428

studentischer Gebräuche scheint in Gmünd wieder in unerwünschte Blüte zu kommen. In der Nacht vom Samstag auf Sonntag wurden die Bewohner der Straßdorferstraße und der anliegenden Stadtteile durch wüsten Straßenlärm von Mitternacht bis gegen halb 3 Uhr wachge- halten. Die Urheber des Skandals waren die Mit­glieder dreierfarbentragender Verbindungen", die im Traubenkeller einenoffiziellen Semester­schluß" gefeiert hatten. Mit Mützen, Bändern und Bierzipfeln geschmückt, saßen dort Gold­schmieds- und Handmerkslehrlinge einträchtiglich als Alc mannen, Borussen und Frankonen beim edlen Gerstensaft im Banne des studentischen Komments. Auf dem Heimwege vergaßen sie auch nicht den obligaten Studentenulk. Garten­zäune wuroen eingeriffen, Warnungstafeln ver­schwanden von ihrem Platz, selbst die Scheiben von Feuermeldern waren vor denSpaßmachern" nicht sicher, bis die Polizei dem ärgerniserregen­den Unfug ein Ende bereitete und 26 der Studenten ermittelte, die nun für ihre Helden­taten der gebührenden Bestrafung entgegensetzen.

Böhmenkirch OA. Geislingen a. St. 25. April. Die Brandstätte bietet noch immer ein trostloses, trauriges Bild dar. Die Auf­räumungsarbeiten sind erst wenig vorgeschritten, da nur die Eigentümer der Brcmdruinen selber mit Aufräumen beschäftigt sind. Mit trauriger Miene ziehen sie meist noch halbverbrannte und mehr oder weniger beschädigte Haushältungs- gegenstünde und -Geräte aus den zum Teil immer noch rauchenden Trümmern hervor und nur hin und wieder huscht ein leichter Freudenstrahl über die betrübten, staub- und rauchgeschwärzten Ge­sichter hin, wenn sie etwa noch eine unbeschädigte Taffe, einen Topf u. dergl. hervorziehen. Durch energische Arbeit der hier anwesenden Beamten und Techniker im Verein mit den Ortsbehörden ist in Bezug auf Baustätten und neue Bau- quarticre schon manches zum vorsorglichen Abschluß gebracht. Eine Deputation des Gemeinderats ist nach Darmsheim gereist, um dis dortigen Bau- ar.lagen zu besichtigen. Die Liebesgaben an Nahrungs- und Kleidermitteln sowie an Haus­haltungsgegenständen gehen täglich reichlich ein; aber der Bedürftigen sind gar viele: 85 Familien mit ca. 400 Köpfen, so daß die Teile immer klein bleiben und weitere Gaben immer noch recht nötig sind und mit großem Dan! ange­nommen werden. Am Samstag ist, derGeis- linger Ztg." zufolge, der Vater des zündelnden Knaben in Hast genommen worden unter dem Verdacht, sein Kind zur Brandstiftung veranlaßt zu haben.

Innsbruck 25. April. Das Alpendorf Iavre unweit Lione (Südtirol) ist gestern Nacht

durch eine Feuersbrunst bis auf die Kirche und zwei Häuser eingeäschert worden. Ueber 40 Häuser sind zerstört. Der Schaden ist sehr bedeutend. 130 Familien sind obdachlos.

Nizza 23. April. (Fliegerwoche.) Sechs Aviatiker unternahmen heute von Nizza aus einen 24 Kilometer-Flug über dem Meere. Der Flug gelang allen. Erster wurde Latham mit 16 Minuten 46 ^/s Sekunden; dann folgten Vanderborn, Duray, Effimoff, Chevez und Rolle. De Rymodyek versuchte später den gleichen Flug, stürzte jedoch ins Meer und wurde von einem Torpedoboot geborgen.

Konstantinopel 24. April. Verläßlichen Nachrichten zufolge kämpften bei Stimlja an der Straße von Veriffowitz nach Prizren, Sandschak- Prischtina, seit gestern früh etwa 10000 Albanesen mit 8 Bataillonen türkischer Truppen. Näheres ist bisher nicht bekannt.

New-Jork 25. April. Berichte aus dem östlichen Tennessee, dem nördlichen Alabama, vielen Teilen Georgias, Louisiana, Mississippi und Texas besagen, daß niedrige Temperatur und Schnee der frühzeitig gepflanzten Baum­wolle einen Schaden zuzufügen drohen, wie solcher stit Jahren nicht vorkam. Die Acker­baubehörde für Georgia befürchtet, daß die Hälfte des Baumwollbaues dieses Jahr verloren sei. Man ist der Ansicht, daß die Knappheit an Baum- wollsaat eine Wiederanpflanzung in einigen Distrikten verhindern werde.

