Gamstag Beilage z« Nr. SS. 5. Februar ISIS.
vie Lest« vom Ukekamphof
Roman von Erich Ebenst ein.
(Fortsetzung.)
Lori hat die Ziegen gemolken und die Milch ins Haus hinübergetragen. Jetzt steht sie am Herd, wo die hochlodernden Flammen ihr Gesicht mit roten Reflexen färben.
Unbeweglich, fast starr ist ihre Haltung. Der Blick mit dem sie unverwandt in die Flammen starrt, hat etwas Entrücktes. Zwischen den Lippen hält sie eine kleine Pfeife aus gebräuntem Holz mit silbernem Deckel.
Diese Pfeife, welche der einzige Genuß ist, den die Ebeseder Lori seit zwanzig Jahren kennt — denn ihr Leben im Höllgraben war kaum besser, als es jetzt hier ist — bildet einen seltsamen Gegensatz zu dem weichen, verträumten Ausdruck, der über ihren Zügen liegt, wenn sie sich allein weiß.
Draußen rauscht es eintönig von dem gleich hinter dem Haus aus der Höhe stürzenden Wasserfall des Wildbaches, der schäumend und zischend weiter eilt gegen das ferne Tal.
In der Hütte regt sich nichts, als das knisternde Feuer, welches die Kienspäne verzehrt. Sein roter Schein dringt durch die offene Tür hinaus in die Nacht.
Die Holzknechte arbeiten heute hoch oben und können noch nicht heimkommen, aber von der Talseite her läßt sich jetzt ein schwerer Schritt hören. Lori macht eine Bewegung, als wolle sie sich selber in die Wirklichkeit zurückrufen. Wie weggewischt ist plötzlich der weiche Ausdruck und ihr farbloses Gesicht blickt kalt und steinern.
Gleich darauf tritt der Hobein Franz über die Schwelle.
„Abend!" sagt er kurz, und wirft sich erschöpft auf sein Bett,-das gegenüber dem Herd in der Ecke steht.
„Abend!" gibt Lori zurück, ohne sich umzuwenden. Sie rührt das Maismehl in den Kessel und hängt diesen etwas höher. Dann zieht sie den schwarzen Eisentopf vom Feuer weg, in dem die Milch eben zu steigen beginnt. Erst während sie auf den Eßtisch die Beinlöffel hinlegt, sagt sie gegen Franz hin: „Was ist? Hast was ausgerichtet?"
„Nein. Der Holzherr meint, ich wär zu jung als Sägemeister. Er will einen Erfahrenen. Als ob's die Jahre machten? Letzthin beim Sulzgrabenhäusl bin ich zu spät gekommen, und jetzt ist's wieder nichts. Pech Hab ich."
„Was wirst jetzt tun?"
Franz richtet sich halb auf und stützt den Kopf in die Hand.
„Beschlossen Hab ich's heut, daß ich fortgehe von da. Mit dem Ersparten, was ich Hab, kann ich drüben in Amerika wohl fortkommen. Dort find ich leichter Arbeit als hier."
Lori steht ihn betroffen an.
„Ganz fort willst? Was wird das Dirndl dazu sagen?"
„Heut nacht noch geh ich hinauf . . . wenn sie die richtige Lieb' hat, dann geht sie mit. In drei Wochen kann uns der Pfarrer in Egydi zusammengeben, dann geht's gleich fort."
Lori schüttelt den Kopf.
„Viel ist'S, was Du verlangst von ihr! Manchmal wohl Hab ich auch gedacht ans Auswandern, aber es hat mich nicht fort lassen. Die Berge und der Wald und die Luft . . . ohne das, Hab ich gespürt, könnt ich nicht leben."
„Die Sanna geht nicht allein. Der Mann mein' ich, müßt ihr mehr wert sein, als alles andere."
„Du redest stolz daher! Weißt denn, ob sie so eine Starke ist, die Sanna?"
„Ich hoff's."
„Ins Ungewisse fort . . . vielleicht in Not und Elend ..." sagt Lori nachdenklich vor sich hinstarrend, „es gehört viel Lieb dazu, um das zu können ..."
„Wenn fie's nicht kann oder nicht will", antwortet Franz trotzig, „dann hat sie nicht die ganze Lieb zu mir, wie ich zu ihr. Und die Halbscheid ist mir zu wenig . . . Wenn's für mich dazu käme: Nicht
bloß die Heimat gäb ich hin für sie, sondern Ehr und Leben und alles!"
Draußen werden Stimmen laut und Schritte.
„Sag' ihnen nichts, daß ich fort will", flüstert Franz hastig, „nichts, wohin ich heut nacht noch will, Du weißt, wir halten keine Kameradschaft, sie und ich, und vor allem, was mich angeht, brauchen sie nichts zu wissen. Am wenigsten aber von . . . ihr."
„Du weißt, ich red' nur, was notwendig ist, mit ihnen! Aber wegen dem Dirndl muß ich Dir noch sagen, daß der Lenz wohl weiß von ihr."
„Ich weiß es. Es ist mir ein Grund, warum ich die Sanna so bald wie möglich fortnehmen möcht' . . . eh's ein böses Ende nimmt. Ich
Hab' mich stark in der Gewalt, aber wenn's um da« Dirndl geht, dann
verlier ich gleich den Verstand. Es könnt einmal eine Stunde kommen, wo ich den Lumpen Niederschlagen müßt."
