«och gar nicht zu übersehen. Seit heute dehnt sich sogar die Seuche auch auf die Gehöfte der bisher verschont gebliebenen unteren Teil? der Orts au». Trotz der Vorsicht, die augewendet wird, können sich die Tierbefitzer gar nicht er­klären, woher auf einmal die Krankheit in den Stall kommt. Bei de» bevorstehenden Wahlen wird die Parole:Fort mit der Grenzsperre und weg mit den Viehzöllen" diesmal hoffentlich keine Zugkraft gewinnen. Schutz der Landwirt­schaft ist geboten.

Stuttgart 15. März. (Schöffen­gericht.) In einem im November v. I«. in derSchwäb. Tagwacht" erschienenen Artikel wurde dem von der Gemeinde Fellbach angestellten Bauführer Eugen Hägele u. a. vorgeworfen, daß er die beim Kanalbau beschäftigten Arbeiter schlecht behandle und gerne Lohnabzüge mache. Hägele strengte gegen den verantwortlichen Redakteur derSchwäbischen Tagwacht", Karl Sauerbeck, Beleidigungsklage an, die heute zur Verhandlung kam. Der Angeklagte hat de« Artikel erst nach sorgfältiger Prüfung seiner Information ausgenommen. Es kam ein Ver­gleich zu stände, wonach der An g?klagte erklärt, daß er nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zugeben müsse, daß der Inhalt des Artikel» unzutreffend sei und daß er deshalb die in demselben enthaltenen Vorwürfe mit Bedauern zurücknehme. Der Angeklagte übernimmt sämt­liche Kosten.

Zuffenhausen 15. März. (AltertumS- funde.) Am Mittwoch vor 8 Tagen weilte hier stuä. Oskar Paret, um im Auftrag de» Landes­konservator» eine Stelle unserer Markung näher zu untersuchen, die schon vor einigen Jahren sich als Fundstätte steinzeitiger Urberrrste aus dem 3. Jahrtausend vor Christus erwiese» hatte. Mit freundlicher Erlaubnis der Besitzerin, Johs. Gabler Witwe, wurde auf dem betreffenden, am östlichen Rand de» Schoßbühl gelegenen Acker weiter gegraben. Der charakteristische schwarze Boden und einige Scherbenfuvde leiteten auf die richtige Stelle. Es wurde eine runde keller­artige Grube von 2 Meter Tiefe und 1,2 Meter Durchmesser aufgedecki. Ihre Wand war rings­um rotgebrannt durch ein Feuer, von dem in der Mitte der Grube noch die Asche zu sehen war. Die Grube war fast ganz angefüllt mit rotgebrannten Lehmbrocken, die Abdrücke von Holz zeigen. Dieser Lehm war der Bewurf der aus Holzfachwerk erbauten Hütte. Vom Hausrat fanden sich Reibsteine, Feuersteinmesser und einige Bruchstücke von Tongefäßen. Eine Pfeilspitze aus Feuerstein zeigt, daß gejagt wurde. Al» Speisereste sind anzusehen Knochen vom Rind und Schwei«. I» der Nähe dieser Grube wurde noch an einer zweiten Stelle, an der der

Boden gleichfalls tiosschwarze Färbung zeigte, gegraben. Aus dem Fehlen von Einschlüssen in der Ausfüllung ist zu schließen, daß dort ein Stall sich befand. Vermutlich könnten dem Boden noch weitere interessante Fundstücke entnommen werden.

Güglingen OA. Brackenheim 15. März. (Einbruch.) In das Dunkel des Einbruch- diebstahler bei Juwelier Schwarzkopf hier scheint Licht zu kommen. In Stuttgart wurde beim Uhrenverkauf ein früherer Zuchthäusler namens Rau, der von hier stammt, verhaftet mit einem weiteren Komplizen. Die Uhrnummer verriet die Diebe. Juwelier Schwarzkopf, der nach Stuttgart berufen wurde, hat die in Frage stehende Damenuhr als sein früheres Eigentum festgestellt.

Heilbronn 15. März. (Rückgang der Fleischnahrung.) Der Fleischkonsum ist im Monat Februar in Heilbron» in er­schreckender Weise zurückgegangen. Während im Februar 1909 noch 2001 Schlachttiere mit zu­sammen 165 850 kA und im Februar 1910 2038 Schlachttiere mit zusammen 169 998 kx hier verbraucht wurden, fiel im Februar d». IS. die Zahl der geschlachteten Tiere auf 1889 mit 128 460 kx, was einer Abnahme von 41538 kx oder rund 23 °/° gleichkommt. Rechnet man noch die BevölkerungSznnahme, so ist es klar, daß infolge der allgemeinen Teurung sich sehr viele Familien den regelmäßigen Fleischgenuß zu ver­sagen beginnen, weil ihr Geldbeutel die Aus­gabe nicht mehr erschwingen kann. Heilbronn dürfte in Bezug auf Lebensmittelpreise zu den allerteuersten Städten gehören.