Reichrlustschtff 2 II zerstört.

Weilburg 25. April. Das Luftschiff 2 11 hatte schon während des ganzen Vormittags auf seinem Landungsplatz bei Limburg mit starken Böen zu kämpfen gehabt. Kurz vor 1 Uhr wurde es in seiner Flanke von einer besonders heftigen gepackt, die eine Geschwindigkeit von ca. 18 Sekundenmetern gehabt haben dürfte. Die Stahl­trossen, mit denen das Luftschiff verankert war, rissen und vergeblich bemühten sich die Bewachungs­mannschaften, das Schiff zu halten. Um ein Un­glück zu verhüten, wurde die Mannschaft zum Loslassen des Luftschiffes aufgefordert, das sofort bis 200 Meter Höhe ewporstieg und vom Wind in der Richtung auf Weilburg fortgetrieben wurde. Um 1.20 Uhr wurde das Luftschiff von Weilburg aus gesichtet. Es flog auf das Oders­bacher Feld zu und man hatte den Eindruck, als ob das Luftschiff daselbst landen wollte. Plötzlich, wahrscheinlich durch einen nach dem Boden zu gerichteten Windstoß wurde das Luftschiff in das Lahntal herabgedrückt. Hinter Weilburg erhebt sich fast senkrecht über der Lahn und der Eisen­bahnlinie der Webersberg, gekrönt von einem

Kurhaus mit einem Gartenpavillon. Der schräge Abhang des Weberbergs ist durch Obst- und Tannenbäume bedeckt. Das Luftschiff wurde bis zum Fahrdamm herabgedrückt, wobei die Tele­graphenleilungen zerstört wurden. Es erhob sich dann wieder um auf den äußersten Gipfel des Weberberges geschleudert zu werden. Der Hintere Teil des Schiffes mit dem Steuer blieb an dem Pavillon hängen, während der vordere Teil, der über den Berg hinausragte, in der Mitte ab­geknickt wurde. Das Schiff senkte sich dann über den Abhang des Berges hinunter nach dem Tale zu: der Ballon ist zerstört. Es waren sofort die Weilburgor Unteroffizierschule, die Gendarmerie, die Polizei und Feuerwehr zur Stelle um Hilfe zu leisten und das von allen Seiten herbei - strömende Publikum von der Unglücksstelle fern zu halten. Auch die Luftschiffosfiziere mit Major Neumann an der Spitze waren von Limburg hsrübergckommen, um die Leitung der Bergungs­arbeiten zu übernehmen, die voraussichtlich 56 Tage erfordern werden. Mit der Demontage des vorderen Teiles ist bereits begonnen worden. Die vordere Gondel ist schon beseitigt. Die Motors sind intakt geblieben. Es handelt sich um ein reines Naturereignis, um einen ver­geblichen Kampf gegen das Element. Alle Vor­sichtsmaßregeln waren getroffen und es ist in dieser Richtung nichts versäumt worden. Aber Menschenkräfte reichten hier nicht mehr aus. Personen sind nicht verletzt und niemand ist zu Schaden gekommen.

Weilburg 25. April. Der Zustand des Wracks des Luftschiffs 2 11 zeigt, daß der Hauptstoß bei der Strandung am Webersberg dis Mitte des Schiffes getroffen hat. Hier ist das Schiff vollständig breit gedrückt worden und in­folge dessen durchgebrochen. Der vordere abge­brochene Teil dagegen ist bis auf etliche Ver­biegungen in seinem Gerippe vollständig intakt geblieben und auch der Hintere Teil, der auf den Bäumen und auf dem Dach des Pavillons liegt, ist unversehrt. Unversehrt sind ferner beide Gondeln mitsamt den Motoren und den darin befindlichen Instrumenten.

Weilburg 25. April. Nach einer neueren Meldung ist 2 11 in der Mitte geknickt. Es ist beabsichtigt, die noch unbeschädigten Ballonets zu entleeren und das Gerippe auseinanderzunehmen. Der Zustrom von Neugierigen nach der Unfall­stelle ist enorm. Militär von Diez ist hier ein­getroffen und hat die Absperrungsmaßregeln mit übernommen.

Weilburg 25. April. Generalinspektor der Verkehrstruppen v. Lyncker sandte an den Kaiser folgendes Telegramm:Finde an der Unfallstelle 2 11 in der Mitte durchbrochen und

ich wollte nicht hören, und mußte es gegen meinen Willen. Es es tut mir so schrecklich leid um sie."

