, der sofort herbeigerufen wurde, legte dem Ver­letzten einen Notverband an, worauf er durch die Sanitätskolonne in da» Spital verbracht wurde. Leicht hätte ei» größere» Unglück ge­schehen können. E» handelt sich um keine Luft­pistole, sondern um eine regelrechte Schußwaffe, deren Gebrauch polizeilich verboten ist.

Trossingen 2. April. (Der Krug geht so lange zum Brunnen . . .) Der Beamte einer hiesige» Fabrikkrankenkaffe, «amen» Weingart, hatte sich zu Anfang de» Jahre» Unterschlagungen zu schulden kommen lasten und war dann entflohen. Seine Spur wurde nicht mehr gefunden. Nun ist der Unverbesser­liche dieser Tage in Mannheim verhaftet worden, wo er Zechprellereien verübte, nachdem er die

hiesige Beute vertan hatte. Er wurde an» Ge­richt in Rottweil eivgeliefert.

Mengen 31. März. (Die Faßroller.) Ein schnelle» Ende hat die Extratour der beiden Faßroller Eckert und Eppler, die bekanntlich auf Grund einer Wette mit einem mit einer Deichsel versehenen Petroleumfaß von der Donauquelle bi« zu ihrer Mündung in» Schwarze Meer und wieder zu den heimatlichen Gestaden zurück zu Fuß wandern wollten, genommen. BeideTou­risten" kamen nämlich nur bi» hieher, wo sie im Gasthof zumGoldenen Adler" übernachteten. Am andern Morgen war Eckert plötzlich ver­schwunden. S» ist unbekannt, wo er sich zur Zeit aufhält. Daraufhin zog e» den zweiten Faßroller, Eppler, zur schönen Heimat zurück. Kurz entschlossen bestieg er den nächsten Zug und fuhr nach Hause. Das verlassene Faß aber liegt imGoldenen Adler" und träumt von nie gesehenen Schönheiten de» Orient».

Friedrichshafen 1.April. (Zeppelin- fährten.) Bei der gestrige« dreistündige» Fahrt, die nachmittag» au» technischen Gründen nicht fortgesetzt wurde, wurden die Auftrieb»- verhältniffe festgestellt. Die dabei gemachten Versuche führte» da» Luftschiff in Höhe» von mehr als 1800 Meter über dem See. Die Fahrt nahm eine« großen Umfang an und er­streckte sich bi» «ach St. Gallen und Konstanz. Die Versuche sind durchweg günstig ausgefallen.

München 2. April. Da» Oberbaierische Schwurgericht verhandelte am Samstag gegen de» 40 Jahre alte« Kaufmann Otto Dold und de« 23jährigen Lithographen Eduard Irl in München wegen Banknotenfälschung. Otto Dold, der längere Zeit in Brasilien gelebt hat, beauftragte den Lithographen Eduard Irl, gegen eine Belohnung von 100000 ^ falsche 500-MilreiSbanknoten anzufertigen. Der willen­lose, aber sehr geschickte Irl »ahm de« Auftrag an und Dold stellte ihm die Mittel zur Aus­führung zur Verfügung. Irl fertigte nach einer echten Milreisbankuote zirka 1000 Stück an, sandte sie an Dold, der sie durch eine Mittels­person nach Brasilien bringen ließ. Die meisten Sendungen an Dold gingen postlagernd nach Zürich. Zwei Züricher Postbeamte hatte» «eben zahlreiche« anderen Wertsendungen auch ein Paket an Dold adressierter gefälschter Banknoten unterschlagen und wurden verhaftet. Im Laufe der dies­bezüglichen Untersuchung in der Schweiz wurde der Absender der falschen Banknote», Irl, eruiert. Eine bei ihm vorgenommene Haussuchung förderte eine Unmenge falscher Banknoten zu tage, worauf Irl in München und einige Tage später auch Dold in der Schweiz verhaftet wurde. Das

oberbayerische Schwurgericht verurteilte, nachdem die Verhandlung den ganzen Samstag über ge­dauert hatte, in später Nachtstunde, Irl zu 8 Jahren Zuchthau» und Dold zu 12 Jahren Zuchthau», 10 Jahren Ehrverlust und Stellung unter Polizeiaufsicht.

