^ Deckenpfronn 14. März. Gestern Sonntag hielt der Bezirksobstbauverein im Gasthaus zum Hirsch eine äußerst zahlreich besuchte Versammlung unter Vorsitz von Privatier Schönlen ab. Oberamtbaumwart Widmann hielt einen Vortrag über Pflanzung und Schnitt der Obstbäume. Präzeptor Bäuchle referierte sehr eingehend über Spalierobstbaumzucht und deren Bedeutung. Kaufmann Knecht betonte namentlich die Schonung der Jnsektenvögel und forderte zur Fütterung im Winter und An­bringung von Nistkästchen in den Baumanlagen auf. Von hiesiger Seite wurde die Einführung des Halbhochstamms empfohlen. Eine Anzahl hiesiger Bürger trat dem so segensreich wirken­den Bezirksobstbau-Verein bei. Gestern abend hielten der hiesige Darlehenskassen-Verein und die Molkereigenossenschaft ihre General- Versammlungen ab. Jeder Verein zählt über 300 Mitglieder. Der Darlehenskaffen-Verein hatte einen Jahresumsatz von ca. 300000 die Molkereigenossenschaft eine Einnahme von über 60000

Calmbach 12. März. Der Schreiner Friedrich Funk hier mißhandelte seine Nichte, die 31 Jahre alte Marie Funk, weil sie angeb­lich sein 9 Jahre altes Enkelkind geschlagen haben sollte. Er schlug sie mit Fäusten, warf sie an die Wand, sodaß sie 10 Tage bewußtlos war und 40 Tage lang das Bett hüten mußte. Der Wüterich erhielt dafür von der Tübinger Strafkammer 2' - Monate Gefängnis.

Buoch OA. Waiblingen 12. März. Be­sucher Buochs kennen auch dieSchorndorfer Vorstadt", wo auf jede Familie ausgerechnet 1? - Hunde kommen und ein hübsches altes Bauernhaus immer den Anziehung!Punkt bildet für Zeichner und Malerinnen. In diesem Hause kam neulich ein sehr energisches Kälblein zur Welt. Mit vier Wochen an einen aus­wärtigen Metzger verkauft, wußte es diesem schon bei der Villa Fuchs zu entrinnen und hielt sich sodann neun volle Tage in dem Buoch um­schließenden Waldgürtel auf. Immer wieder hörte man es blöcken und es wurden allerlei Versuche gemacht seiner habhaft zu werden. Es sollten z. B. die sämtlichen Mohrle, Trolle und Schnauzer von Buoch in Marsch gesetzt werden, um das Tierlein heimzujagen. Doch das Auge des Gesetzes wacht auch über dieser windumtosten Bergeshöhe und so unterblieb solch fröhliches Jagen. Auf den besten Gedanken kam jeden­falls der Hirschwirt: Seine Kuh, der auch ein Kälblein fortverkauft worden war, ließ er in der Abenddämmerung hin und her führen zwischen Dorf und Wald, und richtig, schon am ersten Abend taten die Lock- und Klagetöne der ver­einsamten Mutier ihre Wirkung; das Kälblein kam in solche Nähe, daß man es sehen und fast greifen konnte. Am nächsten Abend wurde das Manöver wiederholt mit dem Erfolg, daß das Kalb der Kuh bis in den Stall folgte, wo es sich die gute Milch trefflich schmecken ließ. Der rasch herbeigeholte Verkäufer zeigte sich so erfreut, daß er das Kalb, das sich so energisch um sein Leben gewehrt und den Unbilden der Witterung gegenüber solche Widerstandskraft bewiesen hatte, sofort zurückkauste, um es aufzuziehen.

Winterbach OA. Schorndorf 12. März. Einem hiesigen Uhrenmacher wurde vorgestern nacht eine größere Anzahl Ringe und andere Schmuckgegenstände von Einbruchsdieben gestohlen. Von den Tätern hat man bis jetzt noch keine Spur.

Gmünd 12. März. Als gestern nach­mittag in der Klosterhalde eine neue Garten­mauer aus Beton ausgesührt werden sollte, um eine bereits vorhandene gegen das Nachdrücken von Erbmassen zu schützen, brach die alte Mauer plötzlich ein und begrub einen 20 Jahre alten Arbeiter aus Hussenhofen unte'- sich. Erst nach großer Mühe gelang es, den Arbeiter, der starke Quetschungen sich zugezogen hatte, aus seiner lebensgefährlichen Lage zu befreien.

Bückingen OA. Heilbronn 12. März. Gestern früh wurde ein junger Mann der Polizei übergeben, der von einem Einwohner überrascht wurde, als er gerade im Begriff war,

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die an einem bestimmten Platze des Hauses liegenden Frühstücksbrote einzustecken. Endlich dürste nun einmal diesem seit mehreren Wochen an verschiedenen Plätzen geübten Unfug ge­steuert sein.