Sie streichelte seine schlaff herniedergesunkene Hand. Da schlossen sich feine Finger darüber; fast tat er ihr damit weh.

Weiß Gott", sagte Frauenfeld leise,ich liebe Irmgard mit meiner ganzen Seele. Von meiner Kindheit an ist sie mein Ideal gewesen, das Ziel meiner Sehnsucht, und nun ist alles vorbei."

Ines Augen füllten sich bei der Mutlosigkeit seines Tones mit Tränen. Was sagte sie nur, um ihn zu trösten, welche Worte sind die passendsten.

Ich möchte Ihnen etwas Gutes sagen, und weiß nicht, wie ich es anfange", beginnt sie, ihre warme, kleine Hand in der des Grafen lassend. Ich verstehe wohl, Wunden zu verbinden, die der Körper erleidet, könnte ich es dock auch mit denen des Herzens. Sie sind ein Mann, ein weites, schönes Arbeitsfeld steht Ihnen offen, Herr Graf und die Zeit lindert vieles."

Er schüttelte den Kopf und starrte traurig vor sich hin. Als er aufsab, war er allein. Ines hatte den Heimweg eingeschlagen. Sie fühlte sich von Irmgard abgestoßen, es war ihr unmöglich sie jetzt zu sehen.

Gutes, kleines Ding, warum liebe ich sie nicht," dachte der Graf. Er beschloß, am andern Morgen obzureisen, und nie mehr seine Kousine zu sehen. Mit 23 Jahren, jung, reich, gesund und hübsch, kam er sich bettelarm vor.

Ines war so erfüllt, von dem was sie gehört, daß sie es nicht für sich behalten konnte. Ihr Bruder hatte bisher ja alles mit ihr geteilt, sie hatte kein Geheimnis vor ihm. Deshalb erzählte sie Bernhard Wort für Wort, was sie als unfreiwilliger Zeuge vernommen hatte, jedoch ihren eigenen Anteil an dem, was in der Laube passiert war, aus einem Gefühl mädchenhafter Scheu verschweigend.

Wundert es dich?" fragte Bernhard scharf.Ich habe Frau Gerard nie anders taxiert. Diese Frau berechnet, ehe sie ihr Herz zu Worte kommen läßt."

Nein, nein, ich kann und will es nicht glauben, Hardy!" rief Ines.Irmgard ist besser als du denkst. Du urteilst ungerecht."

Ich glaube es nicht Kleine."

Sie saßen am brennenden Kamin, Barry zu ihren Füßen. Er hebt hin und wieder den Kopf und sah die Geschwister an.

Wissen Sie nicht jemand, der zu Amtsrichter Grünwald als Stütze der Hausfrau kommen könnte?" fragte Frau Generaldirektor Müller einige Tage später.Die Frau Amtsrichter muß auf längere Zeit ihrer Gesund­heit wegen in den Süden, sie ist aber unruhig wegen der beiden jüngsten Kinder, die sie nicht allein lassen will. Sie kann erst reisen, wenn sie ihr Haus gut versorgt weiß."

JneS sprang auf, ihr Gesicht strahlte.Gewiß weiß ich eine ge­eignete Persönlichkeit, Frau Generaldirektor, mein liebste Freundin Luise Krause schrieb mir erst kürzlich, sie sucht eine Stelle in der von Ihnen erwähnten Art. Jetzt, wo Luisens Schwester Gretchen erwachsen ist, und der Mutter hilft, möchte meine Freundin gern mehr leisten."

Ines erzählte Frau Müller von der Forstei und Tante Emma, von der glücklichen Zeit, die sie selbst dort verlebt hatte.

Briefe gingen hin und her und die Sache wurde abgemacht. Ines war glücklich, als es so weit war. Sie erzählte es ihrem Bruder erst, nachdem alles verabredet war. Bernhard freute sich für seine Schwester. Er selbst war eben jetzt mit dem Bau der beiden neuen Hochöfen vollauf beschäftigt; sie schritten ihrer Vollendung entgegen. Ein Fest war immer damit verbunden, wenn sie zum ersten Male angesteckt wurden. Es war Sitte, daß eine Dame es tat. Frau Gerard und die Schwester des Hoch­ofenchefs waren in Rößlingen dazu ausersehen worden.

Bernhard war in Geschäften nach Metz hinübergefahren, Ines lud Fräulein Körner und Irmgard zu sich ein. Bisher waren die Damen aus Mon Repos noch nicht im Hause der Geschwister gewesen. Eine kleine Entfremdung war zwischen dem jungen Mädchen und Frau Gerard eingetreten. (Forts, folgt.)