Ealmer Mlüenblatt.

Samstag

Beilage z» Nr S3S.

8. Otto-er 1910

Beifall.

Eine Novelle von F. A. Geißler.

lFortsetznng.)

Nach allen Seile« grüßend verließ der Fürst, vom Intendanten be gleitet, den Bühenraum. Und kaum hate sich die Eisentür hinter den beiden geschloffen, da kam Leben in die Schar.

Munter, Herrschaften, munter!" rief der Regisseur,im Restau- rationtsaal steht unser Mahl bereit. Na, ich habe mich ja glücklicherweise nicht umzuziehrn."

Lachend «nd plaudernd zerstreuten sich die Damen und Herren und fanden sich dann im großen Erfrischungtraum wieder zusammen, wo ein reiche« Büfett ihrer wartete und man an kleinen Tischen zwanglos speiste. Ein trefflicher Wein tat bald seine freundliche Wirkung, und die Künstler­schar schmauste mit so viel Behagen, al« hätte sie nie vorher unter dem Zwang einer ungeheuren Nervenerregung gestanden.

Hugo war nach seiner Art still und nachdenklich. Er wäre der lauten Gesellschaft am liebsten entwichen, empfand aber doch auch wieder die Notwendigkeit dieser fast gewaltsamen Rückkehr in« Irdische. Da trat Wartner zu ihm «nd hielt ihm sein Gla» entgegen.Ich weiß, wa« heute in Ihnen vorgeht, lieber Junge; e« ist ei» große« Erlebnis für Sie, und unser gnädiger Herr hat Sie heute für seine Art, Kunst zu genieße«, gewonnen. Darum wollen wir zwei jetzt inmitten des frohen Trubel« auf seine Gesundheit trinken. Stoßen Sie an, unser Großherzog, unser treuer, herrlicher Hermann Heinrich, er sei gesegnet!"

Mit strahlenden Augen sprang Hugo auf, ergriff sei« Gla« und ließ e« anklingen.Ja, er sei gesegnet!" Sie schüttelten einander die Hände und entfernten sich unbemerkt au» der Gesellschaft.

X.

Wenige Tage später wurde Hugo in» Refidenzschloß befohlen, wo ihm der Großherzog in huldvollster Weise die Bitte aussprach, sein Vor­leser zu sein. Und damit begann für den jungen Künstler eine Zeit de» unmittelbarsten, persönlichsten Verkehr« mit dem Fürsten, der sich dabei immer mehr al« ein Mann von edelstem Wollen, feinstem Empfinden und echter reiner Menschlichkeit offenbarte.

Jeden zweiten Tag begab sich Hugo in seiner neuen Würde nach dem Schloß, meist während der späten Nachmittagtstunden, in denen der Großherzog sich am beste« zur Lektüre aufgelegt fühlte. Der Fürst nahm nach kurzer Begrüßung in einer Ecke de« verdunkelten Zimmers auf einem großen, weitarmigen Lehnstuhl Platz, während der Vorleser in gemessener Entfernung an einem kleinen Tische saß, auf den von oben her der Schein einer mit grünem Schirm versehenen Lampe fiel, so daß da» Gesicht de« Vorlesenden hell beleuchtet war.

Der Fürst ließ sich von Hugo, dessen weiche, klangvolle, kräftige und gleichsam farbenschillernde Stimme ihm sehr lieb war, aus allerlei Büchern vorlesen. Vor allem waren e» Romane und Novellen, an denen Hugo seine Kunst zu erproben hatte, aber auch epische und lyrische Poesie, ja sogar historische Werke lagen bi«weilen auf dem Lesetischche«.

Dabei war e« Hugo nie möglich, sich vorzubereiten, denn die Bücher wechselten bei jeder Vorlesung, «nd der Fürst fand ein besondere« Ver­gnügen daran, ihn »prima vista" lesen zu lassen, worin nach seiner Meinung der eigentliche Reiz einer solchen Vorlesung bestand. Da diese eine starke Anspannung aller Kräfte erforderte und der Fürst es liebte, im Anschluß an da« Gelesene »och eine Viertelstunde zu plaudern, so kam Hugo oft recht ermüdet au« dem Schlöffe und war, wenn er dann noch zu spielen hatte, oft gar nicht in der rechten Gebrlaune. Doch half ihm da« Vertrauen de« Fürsten über jede Anwandlung übler Stimmung hinweg.

