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Hermann Rücker am Samstag nacht von einer Festlichkeit heimkehrten, fanden sie im Zimmer auf dem Sofa liegend, ihren Sohn röchelnd und blutüberströmt vor. Der Unglückliche war von zwei Kugeln über dem Auge getroffen und hatte außerdem noch eine bedeutende Wunde am Hals, die von einem Messer herrührt. Der sofort herbeigeholte Arzt legte den ersten Notverband an, worauf der Schwerverletzte mittels Krankenwagens ins Heilbronner Krankenhaus verbracht wurde. Wie und wo er diese Verletzungen erhalten hat, wird die eingeleitete Untersuchung ergeben.
Tübingen 31. März. Das Elektrizitätswerk ist derjenige städtische Betrieb, der am erfreulichsten und besten dasteht. Dieses Jahr ist wieder ein Ueberschuß von 36 000 ^ gegen 30 000 ^ im Vorjahr zu erwarten. Die Einnahmen betragen 168000 Mit der
Schloßverwaltung Bebenhausen schweben Verhandlungen wegen Anschluß des Schlosses an das Elektrizitätswerk. Die Anlage, die im Schlöffe schon vorhanden ist, soll entsprechend verbessert und erweitert werden, auf 20 Jahre soll ein Vertrag geschloffen werden. Auch die Gemeinde Bebenhausen soll Anschluß an das städtische Werk erhalten. Es wird ein Bauaufwand von ca. 20 000 erforderlich sein. Lustnau ist ja bereits seit einem Jahr angeschloffen. Die Rabattarife für Stromkonsumenten für Kraftzwecke erfahren eine Vergünstigung namentlich für die Großabnehmer. Für Strom zur Beleuchtung kann erst eine eventuelle Verbilligung eintreten wenn das neue Wasserwerk am Neckar in Betrieb genommen sein wird.
Geislingen a. St. 22. März. Auf eine bis jetzt noch unaufgeklärte Weise entzündete sich gestern vormittag im Keller des Spezereihändlers Holl in der Langengaffe ein größerer Benzinkolben. Sofort war der ganze Kellerraum mit Rauch und Feuer gefüllt. Durch die Hitze kamen auch die vollen Mostfäffer zum bersten. Die Mannschaften der Weckerlinie drangen mit Rauchkappen in den Keller und bewältigten das Feuer. Der Schaden ist durch Versicherung gedeckt..
Lorch OA. Welzheim 22. März. Gestern nachmittag war ein Dachdeckermeister von Schorndorf und seine zwei Gesellen mit Umdeckungsarbeiten des Daches am Genesungsheim, das der Versicherungsanstalt in Stuttgart unterstellt ist, beschäftigt. Plötzlich brach die Hebestange und einer der Gesellen fiel ca. 14 Meter tief herunter. Er erlitt einen schweren Sckädel- bruch der den sofortigen Tod zur Folge hatte. Der Meister konnte sich rasch noch an einem Strick festhalten und rettete sich dadurch sein Leben.
Kochendorf OA. Neckarsulm 22. März. In der Sandgrube des Wilhelm Friedrich wurde ein Alemanengrab aufgedeckt. Bei dem Skelett lagen verschiedene Eisenteile (darunter 2 Lanzenspitzen), Broncegegenstände und u. a. eine Bronceschüffel, in welcher sich ein Kamm aus Horn befand. ES dürsten sich an der gleichen Stelle noch mehrere Gräber befinden, da in dieser Gegend früher schon solche gefunden wurden.
Ulm 33. März. Ein heiteres Mißverständnis gab es gestern nachmittag in der „Kalten Herberge" zu Klingenstein. Dort hielt nachmittags ein hiesiges Automobil und der Besitzer schloß mit dem Wirt einen Handel über Lieferung von einem Zentner Tcuben zum Preise von 260 Während der Gast ein Glas Bier trank, ließ der Wirt einen Zentner Faßdauben ins Auto einladen. Der Automobil- befitzer machte große Augen, als er sein Fahrzeug damit vollgeladen sah. Er mußte noch ein hübsches Trinkgeld bezahlen, damit die Dauben wieder ausgeladen wurden.
