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nung gezollt worden sei. In richtiger Würdigung und Ehrung der Verdienste der Veteranen habe der Gemeinderat der Stadt Calw einstimmig beschlossen, den Veteranen eine Ehrengabe über­reichen zu lasten und zwar den Kombattanten und ihren Witwen je 10 de» Nichtksmbat- tanten und deren Witwen je 5 Diese Zu­weisung soll aber nicht als reine Geldgabe und Unterstützung betrachtet, sondern sie soll als Aus­fluß der großen Wertschätzung und Hochachtung gegenüber dev Veteranen angesehen werden. Stadtschultheiß Conz teilte ferner mit, daß da» Mittagsmahl, das dem Gastgeber alle Ehre machte, aus privaten Mitteln bestritten werden könne, wobei er auch einer Gabe von 30 ^ gedachte, welche dem Verein von einem hies. Fabrikanten zugewendet wurde. Postsekretär Schwarzmaier brachte ein Gedicht zum Vortrag, das im Jahr 1840 von dem damaligen Kronprinzen Wilhelm von Preuß'N ver­faßt wurde und da» das markige und flammende Lied Die Wacht am Rhein" trefflich apostrophierte. So verlief das Festmahl in animierlrster Stim­mung. Zu der gemütlichen Unterhaltung in der Brauerei Dreiß halten sich nachmittags so viele Teilnehmer aus allen Kreisen der Einwohnerschaft zusammengkfunden, daß viele keinen Platz wehr fanden. I» packender Art und mit humoristischer Färbung begrüßte Stadtschultheiß Conz die Ver­sammlung, worauf Oberstleutnant Böhringer einen Vortrag:Betrachtungen über die Schlacht bei Wörth am 6. August 1870, besonders über den Anteil der Württrmberger. Eine Erinnerung an die große Zeit vor 40 Jahren" hielt. Die Karte war von Oberleutnant Erbe, der auch die Bewegungen der Franzosen und Deutschen bezeichnete, in großem Maßstab sehr übersichtlich und anschaulich gezeichnet. Oberstleutnant Böh- rivger kam einleitend auf die Armee-Verhältnisse von Deutschland und Frankreich vor dem Krieg zu sprechen und schilderte sodann in klarer, leicht verständlicher Weise die einzelnen Episoden der Schlacht von Wörth und den Anteil der Würt­temberg» an der Schlacht. Den Zuhörern wur­den die 3 Etappen der Schlacht, die nicht auf den 6., sondern auf den 7. August geplant war, vor­geführt und der Aufmarsch und die Stellung der Truppen genau erklärt. Der erste Teil der Schlacht, der für die Deutschen ungünstig war, dauerte bis 1 Uhr; nach Ankunft des Kron­prinzen trat die Schlacht in die 2. Periode mit gutem Erfolg ein und der 3. Moment der Schlacht von 4'/- Uhr an endigte mit der Er­stürmung von Elsoßhausen und Fröschweiler.- Die Württemberger machten den Angriff auf Elsaßhausen mit und verfolgten de« fliehenden Feind nach Reichshofen, wobei ihnen große Beute zu fiel. In packender Schilderung wurden die Angriffe der Bayer« unter General Hartmann,