Berlin 11. März. Im Norden der Stadt hat sich gestern der 36 Jahre alte Schlosser­geselle Robakowski wegen unheilbarer Krankheit das Leben genommen. Seine 55 Jahre alte Mutter, deren einziges Kind und Stütze er war, ist mit ihm in den Tod gegangen. Sie hatten auf dem Korridor von dem Hauptgasrohr den Verschlußpfropfen gelöst und sich zu Bett gelegt, um den Tod zu erwarten. Alle Wieder­belebungsversuche waren erfolglos.

Berlin 12. März. (Reichstag.) Am Bundesratstische Staatssekretär Wermuth. Auf der Tagesordnung steht die dritte Beratung des Gotthardtbahnvertrages. In der General­debatte bemerkt Abg. Storz (fortschr. Vp.), es frage sich doch, ob es sich nicht empfehlen würde, die Rechte der deutschen Aktionäre mehr zu sichern. Deutschland könne die Zufahrt zur Gotthardtbahn verbessern und so der Schweiz noch weitere Vor­teile verschaffen. Auf diesem indirekten Wege könnte die Schweiz veranlaßt werden, den deutschen Aktionären eine Entschädigung zu gewähren. Der Vertrag wird in dritter Lesung angenommen. In zweiter Beratung werden sodann erledigt die Etats des Allgemeinen Pensionsfonds des Reichs- invalidenfonds und des Rechnungshofes. Es folgt die zweite Beratung des Etats der Reichs­eisenbahnen. Abg. Wild-Straßburg (Elf.): Die Betriebsmittel der Reichseisenbahnen, sowie die Verbindungen lassen zu wünschen übrig. Dringend erwünscht ist eine weitere direkte Eisen­bahnverbindung mit Frankreich. Es fehlen Arbeiterausschüffe. Auch entsprechen die Löhne den gesteigerten Lebensbedürfnissen nicht. Minister v. Breitenbach: Unsere Einnahmen haben sich in den letzten Jahren gebessert. Die Vergrößerung des Wagenparkes soll gleichmäßig vor sich gehen. Eine neue Eisenbahnverbindung nach Frankreich würde wenig Bedeutung für den internationalen Verkehr sondern mehr Bedeutung für den Nah­verkehr haben. Bei der Schwierigkeit des Vogesen­durchstiches müssen wir uns eine gewisse Zurück­haltung auferlegen. Arbeiterausschüsse können wir nicht zugeben. Unsere Arbeiter können heute schon ihre Beschwerden an jeder zuständigen Stelle Vorbringen. Die Löhne passen sich den ortsüblichen Sätzen an. Abg. Wetze! (natl.): Die Erfolge der süddeutschen Verwaltungen mit der Staatsbahnwagengemeinschaft sind sehr günstig. Der gemeinsame Betrieb sollte noch weiter aus­gedehnt werden. Minister v. Breitenbach: Die deutschen Eisenbahnen sind in wichtigen Fragen stets einheitlich vorgegangen. Wir haben uns jetzt zum ersten Male verständigt über einen Schienen- und Schwellenlieferungsvertrag. Abg. Carstens (fortschr. Vp.): Den Arbeitern muß das Koalitionsrecht gesichert werden. Das Streik- recht darf ihnen allerdings nicht gegeben werden. Die Arbeitszeit muß allmählich verkürzt werden. Die Arbeiterausschüsse sind im Interesse des sozialen Friedens nötig. Emmel (Soz.): Bei dem Vogesen­durchstich muß das Verkehrsinteresse vor allemmaß­gebend sein. Hinsichtlich der Arbeiterausschüffe und der Löhne sind die Reichseisenbahnen keine Muster­betriebe. Die Wohlfahrtseinrichtungen verdienen diesen Namen nicht. Das Koalitionsrecht wird ungebührlich eingeschränkt. Privatbetriebe zahlen durchschnittlich höhere Löhne als die Reichs­eisenbahn. Minister v. Breitend ach: Es ist unrichtig, daß wir die schlechtesten Löhne zahlen. Die sozialdemokratische Presse in Mülhausen i. E. hat dies selbst zugegeben. Wir lassen Berufs­vereine zu, verbieten aber den Anschluß in Vereine, die den Streik propagieren. Die be­sonderen Vorteile die unsere Arbeiter haben sind ein Entgeld dafür, daß wir über die sonst üblichen Ortslöhne nicht hinausgehen. Unsere Wohlfahrtseinrichtungen verdienen diesen Namen wohl, weil sie mehr als die gesetzlichen Anfor­derungen erfüllen. Wirtschaftliche Wünsche nehmen wir stets von unseren Arbeitern und ihrer offiziellen Vertretung entgegen. Behrens (wirtsch. Vgg.): Bei den Eisenbahnarbeitern steht das allgemeine Verkehrsinteresse dem Streikrecht