Kirchheim u. T., 15. März. (Ein Stück au» Schwabens Urzeit.) In den nahegelegenen Holzmader Schieferbrüchen des bekannten Präparators Hauff ist neuerdings wieder ein wertvoller Jchtiosauru» in monate- währendrr Arbeit aus dem brüchigen Material herauSgearbeitet worden, der um seiner seltenen Schönheit willen als geologische Rarität durch die hiesige Ortsgruppe drS Schwäbischen Alb- vrreins an die Internationale Ausstellung für Reise- und Fremdenverkehr in Berlin über­wiesen und dort zweifellos große» Aufsehen er­regen wird.

Riedlingen 15. März. (Eigenartiger Fall.) Al» ein mit drei Pferden bespannter Holzwage» über dir Donaubrücke bei Binzwangen fuhr, erlitt dak vordere Pferd infolge zu großer Anstrengung einen Schwindrlanfall und fiel über das Geländer in die Donau, glücklicherweise riß das Pferdegeschirr, so daß das Pferd die zwei anderen und den Wagen nicht mitriß. Durch dar kalte Bad in der Donau kam es wieder zu

sich und schwamm, ohne weiteren Schaden zu nehmen, ans nahe Ufer.

Ulm 15. März. Die hiesige Polizei ist nun auch im Besitz eines Polizeihundes. Er führt den NamenJack" und hat kürzlich in Oberdischingen bei einem Baumfrevel Ver­wendung gefunden. Vom Ort der Tat weg führte er die ihm folgenden Personen in ein Wirtshaus. Der Täter ließ sich aber nicht mehr feststellen, weil der Wirt sich nicht entsinnen konnte, welche Persose« in den letzten Tagen bei ihm verkehrt haben.

Berlin 15. März. (Reichstag.) Am Bundesratstisch Staatssekretär, Dr. Delbrück. Der Präsident Graf Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um 1.15 Uhr. Die Beratung des Etats des Reichsamts des Innern wird bei Titel Gehalt des Staatssekretärs" fortgesetzt. Zu dem Tttel liegen bisher 27 Resolutionen vor. Graf Carmer-Zieserwitz (kons.): Wir gönnen den Arbeitern die Vorteile der sozialen Gesetzgebung, aber wir müssen auch bedenken, ob die Arbeitgeber die damit übernommenen Lasten noch weiter tragen können. Um den gewerblichen Mittelstand vor Konkurrenzzu schützen,beantragen wir eine Resolution, wonach für den Betrieb eines Wanderlagers eine besondere Erlaubnis erforderlich ist, die vom Nach­weis eines besonderen Bedürfnisses abhängig zu mache» ist. Die gleichfalls den gewerblichen Mittel­stand schwer schädigenden Beamtenkonsumvereine müssen stark besteuert werden. D e Schmutzliteratur muß durch rückhaltlose Anwendung des Strafgesetzes bekämpft werden. Staatssekretär Dr. Delbrück: Hinsichtlich der Mißfiände im Haufiergcwerbe warten wir noch weitere Erhebungen ab. Gegen den von Beamten betriebenen Detailhandel haben wir An­weisungen ergehen lassen, die etwaige Mißbräuche verhindern sollen. (Bravo!) Ein «Besitz erscheint dazu kaum nötig. Gegen dis Warenhäuser werden wir von Reichswegen kaum Vorgehen können. Gegen die Schmutzliteratur kann man vielleicht dnrch Verschärfung der Bestimmungen der Gewerbe­ordnung über Kolportage Vorgehen. Eine jetzt erlassene Bundesratsverordnung verbietet Wett­fahrten von Automobilen auf öffentlichen Wegen. Eine Zentralstelle wird auch hier Abhilfe zu schaffen suchen. GieSberts (Zir): Bedauerlich ist die Stellung der Regierung zur Aibrits- kammer gewesen. Auch dieses Gesetz sollte noch in dieser Session erledigt werden. An der Zu­lassung der Arbeitersekretäre müssen wir festhalren. Für Arbeiterwohnungen und dergleichen Wohlfahrts­zwecke sollte Geld zu billigem Zinsfuß vorhanden sein. Die größten Hemmnisse in der Gewerk­schaftsbewegung befinden sich in der Sozialdemo­kratie. (Hört! hört! in der Mitte. Unruhe und Widerspruch links). Alle christlichen Arbeiter werden von den Sozialdemokraten systematisch von ter Arbeit ausgeschlossen. Sachse (Soz.): Die Ar­beiterschaft mußte es verstimmen, wenn das Zen­trum beim Etat des Heeres und der Marine ein­mal für und einmal gegen dieselbe Resolution stimmt. Außerhalb der Betriebe soll nach unserer