Berlin 2. April. Die Militäraviatiker find heute abend 7.05 Uhr auf dem Döberitzer Feld gelandet. E» war den Offizieren nicht möglich, de» Fliegerfckuppen ganz zu erreichen, da sie der Gewitterböen wegen schon an der Westgrenze lande» mußten. Leutnant Mackenthu» hat seine Aufgabe glänzend gelöst. Da» Ziel Bremen über Hamburg" war ihm festgesetzt. Für den Flug BremenBerlin war Leutnant Mückenthun kein bestimmter Weg vorgezeichnet. Er konnte die Etappen frei wähle». Auch war er an keine Zeit gebunden. Besonder» hervor­zuheben ist, daß e» dem Luftschiffer gelungen ist, seine» Apparat unbeschädigt zurückzubringen.

Berlin 1. April. (Reichstag.) Präsi­dent Graf Löwitz eröffnet die Sitzung um 11.20 Uhr. Weiterberatung de» Etats der Zölle, Steuern und Gebühren. Hierzu liegen An­träge vor auf Erschwerung der Einfuhr schwedi­scher Pflastersteine durch einen angemessenen Einfuhrzoll, sowie ein Antrag auf Aufhebung der Talonsteuer. Abg. Speck (Ztr.): Die Mehreinnahmen an Steuern und Zöllen sollten lediglich zur Verminderung der Anleihen ver­wendet werden. Durch die jetzige Art der Ver­teilung der Reste werden die Einzelstaaten zu sehr benachteiligt. Die Regierung muß dafür sorgen, daß beim Abschluß de» schwedischen Handelsvertrag» Deutschland in Bezug auf die Einfuhr schwedischer Pflastersteine möglichst günstig gestellt wird. Abg. Brun st ermann (Rp.) sprach sich ebenfalls für den Schutz der Pflaster­steinindustrie au». Abg. Scheidemann (Soz.) erklärte, die Pflastersteiuindustrie sei zwar zurück­gegangen, gehe aber immer noch glänzend. Die Arbeiter wünschten keinen Zoll für schwedische Pflastersteine, dagegen sei die Aufhebung de» Zolls auf Kleie, diese» wichtigen Futtermittels, nötig. Die Marineoffiziere dürfen bei ihrer Verproviantierung im Ausland nicht vom Zoll befreit werden. Bei den Getreidezöllen und bei den Zöllen auf Fleisch und Genußmittel wird die Bevölkerung zu Gunsten der Agrarier belastet. Ortel (natl.): Da» ZollabfertigungSsystem für Kleie ist unzulänglich. Kämpf (fortschr. Vp.): Auch wir halten eine Aenderung der Anleitung zur Zollabfertigung für nötig. Staatssekretär Wermuth: Eine klare Uebersicht über da» finanzielle Ergebnis de» letzten Jahre» läßt sich bei den schwankenden Einnahmen der einzelnen Monate noch nicht feststellen. Wir müsse« die

Hm die entwickelt sich beinahe zu einer Schönheit", dachte er § überrascht. j

Jnzwische» trafen schnell hintereinander die Gäste ein. In dem großen Ewpfangssalon, dessen Wände kostbare alte Gobelin« schmückten, hatten verschiedene ältere Herrschaften Platz genommen. Da war zuerst Bürgermeister Langhammer mit seiner Gattin. Sie wurde von losen Zunge« da» Riesenbaby genannt, weil aus ihrem kolossale« Körper ein unglaublich kindlich dreinschauende» Gesicht mit ewig erstaunten Auge» saß. Der stattliche Bürgermeister mit dem kühn aufgezwirbelten Lippen­barl sah fast klein neben ihr au» und suchte sich durch schneidig militärische Haltung neben ihr zu behaupte». I« einer gemütliche« Ecke auf Polster­möbeln saßen die Dame», deren Männer zu einer Gruppe vereinigt daneben am Kamin standen. Der alte Herr mit dem weiße» Knebelbart und dem blauroten Gesicht war Geheimrat Wolter. Er erzählte mit Vorliebe Witze, denen die Pointe fehlte und belachte sie zuerst, was de« Vorteil hatte, daß die andern wußten, wann sie mitlachen mußten. Die kleine rundliche Matrone mit dem krampfhaft festgehaltenen Lächeln und dem etwa» ver­blichenen, fliederfarbigen Seidenkleid war seine Gattin. Ihre Auge», über denen die Lider nervös zuckten, schienen fortwährend um Entschuldigung zu bitten, daß sie auf der Welt war.

