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mit dem Fuhrwerk die Böschung hinab auf einen unten stehenden leeren Personenwagen, dessen Decke und Seitenwand durchschlagen wurden. Ein Pferd war sofort tot, während das andere, da« unter den Eisenbahnwagen zu liegen kam, von einem Tierarzt au« der nahen Dragoner­kaserne erschossen werten mußte, nachdem vorher schon versucht worden war, ihm mit 6 Revolver- schüfsen und durch einen Messerstich den Garaus zu machen. Die Feuerwehr ist mit den Auf­räumungrarbeiten beschäftigt, die, da der Wagen noch an der Böschung hängt und jeden Augen­blick herabzuflürzen droht, sich sehr schwierig ge­stalten. Der Schaden ist ziemlich bedeutend, da eS sich um schwere, wertvolle Pferde handelt.

Stuttgart 21. Juli. (Strafkammer.) Ein aufregender Vorfall spielte sich heute vormittag im Sitzungssaal der Strafkammer ab. Der des Diebstahl- angeklagte Taglöhner Ernst St eng von Ottmar-Heim fing nach der Ver­lesung de« EröffnungSbeschlufseS plötzlich zu toben und zu schreien an. Er schlug mit den Händen und Füßen um sich und konnte nur mit Mühe überwältigt werden. Der Angeklagte ist wegen Diebstahls schon vielfach vorbestraft. Er wird, da Zweifel an seiner Zurechnungsfähig­keit bestehen, zur Beobachtung in die Anstalt Winnental eingewiesen.

Stuttgart 21. Juli. Der in Touristen- und insbesondere in Albverein-kreisen weithin bekannte und beliebte stellvertretende Vorsitzende der Ortsgruppe Stuttgart des Schwäb. Alb- ver ei ns, Kaufmann Otto Widmayer von hier, ist dem Schwäb. Merkur zufolge beim Abstieg von der Dreischusterspitze (3162 m) in den Sextiner Dolomiten an einem Herzschlag gestorben. Die Leiche Widmayers wird bei der Beförderung in die Heimat von den Brüdern Hölzle begleitet.

Eßlingen 21. Juli.Wenn der Veit 'S Häfrle verschütt, bringt er vierzig Tage Regen mit." Diese Wetterregel dürfte auch dieses Jahr zutreffend sein, denn seit 16. Juni vergeht kaum ein Tag, an dem nicht Regen niedergeht und ein Gewitter sich entladet. Der Neckar führt die ganze Zeit trübe Wafsermafsen. Auch gestern entluden sich drei heftige Gewitter über unserer Gegend. Das erste gegen Il Uhr war ziemlich heftig und mit starken Nieder­schlägen verbunden. Um die Landwirtschaft ist es schlimm bestellt. Alle Felderzeuguisse leiden unter dem nassen Wetter. Auch für die Wein­berge ist besseres Wetter sehr notwendig. Gestern wurde zum drittenmal gespritzt, um das Auf­treten der Blattfallkrankheit zu verhindern, doch ist e» beinahe vergebliche Mühe, da durch den Regen sofort alles wieder abgewaschen wird. Die Reblauskommission ist fortgesetzt tätig, bis jetzt ist aber glücklicherweise noch nichts von diesen Schädlingen entdeckt worden. Gestern Abend sah man hinter der Burg längere Zeit mächtige Rauchwolken aufsteigev, die auf einen

größeren Brand schließen ließen. E« handelte sich aber um kein Schadenfeuer, sondern der Rauch stammte von verdorbenem Futter, da», vollständig unbrauchbar, verbrannt wurde. Auch das seltene Schauspiel mußten wir vor einigen Tagen erleben, daß überschwemmtes He« auf die Straße gebracht und, um e« vom Schlamm zu reinigen, mit dem Dreschflegel bearbeitet wurde.

Deizisau OA. Eßlingen 21. Juli. Gestern mittag gegen 12 Uhr zog ein Gewitter mit heftigen elektrischen Entladungen über den hiesigen Ort. Ein Blitzstrahl traf das Rathaus und zertrümmerte den Blitzableiter. Der Blitz fuhr auf seinem weiteren Wege durch die elek­trische Leitung in die Küche. Dort zeigte er die Form einer faustgroßen, rötlich scheinenden Kugel, die für einige Augenblicke auf dem Küchenboden schwebte. Dann nahm er seinen Weg nach den unterhalb der Küche gelegenen Kanzleiräumlich­keiten, wo die Kugel unter großem Knall zer- plctzte, glücklicherweise ohne zu zünden oder je­mand zu verletzen.