von früh auf geäußerte» starke» Vorliebe für eine künstlerische Laufbahn ! endlich nach und ließ mich in Frieden meine eigene» Wege gehen. Ich will hier bemerken, daß keiner von uns beiden diesen Entschluß je bedauert hat. Mit meinem jüngeren Bruder gestaltete sich die Sache jedoch ganz ander». Daß er Geistlicher werden sollte, darüber war sich mein Vater ganz vollkommen klar, aber er sollte bald, ebenso wie bei mir, die Hoffnungs­losigkeit seines Vorhaben» einsehen. Nach zwei Verweisen wurde er endlich von der Hochschule weggejagt. Er hinterlirß eine Menge Spiel- und andere wenig ehrenvolle Schulden, die sich mein armer Vater den übrigen» sein Betrage» längst unter die Erde gebracht hat, um öffentlichen Skandal zu vermeiden, natürlich zu bezahlen verpflichtet fühlte. Mein Bruder war ein hübscher Bursche mit wunderbaren Augen und dem süßesten Lächeln von der Welt, mit gewinnendem Wesen und von über­zeugender Beredsamkeit, kurzum, eine Art liebenswürdiger junger Leicht­fuß, von dem man hoffte, daß er, nachdem er sich die Hörner abgestoßen habe, umkehrev und sich eine» Besseren besinnen würde. Aber keine Spur davon. Die Anlage zu einer solchen Wandlung fehlte ihm. Ich will viele unangenehme Einzelheiten aus seinem Lebensgange unerwähnt lasten und nun gleich zu dem Hauptpunkt, oder wenigsten» in meiner Erzählung der Hauptsache, übergehen.

Also unser nächster Nachbar zu jener Zeit war General Elliot, dessen Familie au» seiner Frau und seiner Tochter Glaky» bestand, die ich schon kannte, al« sie mir bi» an die Knie reichte, und die später da» hübscheste Weib in London wurde. Als nun mein Bruder von der Universität weg­gewiesen war, ritt ihn, wie da» gewöhnlich bei solchen Menschen der Fall ist, der Teufel zu aller Art Unheil. Glady» war damals einundzwanzig Jahre und mein Bruder zwei Jahre älter. Die beide« trafen öfter zu­sammen. Der alte General hatte kein Auge für solche Sachen, aber Frau Elliot, eine sehr strenge und weitsehende Dame, nahm sofort Anstoß daran; denn ihr war verschiedene» von de» Streichen meine» Bruders zu Ohren gekommen. Ich glaube, daß mein Vater ihre Befürchtungen geteilt hat;

! den» um jene Zeit erhielt er merkwürdige Drohbriefe von Geldleiher» und noch dunkleren Ehrenmännern und zuletzt ich habe die traurige Pflicht, er zu sagen verschiedene Wechsel, die er einlösen sollte, die aber offenbar von meinem Bruder gefälscht waren. Frau Elliot handelte nur nach ihrem mütterlichen Instinkt, aber mein armer Vater kannte die Schandtaten seine» Sohnes in ihrer ganzen Nacktheit. Daß GladyS an meinem schönen Bruder Gefalle» fand, wurde bald offenbar. Aber zu­fällig starb damals der alte General, und Frau Elliot verlor durchaus keine Zeit, au» einer Nachbarschaft fortzuziehen, die, wie sie fühlte, ihrer Tochter mit ihrem eigenen Seelenfrieden gefährlich werden konnte.

Da» Nächste, was ich nach einiger Zeit von GladyS hörte, war, daß sie in London ein Künstlerinnenleben führe. Sie schrieb mir dann wirk­lich auch in diesem Sinne und bat mich um meinen berufliche» Beistand und Rat. Ich suchte sie sofort auf und erfuhr zu meinem Erstaunen, daß sie mit ihrer Mutter zerfallen sei und sich entschlossen habe, aus Grund ihrer natürlichen künstlerischen Begabung und mit Hilfe eine» unabhängigen Einkommens sich eine eigene Existenz zu schaffen. Sie wissen alle, wie e» weiter kam. Dadurch, daß ich sie überall einführte, wurde sie bald eine der bekanntesten Persönlichkeiten in London. Natür­lich fragte ich sie nicht »ach der Ursache der Differenzen mit ihrer Mutter; aber eine» Tage», als ich sie unerwartet besuchte, hörte ich in einem Nebenzimmer laute Stimmen. Die eine war drohend, fluchend und roh; ich erkannte sie sofort al» diejenige meine» Bruder». Da wurde mir die häßliche Wahrheit mit einem Male klar: Glady» war die Fra« meine» Bruder» geworden.

Im Kampfe der widerstreitenden Gefühle, die ihn durchzogen, konnte Philipp Doyle bei dieser Eröffnung nicht viele Worte finden. Traurig mit dem Kopfe nickend, sagte er nur: Ah, ah! Nun fange ich an, zu verstehe».

(Freisetzung folgt.)