der Preußen unter General Kirchbach, General Bose, General Schachtmeyer, der Württemberger unter General v. Starckloff, die Hinopferung der Brigade Michel, der Kürrassierdivisio« Bonnemains und der gewaltige Kampf um Frösch­weiler vorgesührt und der Zuhörer sah sich ver­setzt mitten in das tobende Kampfgewühl der beiden Gegner. Der Redner schloß seinen vor­trefflichen und mit großem Beifall ausgezeichneten Vortrag mit Worte» der Ermahnung und Auf­munterung an alle Zuhörer, allezeit einzustehen für des Reiches Wohl und für stramme Kriegs­bereitschaft, damit kein Feind es mehr wage, uns ohne Grund avzugreifen und damit Deutschland auf seiner Höhe bleibe und die so teuer erkaufte Einheit erhalten werde. Nach dem Gesang der Wacht am Rhein" behandelte Stadtschultheiß Conz in längeren Ausführungen die Fragen: Warum dürfen und müssen wir Sedan feiern und wie sollen wir es feiern? Der Redner ent­wickelte hiebei in feurigen, patriotischen und tief zündenden Worten überaus treffliche Gedanke», die er wert wären, daß sie von der Allgemeinheit immer mehr anerkannt und befolgt würden. Er be­klagte in! besondere mit Recht die Armut der Deutschen an Nationalgefühl im Gegensatz zu andern Landern, wie z. B. der Schweiz; er hob den Gegensatz zwischen den einfach schlichten Siegesfeiern der Deutschen und den chauvinisti­schen Hetzreden der Franzosen in den letzten Wochen hervor, er bedauerte die Abneigung und den Haß vieler Deutschen gegen das Reich und sprach die Hoffnung aus, daß Deutschland auf dem abgleitenden Boden, auf dem e» sich gegen­wärtig befinde, nicht weiterschreiten, sondern sich wieder aufraffen und als geschlossenes Ganze eine imponierende Stellung nach innen und außen einnehme» werde. Dazu bedürfe es der Mitarbeit aller Deutschen in allen Ständen und Klaffen und darauf hinzuarbeiten sei der Mühe aller redlichen und ruhigen Bürger wert. Die Zukunft müsse dem Deutschen Reiche gehöre». Brausend stimmte die Versammlung in da« Hoch auf Deutschland ein. Auf diese hervorragend zündenden Autsührurigen sangen die Anwesenden das VaterlandsliedDeutschland, Deutschland über alles. Pfarrer Burk trug 2 Gedichte von Gerok vor und Major Blaich betonte in kernigen Worten mit Hinweis auf die Nach­barstaaten den hohen Wert einer guten Jugend­erziehung ; sein jubelnd aufgenommener Hoch galt der deutschen Jugend, der Hoffnung der deutschen Zukunft und des deutschen Vaterlandes. In den Zwischenpausen trug die Stadtkapelle muntere Weisen vor und besonder» war es der GesangvereinConcordia", der durch seine effektvolle» und gut gewählten Lieder die Zuhörer begeisterte und entflammte, wozu auch

die allgemeinen Gesänge wesentlich beitrugen. In harmonischer Weise wurde die Ehrung der Veteranen begonnen, in harmonischer Weise wurde sie geschloffen. Möge der Tag den Veteranen in froher und herzlicher Erinnerung bleiben, mögen sie gerne daraus entnehmen, daß die Ein­wohnerschaft ihre Verdienste zu schätzen weiß und möge den noch lebenden Veteranen ein langer, schöner Lebensabend beschicken sein, damit in 10 Jahren bei der 50jährigen Wiederkehr ein stattliches Häuflein vorhanden sein wird. So möge der gestrige Festtag noch lange in den Herzen der Veteranen und der Einwohnerschaft widerhallen und dabei nicht vergessen werden, daß nur Vaterlandsliebe, Tapferkeit und Fröm­migkeit ein Volk auf seiner Höhe erhalten könne« und daß ein Volk dem Niedergang geweiht ist, wenn dies? Tugenden in den Staub getreten werden. Wir schließen mit den Worten Emanuel Geibels, da« Stadtschultheiß Conz, der ver­dienstvolle Veranstalter und treffliche Leiter der imposant verlaufenen Feier, seinen Ausführungen vorangestellt hat und das den Wendepunkt in Deutschlands Geschick vorzüglich kennzeichnet:

Nun laßt die Glocken von Turm zu Turm

Durcks Land frohlocken im Jubelsturm

Des Flammenstotzes Geleucht facht an,

Der Herr hat Großes an uns getan,

Ehre sei Gott in der Höhe!

^ Lieben zell 28. Aug. Anläßlich der 40jährigen Wiederkehr des Tages von Sedan wurde den Veteranen von den bürgerliche» Kollegien eine Ehrengabe von 6 Mark verwilligt. Vom VerwaltungSrat des Kriegervereins wurde denjenigen Kriegsteilnehmern, die Mitglieder de« Vereins sind, obiger Betrag durch einen Beitrag aus der Vereinskaffe auf 10 Mark erhöht. Das Fest selbst soll am Sonntag, den 4. September, durch Kirchgang und darauffolgendes geselliges Zusammensein gefeiert werde».

Holzgerlingen OA. Böblingen 27. Aug. Heute nacht 10 Uhr wurde ein Mann fest- gevommen unter dem Verdacht, daß er der au» dem Zuchthaus in Ludwigsburg entsprungene Adolf Reißer aus Magstadt sei. Nachdem heute früh in Verbindung mit der Zuchthaus- dircktion festgestellt worden war, daß an der Persönlichkeit Reißers nicht zu zweifeln ist, wollte man ihn fesseln, fand ihn aber im Ortsarrest erhängt vor. Heute nacht hatte er, wie die Be­schädigungen im OrtSarrest ergeben, noch mehrere- male den Versuch gemacht, auszubrechen. Er hatte über 420 ^ Bargeld und drei Uhren, darunter eine goldene, bei sich, wahrscheinlich von dem Diebstahl im Arbeiterheim in Stuttgart herrührend. Außerdem wurden bei ihm noch genaue Aufschriebe von.über 50 Ortschaften des Landes gefunden, in denen ein Einbruch geplant

einzige Weg zu ihrem Herzen hinter dem Panzer ihre» Stolze» lag, und dieser erst zerschmettert werden mußte, bevor ich hoffen durste, ihre Liebe zu gewinnen.