Er verstummte plötzlich, denn der, von dem er soeben gesprochen hatte, war als Erster ins Haus getreten, und vielleicht hatte er die letzten Worte noch gehört, denn er warf einen bösen, tückischen Blick nach dem Winkel, in dem Franzens Bett stand.
Dem roten Lenz folgten die anderen. Bald sind die Bänke um den Tisch herum mit wilden, bärtigen Gesellen besetzt, von denen mehr als einer ein lichtscheues Aussehen hat.
Lori bringt den Sterz aus Maismehl und Ziegenmilch dazu. Als sie "Franz zum Essen winkt, sagt dieser: „Laß nur. Hab keinen Hunger" und bleibt in seiner Ecke liegen, worauf der lange Steingruber Toni, ein strohblonder Bursche mit verschlagenem Blick und gemeinen Zügen, recht höhnisch bemerkt:
„Der Herr „Baron" wird sich halt schon in Egydi satt gegessen haben. Dem taugt das gemeine Zeug nicht, das unsereiner ißt."
„Oder er holt sich heimlich anderwärts ein feines Schmalzkoch, das ihm sein Schatz kocht," sagt Lenz mit lauerndem Blick. „Oben auf der Mittenbodenalm tät ich eine solche wissen."
Franz rührt sich nicht. Er schweigt auch noch, als Toni frägt, ob dieselbe sauber genug wäre, daß man wegen ihr den Weg mache und Lenz die Antwort gibt: „Sauber ist sie schon, die Sanna, die Heuer beim Ochsenstini oben haust, aber das Hinaufgehen kannst Dir sparen, Steingruber Toni. Da vertrett ich jedem den Weg, der zu ihr will."
Lori mischt sich ein.
„Halt Dein wüstes Maul," sagt sie kurz, „und red' nicht, als ob die Florus Susanns Dir Nachfragen täte! Die kenn' ich besser als Du und ich sag's Dir geradeaus: um die müßt' schon ein ganz besonderer kommen, kein so Wilder wie Du!"
Lenz sieht sie spöttisch an.
„Woher kennst denn nachher Du das Dirndl? Hab alleweil gemeint, Du wärst fremd da herum — Deinem Reden nach?"
„Das geht Dich nichts an. Mach', daß Du ins Bett kommst!"
„Oho! Morgen ist Sonntag, da kriech ich heut' noch lang' nicht ins Stroh. Lustig will ich sein heut . . .! Heut' ist meiner Dirn ihr Namenstag, das muß doch gefeiert werden. Hol Bier aus dem Keller, Lori, ich zahl's!"
„Franz macht eine Bewegung, als wollte er aufspringen, bezwingt sich aber und bleibt liegen.
„Wie heißt sie denn, dieselbige?" frägt einer den Lenz.
„Susanne."
Lori hat das Bier geholt und stellt die Flaschen mit finsterem Gesicht auf den Tisch. Einer der Burschen setzt sich abseits und bessert an einem Bundschuh herum, ein anderer setzt sich mit unbeholfenen Fingern einen Flicken auf den Werktagsrock. .Einige tun es Franz nach und werfen sich ermüdet aus ihr Bett.
Am Tisch bleibt Lenz mit dem Toni und vier anderen Burschen. Einer davon, den sie Sepp heißen, ist schon über die Jugend hinaus und trägt ein verwittertes Gesicht unter dem struppigen Haar.
Woher er stammt, weiß niemand, und noch weniger, warum er unter die Holzer gegangen ist, denn er hat die Taschen immer voll Geld und könnte damit wohl auch anderwärts ein behaglicheres Auskommen finden. Finster und schweigsam sitzt er unter den anderen und nur eines bringt Leben in seine glanzlosen Augen: die Karten.
An diesen wendet sich jetzt Lenz, indem er ein Spiel abgegriffener Karten aus der Tasche zieht und auf den Tisch wirft.
„Alsdann Sepp — was willst spielen?"
Das braucht man dem Sepp nicht zweimal zu sagen. Mit Leib und Seele ist er dabei und bald sind die beiden vertieft in ihr Spiel.
Der Steingrubertoni ist mit funkelnden Augen näher gerückt und sieht dem Lenz in die Karten. Auch er ist einer von denen, die der Spielteufel zu Zeiten gottsjämmerlich packen kann. Die Bierflaschen sind bald geleert, Sepp, der an einem fort gewinnt, läßt jetzt Wein kommen, und Lenz, der sich den Aerger über sein Pech nicht anmerken lassen will, stürzt ein Glas nach dem andern hinunter.
Lori hat inzwischen das Geschirr gereinigt und in Ordnung gebracht, das Feuer auf dem Herd ist erloschen und die Burschen mit Ausnahme Franzens schnarchen in den Betten. Nur die sechs am Tisch denken an keinen Schlaf.
Da erhebt sich Franz und will das Haus verlassen, um aus die Mitterbodenalm hinaufzusteigen.
Im selben Moment wirft aber Lenz die Karten hin, springt auf und vertritt ihm den Weg. Er ist heiß vom Wein und dem Aerger über Sepps Glück. Dazu kommt nun noch die Eifersucht.
„Wo willst hin?" schreit er Franz an, der ihn ruhig ansieht und dann einfach beiseite schieben will.
„Ich leid's nicht, daß Du auf die Mittenbodenalm hinaufschleichst!"
(Fortsetzung folgt.)