Köngen OA. Eßlingen 21. Juli. Gestern mittag 11'/» Uhr überzog sich der Himmel plötz­lich mit schwarzen Wolken und nach einigen heftigen Donnerschlägen entlud sich ein Ge­witter mit wolkenbruchartigem Regen. Im Nu waren die Ortsgassen überschwemmt und die braunen Fluten wälzten sich alle dem Unterdorf zu, wo sie sich stauten und teilweise in die Häuser eindrange«. Zum Glück hörte der Regen schon nach einer Viertelstunde wieder auf und das Wasser verlief so rasch wie es gekommen war. Der häufige Regen wird nachgerade zu einer großen Kalamität für den Landmann. Das Kartoffelkraut stirbt stellenweise ab und die Knollen fangen an zu faulen. Der Dinkel ist vielfach gelagert und die Körner bleibe» schmal und mehlarm. Auch die Gerste, die ohnehin etwas dünn steht, leidet nachgerade not. Die Futterkräuter haben infolge der Nässe zu wenig nährende Kraft. Wenn nicht bald warme und trockene Witterung eintritt, so wird das heurige Kometenjahr zu einem richtigen Mißjahr.

Ludwigsburg 21.Juli. Eine Schuß­waffe in unberufener Hand hat heute vor­mittag wieder einmal ein schwere« Unglück herbeigeführt. Als da- 5jährige Töchterchen des Schreiners Wilh. Gluff eine Kameradin in der oberen Reithausstraße zur Kinder schule abholrn wollte, wurde es von einem 10jährigen Knaben, vermutlich au» Scherz, mit einem Revolver be­droht, die Waffe entlud sich und die Kugel traf da« bedauernswerte Kind, das sofort zusammen- brach, in de« Kopf. Aerztliche Hilfe war rasch zur Stelle, ein Mitglied der Freiw. SanitätS- kolonne brachte das Mädchen in die Kinderheil­anstalt, wo aber eine Operation zur Entfernung der Kugel zunächst noch nicht möglich war. Der Zustand des Kinde« gibt zu schweren Besorgnissen Anlaß. In der Reilhausstraße hatte der Vorfall einen großen Menschenauflauf verursacht. Der

junge Täter flüchtete, als er da» angerichtete Unheil sah.

Stetten am Heuchelberg 21 . Juli. Der Steinbrecher E. Kübler hatte von dem Fuhrmann Blum in Heilbronn kürzlich zum Schuttführeu au« dem Steinbruch ein Pferd gekauft. Da» Pferd wurde krank und der von Besigheim hier­her dirigierte OberamtStierarzt Hägele stellte Rotz fest. Das Pferd muß getötet werden. Bei dem Fuhrmann Blum in Heilbronn wurde der ganze Pferdebestand untersucht und auch da Rotzkrankheit festgestellt. Drei Pferde sind ge­fallen.

Welzheim 21. Juli. Beim Bau de» Bahnhofgebäudes Lausenmühle sah gestern Bau­unternehmer Keller eine Sprengstoffladung, die er zur Sprengung einiger Felsstücke gelegt hatte, nach. Die Ladung explodierte im selben Augenblick und schlug Keller ins Gesicht, da» schwer verbrannt wurde. Keller mußte, da ein Auge gefährdet war, zu einem Spezialarzt nach Gmünd verbracht werden.

Altenstädt OA. Geislingen a. St. 21. Juli. Im Alter vom 95'/- Jahren ist heute hier die älteste Person de» ganzen Oberamts­bezirks gestorben, nämlich alt Radwirtswitwe Köpf. Obwohl seit 30 Jahren im Ausgeding und seit viele« Jahren bettlägerig, fühlte sie sich immer noch als herrschende Wirtin.

Biberach a. R. 21. Juli. Einen erfreu- lichen Beschluß haben die hiesigen bürgerlichen Kollegien in ihrer fitzten Sitzung gefaßt: sie haben nämlich die sämtlichen hiesigen Veteranen au« Anlaß der 40. Wiederkehr der Ruhmestage von 1870 zu einem Festmahl eingeladen. Jeder der 78 Veteranen soll noch eine Festgabe von 5 Mk. erhalten.

Ulm 21. Juli. Die Vertreter jener Ge­meinden und Bezirke, die vor hundert Jahre« an Württemberg gekommen sind, ver­sammelten sich gestern im Rathaussaal, um über die Festlichkeiten zu beraten, die am 24. August unter IsDvesenheit Ws Königspaare» hier alr eine Jahrhundertfeier abgehalte« wer­den sollen. Die Versammlung, die Vertreter vom Bodensee bis Mergentheim umfaßte, war mit dem vom hiesigen Festkomitee entworfenen Programm einverstanden. Danach finden sich am Festtage aus jedem Bezirk vier offizielle Abgeordnete ein, die beim Empfang de» Königspaares im Rathaus zugegen und an besten Seite Teilnehmer de» Festes sind. Die auswärtigen Bezirke stellen zu dem am Schluffe des Festspiels vorgesehenen Huldigungkakt Mitwirkende in heimischer Tracht und ihre Vertreter beteiligen sich auch am Fest­zug. Nach der Abreise der Majestäten ist großes Fest in der Friedrichsau mit Fischerstechen.