Waldsee 32. März. Dieser Tage stellte der 15jährige Sohn des Metzgers Stefan Fluhr, während er auf dem Felde bei Mattenhaus arbeitete, sein Rad abseits an ein Wäldchen. Als er es wiederholen wollte, war es verschwunden. De» Diebstahl» verdächtig sind zwei Handwerk» b u r s ch e n. Bis jetzt ist es nicht gelungen, ihrer habhast zu werden.
Karlsruhe 21. März. Anläßlich der silbernen Hochzeit, die das GroßherzogS- paar am 20. September begehen wirb, veranstaltet die Stadtverwaltung eine Reihe von Festlichkeiten. Ein bestimmtes Programm ist noch nicht aufgestellt, doch sind eine Festvorstellung im Hoftheater und ein Festgottesdienst am Hochzeitstage in Aussicht genommen. Zu dem Feste wird auch das Kaiserpaar erwartet. Für die weiteren Vorbereitungen ist eine Festkommission eingesetzt; die Straßen sollen festlich geschmückt, die Stadt einschließlich der städtischen Gebäude an einem Abend der Festtage illuminiert werden. In der Festhalle wird ein Huldigungsakt mit Prolog und szenischen Darstellungen veranstaltet. Der Kunstgewerbeverein plant eine Ausstellung für Heimatkunst.
Karlsruhe 20. März. Ein schweres Automobilunglück ereignete sich heute morgen in Rüppurr unweit des Restaurants „Kaiser Friedrich". Dortselbst stieß ein von Karlsruhe kommendes Automobil mit einem Sandwagen derart heftig zusammen, daß der Lenker des Kraftwagens, Herr Kaufmann Walter Gast aus Karlsruhe, sehr schwere Verletzungen davontrug und mittels Kranken-Automobils in's hiesige städtische Krankenhaus gebracht werden mußte. Eine im Fonds des Wagens sitzende Dame kam mit leichten Abschürfungen davon; der Wagen selbst wurde beschädigt.
Wien 21. März. In St. Pölten kam es gestern nachmittag zu blutigen Zusammenstößen. Die Deutschnationalen hatten sich vor einem Versammlungslokal tschechischer Arbeiter aufgestellt. Zwischen beiden Parteien kam es zu Prügeleien. Es wurden Steine geworfen und mit Stöcken zugeschlagen. Mehrere Personen wurden durch Messerstiche verletzt. Nach Räumung des Versammlungslokals zogen die Deutschen, weit über 1000 an der Zahl, zum Bahnhofsplatz, und hier stießen sie mit etwa 100 Teilnehmern einer sozialdemokratischen Versammlung zusammen. Mit größter Erbitterung gerieten die beiden Parteien aneinander und lieferten sich eine förmliche Schlacht. Zahlreiche Personen wurden verwundet. Als die Gendarmen die Ruhe nicht wiederherstellen konnten, schritt Militär ein.
B ud ap est 22. März. Der König hat dem Ministerpräsidenten und dem Ackerbauminister aus Anlaß der gestern im Abgeordnetenhause gegen sie unternommenen tätlichen Angriffe seine innigste Teilnahme ausgesprochen. Der Erzherzog Joseph stattete dem Ministerpräsidenten einen Besuch ab, um sein Bedauern über den Vorfall auszudrücken. — Gegen die Urheber der Angriffe hat die Polizei die strafgerichtliche Untersuchung eingeleitet.
Rom 22. März. Der König hat dem Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg während der heutigen Privataudienz den Annunciaten- orden verliehen. Nach der Audienz begab sich der Kanzler nach der Konsulta und besuchte den Minister des Aeußern Guicciardini. Die Besprechung der beiden Staatsmänner dauerte 2/4 Stunden.
Rom 22 März. Heute abend fand im Quirinal zu Ehren des deutschen Reichskanzlers ein Diner statt, an dem außer dem König und Herrn von Bethmann-Hollweg Ministerpräsident Sonn in 0 , der Minister des Auswärtigen Guicciardini, die Botschafter Pansa und von Jagow, die Mitglieder der deutschen Botschaft und eine Reihe von hohen italienischen Würdenträgern teilnahmen. Nach dem Diner hielt der König Cercle.
Paris 22. März. Präsident Falliere» Unterzeichnete heute im Ministerrat das Dekret, nach welchem 2 Luftschiffe und 4 Aeroplane die dem Staate von der Zeitung „Le Temps" angeboten worden sind, sowie ein von Kraklin gestifteter Flugapparat angenommen wurden.