Neben ihr saß Frau Konsul Hagemann, eine stolze, korpulent« Erscheinung mit weißblondem Haar und ebensolchen Augenwimpern übe« den schläfrig blickenden, halb geschloffenen Augen. Sie hatte eine sehr große, schmale Nase, die sich seltsam genug in dem runden fleischige» Gesicht ausnahm, und war mit sehr viel Brillanten behängt. Ungemein hochmütig sah sie au», und dazu hatte sie allen Grund. Denn sie war die Tochter «ine» australischen Millionär», der sein Vermögen in einer Engros- Schlächterei zusammengescharrt hatte, wovon aber niemand unterrichtet war. Außerdem war sie die Gattin eine» ebenso reichen Manne» und die Mutter einer einzigen Tochter und da» will immerhin etwas heiße».

E» war also nur natürlich, daß sie vornehm lispelte und ein wenig

mit der Zunge anstieß, daß sie jeden Gast, der eintrat, durch ihr goldene» mit echten Steinen besetzte» Stiellorgnon betrachtete und fast über jeden eine abfällige Meinung hatte. Ebenso natürlich war e», daß die arme kleine Geheimrätin mit ihrem vertragenen Seidenkleid all ihre Worte wie ein Evangelium aufnahm.

Der Gatte dieser höchstbedeutenden Dame lehnte mit untergeschlagenen Armen neben ihr am Kamin und beschränkte sich ans» Zuhören. Er spielte mit Vorliebe den stummen Denker, pflegte sich für jede gesellige Vereinigung mit einigen geistigen Schlagern auszurüste», die in anderen Köpfen al» dem seinen geboren waren und wartete den ganzen Abend auf den Zeitpunkt, wo er diese Geistesblitze passend anbringe» konnte. Darin hatte er er zu solcher Virtuosität gebracht, daß man ihn wirklich für einen geistreichen Mann hielt. Vor ihm gestikulierte ein kleiner, be­weglicher Herr mit dünnem blondem Haar und Bart und mit vor Ver­gnügen tanzende» Augen. E« war SavitätSrat Filtner. Alles, wa» er in seiner lebhafte« Art hervorsprudelte, zündete.

Er war der geborene Komiker und hatte immer die Lacher auf seiner Seite. Sein Mundwerk ging wie eine Wassermühle. Er pflegte von sich selbst zu sagen:Wenn ich mal sterbe, legt mir ein Schloß extra vor den Mund, sonst rede ich weiter." Jedenfalls war er aber trotzdem ein anerkannt tüchtiger, hervorragender Mensch und was er sagte, hatte trotz aller Lustigkeit Hand und Fuß. Seine Gattin, die schlanke, brünette Frau in dem Hellen Seidenkleid, welche Frau Konsul Hageman« gegenüber in einem Sessel lag und graziös de» großen Straußenfederfächer bewegte, war um so ruhiger. Sie unterhielt sich, lächelnd ihre schönen Zähne zeigend, mit Oberst von Sande», der ihr ein wenig in allen Ehren de« Hof machte, was er sich als Junggeselle leisten konnte. Während er mit ihr plauderte, sah er zu einer Gruppe junger Offiziere hinüber, die mit Georg Aßmann und einigen andern junge» Herrn Sturm liefen auf die Tanzkarten der jungen Damen.

(Fori setz»«g folgt.)

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