Wen» Hugo irgend welche Veranlagung gehabt hätte, sich in selbst­genügendem Stolz zu erhebe», so hätte ihm sein mit jedem Tage herzlicher werdender Verhältni» zu dem Großherzog Anlaß dazu geben müssen. Denn, ohne daß der hohe Herr jemal« seiner Würde auch nur da» Geringste vergab, bezeugte er dem jungen Schauspieler und Vorleser doch ein so huldr-icke« Wohlwollen, eine so hohe Wertschätzung, daß Hügo» anfängliche Befangenheit bald verschwand. Der Verkehr mit dem Fürste» wurde ihm mit jedem Tage mehr zum Bedürfni», weil dessen ganze Art auf ihn in mannigfachster Weise fördernd und anregend einwirkte und weil er in der Unterhaltung stet» freimütig seine Ansichten a«»sprechen und verfechten durfte. Besonder« erfreut war Hugo immer, wenn bei der Vorlesung die Großherzogin Augusta «eben ihrem Gemahl saß und sich dann lebhaft am Gesp'äch beteiligte. Da geschah e» oft, daß der Großherzog mit einem Blick auf die Uhr da« Gespräch abbrach:Der arme Herr Haffner hat heute noch zu tun. Wir dürfen ihn dem geehrten Publikum doch nicht entziehen." Hugo verstand die leise Ironie solcher Worte recht wohl und ging dann mit einem stillen Widerwillen gegen da« große Publikum in« Theater. War er aber dienstfrei, da kam e« bisweilen vor, daß die Großherzogin ihn einlud,auf ein Butterbrot" dazubleiben und daß er dann noch einige Zeit bei dem fürstlichen Paar verweilen durste, da» seine Hosbeamten längst daran gewöhnt hatte, über derartige Abweichungen von der Etikette kein Wort mehr zu verlieren.

Um so geschäftiger waren hundert müßige Zungen in der Stadt, über den neuenGünstling" und seine Stellung zum Hof die abenteuer­lichsten Gerüchte zu verbreiten. Der Neid erhob sein Haupt, die Mißgunst begann ihre giftige Arbeit. Auch der Knechtfinn der Menschen drängte sich hervor, Hugo war ganz erstaunt, al» sich auf einmal die verschiedensten Leute mit der Bitte an ihn wandten, seinenEinfluß" beim regierenden Herrn für sie geltend zu machen. Er hatte in seiner Geradheit und Harmlosigkeit noch nie daran gedacht, daß er irgend einen Einfluß besitze, und da« Blut stieg ihm in die Wangen bei der Andeutung, daß er aus seinem Verkehr mit dem verehrten Fürsten irgend welchen Vorteil für sich ziehen oder sich- zum Hintrrtrrppenanwalt anderer Leute machen könne. Er ließ daher alle Zuschriften dieser Art unbeantwortet und erteilte auf mündliche Andeutungen so schroffe Absagen, daß die Abgewirsenen sich schwer gekränkt fühlten und nun gegen denübermütige» Komödianten" nach Kräften Stimmung machten. Auch unter den Kollegen begegnete Hugo jetzt einer Mißstimmung, die sich in den mannigfachste« Formen kundgab. Die einen schlugen stet» den Ton einer leisen Ironie an, wenn sie mit demVorleser Seiner Königlichen Hoheit" sprachen, die anderen hielten mit bitteren Worten nicht zurück, wieder andere schauten ihn oft mit Seitenblicken an und ließen dabei ein überlegene» Lächeln um die Lippe» spielen. Hugo gab sich Mühe, alledem keine Bedeutung beizulegen, konnte sich aber der Gewißheit nicht verschließe», daß sich gegen ihn, der niemandem mit Willen auch nur in Gedanken zu nahe getreten war, irgend ein Anschlag im Stille» vorbernte Und seine bösen Ahnungen sollten bald genug zur Wahrheit werden.

Eine» Morgens fand er auf seinem Frühstückttisch neben anderen Postsachen auch eine Kreuzbandsendung. E» war ein Exemplar des ein­flußreichsten Blattes der nahe gelegenen großen Handeltmetropole. Gleich­gültig riß Hugo die Hülle ab und überflog den blauangestrichenen Artikel: eine Mitteilung aus Kronburg, deren Gegenstand er selbst war. Der nur durch eine Chiffre gekennzeichnete Korrespondent berichtete in höhnischer witzelnder Manier von dem neuen Stern, der am Krovburger Kunsthimmel aufgegangen sei und durch seineMätzchen Publikum" und Hof für sich eingenommen habe, obwohl sein wirkliches Können nicht über das Mittel­maß hinausgehe.

(Fortsetzung folgt.)

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