entgegen. Es ist nicht möglich, 400000 Staats­eisenbahnarbeiter zu Staatsbeamten zu machen. Werner (Refpt.) r Gewiß kann manches ge­bessert werden. Der Kontraktbruch der StaatS- arbeiter ist dabei entschieden zu verurteilen. Die TeuerungSverhältniffe müssen bei der Festlegung der Löhne berücksichtigt werden. Schirmer (Ztr.): Es ist zu erwägen, ob nicht ein Eisen­bahnarbeiterrecht zu schaffen ist. Storz (Fisch. Vp.): Ein Vogesendurchstich mit einer neuen Eisenbahnverbindung durch Süddeutschland ist notwendig. Böhle (Soz.): Die bestehenden Arbeiterausschüffe sind völlig ungenügend. Die Zustände der Werkstättenbetriebe geben zu zahl­reichen Beschwerden Anlaß. Minister.Breiten- bach: Die Rechtslage der Eisenbahnarbeiter wird durch die Gewerbeordnung und das gemeine Recht bestimmt. Die betreffenden Bestimmungen werden vollinhaltlich angewandt. Die Lage unserer Arbeiter hat sich dauernd gebessert. Damit schließt die Generaldebatte. Es folgt die Spezialberatung. Bei Titel Wohlfahrtszwecke wünscht Schwabach (natl.), daß die Arbeiter der Reichseisenbahnen als Arbeitnehmer im Sinne der Arbeiterveisicherung angesehen werden. Auf eine Anregung für eine bessere Verbindung zwischen Kaiserslautern und Straßburg erklärt Minister Breitenbach, die Terrainverhältniffe ließen einen solchen Bahnbau nicht zu. Auf eine weitere Anregung betr. das Personal der Schlaf- und Speisewagengesellschaft erklärt der Minister, mit dieser Gesellschaft liegen Privat­verträge vor. Auf die Personalverhältniffe hätte die Verwaltung nur solange und so weit Einfluß, als die Wagen durch Deutsches Gebiet fahren. Der Etat wird bewilligt. Das Haus vertagt sich sodann auf Montag 12 Uhr: Etat des Reichs­kanzlers und des Auswärtigen Amtes.

Hamburg 13. März. Die heutigen Morgenblätter veröffentlichen eine Aufforderung zur Zeichnung für den Bau einer drehbaren RundHalle für mindestens 2 Zeppelin- Luftschiffe, sowie für eine Anlage zur Er­zeugung von Wasserstoffgas. Die Gesamtkosten betragen etwa eine Million, wovon reichlich 400 000 ^ bereits gezeichnet sind. Der Mindest­betrag jeder Zeichnung beträgt 1000 °^. Die Aufforderung ist von den Spitzen der hiesigen Kaufmannschaft unterzeichnet.

Paris 10. März. Ein wahrhaft erschüttern­des Drama ist einer kurzen Meldung von einem am Montag vorgekommenen Unfälle auf der Lokomotive des Blitzzuges Paris-Bordeaux ent­halten. Gleich hinter Tours wurde der Lokomotiv­führer durch eine herausschlagende Flamme schwer verbrannt und sein Heizer ebenfalls verletzt. Trotz der Brandwundenschmerzen erfüllte dieser seine Pflicht, ohne einen Augenblick zu überlegen. Der Zug durfte erst in Poitiers halten, also nach einer Stunde Fahrt. Was die Unglücklichen während dieser Zeit aushielten, ist unbeschreiblich. Sie blieben bis zum Einlaufen in den Bahnhof aufrecht. In Poitiers war es schon zu spät, um den Lokomotivführer der Name verdient genannt zu werden, Albert L av au zu retten. Er starb, als man ihn kaum ins Hospital ein­geliefert hatte. Der Heizer wird auch mehrere Monate nötig haben, um seinen Dienst wieder versehen zu können. _

Vermischtes.

Millionenunterschlagungen in Paris. Der gerichtliche Verwalter Duez, der mit einem Teil der Liquidation der kirch­lichen Genossenschaften betraut war, ist verhaftet worden, weil sich bei der Kontrolle seiner Bücher erhebliche Unterschlagungen herausstellten. Duez hat gestanden, Depots von ungefähr 4 Millionen bei der Verwaltung der Ordensgüter und eine Million bei seinen anderen Verwaltungen unter­schlagen zu haben. Die schwierige Untersuchung der komplizierten Rechnungsführung wurde schon seit längerer Zeit geführt, doch gelang es erst jetzt, Klarheit zu s chaffen. _

Reklameteil.

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