Als wir nach beendetem Abendbrot wieder auf Deck waren und nicht mehr befürchten mußten, gehört zu werden, wurde unsere Unter­haltung lebhafter. Das Trotzköpfchen hatte inzwischen eingesehen, daß uns Rio die beste Aussicht auf Entkommen bot, und sprach bald ganz heiter über meinen Plan. Sie kam dabei auf die Geldfrage und sagte: Ich habe zwar meinen Schmuck, würde mich aber doch schwer von ihm trennen.

Da» wird auch durchaus nicht nötig sein, beruhigte ich sie, denn einerseits besitze ich noch eine Anzahl Banknoten, die ausreichen dürsten, andererseits würde für den Notfall auch der englische Konsul uns zu Diensten sein.

Dieses Geplauder wandelte sie vollständig um. Sie lebte ganz in dem neu bevorstehenden Abenteuer unserer Flucht auf, sah sich in Rio schon auf einem schönen Paffagierschiff, wollte von mir über die Tracht der südamerikanischen Damen Bescheid habe» und freute sich darauf, in einer solchen ihrer Mutter entgegenzutreten.

Er war ein herrlich linder Abend. Um 8 Uhr kam auch Braine auf Deck, doch hielt er sich von uns fern; meist stand er wie eine Holz­figur, tief in Gedanken versunken an der Reling.

Als wir endlich de» Umherwanderns müde hinuntergehen wollten und ihm im Vorbeigehen gute Nacht wünschten, sagte er:

Wollen Sie schon zu Bett? Ich würde gern noch ein paar Worte mit Ihnen sprechen. Dann flüsterte er: Sie haben Ihrer Gefährtin alle» erzählt, Herr Dugdale?

Gewiß.

So wissen Sie jetzt, meine junge Dame, mehr als meine eigene, liebe Frau, murmelte er traurig. Sie kennt mein Geheimnis nicht, nie habe ich zu ihr ein Wort darüber geäußert. Ja, Sie werden staunen über das viele, viele Gold!

Aber Sie haben mir doch versprochen, mich auf ein nach England segelndes Schiff zu bringen?

Allerdings, da» tat ich. Nun aber werde» Sie gewiß nicht wünschen, sich von Ihrem Geliebten zu trennen, was?

Ich merkte, wie sie unter dem Wort Geliebter zusammenzuckte, als hätte sie eine Natter gebissen. Darum sprang ich ihrer Verlegenheit zu Hilfe, indem ich schnell sagte : E» ist schon spät, Kapitän, gute Ruh, und gleichzeitig Fräulein Temple zur Treppe führte.

Auf unserem Wege bis zu unseren Kabinen fanden wir beide jedoch kein Wort mehr als bloß ein gegenseitiges : Gute Nacht.

Ich schlief gut, stand früh auf und ging gleichzeitig nach oben, um die frische Morgenluft zu genießen. Während ich dabei an den mit Scheuem de» Deck» und anderen Arbeiten beschäftigten Matrosen vorüber schlenderte, fiel e« mir auf, daß mich die Kerle mit einer beinahe an Unverschämtheit grenzenden Neugier betrachteten. Das war sonst nicht so gewesen, und daraus schloß ich, daß Mitten» in der Tat die ganze Ge­schichte der Kapitäns erlauscht und sie allen erzählt hatte. Dieser Umstand beunruhigte mich indessen nur wenig, im Gegenteil, ich dachte: Um so bester, denn wenn der Kapitän merkt, daß die Mannschaft sein Geheimnis kennt, wird er sich erst recht beeilen, nach Rio zu gelangen, um sie los zu werden.

Al» Fräulein Temple erschien, lag in ihrem Blick eine gewisse Unsicherheit, doch gab sich das bald, als ich ihr von dem auffallenden Ver­halten der Matrosen erzählte und dann wieder von Rio zu sprechen begann.

Das Frühstück führte uns mit dem Kapitän r-sammen. Er sah ungewöhnlich bleich und matt aus, so, als ob er eine recht Wechte Nacht gehabt hätte. Er auch wenig, trank sehr hastig und strich sich oft mit der Hand über die Stirn, als wollte er damit einen Schmerz vertreibe».

Sie fühlen sich heute nicht ganz wohl? erkundigte ich mich teilnehmend.

Ja. Der Kopf ist mir so wüst, seufzte er. Ich finde jetzt immer so wenig Schlaf.

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