Friedrichshäsen 21. Juli. Der durch dieExplosion im hiesigen Carbonium- werk verursachte Schaden wird insgesamt etwa 100 000 ^ betragen. Ueber die Ursache der

einer ihm davon Nachricht geben, dann wollten wir uns mit dem Gelbe fortmachen. Das war der Plan.

Während dieser Aussage schoß Crabb so wilde, grimmige Blicke auf den Erzähler, als ob er .ihm an den Hals springen wollte, und auch über WillettS bleiches Gesicht zuckte e» öfter, wie wenn er dächte: O du, hätte ich dich unter meinen Fäusten! Der Doktor jedoch hatte in derselben Haltung wie zu Anfang, ohne sich zu regen, starr und finster zugehört. Erst als der Kapitän ein vor ihm stehendes, zur Hälfte noch mit einer dunkeln Flüssigkeit gefülltes Fläschchen ergriff und, er ihm zeigend, fragte: Doktor Hemmeridge, kennen Sie diese Flasche? kam Leben in ihn. Er sprang auf, und seine Augen glühten vor Zorn, als er heftig erwiderte:

Ich habe diese Flasche nie gesehen und protestiere gegen die schmach­volle Beschuldigung, die in Ihrem Verfahren gegen mich liegt. Aber, beim Himmel, Sie sollen den mir angetanen Schimpf bereuen, Kapitän! Ich werde Sie zur Rechenschaft ziehen. Worauf gründen Sie denn Ihren absurden Verdacht? Keiner der Leute wird auch anzudeuten wagen, daß ich ihnen als Helfershelfer gedient und mit ihnen unter einer Decke gesteckt hätte. Fragen Sie sie doch!

Nun also, antwortet, befahl der Kapitän. Zuerst Crabb, dann Willett, dann Bobbin.

Crabb zuckte mit einem zynischen Lächeln die Achseln. So ein­fältig waren wir nicht, den Doktor in unser Geschäft einzuweihen. Einen vierten brauchten wir nicht. Wir drei waren genug zum Teilen.

Willett murmelte nur leise: Nein, er war nicht dabei.

Und Bobbi« erklärte: Der Herr Doktor wußte von nicht«. Und deshalb überlegten wir auch, was wir tun wollten, wenn er etwa Crabb

aufschneiden wollte. Für diesen Fall wurde verabredet, daß Willett dem Doktor die Flasche zeigen und sagen sollte, Crabb hätte aus der Flasche getrunken, weil er Leibschmerzen gehabt hätte, und da wäre e» doch vielleicht möglich, daß, wenn er auch wie tot aussähe, er doch nicht tot wäre.

Hm, machte der Kapitän, indem er Bobbin forschend ins Gesicht sah. Das ist neu; davon hast du bi» jetzt noch nichts erwähnt.

Dann sich zum Doktor wieder zuwendend, sagte er:

Sie sprachen von einer Beschuldigung. Eine solche habe ich noch nicht ausgesprochen, wohl aber hegte ich Verdcht, weil Sie mir den Tod des Manne» gemeldet hatten, dieser aber tatsächlich doch nicht tot war. An ein Mittel, welche« einen Menschen für eine gewisse Zeit so vollständig zur Leiche machen soll, daß selbst ein Fachmann davon getäuscht werden kann, glaube ich nicht. Zum mindesten würde hier eine sträfliche Fahr­lässigkeit Ihrerseits vorliegen, denn für so unwissend will ich Sie nicht halten, daß Sie nicht zu entdecken vermöchten, ob in einem Körper Leben ist oder nicht.

Was Sie glauben oder nicht glauben, schrie Hemmeridge wütend, ist hierbei ganz Nebensache. Für mich bleibt die Tatsache bestehen, daß Sie mich als Verbrecher behandelt, meine Ehre angetastet und meinen Ruf untergraben haben und da» sollen Sie mir büßen!

Herr, mäßigen Sie Ihre Sprache, donnerte nun der alte Keeling los. Bedenken Sie, daß Sie mein Untergebener sind, so lange Sie sich hier auf dem Schiff befinden! Wenn da» nicht mehr der Fall ist, mögen Sie tun, was Ihnen beliebt. Ich werde dann einer gerichtlichen Klage Ihrerseits mit Ruhe entgegensetzen. Hier aber dulde ich kein derartige» Benehmen gegen mich. (Forts, folgt.)