Paris 22. März. Im Senat wurde heute der Zolltarif beraten. Von einem Redner wurde die Erhöhung der Zölle auf gewöhnliche geknüpfte Teppiche beantragt, um die französische Produktton
gegen die deutsche Konkurrenz zu schützen. Auf Verlangen des Ministers, der darauf hinwies, daß die Zölle vor 1891 nach den Vorschläge« der Kommission bereits um 50 Prozent erhöht worden seien, wurde dieser Antrag abgelehnt und die Sätze der Kommission angenommen.
London 32. März. In der englischen Marine sind wieder Fälle schwerer Insubordination vorgekommen. Die Behörde sah sich gezwungen, das Schlachtschiff „Jrrefistible" seit einer Woche im Hafen von Portland zu isolieren. Das Schiff erreichte Portland am Samstag vor einer Woche. In der Nacht der Ankunft wurden sämtliche Zielapparate und Visiervorrichtungen der Kanonen böswillig über Bord geworfen. Trotz der schärfsten Untersuchung ist es bisher unmöglich gewesen, die Schuldigen zu ermitteln.
Schafrväsche.
Die Schafwäsche, die meist in Rücksicht auf die Wollmarktstermine zu einer Jahreszeit vorgenommen wird, in der das Wasser noch eine niedrige Temperatur besitzt, bringt besonders im Frühjahr der ganzen Schafzucht mehr Nachteile als Nutzen. Es dürfte daher die sogenannte Vließwäsche, wo die abgeschorene Wolle in von Züchtern errichteten Anstalten gewaschen wird, in rationeller Hinsicht und in Rücksicht auf die Güte des Produkts jeder Pelzwäsche, wo den geduldigen Schafen die Wolle auf dem Leibe gereinigt wird, vorzuziehen sein. Eisenhaltiges und sumpfiges Wasser ist für die Schafwäsche vollkommen ungeeignet, da das Wasser weder rein noch weich ist und meist nicht in genügender Menge verfügbar ist. Das zur Schafwäsche verwendete Wasser, welches eine Temperatur von mindestens 15 Grad Reaumur- haben sollte, enthält überdies nicht selten Bestandteile, welche die Entfernung des Schmutzes und Fettes i« hohem Grade erschweren und die Wolle unansehnlich machen. Durch zu niedrige Waffer- temperatur tritt bei der Schafwäsche auch der Uebelstand zutage, daß die Wäsche nicht rein und nicht sauber wird. Bei der Schafwäsche ist der größte Nachteil ferner darin zu suchen, daß das Trockenwerden der Schafe drei bis sechs Tage dauert. Hierbei kommt garnicht in Frage, ob die Schafwäsche in kaltem oder warmem Wasser vorgenommen wurde. Bei schlechter Witterung dauert das Trocknen der Schafe meist sechs Tage, und während dieser Zeit kann trotz großer Sorgfalt ein Beschmutzen oder Einstauben der Wolle niemals vermieden werden. Wird dagegen bei der Wollwäsche die Wolle im Schmutz geschoren, und später gewaschen, so kommen alle diese Uebel- stände in Fortfall. Außerdem ist zu berücksichtigen, daß bei der nachträglichen Wollwäsche die Schafschur jederzeit und öfters vorgenommen werde« darf, während bei der Schaswäsche die Tiere nur einmal geschoren werden dürfen. Auch ist mit der Schafwäsche eine nicht fortzuleugnende Tierquälerei verbunden, und längst wird von größeren Schäfereivereinen die Abschaffung der Schaswäsche angestrebt. Schwächliche, tragende und stark bewollte Schafe werden in der Regel bei Widersetzlichkeit schonungslos behandelt, gestoßen, niedergeworfen und leiden Schaden an der Gesundheit. Der Einsprung in da» Waschbassin, das Aufprallen auf den Grund, Ueber- anstrengung in der Schwemme, das durch Wasser übermäßig beschwerte Vließ, Trocknen in Zugluft und womöglich schlechte Ernährung zur Zeit der Schafwäsche sind Bedenken, die bei jeder Schafwäsche sehr berücksichtigt werden sollen. Nach Gutachten voll Autoritäten auf dem Gebiete der Tierpflege und des Tierschutzes unterliegt e« keinem Zweifel, daß die Schaswäsche entbehrt werden kann und durch die Wollwäsche leicht zu ersetzen ist, die obendrein große Vorteile gewährt.
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